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Kapitel 1

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Die Formel, sie wirkte nicht. Judas kauerte auf Knien in der Gebetskammer, die Hände gefaltet. Während seiner Ausbildung hatte er alle Gebete und Formeln gelernt, mit denen er sich an den Eisengott wenden durfte. Als ein Ritter hatte er als einer der wenigen das Privileg dazu. Die gewöhnlichen Menschen mussten Iljas anrufen, den Propheten des Eisengottes. Er war der Einzige, der jemals lebend zum Eisengott aufgefahren war, um ihm persönlich dienen zu dürfen. Judas kannte ihn aus alten Dateien, die er als junger Novize studieren musste. Iljas Schriften halfen dabei, einen tiefen Einblick in das fast unergründliche Wesen des Eisengottes zu nehmen.

Früher hatte es Judas immer geholfen, seinen Gott anzurufen. Er versuchte sich an jedem Gebet. Doch die Worte vermochten nicht seine Trauer hinfort zu nehmen.

Mein Glaube ist zu schwach. Judas schauderte bei diesem Gedanken. Doch das war die einzig logische Schlussfolgerung. Aber das konnte nicht sein, er war einer der ergebensten und treuesten Ritter des Eisengottes!

Allein die Aufmerksamkeit auf seinen Atem zu lenken und diesen ungehindert fließen zu lassen, half Judas. Ohne seine störenden Gedanken fand er den Frieden, den ihm der Eisengott verwehrte.

Sobald Judas zu den Gebeten zurückzukehren suchte, geriet sein Geist in Aufruhr. Sogleich sah er Ebba in der Geschützsektion des Klingenjägers sitzen. Sie hämmerte gegen das Kraftfeld des Cockpits und schrie ihm etwas zu, das er nicht verstand. Im nächsten Moment wurde sie von einer blauen Plasmawolke überrollt.

Es klickte, leise und doch hörbar.

»Öffnen«, sprach Judas.

Die Tür schoss so schnell beiseite, dass die Augen ihr nicht zu folgen vermochten. Dahinter stand eine zierliche Frauengestalt in weißer Robe. Der Stoff war mit Eisenfäden durchwirkt und schimmerte deshalb in dem matten Licht. Die ausladenden Ärmel hatte sie vor der Hüfte ineinandergeschoben. An ihrem Gürtel hing ein Schwert, als Zeichen der Ritterschaft. Ihr Kopf war wie der eines jeden Ritters kahlgeschoren. Sie besaß eine hohe Stirn und ein rundes Gesicht. Die blauen Augen zeugten von Arglosigkeit. Dafrosa war erst kürzlich zum Ritter geschlagen worden. Judas stellte nicht infrage, dass sie gerade ihm zugeteilt wurde, schließlich konnte sie bei ihm am meisten lernen. Allerdings besaß sie nach seinem Dafürhalten nicht die nötige Härte für einen Kampfeinsatz. Aber Eisen wurde im Feuer geschmiedet, so hieß es zumindest. Auch wenn diese Praktik schon lange nicht mehr angewandt wurde, um Metalle zu bearbeiten.

»Ja?«, fragte Judas, als seine Partnerin den Blick nicht von ihm abwenden wollte.

Er galt unter den Rittern als ein Kriegsheld. Was ihm völlig einerlei war. Judas tat das Nötigste, um dem Eisengott zu dienen. Dabei waren sie schon oft in brenzlige Situationen geraten. Bisher hatte der Eisengott schützend seine Hand über Ebba und ihn gehalten. Nach seinem Empfinden hatte Judas nicht mehr vollbracht, als jeder Ritter tun würde. Dennoch tuschelten die Adepten, wenn er vorbeikam, und erstarrten vor Ehrfurcht, wenn er sie ansprach.

»Die ... die Mutter ruft zum Gebet«, stammelte Dafrosa.

Die Mutter war neben Iljas die einzige Heilige ihres Ordens. Anstatt sie zu sich zu nehmen, gewährte ihr der Eisengott ewiges Leben. Seit nunmehr fünfhundert Jahren führte sie die Ritter an.

Erleichterung machte sich in Judas breit. Endlich gab es etwas zu tun. Das sollte ihn ablenken. Er erhob sich, gürtete sein Schwert und trat auf den Gang. In dieser Sektion waren Gebetskammern zu beiden Seiten des Korridors angeordnet. Hierhin durfte sich jeder Ritter zurückziehen, um seinen Geist zu beruhigen. Wenn jedoch die Mutter rief, so hatten sie zu erscheinen.

Judas schloss sich Dafrosa an. Gemeinsam gingen sie zu den Turboliften. Sie führten direkt in den Zeremoniensaal des Großschwerts der Mutter.

»Ihr müsst damit aufhören«, hielt er seine Gefährtin an.

»Was ... womit?«, fragte Dafrosa erschrocken, als habe er sie aus tiefen Gedanken gerissen.

»Mit dem Starren. Ihr seid nun ein Ritter, Ihr müsst Haltung wahren. Verstanden?«

»J ... Ja.«

Er sah sie an. Dafrosa blieb stehen und schrumpfte in sich zusammen.

Judas packte sie an den Schultern und richtete sie auf. »Haltung«, wiederholte er. »Eine Ritterin geht nicht mit krummem Rücken. Sie zuckt nicht zusammen, wenn man sie anspricht, und sie wird auch nicht rot.«

Dafrosa sah zu ihm auf. Ihr Gesicht leuchtete wie ein Warnsignal.

Judas schüttelte den Kopf darüber. Er erinnerte sich noch genau an seine Ausbildung, auch er hatte diese Lektion lernen müssen. Aber war er ebenso schreckhaft gewesen? Einer seiner Mundwinkel zuckte. Doch er verkniff sich das Lächeln. Er hatte damals Glück gehabt, er war keinem altgedienten Ritter zugeteilt worden und hatte sogleich seinen Platz im dritten Geschwader gefunden. Zusammen mit Ebba. Aber die Ehrfurcht kannte er. Auch heute spürte er Anklänge davon, wenn er dem obersten Kommandanten gegenübertrat. Beim ersten Mal waren ihm die Knie eingesunken und er hatte gänzlich das Atmen vergessen. Nur ein Stoß von Ebba in die Rippen erinnerte ihn daran Luft zu holen, ohne ihr Zutun wäre er wohl ohnmächtig geworden.

»Ich ...« Dafrosa bemerkte, wie brüchig ihre Stimme war. Sie räusperte sich und setzte erneut an. »Ich gelobe Besserung.«

»Gut.« Er ließ sie los. »Gibt es einen besonderen Anlass, warum die Mutter ruft?«

»Unser Geschwader rückt aus«, antwortete Dafrosa, während sie den Weg fortsetzten.

»Schon?« Judas war überrascht.

»Ihr wart drei Tage im Gebet.« Sie wirkte beeindruckt von so viel Hingabe. Dass er die meiste Zeit in Zweifel und Trauer zugebracht hatte, brauchte sie nicht zu wissen.

Sie betraten den Lift, Dafrosa nannte das Ziel und sogleich schossen sie durch das Innere des Großschwertes. Die künstliche Schwerkraft hielt sie am Boden des Turbolifts. Auch wenn Judas wusste, dass sich die Kabine mehrfach um die eigene Achse drehte und zeitweise sogar auf dem Kopf stand, so bemerkte man nichts dergleichen. Die Tür glitt auf und sie traten hinaus in den Zeremoniensaal. Wie selbstverständlich hielten sie im Scanner vor der Halle an. Ihre Feinde, die Auglaras, nutzten Nanotechnologie und versuchten auf diese Weise, den Orden der Eisenritter zu infiltrieren. Deshalb musste man auf den Großkampfschiffen an nahezu jeder Ecke seinen Körper durchleuchten lassen. Es ging das Gerücht um, dass die Ketzer einen Weg gefunden hatten, mit den Nanorobotern das Bewusstsein von Menschen zu kontrollieren. Einen Agenten in ihren Reihen zu haben, der nicht wusste, dass er für den Feind arbeitet, war das schlimmste vorstellbare Szenario. Bisher waren drei Funde von Nanobots bekannt ... drei zu viel.

Neben ihnen strömten weitere Ritter aus den Liften und betraten den ausladenden Saal. Die Wände und das Dach waren zu einer silbernen Kuppel gewölbt. Das Eisen, aus dem der Zeremoniensaal gefertigt war, erstrahlte in gleißendem Licht, das im Zentrum der Runddecke leuchtete.

Die Ritter knieten sich auf den Boden, den Kopf gesenkt, ihre Schwerter hatten sie zu ihrer Rechten auf den Boden gelegt. Dafrosa und Judas taten es ihnen gleich.

»Wir sind angetreten!«, intonierte der Zeremonienmeister.

»Zu Ehren der Mutter steht unserer Leben im Dienste des Eisengottes!«, sprachen die Ritter im Chor. Der Schwur drang in das Herz eines jeden Anwesenden und brachte dessen Eifer zum Glühen.

Hier und da schnieften einige Adepten vor Ergriffenheit. Dafrosa gab keinen Ton von sich, wischte sich aber über die Augen. Nur Judas fühlte nichts. Saß seine Trauer so tief? Löschte der Schmerz seine Herzenstreue?

Das war noch nie vorgekommen. Nach dem Besuch der Ur-Erde hatte Judas gewusst, dass er Ritter werden würde. Seither war seine Ergebenheit ungebrochen. Sogar als Hunderte seiner Brüder freiwillig in den Tod geflogen waren, um eine Übermacht der Auglaras von der Pilgerstation fernzuhalten. Ebba und er waren damals nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie hatten fünf Tage in ihrem manövrierunfähigen Klingenjäger gesessen. Nachdem ihnen die Injektionen ausgegangen waren, wartete ein qualvoller Hungertod auf sie. Sie hatten ihre Seelen bereits dem Eisengott überantwortet, als sie von ihrem Orden gefunden wurden.

»Meine Kinder!«, ertönte die Stimme der Mutter. Sie stand auf einem Balkon, der in der Mitte des Saals aus dem gleißenden Licht heruntergefahren wurde. Das wusste Judas, weil er als Adept einmal aufgesehen hatte. Ein Frevel, der Schülern verziehen wurde. Denn gegenüber der Mutter gehörte es sich, das Haupt stets demütig gesenkt zu halten.

»Der Eisengott ist stolz auf euch!«

Noch vor wenigen Tagen hätten Judas diese Worte Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Jetzt ließ ihn dieses Lob zum ersten Mal völlig kalt.

»Er entsendet euch zur Ablöse an den Pilgerweg, auf dass ihr die Gläubigen schützen möget. Der Segen des Eisengottes begleitet euch auf eurem Pfad. Gehet mit dem Wissen, dass er euch erwartet, wenn ihr eure Schuldigkeit getan habt.«

»Zum Ruhm des Eisengottes!«, riefen die Ritter. Judas bewegte zwar die Lippen, aber er blieb als Einziger stumm.

»Erhebt euch im Namen des Eisengottes!«, rief der Zeremonienmeister.

Die Ritter standen unter dem Rascheln ihrer Roben auf und gürteten dabei ihre Waffen.

Sie begannen erst miteinander zu sprechen, als sie den Saal hinter sich gelassen hatten.

»Habt Ihr die Mutter schon einmal gesehen?«, fragte Dafrosa neugierig.

»Einmal«, entgegnete Judas. »Nachdem wir ...« Er stockte, als er an Ebba dachte. »Nachdem wir einen Aufstand der Hybonitschürfer zerschlagen haben. Sie hat uns persönlich gedankt.«

Judas spürte den bewundernden Blick von der Seite.

»Bruder Judas!«, klang die Stimme des Admirals ihres Geschwaders an seine Ohren. Er wandte sich zu ihm um.

Admiral Roland war eine eindrucksvolle Erscheinung. Er war stark und unerschütterlich im Glauben. Wie bei jedem Ritter war auch sein Kopf kahlgeschoren. Seine Position erlaubte ihm jedoch einen Vollbart, der sich dicht und rot über seine untere Gesichtshälfte erstreckte. Selbst im Zeremoniengewand ließ Rolands Statur vermuten, er trüge darunter die Kampfrüstung, solch breite Schultern besaß er. Die Ausstrahlung des Admirals war weithin spürbar, in dessen Angesicht fühlte sich jeder klein und unbedeutend.

Admiral Roland schritt auf die beiden zu. Die Ritter in seinem Weg wichen ehrfürchtig zur Seite.

»Haltung«, flüsterte Judas, der aus den Augenwinkeln sah, wie Dafrosa Kopf und Schultern einzog. Sie straffte sich daraufhin merklich.

Roland musterte Judas, als wolle er den Zustand seiner Seele beurteilen. Judas hielt dem Blick stand.

»Ihr werdet nicht mit uns kommen«, eröffnete er.

Jetzt musste selbst Judas schlucken.

»Die Schürfer auf M-127 im Sektor 12.1 sind mit ihren Zahlungen im Rückstand und reagieren nicht auf Funksprüche«, erklärte der Admiral. »Ihr werdet Euch dorthin begeben und sie daran erinnern, wem ihre Treue gilt. Judas, unter den Schürfern seid Ihr eine Art Volksheld, sie werden Euch zuhören. Ansonsten dürft Ihr jedwedes Mittel anwenden. Lasst Euch von Meister Georg für diesen Einsatz ausrüsten. Weggetreten.«

»Jawohl!« Judas salutierte. Dafrosa tat es ihm gleich, wenn ihr Salut auch stockte.

»Judas, ich muss Euch unter vier Augen sprechen«, hielt ihn Admiral Roland zurück, als sich die beiden zum Lift begeben wollten.

Überrascht hielt Judas inne. »Wartet hier auf mich«, wies er Dafrosa an. Sie nickte.

An der Seite von Admiral Roland schritt er zurück in den Zeremoniensaal. Der Balkon der heiligen Mutter war eingefahren. Leer wirkte der Raum in seiner Größe bedrückend.

Roland sah sich um, als befürchtete er, belauscht zu werden. »Judas, Ihr müsst wissen, dass dies keine Degradierung ist, aber wir fürchten eine Rebellion der Hybonitschürfer. Deshalb haben wir uns entschieden, Euch dorthin zu schicken. Ihr seid vertraut im Umgang mit Aufständischen.«

Judas nickte. »Aber damals ist es eskaliert und wir mussten die Schürfanlage ...« Warum fiel es ihm so schwer, auszusprechen, was sie im Namen des Eisengottes getan hatten?

»Wir mussten sie auslöschen«, riss er sich am Riemen.

»Großritter Dustin hatte fünfzig Ritter bei sich. Diese Mannstärke hat die Schürfer provoziert. Ich kenne die Aufzeichnungen«, entgegnete Admiral Roland. Aber das war es nicht, was die Menschen gegen die Ritter aufgebracht hatte. Judas war dabei, er hatte die herablassende Art von Dustin miterlebt. Ebba war selbst kurz davor gewesen, dem Großritter in den Rücken zu fallen. »Deshalb sollt Ihr zu zweit gehen. Ihr seid für Eure Selbstbeherrschung bekannt. Und Dafrosa ...«

»Ritterin Dafrosa«, unterbrach Judas. Selbst wenn sie erst kürzlich zum Ritter geschlagen worden war, so geziemte es sich nicht, ihren Namen ohne Titel auszusprechen.

»Ritterin Dafrosa«, gestand ihm der Admiral zu. »Sie wirkt arglos und völlig ungefährlich. Sie wird die Schürfer nicht aufstacheln. Dennoch habt Ihr die Befugnis, alles zu tun, was notwendig ist, um die Arbeiter zur Räson zu bringen.«

»Verstanden.«

Die beiden Ritter salutierten voreinander und Judas schritt zu seiner Ordensschwester, die einen Lift gerufen hatte und auf ihn wartete.

»Waffenkammer«, befahl Judas und der Lift setzte sich in Bewegung.

»Ein Einsatz außerhalb des Geschwaders«, freute sich Dafrosa. »Wie aufregend.« Sie wiegte nervös auf den Füßen hin und her.

Judas schenkte ihr einen strengen Blick. Hybonitzahlungen einzufordern, war eine heikle Sache. Alles wurde mit den Energiekristallen betrieben. So waren die Schürfer ebenfalls auf diese Ressource angewiesen. Ihnen zu viel abzuverlangen, setzte sie Elend und Hunger aus. Zum anderen durften die Ritter nicht riskieren, dass der Pilgerpfad zur Ur-Erde unterversorgt blieb. Das würde allen Menschen des Sternensystems die Hoffnung nehmen.

Mit Ebba hatte Judas oft darüber gestritten. Ihr Standpunkt war, dass zunächst die Schürfer leben mussten, erst die übrigen Energiekristalle sollten sie abgeben. Seine Meinung war völlig gegensätzlich, die Planeten boten unendlich viel von diesem Material, sodass sich die Minenarbeiter nur richtig anstrengen mussten, um den verlangten Ertrag abzuliefern. Jeder hatte seinen Beitrag zu leisten. Schließlich wurden sie dafür von den Rittern beschützt.

Die Tür öffnete sich zischend und gab den Blick auf die Waffenkammer frei. Dabei handelte es sich um einen rechteckigen Raum, in dessen Mitte vier Schmiedetische standen, auf denen die Waffen der Eisenritter repliziert wurden. An den Wänden befanden sich jeweils drei Bildschirme. Daran konzipierten die Techniker neue Ausrüstung. In einigen Regalen lagen verschiedene Prototypen. Außerdem gab es Waffenständer, in denen die Schwerter aufgereiht waren, die gerade gewartet wurden oder auf Reserve bereitstanden. Im hinteren Teil der Waffenkammer gab es eine Tür, die zu einem Testraum führte. Dieser war vielfach gepanzert und für den Fall eines technischen Defekts mit Schilden abgeriegelt.

An einem der Bildschirme tippte Meister Georg herum, eine hagere Gestalt, die wirkte, als würde sie bei der kleinsten Berührung sogleich zerbrechen. Er hatte zotteliges grau meliertes Haar, das er sich, weil er kein Ritter war, nicht abrasieren musste. Er trug einen grauen Thermoanzug, der seine Körpertemperatur regelte. Für einen Ritter war dieses Kleidungsstück nicht mehr als Unterwäsche.

Im hinteren Teil der Waffenkammer war sein Lehrling mit einem eigenen Projekt beschäftigt.

Als die beiden Ritter eintraten, sah Meister Georg auf. Seine Iris war silbern. Er trug Implantate in den Augen, die seine Sehkraft verbesserten.

»Ritter Judas und ...«, er verbeugte sich ergeben. »Tut mir leid, aber Euch bin ich bisher nicht vorgestellt worden.«

»Dafrosa«, sagte sie freundlich.

»Ritterin Dafrosa«, verbesserte Judas.

»Selbstverständlich, Ritterin Dafrosa«, entschuldigte sich Georg, wobei er kurz nach rechts oben sah, als speicherte er den Namen gedanklich ab. Vermutlich verfügte er über weitere Implantate, die seine Erinnerung unterstützten. So wie Judas diesen Mann einschätzte, war er mittlerweile mehr Maschine als Mensch – was seiner Arbeit nur dienlich sein konnte und allein darauf kam es an.

»Wir sind in den Außendienst berufen worden und benötigen dementsprechende Ausrüstung«, erklärte sich Judas.

»Unser bester Pilot, der im Alleingang ein Auglarasschiff zerschlagen hat?« Georg zog die Stirn kraus. Dem Waffenmeister fehlte die Beherrschtheit, die einem Ritter zu eigen war.

»Befehle.« Mehr musste Judas nicht sagen. Er tat, was man ihm sagte. Und du nennst Georg eine Maschine, klangen Ebbas Worte in seinem Kopf wider. Sie hatte kaum etwas auf Etikette und Vorschriften gegeben. Wären die beiden nicht ein solch überragendes Team gewesen, Ebba wäre schon längst strafversetzt worden. Judas hatte ihren Ungehorsam stets überspielt. Und dass sie am Rittertum zweifelte, hatte sie ihm lediglich im Vertrauen erzählt. Niemand wusste davon. Doch das spielte jetzt keine Rolle mehr, jetzt da Ebba ... tot war.

»Natürlich, natürlich, Befehle befolgen wir alle.« Georg trat an einen Bildschirm, der sogleich aufglomm.

Judas ging an den ersten Schmiedetisch, während Dafrosa zu Georgs Lehrling schlenderte und neugierig auf dessen Bildschirm lugte. Wäre sie noch ein Adept gewesen, hätte Judas sie zurückgerufen, aber nun ... Sie musste selbst lernen, wie man sich seine Autorität vor den Waffenmeistern bewahrte. Sich für deren Arbeit zu interessieren, war jedenfalls der falsche Weg.

»Hier haben wir einen verbesserten Schildgenerator«, verkündete Georg.

Vor Judas erschien eine Projektion. »Er ist sehr klein«, urteilte er. Die alten Schildgeneratoren wurden auf der Brust getragen und waren sperrig. Wenn man in einem Klingenjäger saß, waren sie nicht hinderlich, aber bei einem Kampf mit dem Schwert konnten sie einem im Weg sein.

»Mir ist es gelungen, den Energiebedarf zu verringern, was den Speicher kleiner macht«, erklärte Georg stolz. »Er hält aber genauso lang«, beteuerte er auf Judas´ skeptischen Blick. »Des Weiteren kann man ihn am Energiewandler der Rüstung ankoppeln. Er muss also nicht selbst geladen werden wie früher.« Georg trat an den Schmiedetisch. »Bitte tretet zurück.«

»Ich weiß, dass man nicht in einen Replikator fassen darf«, schalt Judas ihn.

»Ein Schmiedetisch ist etwas mehr als ein einfacher Replikator«, berichtigte Meister Georg. »An einem Replikator verbrennt man sich nur die Hand. Bei einem Schmiedetisch wird sehr viel mehr Energie frei.«

»Und das bedeutet?«, brummte Judas.

»Dass er explodieren könnte.« Georg lächelte vielsagend. Auf Judas´ skeptischen Blick fuhr er fort. »Na ja, es kommt zu Fehlfunktionen im erschaffenen Gerät. Aber wenn eine Energiewaffe während einer Herstellung auf die Replikationsfläche gerät, fliegt einem so ein Schmiedetisch tatsächlich um die Ohren.«

»Würdet Ihr fortfahren«, verlangte Judas. »Ich bin in Eile.« Was kümmerten ihn die Bedenken eines Waffenschmieds. Dennoch nahm er vorsichtshalber den Sicherheitsabstand zum Schmiedetisch ein und überprüfte unwillkürlich den Sitz seiner Waffe.

Georg verkniff sich ein Lächeln. »Erschaffen«, verlangte er von der Apparatur. Der Tisch glomm auf, einzelne Partikel materialisierten sich, stoben aufeinander zu und umeinander herum, bis sich ein daumengroßer Schildgenerator bildete. Allein durch das Aufwenden von Energie aus dem gespaltenen Hybonit erzeugten die Schmiedetische Materie. Alles wurde auf diese Weise hergestellt, selbst die einzelnen Komponenten von Klingenjägern und Großschwertern.

Georg nahm den Schildgenerator zur Hand und drückte auf die Schaltfläche in der Mitte. Sogleich umgab seinen Körper ein blau wabernder Schild. »Das ist die übliche Funktion. Wenn ich aber die Energiezufuhr weiter nach oben regele«, der Schild weitete sich zu einer Kugel aus, in der Georg sich frei bewegen konnte, »dann erweitert sich der Schild zu solch einer Größe, dass ich ohne Weiteres eine zweite Person darin aufnehmen kann. Perfekt für den Außeneinsatz.«

»Er macht mich aber kampfunfähig«, widersprach Judas. »Das Schwert wurde bisher nie in den Schild miteingefasst, damit es nicht von ihm blockiert wird.«

»Das ist richtig«, stimmte Georg pikiert zu. »Jedoch zur Bergung eines Bruders oder einer Schwester ist es von Vorteil. Die Funktion hat außerdem noch einen anderen Kniff. Regle ich den Schild ganz nach oben, weitet er sich explosionsartig aus und alle Angreifer ringsum werden fortgeschleudert. Um der Frage zuvorzukommen, wer einen Schild derselben Frequenz benutzt, wird davon nicht getroffen.«

»Eine interessante Funktion«, gestand ihm Judas zu.

»Der Schildgenerator lässt sich bequem in die Rüstung einpassen. Ich würde vorschlagen, ihn an der Hüfte zu tragen, da ...«

»Das rechte Handgelenk«, fuhr Judas dazwischen. »Mit dieser Funktion will ich ihn im Kampf schnell einsetzen können. Vom Schwert zu lassen und erst an meinen Panzer zu greifen, dauert mir zu lange.«

»Ein gutes Argument. Was Ihr aber wissen müsst, diese Schildexplosion verschlingt alle Energie, die darin gespeichert ist. Danach bricht der Schild zusammen und lädt sich nur wieder auf, wenn er am Energiekern des Panzers angeschlossen ist.«

Judas nahm den Schildgenerator entgegen. »Noch einen für Ritterin Dafrosa.« Er betonte ihren Namen, um sie aufzufordern, endlich herüberzukommen und sich den wichtigen Dingen zu widmen. Sie hörte ihn gar nicht. Offenkundig interessierte sie sich mehr für das, was der Lehrjunge zu sagen hatte. Oder interessierte sie sich sogar für den Lehrjungen? Was sollte eine Ritterin mit solch einem Schwächling?

»Für den Außendienst braucht Ihr noch einen Scanner.« Georg nahm zwei dieser handlichen Geräte aus einem Regal. »Man weiß ja nie, wo die verdammten Auglaras ihre Nanobots hinterlassen haben. Ich würde jetzt noch gerne Euer Schwert überprüfen.«

Judas nahm es von der Hüfte und reichte es dem Waffenschmied, der es genau in Augenschein nahm.

»Ihr haltet es vortrefflich in Schuss«, lobte Georg. Mit seinen Implantaten sah er vermutlich wesentlich mehr als mit bloßem Auge.

»Es ist unsere Pflicht, uns um das Eisen zu kümmern«, rezitierte Judas.

»Wusstet Ihr, dass die Legierung, aus der die Klinge besteht, gar kein Eisen ist?«, belehrte Georg beiläufig. »Dieser Begriff stammt noch aus Zeiten, als wir die Ur-Erde bewohnten. Eisen würde die Kräfte gar nicht aushalten, die auf die Klinge wirken, wenn man sie entflammt.«

»Das ist mir bekannt«, entgegnete Judas zähneknirschend. »Auch wenn es wie Ketzerei klingt.«

»Ich bin Wissenschaftler, wir sind immer ein wenig ketzerisch«, grinste Georg schuldbewusst. »Wenn Ihr es wünscht, spiel ich Euch ein Update auf die Klinge, damit Euer Schwert seine Energiereserven besser nutzen kann.«

Judas nickte. Darauf sah er zu seiner Gefährtin hinüber. »Ritterin Dafrosa, Ihr müsst Eure Waffe prüfen lassen«, erinnerte er sie.

»Oh, ja natürlich.« Sie kam hastig herübergehuscht. »Es war nur so spannend, was Thaddäus zu berichten hatte. Stellt Euch vor, er erforscht eine Technik, mit der man Energie aus den Sonnen gewinnen kann.«

»Ketzerei!«, entfuhr es Judas, ohne dass er darüber nachdenken konnte.

Georg nahm Dafrosas Waffe und unterzog diese derselben Prüfung. »Nicht wirklich, werter Ritter Judas.« Er verengte die Augen. »Ich bin vor Kurzem in unseren Archiven darauf gestoßen. Diese Technik wurde auf der Ur-Erde verwendet, kurz bevor wir sie verlassen mussten. Wir müssen uns auch mit Alternativen zum Hybonit beschäftigen, falls es ...« Georg bemerkte selbst, dass seine Worte gefährlich waren.

»Ich höre«, forderte Judas ihn heraus.

»Er meint, dass wir eine neue Energiequelle brauchen, wenn die Kristalle abgebaut sind«, wusste Dafrosa.

»Das ist Blasphemie, der Eisengott selbst stellt uns diese Energiequelle zur Verfügung.« Auch diese Worte stammten aus dem Kodex der Eisenritter.

»Hm, die Klinge hat einige Scharten«, lenkte Georg ab. »Ihr müsst sie entflammen, bevor Ihr zuschlagt.«

»Ich weiß.« Dafrosa wurde rot. »Ich hab den Energiepegel nicht im Auge behalten und sie ist bei meinen Übungen erloschen.«

»Das lässt sich leicht reparieren«, meinte Georg gutmütig.

Judas beobachtete Georg argwöhnisch. Er ging sehr väterlich mit Dafrosa um. Dies missfiel ihm. Sie war schließlich eine Ritterin. Auch wenn sie noch einiges lernen musste, Schwäche zeigen durfte sie nicht und schon gar nicht vor jenen Menschen, die man nicht in den Ritterstand erhoben hatte.

»Bis dahin erhaltet Ihr eine andere Waffe.« Georg zog ein neueres Schwert aus einem der Waffenständer und reichte es Dafrosa. »Bitte sehr, ich wünsche viel Erfolg.« Er verbeugte sich, wie es die Etikette verlangte.

Die Eisenritter

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