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Lancelots Aufbruch zum Artushof
ОглавлениеSo hat die Frau vom See Lancelot versprochen, daß er bald Ritter werden solle. Er freute sich so darüber, daß er nicht froher hätte sein können. »Nun gebt acht«, sagte sie, »daß es niemand erfährt, ich will Euch selbst alles besorgen, was Ihr dazu braucht.« Sie hatte vor vielen Jahren alles beschafft, was ein Ritter ordentlicherweise benötigt: eine weiße Halsberge, leicht aber hiebfest, einen silberüberzogenen weißen Helm, einen schneeweißen Schild mit silbernem Gespänge. Sie wollte nichts dabeihaben, was nicht ganz weiß war. Sie hatte ihm ein Schwert bereitgelegt, das oft erprobt war und, seit es in seiner Hand war, noch viele Male erprobt wurde; es war groß und leicht. Seine Lanze war weiß, der Schaft kurz, dick und hart, das Eisen ebenfalls weiß, scharfschneidig, hart und spitz. Sie hielt ein weißes Streitroß für ihn bereit, das war groß und kraftvoll, wendig und schnell, leichtfüßig und sprungstark. Sie hatte ihm einen Mantel und eine Kotte aus weißem Samt vorbereitet; der Mantel war mit Pelzwerk aus weißem Hermelin gefüttert, die Kotte mit weißem Zendel, weil sie ja wollte, daß alles weiß war, was er tragen sollte. So also stattete sie ihren Knappen aus. – Am nächsten Dienstag saßen die Frau vom See und ihre Begleiter früh auf und ritten in prächtigem Aufzug mit vierzig Pferden, alle weiß wie Schnee, zu König Artus.
Die Historie erzählt uns, daß König Artus gemeinsam mit seiner Frau, der Königin, und zahlreichen Rittern zu dieser Zeit in Camelot war und dort an Sankt Johanni Hoftag halten wollte. Am Freitag stand der König mit Tagesanbruch auf und wollte zur Jagd in den Wald reiten.
Sie gingen in jenem Wald bis zum Abend der Jagd nach. Der König kehrte um und ritt mit seiner Begleitung auf einem Weg heimwärts, der zur Landstraße führte. Da sahen sie rechterhand die Frau vom See mit ihrem Gefolge herankommen. Zuvorderst sah man zwei Burschen, die zwei weiße Lasttiere trieben. Auf dem einen lag ein so glänzendes, schönes und kostbares Zelt, daß nie jemand ein besseres gesehen hat. Auf dem anderen war in einer Truhe Ritterkleidung und alles, was man als Ritter braucht, sowohl Reit- wie Hofkleidung, und darauf lagen eine Halsberge und ein Paar Eisenhosen. Hinter den beiden Saumtieren mit den Truhen kamen zwei Knappen auf weißen Pferden. Der eine trug einen weißen Schild, der andere einen versilberten weißen Helm. Dann kamen wieder zwei, der eine führte eine schneeweiße Lanze; danach zahlreiche Knappen, dann drei junge Frauen in Begleitung dreier Ritter. Sie saßen alle auf weißen Pferden und ritten paarweise. Zuletzt kamen nebeneinander die Frau vom See und Lancelot. Sie unterwies ihn, wie er sich am Artushof, oder wohin er sonst käme, verhalten solle. Sie trug ihm auf, so lieb ihm seine Ehre sei, noch an diesem Sonntag Ritter zu werden: wenn er das versäume, werde es ihm dauernden Schaden bringen. »Was Ihr mir befehlt«, sagte er, »werde ich nicht unterlassen.« Damit waren sie bei der Gesellschaft des Königs angelangt. Der König und seine Ritter hätten sehr gern gewußt, wer das sein möchte, dessen Gefolge in so weiße Kleider gekleidet war und auf weißen Pferden ritt. Der König machte Gawan und Iwein auf sie aufmerksam und sagte, er habe nie jemanden so prächtig und stolz daherreiten sehen. Die Frau vom See erfuhr, daß dies der König und seine Begleitung waren. Sie lenkte ihr Pferd in schnellem Paßgang an ihrem Gefolge vorbei, und der Knappe kam mit ihr. Als der König sie so rasch heranreiten sah, schloß er daraus, daß sie mit ihm sprechen wollte.
Sie war kostbar geschmückt. Ihre Kotte und ihr Mantel waren aus weißem Samt, gefüttert mit Pelzwerk aus Hermelin. Sie ritt ein so schönes wohlgebautes weißes Pferd, wie es schöner nicht sein konnte. Das Zaumzeug war weiß von Silber. Sattel, Brustzeug und Steigbügel waren höchst kunstfertig aus weißem Elfenbein geschnitzt, in das feine Figuren von Rittern und Edelfräulein geschnitten waren. Ihre Kleider waren aus weißem Samt. In diesem prächtigen Aufzug kam die Frau vom See zusammen mit Lancelot vor den König. Lancelot trug eine weiße, sorgfältig gearbeitete Halsberge. Er war zum Staunen schön und wohlgestalt. Er ritt ein großes, kräftiges, laufstarkes Pferd. Die Frau vom See schlug den Schleier zurück und grüßte den König. Noch ehe sie das tun konnte, hatte er sie gegrüßt. »Gott schenke Euch seine Liebe, Herr«, sagte sie, »dem besten König der Welt! Ich bin von sehr weit her zu Euch gekommen, König Artus«, sagte sie, »um Euch eine Bitte vorzutragen, die Ihr mir eigentlich nicht abschlagen könnt, weil Ihr weder Schaden noch Schande noch irgend etwas Böses davon haben werdet. Sie wird Euch auch nichts von Eurem Hab und Gut kosten.« »Auch wenn sie mich viel davon kosten sollte, edles Fräulein«, sagte der König, »wollte ich Eurer Bitte hohe Bedeutung zumessen, vorausgesetzt sie beeinträchtigt mich nicht in meiner Ehre oder meiner Freude.« »Herr«, sagte sie, »das danke Euch Gott! Ich bitte Euch, mir diesen Knappen zum Ritter zu schlagen, und auch er selbst bittet Euch darum.« »Ihr seid mir willkommen«, sagte der König, »und Gott möge es Euch lohnen, daß Ihr ihn zu mir hergebracht habt. Der Knappe ist schön und wohlgestalt, ich will ihn gern zum Ritter machen, wenn er es will. Aber Ihr habt mir versichert, nichts zu verlangen, was mir Schande oder Schaden brächte oder mir zuwider wäre. Wenn ich Eure Bitte erfüllte, wäre das ein Makel, denn ich mache niemanden zum Ritter, der nicht von mir ausgestattet ist. Überlaßt mir den Knappen, ich werde ihn gern zum Ritter machen, und ich will alles das dazu beisteuern, was ich vermag, nämlich seine Rüstung und den Halsschlag. Was sonst dazugehört, muß Gott an ihm vollbringen: Tapferkeit und alle Tugenden, die den Ritter ausmachen.« »Es mag wohl so sein, Herr«, sagte die Frau vom See, »daß Ihr niemanden zum Ritter macht, der seine Rüstung nicht von Euch hat. Vielleicht hat Euch auch nur noch niemand darum gebeten. Denn wenn man Euch darum bittet, bedeutet das, meine ich, keinen Makel für Euch. Dieser Knappe wird nur in der Rüstung und mit den Kleidern Ritter, die ich ihm gebe. Wenn Ihr ihn so zum Ritter machen wollt, soll Gott es Euch lohnen. Wenn nicht, muß ich ihn anderswo hinbringen. Und ehe er gar nicht Ritter würde, wollte ich ihn lieber selbst dazu machen!«
»Ihr braucht ihr nicht abzuschlagen, was sie von Euch erbittet«, sagte Iwein, »Ihr könnt es in Ehren erfüllen. Und fehltet Ihr auch ein wenig damit, solltet Ihr Euch doch einen so schönen Knappen nicht entgehen lassen. Ich habe wahrlich nie einen schöneren gesehen.« Der König sagte, er wolle es also tun, und die Frau vom See dankte ihm. Sie schenkte dem Knappen die beiden Saumtiere und die beiden schönsten Zelter, die man je gesehen hat. Sie gab ihm vier Knappen, die für ihn sorgen und ihm dienen sollten.
Die Frau vom See nahm Abschied vom König. Er bat sie, zu bleiben. Sie antwortete, das könne sie unter keinen Umständen tun. »Wenn Ihr es nicht wollt«, sagte der König, »was mir sehr leid tut, dann sagt mir zumindest, wer Ihr seid und wie Ihr heißt.« »Herr«, sagte sie, »einem so edlen und vortrefflichen Mann will ich meinen Namen nicht verhehlen. Man nennt mich die Frau vom See.« Über diesen Namen wunderte der König sich sehr, denn er hatte ihn noch nie gehört. Sie ritt fort, und der Knappe begleitete sie einen Bogenschuß weit. Sie sagte zu ihm: »Nun kehr um, lieber Königssohn. Ich möchte, daß Ihr wißt, daß Ihr nicht mein Sohn seid. Ihr seid der Sohn eines der vortrefflichsten Männer und besten Ritter, die je auf der Welt waren. Ihr seid das Kind einer der schönsten und edelsten Frauen, die jetzt leben. Ich sage Euch jetzt noch nicht, wer Euer Vater und Eure Mutter waren. Ihr werdet es in kurzer Zeit selbst herausfinden. Aber gebt acht, daß Euer Herz stets so edel und so schön ist, wie Euer Leib es ist. Morgen abend sollt Ihr den König bitten, er möchte Euch diesen Sonntag zum Ritter machen. Wenn Ihr Ritter seid, gebt acht, daß Ihr keine weitere Nacht an seinem Hof verschlaft, sondern reitet durch das Land und sucht große Aventüren. Dann werdet Ihr Ruhm und Ehre erjagen. Bleibt nicht länger als nötig an einem Ort und strengt Euch an, daß dort niemand mehr Rittertaten zu vollbringen findet, wo Ihr sie bestanden habt. Mit anderen Worten, ich möchte, daß Ihr erledigt, was ein Ritter mit Tapferkeit erledigen kann, und noch viel mehr. Und wenn der König Euch fragt, wer Ihr seid, so sagt ihm, daß Ihr es nicht wißt. Von mir braucht Ihr ihm nur zu sagen, daß ich eine edle Frau bin, die Euch aufgezogen hat, mehr sagt ihm nicht.
Ich habe Euch schon gesagt, daß Ihr mein Kind nicht seid. Ihr habt Euch auch keiner Anmaßung schuldig gemacht, da ich Euch von den beiden Königssöhnen bedienen ließ, Ihr seid so edler Herkunft wie sie. Sie sind die Kinder Eures Vaterbruders und Eurer Mutterschwester. Weil Ihr ihnen so zugetan seid, will ich sie so lange wie möglich bei mir behalten, um besser und öfter an Euch denken zu können. Und wenn Lionel Ritter wird, will ich Bohort behalten.« Als Lancelot hörte, daß sie seine Vettern seien, wurde er wunderbar froh. »Vielliebe Herrin, wie gut habt Ihr getan, daß Ihr es mir gesagt habt, ehe ich von Euch ging, ich werde nun viel unbeschwerter leben.« Sie nahm einen goldenen Ring und steckte ihm den an den Finger. »Dieser Ring hat die Kraft«, sagte sie, »jede Art Zauber und Gaukelei aufzudecken und sichtbar zu machen.« Sie befahl ihn in Gottes Hand und küßte ihn liebevoll auf den Mund. »Viellieber Königssohn, ich will Euch noch etwas sagen, ehe ich von Euch scheide: Wenn Euch viele gefährliche Aventüren begegnen und Ihr die gut besteht, werdet Ihr die anderen um soviel mutiger bestehen; strebt danach, sie in großen Ehren zu vollenden, wie schwer und wie schrecklich sie auch sein mögen. Ich weiß auch ganz sicher: Was Ihr nicht zuendebringen könnt, das vollendet kein Ritter, der jetzt lebt. Ich würde Euch noch mehr sagen, aber mein Herz tut mir so weh, daß ich nicht mehr sprechen kann. Zieht hin, der ganzen Welt sollt Ihr vor allen anderen Rittern wert und lieb sein, alle edlen Frauen sollen Euch liebhaben und Euch zugetan sein vor allen Geschöpfen. Das alles wird sich erfüllen, das weiß ich wohl.« Sie umarmte ihn und küßte ihn liebevoll auf Mund und Augen. Dann wandte sie sich von ihm ab und war so traurig, daß sie kein Wort mehr hervorbrachte.