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Vorwort
Оглавление„Lill: Er heißt überall: der gute Nachbar. – Karl: Er fährt als guter Nachbar von Osten ab und diskutiert als guter Nachbar im Westen. – Willi: Er ist der gute Nachbar der ganzen Stadt. – Flöte: Ein guter Nachbar fällt nie auf. Er steht an jeder Straßenecke, geht durch alle Kneipen und durch die Bahnhöfe, sitzt auf den Bänken und er spricht mit Tausenden von der Freiheit.“
Günther Weisenborn, Die Illegalen1
Im Gegensatz zu dem politischen Funktionär in Günther Weisenborns Schauspiel Die Illegalen erhielt Wilhelm Leuschner während der NS-Zeit nicht den Tarnnamen „guter Nachbar“. Weisenborn, selbst Widerstandskämpfer, setzte mit diesem im letzten Kriegsjahr 1945 in Berlin entstandenen Drama seinen hingerichteten Mitstreitern von der „Roten Kapelle“ ein literarisches Denkmal. Allerdings ähneln die Tarnnamen Leuschners dem „guten Nachbarn“ Weisenborns, der im Theaterstück eine Widerstandsgruppe leitet. Wilhelm Leuschner wurde in der Illegalität „der Hauptsächliche“2 oder „der Onkel“3 genannt. Im deutschen Südwesten firmierte er unter dem Namen „von Preuschen“ fast schon ein wenig satirisch als „Briefmarkenfreund“ aus Berlin.4
Leuschner dürfte im Untergrund ein sehr guter und beschlagener „Briefmarkenfreund“ gewesen sein, eine Persönlichkeit, umgeben vom „Zauber des Schillernden, nicht so leicht Faßbaren und Undurchsichtigen“, wie die Mitverschwörerin Annedore Leber es nach 1945 formulierte: „Mit seiner großen Verhandlungskunst warb er auch heute hier, morgen da, unermüdlich für die Verbreiterung der politischen Aktionsbasis in der Provinz.“5
Wilhelm Leuschner bewegt sich jahrelang durch das national-sozialistische Deutschland, so wie der „gute Nachbar“ in Weisenborns Stück von Ort zu Ort reist. Getarnt als unauffälliger Geschäftsmann, spricht Leuschner in Kneipen und in der Nähe von Bahnhöfen mit NS-Gegnern über mögliche Wege zur Befreiung Deutschlands. Ob es, wie in Weisenborns Drama, „Tausende“ waren, mit denen er auf diese Weise Kontakt aufnahm, mag man bezweifeln. Hunderte könnten es aber durchaus gewesen sein.
Wie viele zivile Oppositionelle bereitgestanden hätten, um polizeiliche oder politische Funktionen zu übernehmen, wenn das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 erfolgreich gewesen wäre, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Die Geschichtswissenschaft ist sich uneins, die Frage ist nicht tiefgreifend erforscht. Jakob Steffan, der selbst für das Leuschner-Widerstandsnetz am Rhein eine wichtige Rolle spielte, nennt in einem Rundfunk-Interview nach dem Krieg eine sehr hohe Zahl. Seiner Schätzung zufolge waren rund 10.000 Menschen allein in der Region zwischen Wiesbaden, Mainz und Heidelberg an den Planungen für den Umsturzversuch beteiligt.6 Dem seit Langem mit dem Thema vertrauten Wiesbadener Historiker Axel Ulrich scheint diese Zahl deutlich zu hoch gegriffen.7 Doch sei es, so die Historikerin Helga Grebing, gerade Ulrichs Verdienst, gezeigt zu haben, dass Leuschner „ein strukturiertes und keinesfalls zufälliges Netzwerk der Widerstandsbereitschaft“ anstrebte, wobei sie darauf hinweist, dass der Widerstand aus der Arbeiterbewegung sich keineswegs auf kleine Kreise beschränkte, sondern eine breite Basis in der Gesellschaft hatte.8 Hans-Ulrich Wehler hingegen erwähnt lediglich „widerstandswillige Kleingruppen“ und „einige profilierte jüngere Politiker“, die zum aktiven Widerstandskreis um Stauffenberg hinzugestoßen seien.9 Der Zeitzeuge Emil Henk aus Heidelberg sprach demgegenüber unmittelbar nach Kriegsende von „größeren Geheimgruppen“ in „allen deutschen Städten“.10
Wilhelm Leuschner vor dem Volksgerichtshof
Wie auch immer, jedenfalls hatte Leuschner derart viele konspirative Kontakte, dass die Tarnbezeichnung „Onkel“ ihn am Ende nicht mehr schützte. Eine gesonderte Namensliste des Volksgerichtshofs verzeichnet als führende zivile Unterstützer der gescheiterten Verschwörer des 20. Juli den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (als Kopf des zivilen Flügels der Verschwörung ist er ganz oben aufgeführt), den sozialdemokratischen Gewerkschafter Wilhelm Leuschner aus Bayreuth, den Zentrumspolitiker Josef Wirmer aus Paderborn, den Diplomaten Ulrich von Hassell aus Anklam und den früheren konservativen Reichstagsabgeordneten der DNVP Paul Lejeune-Jung aus Köln.
Der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler bezeichnete die fünf Angeklagten in seiner knappen Urteilsbegründung als „ Kern der zivilen Gruppe“ des gescheiterten Attentats vom 20. Juli 1944. Freisler und seine Beisitzer beschimpften die Widerständler als „ehrgeizzerfressene, ehrlose, feige Verräter“, die sich „mit einer Gruppe eidbrüchiger Offiziere“ verbündet hätten, die den Führer ermorden wollten.11
Das Motiv des gebrochenen Eides der Offiziere spielt auch in der Nachkriegsrezeption des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 eine große Rolle.12 Zeitzeuge Fabian von Schlabrendorff greift es mehr als ein Jahrzehnt später bei einer Gedenkveranstaltung auf und setzt die klassische Gedankenfigur des Tyrannenmordes dagegen:
„Es gibt auch noch den Vorwurf vom Bruch des Fahneneides. Wer sich diesen Vorwurf zu eigen macht, der kennt Friedrich den Großen nicht, der einst gesagt hat: ‚Das Volk ist von seiner durch den Eid geleisteten Treuepflicht enthoben, wenn der Herrscher seine oberste Pflicht, für das Wohl des Volkes zu sorgen, verletzt hat.‘ Ein andermal hat es Friedrich der Große noch deutlicher ausgeführt, indem er zu einem seiner Untergebenen sagte: ‚Ich habe ihn zum General gemacht, damit er weiß, wann er nicht zu gehorchen hat.‘“13
Zwar konnte Freisler den zivilen Widerständlern streng genommen keinen Eidbruch zur Last legen, stellte sie aber analog als „Verräter“ hin, denen er übersteigerten Ehrgeiz unterstellte.
Hinter dem Namen Wilhelm Leuschner notierte der Volksgerichtshof Beruf und Wohnort: „Fabrikant aus Berlin-Charlottenburg“. Und tatsächlich leitete Leuschner bis zu seiner Verhaftung nach dem gescheiterten Attentat in Berlin eine kleine Fabrik. Gemeinsam mit seinem Schwiegersohn hatte er den Betrieb für medizinische Instrumente im Jahr 1936 erworben und ihn anschließend um die Produktion von Ventilen für „moderne und gepflegte“ Bierzapfanlagen erweitert.14 Im Geschäftsbereich „Apparatebau und Patentverwertung“ arbeitete er zudem während der Kriegsjahre für die Marine.
Als Fabrikant hatte Leuschner also gewisse Handlungsspielräume. Ebenso wie einige seiner Mitarbeiter konnte er ständig reisen. Sie alle hatten einen Grund, überall im Lande „Rendezvoushäuser der Verschworenen“ (Walter Benjamin) aufzusuchen, darunter auch Gaststätten, deren Bierzapfanlagen umgerüstet werden sollten. „Der Betrieb fabrizierte einige kleine technische Neuerungen – der Erfinder war Schneppenhorst – für Wirte“, schreibt Leuschners Mitverschwörer Emil Henk, und eben darüber „wurden die Vorbereitungen zum 20. Juli mitfinanziert“.15 Vor allem garantierte das Unternehmen die für die Arbeit des Netzwerks erforderliche Mobilität: Schon vor dem Krieg seien von diesem kleinen Betrieb aus politische Beauftragte von Leuschner regelmäßig mit der Bahn und meist in der „Maske eines Geschäftsreisenden“ ins Ausland gereist, so Henk. Auf diesem Weg sei trotz strenger Kontrollen durch die Gestapo die Verbindung mit den internationalen Gewerkschaften hergestellt und aufrechterhalten worden. Als primäre Zielgruppe wurden dabei die Wirte der allerorten bestehenden Traditionslokale der Arbeiterschaft ins Auge gefasst.16
Innerhalb Deutschlands, so der Zeitzeuge Emil Henk, verband somit ein „vorzüglicher Kurierdienst“ die „Stützpunkte und Keimzellen“ des Leuschner-Netzwerks. Die Gestapo, der Leuschners rege Reisetätigkeit nicht geheuer war, lud ihn bereits 1938 vor, um sich über die Ziele seiner Geschäftsreisen klar zu werden. Die Städteliste ist beeindruckend: Köln, Dortmund, Hamburg, Düsseldorf, Leipzig, Erfurt, Eisenach, Kassel, Frankfurt am Main, Kaiserslautern, Stuttgart, Freiburg, Hannover, Hildesheim, Osnabrück, Duisburg, Aachen, Koblenz, Breslau, Dresden und Chemnitz.17 Heute wissen wir, dass Wilhelm Leuschner in vielen dieser und weiterer Städte (beispielsweise Nürnberg18) direkt oder über Kuriere jahrelang Kontakte zu Widerstandszellen des gewerkschaftlich-sozialdemokratischen Spektrums pflegte. Diese Zellen hielten sich für die Übernahme kommunaler und polizeilicher Aufgaben nach einem erfolgreichen Hitler-Attentat bereit. Seine wirtschaftlichen Aktivitäten boten Leuschner „die Möglichkeit, nun erst recht politisch zu arbeiten unter den Augen des Gegners, aber doch so, dass er sich den Augen des Gegners entziehen konnte“.19 Die politische Maskierung, auch die Verwendung von Sprach- und Namensmasken, gehörte zum konspirativen Handwerkszeug des Leuschner-Netzwerks. Kneipenwirte oder Betreiber von Wettbüros – etwa im Frankfurter Bahnhofsviertel – fungierten als „Herbergsväter der Konspiration“ (Walter Benjamin).20
Ein wichtiger privater Gastgeber für die zivilen Mitverschwörer des 20. Juli war der Heidelberger Pharma-Großhändler und Sozialdemokrat Emil Henk, der das Netzwerk unmittelbar nach dem Krieg folgendermaßen einschätzte:
„Für die entscheidenden Männer war es klar, dass sie ohne den Rückhalt der Masse des Volkes nicht handeln können. Also ein Umsturz konnte nie auf Berlin beschränkt sein, sondern es musste sehr bald der Tag kommen, wo draußen – sagen wir mal, in der Provinz – der Anschluss an die Vorgänge in Berlin vollzogen werden musste. Man hat das so gemacht, dass zunächst ganz wenige Menschen in Frankfurt, in Mainz und so weiter als Vertrauensleute festgelegt wurden. Und diese Vertrauensleute haben kurz vor Beginn des Attentats ein Alarmzeichen bekommen, dass sie in den einzelnen Orten und Städten ihre Vertrauensleute alarmieren. Und hier in diesem Gebiet, das wird mein Freund Steffan bestätigen, hatte jeder Vertrauensmann in den Orten draußen die Aufgabe, zehn Menschen an sich ran zu bringen, damit eben auch draußen im weiten Land die Resonanz des Attentats möglich sei.“21
Anders als bei der militärischen Gruppe wurden von den zivilen „Vertrauensleuten“ der Verschwörung des 20. Juli 1944 nur vergleichsweise wenige enttarnt. Es blieb bei einer Handvoll Todesurteile und Hinrichtungen, weil einige der Verhafteten auch unter der Folter keine Namen preisgaben. Leuschners enger Mitarbeiter Ludwig Schwamb, der am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet wurde, gehörte zu denjenigen, die bis zum Ende schwiegen, Ludwig Bergsträsser zu jenen, die nicht verraten wurden. Im Juni 1946 erinnerte Bergsträsser bei einer Gedenkfeier für Leuschner und Schwamb in der Darmstädter Orangerie daran, dass er und andere im Saal ihr Leben wohl vor allem Schwamb verdankten: „Er ist bei den Untersuchungen immer wieder nach diesem oder jenem befragt worden. Es kam kein Wort, kein Name über seine Lippen. Er hat seinen Freunden die Treue bewahrt bis in den Tod.“22 Henk und Bergsträsser waren demzufolge aktiv in die politischen Planungen für die unmittelbare Phase nach einem erfolgreichen Hitler-Attentat eingebunden, was der Historiker Hans Mommsen bestreitet: „Es ist charakteristisch, dass politische Pragmatiker wie Emil Henk, der als Berater Mierendorffs fungierte, und Parlamentarier wie Ludwig Bergsträsser, der mit Leuschner in Verbindung stand, an der Verschwörung nicht direkt beteiligt waren.“23 Ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1947 stützt allerdings Bergsträssers Einschätzung.24 Sowohl Bergsträsser – alias „Dr. Pampel“ – als auch Henk waren unmittelbar an den Untergrund-Aktivitäten des sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen Widerstands beteiligt und im Fall eines geglückten Attentats für wichtige politische Funktionen vorgesehen.
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Einige Namen von Angehörigen des mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 verbundenen zivilen Widerstands sind heute zwar mehr oder weniger geläufig, doch im Gegensatz zum Gedenken an Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer aus den Kreisen der Militärs ist die kollektive Erinnerung an die weitverzweigten zivilen Widerstandsstrukturen rund um Leuschner inzwischen teilweise verblasst. Auch über den Netzwerkcharakter des zivilen Widerstands und seine die Akteure verbindende Topografie herrscht teilweise Unklarheit. Das vorliegende Buch versucht diese Defizite der Erinnerung am Beispiel einiger Beteiligter und Orte vor allem links und rechts der Rheinschiene zu ändern. Nicht zuletzt dank einer frühen Schrift Emil Henks sind jedoch weit mehr Namen des Leuschner-Widerstandsnetzes bekannt als diejenigen, deren Geschichte hier erzählt wird. Lokalhistoriker und Geschichts-initiativen sind zahlreichen Spuren nachgegangen. Dennoch ist nach wie vor erst rudimentär aufgearbeitet, wie umfassend das Leuschner-Netz tatsächlich war.
Dass die von Leuschner, dem „Fabrikanten aus Charlottenburg“, koordinierten zivilen Widerstandsstrukturen im deutschen Südwesten vor allem entlang des Rheins besonders stark ausgeprägt waren, war dabei sicher kein Zufall, blickt doch Südwestdeutschland auf eine bis in die Zeit der Französischen Revolution reichende republikanische Tradition zurück. Für die Nazis war der in Franken geborene und in Südhessen politisch sozialisierte Leuschner, so das Todesurteil, der designierte „Minister einer feindhörigen Verräterregierung“, die die Deutschen auf „Gnade oder Ungnade“ dem Feind habe ausliefern wollen. Und in der Tat hatten maßgebliche Vertrauensleute des Leuschner-Netzes gute Kontakte zu den Alliierten. Als US-Truppen 1945 den Rhein erreichten, wussten sie, welchen Personen aus dem sozialdemokratischen oder gewerkschaftlichen Milieu sie vertrauen konnten. Als es um den Aufbau demokratischer Institutionen ging, griffen die Offiziere der Alliierten auf die Akteure des Leuschner-Netzes zurück. Vielen der heute in Vergessenheit geratenen zivilen Widerständler des 20. Juli 1944 wurden führende politische Rollen im Nachkriegsdeutschland übertragen. Der „Fabrikant aus Charlottenburg“ war da bereits tot. Wilhelm Leuschner wurde am 29. September 1944 gemeinsam mit fünf Wehrmachtsoffizieren in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
Wie groß die politischen Differenzen unter den zivilen Verschwörern im Umfeld des 20. Juli 1944 waren, ist vielfach beschrieben worden. So wollte etwa der Kreisauer Kreis noch im Herbst 1942 Wilhelm Leuschner davon abbringen, mit der militärischen Gruppe um Stauffenberg ein Attentat auf Hitler vorzubereiten. Helmuth James Graf von Moltke hielt eine solche Aktion mit Blick auf die Nachkriegsordnung für falsch.25 Dass zudem linkssozialistische Pazifisten der „Deutschen Friedensgesellschaft“, einer weiteren zivilen Gruppierung, mit Politikern wie Carlo Mierendorff zusammenarbeiteten, die zur sogenannten „Neuen Rechten“26 in der SPDReichstagsfraktion gezählt wurden, ging auf Zeiten gemeinsamer Lagerhaft zurück. Zu den an dem Umsturzversuch nicht beteiligten Kommunisten hatte das sozialdemokratische Spektrum des 20. Juli, dem das Leuschner-Netz angehörte, ein vielfach gebrochenes Verhältnis, das auch über das Kriegsende hinaus spannungsreich blieb.
Diese Widersprüche gefährdeten das Netzwerk, zerstörten es aber nicht. Überlebende Zeitzeugen entstammten sehr verschiedenen sozialen und politischen Milieus. Die später eng befreundeten Widerständler Emil Henk und Fabian von Schlabrendorff unterstrichen in den Nachkriegsjahrzehnten das Gemeinsame der Umsturzbewegung:
„Das Wesentliche der Männer und Frauen des 20. Juli war, dass sie aus einem Geist heraus empfanden, dachten und handelten. Die andersartige Meinung des einen oder des anderen wurde nicht angesehen als die Meinung des Todfeindes, sondern als die Überzeugung eines Freundes, der ein Recht darauf hatte, dass seiner Meinung mit Achtung begegnet wurde.“27
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Das Leuschner-Netz bestand aus handelnden und kommunizierenden Personen – die ein gemeinsames Anliegen hatten und deren Routen sich daher kreuzten. Gliederungsprinzip des vorliegenden Buches sind daher nicht die Akteure des konspirativen Netzwerkes, sondern die Orte ihres Wirkens. Zur Topografie des Leuschner-Netzes gehörten weder Wolfsschanze noch Bendlerblock, zwei Ortsnamen, die den Diskurs über den 20. Juli 1944 heute dominieren. Das Leuschner-Netz umfasste im Wesentlichen den deutschen Südwesten, die Rheinschiene und Teile des Ruhrgebiets. Hier war es zivilen Widerständlern wie Christian Fries, Emil Henk und Gustav Kettel möglich, jahrelang konspirativ tätig zu sein. Trotz politischer Widrigkeiten wirkten viele der Akteure nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus später am Aufbau der Bundesrepublik Deutschland mit.
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Den Anstoß zu dem vorliegenden Buch gab ein Artikel von Hans Riebsamen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Sommer 2016.28 Sein Bericht über den 20. Juli 1944 führte uns zu dem Wiesbadener Historiker Axel Ulrich und dessen grundlegenden Forschungen zum „Leuschner-Netzwerk“.29 Ihm verdanken wir wichtige Ansatzpunkte für die Recherche, etwa den Hinweis auf Emil Carlebach. Die Arbeiten von Reinhold-Lütgemeier-Davin zu den beiden Leuschner-Netz-Konspirateuren Gustav Kettel und Hein Herbers bescherten uns ebenfalls außerordentlich aufschlussreiche Erkenntnisse.30
Für ihre freundliche Unterstützung bei den Recherchen bedanken wir uns überdies bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hessischen Staatsarchive in Wiesbaden und Darmstadt, bei den Stadtarchiven Frankfurt am Main, Mainz und Heidelberg, bei der Gedenkstätte KZ Osthofen, beim Archiv der Deutschen Kapuzinerprovinz in Altötting, bei dem Bensheimer Geschichtsforscher Franz Josef Schäfer sowie beim Team der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Auch dem Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (Abteilung Rheinland in Duisburg) sowie dem Landesarchiv des Saarlandes sind wir zu Dank verpflichtet, ebenso den Rundfunkarchiven des Südwestrundfunks und des Deutschlandfunks. Ein langes Interview mit Professor Lutz Niethammer half uns darüber hinaus, die Lage der deutschen und europäischen Linken am Ende des Krieges besser zu verstehen. Wichtige Erkenntnisse zogen wir aus den Gesprächen mit Lothar Schwamb und Christoph Kossmann. Regine Gamm von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (wbg) verdanken wir maßgeblich, dass dieses Buch zustande kam. Von ihr fühlten wir uns in jeder Phase des Projektes bestens betreut. Schließlich gilt unser Dank Friedrich Küppersbusch, Ursel Gehring, Petra Gehring und Axel Höfel, die uns mit Lektüren, Lektoraten und Ermutigungen großartig unterstützt haben. Unserem gründlichen Lektor Thomas Bertram sind wir ebenfalls zu großem Dank verpflichtet.