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Stampeders´ Country

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Stampeders´ Country

Unter Stampede versteht man die unerwartet einsetzende Fluchtbewegung großer Tierherden. Plötzlich rasen einige Bullen los, ihre Panik überträgt sich auf die ganze Herde, und alles gerät in Bewegung. Nichts war bei den großen Tiertrecks des 19. Jahrhunderts so gefürchtet wie eine Stampede, weil dabei Kräfte freigesetzt wurden, die alles in Grund und Boden rannten, was ihnen in die Quere kam.

Dem Menschen blieb es vorbehalten, den Bedeutungsgehalt dieses Begriffes zu verändern. Menschliche Stampeder bewegen sich zwar auch plötzlich und in großer Zahl von einem Ort zum anderen - aber nicht um zu fliehen, sondern um ihr Glück zu machen.

Alaska und das Yukon-Territorium sind Stampeders´ Country. Es sind die Regionen, die mehr als andere Plätze immer wieder Massen von Abenteurern und Glückssuchern angelockt haben, um ihrem Leben am Yukon, am Tanaina, in Nome, Eagle oder anderswo eine entscheidende Wende zu geben. Kein halbes Jahr war nach den Goldfunden am Klondike vergangen, da standen bereits Tausende Stampeder am White Pass oder am Chilkoot Trail, um zu den Goldfeldern vorzustoßen und sich die besten Claims zu sichern.

Ihr Glück haben die meisten dabei nicht gemacht, aber die Leistungen, die sie zustande brachten, grenzen von heute aus gesehen, ans Unglaubliche. Und ihre Bemühungen waren nicht umsonst. Aus der Gesamtheit ihres individuellen Scheiterns entstanden Städte und Straßen, später Eisenbahnen, Flughäfen und Pipelines. Die gescheiterten Hoffnungen der Menschen waren derTreibstoff, aus dem sich Alaska und das Yukon Territorium entwickelten.

Alaska und das Yukon Territorium sind heute selbstverständlich viel weiter entwickelt als in der Goldgräberzeit. Niemand, der heute von Skagway nach Dawson will, muss sich mehr über den White Pass quälen oder den Yukon herunter paddeln, er kann ganz einfach mit der Eisenbahn die Berge überqueren und auf guten Straßen seine Ziele mit einem Fahrzeug ansteuern.

Und doch ist der Geist der Stampeder nach wie vor lebendig. Nicht mehr als Massenbewegung, sondern als Sehnsucht, an einem ganz anderen Ort am Ende der Welt alles hinter sich zu lassen und neu zu beginnen. Zehntausende folgen dieser Sehnsucht jährlich und ziehen aus den lower 48 nach Anchorage, Whitehorse, Nome oder Fairbanks. Viele dieser einsamen Stampeder bleiben erfolglos und kehren enttäuscht in den Süden zurück. Die meisten aber bleiben und gewöhnen sich an einen völlig anderen Lebenstakt, einen intensiveren Geschmack des täglichen Lebens und vor allen Dingen eine ganz andere Natur.

Es ist oft bemerkt worden, dass der wahre Schatz des Nordens nicht das Gold, sondern seine Landschaft ist, seine Tierwelt, seine Berge und die Weite des Horizontes, der immer unendlicher wird, je weiter man in das Land vordringt. Manche begegnen dabei einer Welt, die sich noch immer in der ersten Schöpfungsstunde zu befinden scheint - unberührt und grandios und fast zu schön, um von Menschen betreten zu werden, selbst von solchen, die es aufsuchen, um im Land des ewigen Anfangs selbst neu zu beginnen.

Eine Reise durch Alaska und das Yukon Territorium kann diese Stimmungen und Gefühle nur in sehr unvollkommenerWeise erfassen, womit wir bei einem weiteren Paradoxon des Nordens sind. So groß und weit das Land auch ist, so begrenzt sind die Möglichkeiten, Alaska und dem Yukon Territorium auf einer touristischen Stippvisite näherzukommen. Deswegen ganz am Anfang einige Worte zu dem, was Sie in diesem Buch erwartet.

Ich bin auf dieser Reise nicht von Fairbanks nach Nome gewandert. Ich habe nicht den Mount McKinley bestiegen und musste auch nicht vor einem Grizzly auf einen Baum fliehen (was ohnehin sinnlos gewesen wäre). Ich bin so durch Alaska und das Yukon Territorium gereist wie es die Mehrheit der Touristen bisher getan und weiter tun wird: in guter Gesellschaft, mit einem kleinen Camperhome, mit einem ausgeprägten geschichtlichen Interesse und viel Neugierde und Beobachtungsbereitschaft. Ich habe mich vorbereitet, so gut ich es vermochte und war offen für das, was mir die Natur am Lynn Kanal, am Yukon oder oder in der Bucht von Valdez offenbarte. Ich habe unter dem teilweise grauenhaften Wetter gelitten, bin vor dem touristischen Trubel in Skagway und Dawson geflohen und habe auf der McCarthy Road oder am Columbia Gletscher Momente des Glücks erlebt.

Jeden Abend, wenn ich vor den Mücken in das Innere des Camperhomes flüchten musste, habe ich das, was ich erlebt und gesehen habe, in meinem Reisetagebuch notiert. Die dabei festgehaltenen Notizen bilden im Wesentlichen die Grundlage dieses Buches, nur hier und da habe ich in der Nachbearbeitung einige offensichtliche Irrtümer korrigiert und das eine oder andere der Systematik halber nachgetragen. Deswegen sind alle meine Perspektiven und Bewertungen selbstverständlich subjektiv, und es ist durchaus möglich, dass ich bei der Beurteilung des einen oder anderen Sachverhaltes ganz falsch liege - aber ich habe mich redlich bemüht, alles so zu beschreiben, wie ich es gesehen oder empfunden habe. Mit diesen Einschränkungen kann das Buch wie eine Einladung für Alaska und das Yukon-Territorium gelesen werden, als ein sehr persönlicher Einstieg in die einzigartige Welt des Nordens und als Umriss dessen, was man in etwa vier Wochen ohne großen Stress, aber mit einer gewissen Stringenz, Kondition und Leidensbereitschaft erleben kann.

Eine Erfahrung, die ich dabei gemacht habe, kann ich schon jetzt mitteilen, auch wenn sie für alle Reisen gilt, die ich unternommen habe: Es stand immer zu wenig Zeit zur Verfügung, denn Reisen, wenn es einen wirklich ergreift, gleicht dem Aufschlagen eines magischen Buches, in dem auf jedes Kapitel ein Neues folgt und das man deswegen nie ganz zu Ende lesen kann.

Im Grunde aber ist das eine gute Nachricht, denn sie zeigt, dass für den Reisenden die Welt unendlich ist, und es immer einen Grund gibt, aufs Neue aufzubrechen…


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