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C. Lucilius

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Literatur: Marx I, XVII–LV; Cichorius 1–97; West 1928; Terzaghi 1934, 1–97; Coppola 1941; Anderson 1963 (zum Nachleben); Krenkel I 18–30; Krenkel 1972, 1240–1259; Christes 1972, 1185–1203; Charpin I 7–31; Christes 1979, 8–10. 55–61 (zum Nachleben); Raschke 1979 (zu Datierungsfragen); Christes 1986, 57–74; Lefèvre 1997, 185f., ders.: 2001, 139f.; Haß 2007, 9–51 (die letzten 3 Angaben zum Stichwort ‚Persönlichkeitsdichtung‘)

C. Lucilius gehörte dem Ritterstand an. Das bezeugt Horaz, der von sich sagt, er stehe infra Lucili censum ingeniumque (sat. 2,1,74f.). Auch Lucilius’ Haltung zur Tätigkeit der publicani setzt es voraus (B. XXVI, Fr. 612–618). Die gens Lucilia war in die der Hirri, Rufi und Balbi verzweigt. Die Ehefrau des S. Pompeius Faustulus († 117 v. Chr.) und damit Großmutter des Cn. Pompeius Magnus war eine Schwester des Lucilius. Die Mutter des Cn. Pompeius war ebenfalls eine Lucilia; sie war Tochter eines Manius Lucilius, Senator 129 v. Chr. (West 1928; Krenkel I 19). Lucilius erwähnt einmal einen Bruder (Fr. 427), in dem man Lucilius Hirrus, Prätor im J. 134 v. Chr. (s. Varro rust. 2,5,5), zu erkennen glaubte. Dessen Sohn wiederum, der mit einem von Varro (rust. 2,1,2) erwähnten C. Lucilius Hirrus identisch sein dürfte, hat wahrscheinlich den Besitz des anscheinend unverheiratet und kinderlos gebliebenen Dichters geerbt. Dieser Besitz war beträchtlich. Lucilius’ Nähe zum Leben auf dem Lande zeigt sich in nicht wenigen Fragmenten und Aspekten, z.B. in seiner Haltung zu den Sklaven auf seinen Gütern (s. B. XXII–XXV) sowie in seinem Faible für Pferde (s. nur B. XV Fr. 501–507). Er besaß Grund und Boden nicht nur in der Nähe von Suessa Aurunca, wo er geboren wurde, sondern wohl auch in Apulien und Calabrien, vielleicht auch in Sizilien (s. jedoch Erl. zu Fr. 112–13) und Sardinien. In Rom erwarb er ein Haus (Ascon. Pis. p. 13,16 Cl.). Er muss auch in Neapel eines besessen haben; denn dort starb er und wurde von der Bürgerschaft mit einem öffentlichen Begräbnis geehrt (s. w. u.). Lucilius hatte also gute Voraussetzungen, die senatorische Laufbahn einzuschlagen. Aber er wollte weder dies noch fand er Geschmack an der dem Ritterstand vorbehaltenen Publikanentätigkeit; er selber zu bleiben ging ihm über alles (Fr. 617–18).

Sein Freund und Idol war P. Cornelius Scipio Aemilianus, dessen Landgut Lavernium in unmittelbarer Nachbarschaft des Besitzes der Lucilii bei Suessa Aurunca lag. Die Freundschaft kann also bis in die Kindheit des Dichters zurückreichen. Als Scipio das Kommando in Spanien übernahm (134/3 v. Chr.), welches mit der Eroberung von Numantia endete, gehörte Lucilius zur persönlichen Gefolgschaft des Heerführes (Vell. 2,9,4).

Wohl schon vor 134 v. Chr., spätestens aber unmittelbar nach der Rückkehr aus Spanien scheint er eine Bildungsreise nach Griechenland unternommen zu haben. Dafür sprechen die Fragmente eines Philosophensymposions in Athen (B. XXVIII Fr. 753–762) sowie Ciceros Zeugnis (ac. 2,102), der Akademiker Kleitomachos habe ihm eine Schrift gewidmet. Die Fragmente seiner Satiren belegen eine Bildung, die die Kenntnis der griechischen wie der lateinischen Literatur umfasste.

Noch zu Lebzeiten Scipios begann er Satiren zu dichten. Mit ihm teilte er naturgemäß Freundschaften wie Feindschaften. Doch bewies er auch eigenständiges Denken, wenn er etwa das brutale Vorgehen des Senatorenstandes gegen Ti. Gracchus brandmarkte (B. XXVII Fr. 732–739). Seine Kritik machte auch vor hochgestellten Persönlichkeiten nicht halt (s. nur B. I sowie das Zeugnis des Horaz, sat. 2,1,62–70). Immer wieder diskutiert wurde die Frage, wie tief die Feindschaft mit dem Dichter Accius ging: Beschränkte sie sich auf eine literarische Fehde mit dem Vorsitzenden des collegium poetarum (s. B. XXVI, 5. Satire ‚Literarische Polemik‘)? Kam persönliche Antipathie hinzu (s. Fr. 657 u. 791)? Oder hatte sie gar einen politischen Hintergrund (s. Christes 1986, 6132, Zusammenstellung der Literatur)?

Die Frage der Lebenszeit des Lucilius ist bis heute umstritten. Hieronymus gibt in seiner Übersetzung der ‚Chronik‘ des Eusebios das Jahr 148/7 als Geburtsjahr und das Jahr 103/2 als Todesjahr an (chron. 143e, 148e H.). Die Angabe zum Todesjahr wirkt glaubhaft: Gaius Lucilius satyrarum scriptor Neapoli moritur ac publico funere effertur anno aetatis XLVI. Lucilius müsste dann, um nur einen Punkt anzuführen, mit 14 Jahren am bellum Numantinum teilgenommen haben. Das ist nicht gänzlich unmöglich (Christes 1971, 12–17), aber wenig wahrscheinlich. Vorgeschlagen wurden vor allem die Jahre 180 (Verwechslung der Konsulnamen) und 168 (Lebensalter nicht XLVI, sondern LXVI). Vielleicht ist es nicht ganz abwegig, sich von dem Eindruck leiten zu lassen, welches Alter des Verfassers die Fragmente suggerieren. Für jeden Ansatz sind Indizien zu finden, ihre Interpretation bleibt jedoch subjektiv. Um nur auf das gewichtigste Indiz einzugehen, das für hohes Alter zu sprechen scheint: Horaz spricht einmal von der vita senis, die in seinem Werk wie auf einer Votivtafel offen vor dem Leser liege (sat. 2,1,30–34). In der Lebenspraxis bemaß man in republikanischer Zeit die Altersstufen nicht primär nach Jahren. Ein senex war man, wenn man sich nach der Zeit seiner adulescentia gewissermaßen zur Ruhe setzte (s. Erl. zu Fr. 584). Tod und Beisetzung des Lucilius in Neapel lassen vermuten, dass er sich gegen Ende seines Lebens dort niedergelassen hatte. Horaz kann ihn schon deswegen als senex gesehen haben.

Es kommt nicht von ungefähr, dass sowohl Krenkel (1970, dann 1972) als auch Christes (1971 und 1972, dann 1986) ihre Meinung zur Altersfrage im Laufe der Jahre geändert haben. Viel wäre gewonnen, wenn Einigkeit darüber hergestellt werden könnte, dass Lucilius nicht erst in weit fortgeschrittenem Alter mit dem Dichten begann. Wenn sich denn in den Angaben des Hieronymus zum Geburtsjahr bzw. zum erreichten Alter Richtiges verbergen sollte, kommt die Konjektur LVI (statt XLVI), damit das Geburtsjahr 159/8, der Wahrheit vielleicht am nächsten.

Bald nach dem Tode des Dichters kam eine Sammlung der Satiren im Umfang von 30 Büchern in Umlauf. Sueton, der Beispiele für Grammatiker anführt, die sich um Schriften verstorbener Freunde verdient gemacht haben, verdanken wir folgende Nachricht (gramm. 2,4): … ut Laelius Archelaus Vettiusque Philocomus Lucilii saturas familiaris sui quas legisse se apud Archelaum Pompeius Lenaeus, apud Philocomum Valerius Cato praedicant. Archelaus und Philocomus waren wahrscheinlich Freigelassene, Archelaus vielleicht des C. Laelius Sapiens, der in engster Verbindung mit Scipio Aemilianus stand (Christes 1979, 8–10). Die Gesamtausgabe der Satiren wird also auf sie zurückgehen. Von der nächsten Generation der Grammatiker, die sich mit dem Werk des Lucilius beschäftigte, stehen zwei in Beziehung zu Cn. Pompeius, dem Großneffen des Dichters: Pompeius Lenaeus, Schüler des Archelaus, war ein Freigelassener des Pompeius (Christes 1979, 57–61). Der Grammatiker Curtius Nicias, Verfasser einer Schrift über Lucilius, stand zu Pompeius in freundschaftlicher Beziehung, die freilich einen abrupten Abbruch fand (Suet. gramm. 14,3; s. Christes 1979, 55f.). Das spricht für die These, Pompeius habe sich für das literarische Erbe seines Großonkels eingesetzt (Anderson 1963).

Von den 30 Büchern der Sammlung sind die Bücher XXVI–XXX die ältesten. Die ersten beiden Bücher sind in trochäischen Septenaren geschrieben, in B. XXVIII und XXIX kommen jambische Senare und daktylische Hexameter hinzu, B. XXX besteht nur noch aus Satiren in Hexametern. Dabei blieb es in der späteren Sammlung der Bücher I–XX (bzw. XXI). Der Dichter experimentierte also zunächst, bis er sich endgültig für den Hexameter entschied. Seine Entscheidung wurde für die lateinische Verssatire kanonisch.

Fr. 981 in B. XXX lässt sich auf das Jahr 130/129 datieren, und Fr. 990 im selben Buch wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Scipios plötzlichen Tod im Jahre 129 bezogen (s. Erl. zu den Fragmenten). Am Ende von B. XXX stand ein Gedicht, worin sich Lucilius dankbar an literarische Anerkennung durch eine ihm wichtige Person erinnert (Fr. 1085–1090). Wenn es sich, wie in der hier vorgelegten Ausgabe vertreten wird, um Scipio handelt, löste der Tod des Freundes die Herausgabe dieser ersten Sammlung aus. Lucilius verstand sie als seinen Beitrag zur memoria seines Freundes. In der ersten Satire von B. XXX, worin der Dichter nach hier vorgetragener Deutung den Feldherrn Scipio preist und nochmals begründet (s. die Einleitungssatire in B. XXVI), warum er dennoch kein Epos auf ihn dichtet, spricht er es aus (Fr. 974): Haec virtutis tuae <c>artis monumenta locantur.

Die Betreuer des literarischen Erbes des Lucilius stellten diese erste Sammlung an das Ende ihrer Gesamtausgabe; denn sie war ja schon verbreitet. Welchen Titel sie trug, ist nicht bekannt. Nonius, dem zwei Teilausgaben vorlagen, zitierte die der Bücher XXVI–XXX immer als ‚Lucilius lib.‘ + Buchzahl. Lucilius scheint einmal stolz von seinen poemata (‚Dichtungen‘, Fr. 1089) zu sprechen, ein anderes Mal nennt er sie bescheiden schedium (‚Stegreifdichtung‘, Fr. 1109). Mehrere Male wendet er den Begriff sermones auf seine Satiren an (‚Gespräche‘, Fr. 1017 [doppeldeutig], 1018, 1055–56 – hier in Verbindung mit ludus). Alle diese Begriffe, wahrscheinlich auch schedium (s. Erl. zu Fr. 1109), erscheinen vielleicht nicht zufällig in B. XXX, fallen also in die Zeit, als er sich zu einer Sammlung entschloss. Nach Lucilius hat sich Horaz für den Titel sermones entschieden.

Außer den genannten Termini sind ein paar Sondertitel bezeugt: Laktanz (inst. 4,3,12) überliefert für B. I den Titel Deorum concilium. Er gilt wohl für das ganze Buch (s. dort). Arnobius (2,6) bezeugt den Titel Fornix. Seine Zuweisung zu einem Buche bzw. der Satire eines Buches ist unsicher (s. F. 1329 + Erl.). Porphyrio (zu Hor. carm. 1,22,10) schließlich nennt den Sondertitel Collyra für B. XVI (s. dort die Einführung und Fr. 514).

Lucilius nahm in vielen seiner Satiren an der Diskussion aktueller Themen teil. Das spricht dafür, dass er seine Satiren zumindest teilweise einzeln in Umlauf brachte – ob auch buchweise, wofür Mondin (2013, 29–37) plädiert, oder in anders bemessenen Teilsammlungen, die dann postum in die endgültige Form und Einteilung der Gesamtausgabe gebracht wurden, ist eine plausible, aber durch nichts bezeugte Hypothese. Eher unwahrscheinlich ist es, dass Lucilius die Sammlung der Bücher I–XX (bzw. XXI) noch selbst zusammenstellte, denn der letzte Datierungshinweis führt auf das Jahr 107/106 (s. die Einführung zu B. XX), also nahe an sein Lebensende heran. Die Bücher XXII–XXV wurden mit Sicherheit postum veröffentlicht. Ihr Anhangscharakter ergibt sich aus Form und Inhalt (Epigramme, vor allem, wenn nicht ausschließlich, auf Sklaven seiner familia rustica). Von B. XXI ist kein einziges Fragment erhalten. Es bleibt darum eine offene Frage, ob es mit den Büchern XXII–XXV zusammenzusehen ist – entweder inhaltlich, weil es ebenfalls Epigramme enthielt, oder formal, etwa weil es ein Gedicht oder Gedichte in Distichen auf die Hetäre Collyra enthielt (s. Ausf. zu B. XXI) – , oder ob es eine Sammlung der Bücher I–XXI gab. Varro (ling. 5,17) jedenfalls bezeugt eine Teilsammlung dieses Umfangs. Andererseits zitieren Gellius und Nonius nur aus den Büchern I–XX, was aber auch daran liegen kann, dass der Eifer von Exzerptoren gegen Ende eines Werkes oft erlahmt. Angesichts dessen, dass sich, wie oben dargestellt, zwei familiares des Dichters um die Erhaltung seiner Dichtungen verdient gemacht haben, ist die Hypothese nicht abwegig, wenn auch unbeweisbar, dass es (zunächst?) zwei Teilsammlungen unterschiedlichen Umfangs gab (s. Christes 1986, 71f.).

Auf die Abfassungszeit der älteren Sammlung XXVI–XXX wurde schon oben eingegangen. Ihrer Datierung auf das Jahr 129/8 v. Chr. schienen ursprünglich mehrere Indizien entgegenzustehen, die eine Veröffentlichung frühestens im J. 123 möglich erscheinen ließen. Sie räumte jedoch Raschke (1979) aus (zusammengefasst: Christes 1986, 69f.). Damit entfiel auch die Notwendigkeit, zu erklären, aus welchen Gründen Lucilius den scharfen Angriff auf L. Cornelius Lentulus Lupus (B. I), der unmittelbar nach dessen Tod, wohl im J. 126 v. Chr., erfolgt sein muss, nicht schon in diese Sammlung aufnahm, Die zeitlichen Indizien, die sich aus einzelnen Fragmenten der Bücher I–XX ablesen lassen, hat Marx in den Prolegomena seiner Edition ausführlich besprochen (p. XXXV–L, ergänzt durch Cichorius 86–92). Sie führen bis in das Jahr 107/6 v. Chr. und legen es nahe, dass die Satiren im Wesentlichen chronologisch angeordnet wurden.

Erhalten sind knapp 1400 Verse, wobei die Fragmente mit ungewisser Zuweisung an Lucilius mitgezählt sind. Nicht wenige Fragmente füllen nicht einmal einen vollständigen Vers. Fragmente im Umfang von zwei Versen sind noch relativ häufig, das umfangreichste Fragment ist mit 13 Versen das sog. Virtus-Fragment (Fr. 1119–31). Die allermeisten Fragmente verdanken wir dem lexikographisch arbeitenden Grammatiker Nonius Marcellus. Hinzu kommt Überlieferung, die sich bei Autoren von Cicero bis Laktanz, antiken Kommentatoren von Werken der römischen Literatur sowie Grammatikern findet.

Die Fragmente lassen eine beeindruckende thematische Vielfalt und Individualität ihrer Darbietung erkennen: „Politik, Gesellschaft, Freundschaft, Liebe, Menschlich-Allzumenschliches, Tafelluxus, Geiz, Maßdenken und immer wieder Literatur. […] Vor allem war er ein großer Erzähler von Kriegsgeschichten, Reiseerlebnissen, Fabeln – wie später Horaz nannte er seine Gedichte wohl Sermones. Der Zeit entsprechend war die Form locker. Sie entsprach seiner überlegen-lässigen Art.“ So fasst es Lefèvre (1997, 186) zusammen. Sein Verdienst ist es auch, die Frage des literarhistorischen Orts des Lucilius neu zur Diskussion gestellt zu haben. Für ihn markieren die Satiren des Lucilius nicht das Ende der archaischen, der vorklassischen Literatur (2001, 1406), sondern: „Mit Lucilius beginnt ein neues Kapitel der römischen Literatur“ (1997, 186; 2001, 190f.). Er begründet dies mit der Freisetzung des Individuums in einer Zeit der Infragestellung und Auflösung der althergebrachten Verhaltensmuster, die der mos maiorum herausgebildet hatte. „Das Individuum ist in einen Freiraum entlassen, in dem es unabhängig zu urteilen lernt“ (2001, 147). „Erst mit der Gefährdung der alten Ordnungen […] fühlten sich die Dichter berechtigt, den eigenen Lebenskreis in den Mittelpunkt ihres Schaffens zu stellen“ (1997, 185). Lucilius ist demnach der Archeget einer neuen Art zu dichten, der Persönlichkeitsdichtung. Karin Haß hat in ihrer Freiburger Dissertation aus dem Jahre 2007 die neue Sicht der literarischen Leistung des Lucilius mit einer aspektreichen Interpretation eindrucksvoll vorgetragen.

Lucilius war der erste Römer aus dem Ritterstand, der Dichtung zu seiner Passion machte. Sein gesellschaftlicher und sozialer Status beeinflusste erkennbar seine Haltung zur Philosophie und zu den literarischen Gattungen. Marx meinte zu erkennen, dass Lucilius dem Epikureismus angehangen habe. Vielleicht hat der lucilische Individualismus zu dieser Einschätzung beigetragen, vielleicht aber auch seine Vermutung, Lucilius sei nicht Ritter, sondern socius nominis Latini gewesen (I p. XVI). Heute herrscht die Überzeugung vor, dass der Dichter sich auch gegenüber den zeitgenössischen philosophischen Richtungen ein unabhängiges Urteil bewahrte (s. nur zu Fr. 625). Den Lehren der Stoa panaitianischer Prägung, die im Hause des Scipio Aemilianus lebendig waren, stand er anscheinend positiv gegenüber (s. B. XIV).

Die zeitgenössische hellenistische Dichtung gehörte zu seinem Rüstzeug. Varro lobte seine gracilitas (bei Gell. 6,14,6), aber Horaz’ Kritik an ihm (sat. 1,4,10 u. ö.), bei der er den Maßstab des kallimacheischen Stilideals anlegte, wiegt schwerer: Der erste Kallimacheer in Rom war er gewiss nicht (Bagordo 2001). Die von Pathos und Melodramatik durchtränkte Tragödie empfand er als Gegenpol zu seinen eigenen Intentionen; für sie hatte er nur polemischen Spott übrig (vor allem B. XXVI Fr. 637–674). Eine hohe Affinität empfand er zur Komödie (B. XXX Fr. 1087); an sie lehnte er sich in Motivwahl und Sprache oft an. Das Epos, das neben der Geschichtsschreibung Ansehen genoss, weil es der memoria der römischen Elite diente, behandelte er mit Respekt (B. XXVI Einleitungssatire; B. XXX Satire 1: Preis eines Feldherrn); aber es entsprach nicht seinem Naturell, sich dieser Gattung zuzuwenden. Seine eigene literarische Leistung, die Satire, sah er wahrscheinlich als seinen persönlichen Beitrag zur res publica an (Fr. 974).

Satirische Elemente im heutigen Wortsinn finden sich schon bei Naevius und Ennius. Aber erst bei Lucilius werden sie zu Wesensmerkmalen seiner Dichtung. In materieller und geistiger Unabhängigkeit formte er die Verssatire zu einem Medium, das geeignet war, das gesellschaftliche und politische Geschehen kritisch und mit bisweilen beißendem Spott zu begleiten. Es war ihm augenscheinlich wichtig, an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken. Zugleich war er ein großartiger Erzähler. Gern und oft sprach er dabei von sich, Maßstab seiner Urteile waren seine eigenen Überzeugungen. Sein Nachfolger Horaz hat diesen Grundzug seiner Dichtung, das Subjektiv-Persönliche, das es in dieser Durchdringung eines ganzen Œuvres vor ihm nicht gab (Haß 2007, 11f.), treffend mit dem Bild eines Lebens beschrieben, das wie eine Votivtafel vor dem Leser stehe (sat. 2,1,30–34). Selbst in einem veränderten gesellschaftlichen Umfeld lebend, das es ihm deutlich schwerer machte, seine geistige Unabhängigkeit zu behaupten, ehrte er ihn als inventor der satura (sat. 1,10,48), der in seinen Augen ein geradliniger und prinzipientreuer Mann war, uni aequos virtuti atque eius amicis (sat. 2,1,62–70).

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