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Schwarze Gedanken

Ich renne und renne, während die Schwärze wie eine Flutwelle heranwogt.

Einige Schritte vor mir läuft mein Bruder. Ich höre ihn rufen, mich anfeuern: »Schneller, wir haben es gleich geschafft!«

Ich bemühe mich, mit ihm Schritt zu halten, doch die Schwärze huscht mir vor die Füße, bringt mich zum Stolpern. Sie spielt mit mir wie eine Katze mit der Maus, während sich der Abstand zwischen meinem Bruder und mir immer weiter vergrößert. Ich mobilisiere meine letzten Kräfte, um ihn einzuholen. Er springt in ein Loch im Boden – nein, kein Loch: eine ummauerte Öffnung ins Nichts. Ein Zeitbrunnen.

Nein! Ich will dort nicht hinein! Ich versuche anzuhalten. Doch ringsum kollabiert die Welt, ein starker Sog erfasst mich, zieht mich in den Zeitbrunnen hinein. Während ich ins Nichts stürze, höre ich meinen Bruder nach mir rufen. Ich will antworten, aber aus meiner Kehle fließt nur Schwärze. Es fühlt sich an, als erbräche ich Ameisen. Ich sehe genauer hin – es sind Sporen. Schwarze Sporen, die mir über die Lippen kriechen und mich umwirbeln wie ein Schwarm giftiger Insekten.

Im nächsten Moment tauche ich in die tintige Dunkelheit des Zeitbrunnens. Das zähe Schwarz, das ihn ausfüllt, umhüllt mich wie klebrige Melasse. Mir wird eiskalt. Und dann ... stecke ich fest. Ich bin eingefroren wie ein Insekt im Bernstein der Zeit. Ich kann mich nicht mehr rühren, während die Ewigkeit um mich herum vergeht.

Irgendwann sehe ich ein Gesicht vor mir, wie hinter Glas. Ich kenne dieses Gesicht, auch wenn es keine vertraute Person ist. Eine Helferin, eine Heilerin – Sud! Wie kommt sie hierher, ins Nichts des Zeitbrunnens?

Sie streckt die Hand aus, wie um mich zu berühren. Aber sie erreicht mich nicht, sie ist auf der anderen Seite ... auf der anderen Seite von was?

Mir wird immer kälter. Ich wusste bisher nicht, dass einem Menschen so kalt sein kann. Ich glaube, die Flüssigkeit in meinen Augen wird jeden Moment gefrieren. Ich kann die Lider nicht schließen, um meine Augen zu schützen, ich kann nach wie vor keinen Finger rühren. Ich glaube, ich habe sogar zu atmen aufgehört. Vor einer ganzen Weile schon.

Die Schwärze rückt näher. Sie kriecht mir in die Ohren, in die Nasenlöcher, in jede Pore meiner Haut. Sie erfüllt mich und zwingt mich, meine Glieder zu regen. Es ist keine Erleichterung, dass ich mich wieder bewegen kann. Im Gegenteil: Es erfüllt mich mit abgrundtiefem Grauen. Denn nicht ich bin es, die sich bewegt. Das Schwarz bewegt mich wie eine Marionette. Ich hebe meine Hand, die einen Strahler hält. Woher habe ich die Waffe? Ich weiß es nicht.

Aus der Schwärze taucht eine Gestalt vor mir auf, ein Mann. Die Dunkelheit perlt von ihm ab wie Öl. Es ist mein Bruder. Seine Augen, sein Mund sind vor Entsetzen weit aufgerissen. Als ich abdrücke, schreit er meinen Namen. Während seine Gestalt zu schwarzer Asche verkohlt, klingt es mir in den Ohren, jener letzte, qualvolle Schrei: »Jessica!«

Perry Rhodan Neo 242: Sturm über Olymp

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