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Vorwort

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In den letzten Jahren hat sich das Bild, das die Forschung sich von Lucilius machte, in einem wesentlichen Punkte gewandelt. Man stellt seine Satiren literarhistorisch nicht mehr, wie zumeist geschehen, ans Ende der archaischen oder vorklassischen Literaturepoche. Vielmehr scheint sich die bisher nur von wenigen Philologen vertretene These durchzusetzen, dass mit Lucilius eine neue Literaturepoche begann. Bei dieser Sicht wird deutlich, dass nicht erst mit Catull die Persönlichkeitsdichtung begann.

Eine neue Edition der Lucilius-Fragmente kommt deshalb vielleicht nicht ungelegen. Friedrich Leo hatte Marx’ Edition und Kommentar aus den Jahren 1904 und 1905 mit hohem Lob bedacht (1906, 837): „Man darf bemerken, daß wir Lucilius erst jetzt kennen.“ Conrad Cichorius befand 1908 im Vorwort seines Buches ‚Untersuchungen zu Lucilius‘: „Philologisch dürfte die Arbeit für Lucilius durch Marx im wesentlichen getan sein.“ Marx’ Edition markiert einen Meilenstein in der Lucilius-Forschung; sie ist mit Recht der Referenztext jeder Neubearbeitung der Fragmente. Aber die nachfolgenden Editionen zeigen auch, dass Cichorius zu optimistisch war. Sie bieten eine Vielfalt neuer Konjekturen der oft desolat überlieferten Fragmente, eine Vielfalt auch neuer Deutungen und, daraus resultierend, der Rekonstruktion thematischer Zusammenhänge. Eine neue Ausgabe muss all das kritisch sichten. Sie kann dem Benutzer Lesarten und Deutungen als plausibel empfehlen, sollte aber auch Alternativen diskutieren oder wenigstens auf sie hinweisen, um ihm ein eigenes Urteil zu überlassen.

Die Anordnung der Fragmente divergiert naturgemäß von Edition zu Edition erheblich. Allzu viele Fragmente sind vieldeutig, die Kontexte der Autoren, die ein Fragment bewahren, geben, abgesehen von der Angabe des Buches – und auch diese fehlt oft –, nur selten etwas her. Die aemulatio späterer Dichter kann zwar Anhaltspunkte liefern, birgt aber die Gefahr von Zirkelschlüssen. Für die Bücher XXVI–XXX sind Rückschlüsse aus der Zitierweise des Nonius Marcellus, dem wir die meisten Fragmente verdanken, etwas ergiebiger. Dies ist in einer Appendix mit dem Titel ‚Die lex Lindsay‘ ausgeführt.

Mit der Chance, aus Nonius Rückschlüsse für die Rekonstruktion zu gewinnen, sind die Editoren unterschiedlich umgegangen. Die Folgerungen, die Marx aus der erkennbar schematischen Arbeitsweise des Nonius gezogen hatte, waren schon bei Erscheinen seiner Ausgabe durch Wallace M. Lindsays Untersuchung (1903) in Vielem überholt. Folgt man ihm, sind weniger Fragmente in ihrer relativen Reihenfolge festgelegt, als Marx annahm. Kurioserweise hat Nonius überdies die Bücher XXVI–XXX in umgekehrter Reihenfolge zitiert, was die Frage aufwarf, ob dann auch die Fragmente der Reihen umzukehren seien. Marx bejahte dies und drehte die Reihen um.

Zwanzig Jahre später ignorierte Nicola Terzaghi (1933/1934) die Diskussion um Nonius. Doch Eric H. Warmington (1938) machte sich Lindsays These wieder zu eigen. Er entschied sich auch als erster, die Fragmentreihen aus den Büchern XXVI–XXX für die einzelnen Bücher in ihrer bei Nonius vorliegenden Reihenfolge zu belassen. Ettore Bolisani, der 1932 bereits eine italienische Übersetzung der Ausgabe von Marx vorgelegt hatte, verteidigte noch einmal (1939) ohne Erfolg Marx’ Sicht.

Neuen Auftrieb erfuhr die Luciliusforschung durch Werner A. Krenkel. In seiner Habilitationsschrift (1963, gedruckt 1965; die zweisprachige Ausgabe von 1970 lag bereits der Einreichung 1961 als Anhang bei) versuchte er über Lindsays Ergebnisse hinauszukommen. Dabei entfernte er sich vom Kern der lex Lindsay (Christes 1972, 1206–1208) und schmälerte damit ungewollt wohl auch ihre Überzeugungskraft. François Charpin (1978) verwarf jedenfalls sämtliche Versuche, aus der Zitierweise des Nonius Rückschlüsse zu gewinnen. Seine Entscheidung führt aber auch zu deutlichen Fortschritten in Textherstellung und Deutung, da so das je einzelne Fragment im Fokus steht.

Meine Überzeugung von der grundsätzlichen Richtigkeit der Lindsayschen These wird von Giovanni Garbugino geteilt (s. seine Beiträge in den Jahren 1980–1990 in den Studi Noniani). Es lag daher nahe, ihn um eine Teilnahme an dem Projekt zu bitten, als ich an seiner Fertigstellung zu zweifeln begann. Herr Garbugino hat die Bücher XXVII–XXIX sowie die ohne Buchangabe überlieferten Senare und Septenare bearbeitet. Seine Übersetzungen und Erläuterungen habe ich ins Deutsche übersetzt; um aber ein Minimum an Authentizität zu wahren, sind seine Übersetzungen der Fragmente ins Italienische den Erläuterungen vorangestellt.

Wir sind uns der Schwierigkeit bewusst, zwischen Interpretation des einzelnen Fragments und Hypothesen thematischer Zusammenhänge die Balance zu halten. Doch hoffen wir erweisen zu können, dass sich die Beachtung der lex Lindsay – sicherlich keiner lex im strikten Sinne einer ausnahmslos bestehenden Gültigkeit – positiv auf Anordnung und Interpretation der Fragmente auswirkt.

Hinweise:

Unserer Zählung der Fragmente ist jeweils Marx’ Zählung in Klammern beigegeben. Da alle nachfolgenden Ausgaben eine Konkordanz ihrer Zählung mit der von Marx enthalten, genügt in dieser Ausgabe eine Konkordanz ‚Marx vs. Chr./Gbg.‘, um Vergleiche zwischen den Ausgaben zu ermöglichen.

Nonius zitieren wir nach der Ausgabe von Lindsay, und zwar mit der Seitenund Zeilenzählung von Mercier. Dabei geben wir immer die (erste) Zeile des Lemmas an.

Mit * vor der Fragmentzahl sind mit Marx die Fragmente gekennzeichnet, bei denen der Name des Autors oder die Buchzahl auf einer Konjektur beruhen. (Für Sonderzeichen bei den fragmenta incertae sedis s. die Einführung dort).

Die Abkürzung der Namen antiker Autoren und Buchtitel sowie bibliographischer Angaben folgt der Vorgabe der Enzyklopädie ‚Der Neue Pauly‘ (DNP).

Im Juni 2014

Johannes Christes

Giovanni Garbugino

Satiren

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