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6. Kapitel

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Am Morgen des zweiten Tages darnach lehnte der Toni vom Sternsteinhof an der Bretterwand einer Scheuer und schmauchte sein Pfeifchen. Er sah hinab nach dem Häuschen des Kleebinder Muckerl, der sich im Vereine mit dem alten Tagwerker Gregori mühte, eine große Kiste heraus und auf einen Schiebkarren zu schaffen; nachdem sie das fertig gebracht, bückte sich der Alte, um das Scheibband, das ihm von den Achseln herabbaumelte, an die Handhaben zu legen, dann spuckte er in die Fäuste, griff zu und fuhr des Weges.

Die Helen‘, die unter ihrer Türe gestanden hatte, kam jetzt herzu, Muckerl faßte sie an der Hand, und beide schritten plaudernd, langsam hinterher. Die alte Kleebinderin lief in das Vorgärtel, nickte und sah ihnen lange nach.

Die Dirne ging mit bloßem Kopfe, sie wird also den Holzschnitzer nur eine Strecke und nicht allzu weit begleiten.

Toni paffte in kurzen, hastigen Stößen Rauchwölkchen aus seiner Morgenpfeife, während er den beiden, da unten wandelnden, immer kleiner werdenden Gestalten mit den Augen folgte, bis er sie ganz am oberen Ende des Ortes, nicht größer wie Krähen im Schnee, hinter der Wegkrümmung verschwinden sah. Er blickte um sich, und da er niemand in der Nähe merkte, machte er sich eilig davon, legte, fast laufend, die Strecke bis zur Brücke zurück, dort lehnte er sich an‘s Geländer, verschnaufte ein wenig und ging dann langsam zum Dorfe hinaus.

Er schritt bedächtig immerzu, bis er auf Helene traf, die gerade unter dem Busche stand, wo sie sich damals verstohlenerweis mit Muckerl zusammengefunden.

»Grüß‘ dich Gott, Dirn‘,« sagte Toni.

»Auch so viel,« entgegnete Helen‘.

»Wohin ‚s Weg‘s?«

»‘n Muckerl hab‘ ich begleit‘, jetzt geh‘ ich wieder heim.«

»So, ‚n Muckerl? Ist das dein Schatz?«

»Ich wüßt‘ nit, warum ich dich in dem Glauben irr‘ machen sollt‘; er wird schier so was sein.«

»Wundert mich.«

»Daß ich ein‘ Schatz hab‘?«

»Dös nit. Eine, wie du, kann zehn für ein‘ hab‘n, wann‘s will.«

»Na, jetzt weißt, eb‘n wenn‘s af‘s Wollen ankommt, da taug‘n mir die zehne für ein‘ schon gar nit; da wär‘ mir schon einer wie zehne lieber.«

»Ja, aber so einer wie zehne is doch der Muckerl nit!«

»Das sag‘ ich auch nit, aber laß‘ mir‘n in Fried‘. Daß er mir mehr gilt wie ein anderer, mag dir völlig g‘nügen, um wieviel mehr, kann dir gleich sein.« »Nein, das is mir eb‘n nit gleich, das möcht‘ ich wissen, du, als d‘Schönst‘« – —

»Schwätz‘ du nit von der Schönsten! Lang‘ bevor ihr ang‘hoben habt, mich als dieselbe ausz‘schreien, hab‘ ich ihm schon dafür ‚golten. Vielleicht verstehst, daß er dadurch schon geg‘n andere voraushat; vielleicht auch nit, jed‘nfalls erspar‘ ich‘s Erklären.«

»Verstünd‘s eh‘, wann er nur wie unsereiner und kein so Halbmandl wär‘, oder du eine, die sich mit jedem z‘frieden geb‘n müßt‘, das is aber nit, und zu dir paßt ein Säuberer.«

»Ah, mein, dem frag‘ ich g‘rad nach! Säubrigkeit hab‘ ich für mich selber g‘nug, und von ein‘m andern seiner laßt sich nichts h‘runterbeißen.«

»Freilich nit, aber es könnt‘ sich ja einer finden, der mehr hat wie der Muckerl, wovon mer h‘runterbeißen kann, und da wurd‘ doch nit schaden, wenn der nämliche ein wengerl leidlicher zun Anschau‘n war?«

Die Dirne sah den Burschen mit zugekniffenen Augen von der Seite an. »Natürlich, weißt du mir auch gleich ein‘ solchen?«

»Könnt‘ sein,« schmunzelte Toni, »und am End‘ is er gar nit weit von da.«

»Wann d‘ ihm begegnest, so sag: ich ließ‘ ihn schön grüßen, und mein‘thalb‘n möcht‘ er nur bleiben, wo er is.«

»Ich werd‘ ihm‘s sagen, glaub‘ aber nit‘, daß er sich daran kehrt.«

»Das is sein Sach‘. Und jetzt, b‘hüt Gott!«

»No, eil‘ nit, ich ging gern noch mit dir, —«

»Kannst ja, wenn mer ein‘ Weg haben.«

»Daß mer sich ausreden, aber da durch‘s Ort, —«

»Dir z‘lieb‘ werd ich doch kein‘ Umweg machen?! Ich wüßt‘ nit warum und wozu. Was ich von dir anhör‘n mag, das kannst schon auf offener Straße vorbringen, wenn auch Leut‘ unter‘n Türen stehen oder aus‘n Fenstern schauen.«

»Eben der Leut‘ wegen is mir um dich.«

»Um mich? Was brauch‘ ich die Leut‘ z‘scheuen, wo ich ihnen unter‘n Augen herumgeh‘? Aber du fürcht‘st wohl, daß dein‘m Vater zu Ohren kommt, du wärst da herunten mit einer von uns g‘seh‘n word‘n?«

»O, hoho!« lachte der Bursche. »Da kennst du mein‘ Vadern schlecht; der schreit wohl bei jedem Anlaß rechtschaffen herum, aber schließlich, wie groß er is, steck ich‘n doch in Sack.«

»Da gib nur Obacht, daß d‘ dir nit doch einmal die Taschen dabei zerreißt.«

»Kein Sorg‘! Bei mein‘m Vadern richt‘ ich all‘s, was ich will.«

»Alles?«

»Alles!«

»Na, ‚s wird sich wohl auch bei all‘m bisherigen um nix b‘sonders g‘handelt hab‘n.«

Toni begann mit großem Eifer von seinen unb‘sinnten Stückeln zu erzählen, aber er verstummte, als sie an den ersten Hütten des Dorfes vorbeischritten.

»Da hast‘s,« flüsterte er, »da stehen schon welche und gaffen.«

»Laß‘ s‘ doch, wenn s‘ Zeit und Lust dazu hab‘n,« sagte die Dirne und begann mit lauter Stimme von dem Wetter, den Ernteaussichten, ihrem Haushalt und ihrer Wirtschaft zu reden, bis zur Brücke, wo sie dem Burschen »gute Mahlzeit« bot.

»Nur ein‘s noch,« sagte der.

»Was?«

»Willst mir wirklich kein‘ G‘legenheit geb‘n, daß ich mich einmal mit dir ausreden könnt‘?«

»Nein, wirklich nit.«

»Warum?«

»Warum willst wissen? Weil mir der Spatz, den ich da herunten samt sein‘ Nest in den Händen hab‘, lieber is wie du stolzer Tauber da drob‘n af‘m Dach vom Sternsteinhof.«

Der Bursche stieß ein paar kurze, höhnende Lachlaute aus, dann sah er der Wegschreitenden eine gute Weile nach, plötzlich ward er es müde, stemmte die Ellbogen auf dem Brückengeländer auf, schob alle zehn Finger unter den Hut, dessen Krempe ihm dabei tief in die Stirne fiel, und kraute sich in den Haaren.

So sah ihn Helene noch lange dort stehen, als sie mit der alten Kleebinderin an der Vorgärteltüre plauderte.

Auf dem Sternsteinhofe wurden Knechte und Mägde zum fleißigen Kirchenbesuche angehalten, aber der Bauer und sein Sohn nahmen es damit nicht so genau; war es ihnen vormittags nicht gelegen, Gott die Ehre zu geben, so ließen sie sich, wenn nichts dazwischen kam, nachmittags beim Segen sehen; öfters fuhren sie auch nach dem nahen Marktflecken, wo sie mit Bauern, die ebenfalls reich, also mehr ihresgleichen waren, verkehren konnten, und da schickte es sich häufig, daß sie erst inmitten oder zu Ende des Gottesdienstes hintrafen und ihnen just Zeit blieb, ein paar andächtige Vaterunser zu beten, ehe es zum Wirtshaustisch ging.

Aber seit seiner Begegnung mit Helene im Busch versäumte Toni keine Frühmesse, blieb die Predigt über und besuchte nachmittags den Segen. Er ließ den Bauer allein auf dem Hofe sitzen und allein auch nach dem Marktflecken fahren und sprach sich dem Alten gegenüber sehr verständig dahin aus, daß derselbe als Herr in allem seinen Willen haben müsse, wie gut es aber auch sei, wenn einer an seiner Statt, den Dienstleuten zum erbaulichen Beispiele, sich gehörigerweis in der Dorfkirche sehen lasse.

Zweimal noch unter der Zeit war er Helenen über den Weg gelaufen. Er sah sie unter der Straße entlang kommen und eilte nach der Brücke, um sie zu überholen, aber sie war stets flinker gewesen und ihm blieb nichts übrig, als ihr in einiger Entfernung zu folgen, und da kehrte sie sich das eine, wie das andere Mal an der Hütte der alten Matzner Resl gegen ihn, sah ihn mit großen Augen befremdet, ihm kam vor, auch ein wenig spöttisch, an und verschwand unter der Türe, um nach einer Weile mit Sepherl herauszutreten und eifrig plaudernd, ohne einen Blick zur Seite zu tun, mit der Kameradin vom oberen Ende des Dorfes zum unteren zurückzukehren.

Nun geschah es oft, daß der Toni mitten unterm Essen Gabel und Messer aus der Hand legte; statt der Arbeit nachzugehen in irgendeinem Winkel stand, saß oder lehnte und in das Narrenkastei guckte, das heißt, ausdruckslos vor sich hinstarrte; das alles mochte er mehr als vier Wochen getrieben haben, als ihm der Bauer eines Mittags vom Tische weg in‘s Freie nachfolgte.

»Nun, Bub,« sagte er, »an dir kann wohl der Herr Pfarrer sein‘ Freud‘ hab‘n?«

»Warum, Vater?«

»Weil d‘ dich so nachdrucksam af‘s Fasten und Beten verlegst.«

»Ich? Mich?«

»Ja, du dich! Und laß‘ dir sagen, wenn d‘ dich kastei‘n willst, so hätt‘ ich soweit nix dageg‘n, aber das beschauliche Wesen – tu mir d‘Freundschaft – leg‘ ab! Der Sternsteinhof is kein Kloster, und es bringt da kein Verdienst, sondern nur Schaden, wann du dein‘ Arbeit so ganz beiseitesetz‘st.«

»Das tu‘ ich doch nit, das bild‘st d‘ dir ein,« sagte der Bursche, indem er sein errötendes Gesicht wegwandte.

»Ja, ‚s is a wahre Einbildung, gelt?« lachte der Alte und entfernte sich, paarmal nach seinem Sohne zurückblickend, es berührte ihn wie immer gar nicht so unangenehm, wenn er sich diesem überlegen zeigen konnte.

Toni ging durch den Hausflur in den Garten. Er ließ sich in der Rebenlaube nieder. Er stützte den Kopf mit der Linken, den Ellbogen hatte er auf das eine Knie aufgestemmt, auf dem anderen lag flach seine Rechte; so saß er nachdenklich eine geraume Weile, dann seufzte er auf: »So kann‘s nit fortgeh‘n.«

Der Garten hatte ein Seitenpförtchen, von welchem ein ausgetretener Weg, auf dem Kamme des Hügels, über die Wiesengründe führte. Wer diesem schmalen Steig, der sich mählich bergab verlor, folgte, hatte das Dorf im Rücken. Toni schlenderte bedächtig auf selbem dahin, oft blieb er stehen und sah nach der letzten Hütte da unten in Zwischenbühel.

Plötzlich riß es ihn herum, und er beugte den Oberleib vor und streckte den Hals. Helene war auf die Straße getreten. Kein Zwinkern der Augen, kein Zucken der Mundwinkel wie damals, als er über die Wiese nach dem Bache hinunterstieg, zeigte sich jetzt in dem Gesichte des Burschen, nur die äußerste Spannung war darin zu lesen, mit welcher er von der Höhe aus jede Bewegung der Dirne beobachtete.

Helene trug einen kleinen Buckelkorb, sie stand eine Weile und blickte um sich, dann ging sie unten an dem Ufer des Baches in der gleichen Richtung fort, wie Toni oben am Kamme des Hügels.

Gewiß, sie ging dürres Astwerk oder Tannenzapfen auflesen in dem kleinen Nadelholzbestande, welcher der Gemeinde gehörig war und der »tote Wald« hieß; es war das ein kümmerliches Gehölze, nahe dem Rande des Baches, der es bei Hochwasser überflutete und Sand und Gerolle zwischen den Stämmen ließ, aber ganz war es dem Verderben geweiht, seit der Borkenkäfer dort zu hausen begann; kahl ragten die schlanken Schäfte empor, morsch brachen sie in sich zusammen, nur wenige gesunde Bäumchen fristeten noch für unbestimmte Dauer ihr Sein. Der tote Wald war aufgegeben. Selbst des Leseholzes wegen gab es keinen Streit, nur die Allerärmsten des Ortes schickten ab und zu ihre Kinder, um von dem Geäste heimzuholen, was einem nicht unter dem Griffe zermürbte.

Daß ihn die Dirne gesehen habe und ihm nun geflissentlich über den Weg laufe, das galt dem Burschen für ausgemacht, doch empfand er diesmal keine freudige Genugtuung darüber, er fühlte sich vielmehr bange und beklommen, einen Augenblick wünschte er sogar, sie möchte nicht gekommen sein, doch weil sie es war, achtete er bald auf nichts mehr, als mit der Gestalt, die flink auf der Straße da unten sich fortbewegte, gleichen Schritt zu halten.

Nahe, wo der Steig endete, führte er hinter den Büschen knapp am Rande des Baches dahin; dort blieb der Bursche einen Augenblick stehen, mit verhaltenem Atem und ohne Regung, damit er nicht unversehens an einen Zweig des Strauches rühre, der ihn deckte. Nur durch das schmale Bett des Wassers getrennt, ihm gerade gegenüber, saß die Dirne auf einem Erdaufwurf, der Schuh mochte sie wohl gedrückt haben, sie hatte ihn ausgezogen und schüttelte ihn, dann zog sie ihn wieder an, streckte den Fuß zierlich vor und lockerte ihr Strumpfband, darauf erhob sie sich und schritt rasch in den Tann, hinter dessen schlanken Stämmen sie verschwand. Toni legte die kurze Strecke Weges bis an den Bach zurück, lief über den Baumstamm, der da statt einer Brücke diente, und sah nahe im toten Walde Helene erwartend stehen. Er ging entschlossen auf sie zu.

Sie ließ ihn auf drei Schritte herankommen, dann warf sie mit dem einen Arme den Korb von der Schulter zur Erde und streckte den anderen gegen ihn aus. »Das muß einmal ein End‘ haben,« rief sie.

»Das mein‘ ich auch,« sagte der Bursche und nickte dazu ernst mit dem Kopfe.

»Ganz offen gesteh‘ ich‘s,« fuhr sie fort, »heut hab‘ ich dich wohl von der Höhen daherkommen g‘seh‘n und es d‘rauf ang‘legt, daß ich mit dir zusamm‘treff, weil mir dein Nachlaufen durch ‚n Ort und ewig‘ Angaffen in der Kirchen hitzt schon einmal z‘dumm wird! Hilft‘s bei dir nit, wenn mer, was dich angeht, kurz und bündig in ein‘m Sprüchel sagt, brauchst du zum Verstehen ‚leicht ein‘ Predigt oder ein‘ Litanei?«

»Red‘ dich aus, red‘ dich nur aus,« sagte Toni, indem er vor sich zu Boden sah.

»Du bild‘st dir wohl ein, du wärst gar ein besond‘rer und alle anderen g‘ring‘ gegen dich? Freilich, du bist der einzige Sohn vom reichen Bauer af‘m Sternsteinhof und selber einmal der Herr d‘rauf, halt ja, das bist du, aber deßtweg‘n brauchst d‘ doch mich nit für ein schlecht‘s Mensch z‘halten!« Sie hatte unterdem von den nahestehenden Bäumen dürre Äste abgebrochen und neben den Korb hingeworfen, jetzt schwang sie eine dünne Gerte in der Hand und führte damit einen Lufthieb gegen den Burschen. »Halt‘st mich ‚leicht nit dafür?«

»Wie kam‘ ich auf den Gedanken?« sagte er kleinlaut, ohne den Blick vom Boden zu erheben.

»Bist noch nit d‘rauf ‚kommen, so helf ich dir d‘rauft Was willst mit all‘ dein‘m Nachlaufen und Aufdringlichkeiten bezwecken, als daß ich den Burschen, der‘s ehrlich mit mir meint, fahren lassen sollt‘, dir z‘lieb‘, der‘s nit in Ehren meint, nit in Ehren meinen kann, noch darf?!«

Toni blickte auf. »Wieso nit könnt‘ und nit dürft‘?«

»Dumme Frag‘,« zürnte die Dirne. »Nimm du mich nur nit für gleicherweis so dumm und ehrvergessen, daß ich dir ein G‘hör schenken und dabei übersehen könnt‘, wie groß und breit der Sternsteinhof zwischen uns zweien liegt, von wo ich niemal Hoffnung hab‘ aus einer Fensterrahm‘ auf Zwischenbühel herunterz‘schauen. Jetzt weißt mein‘ Meinung, und von heut‘, bitt‘ ich mir aus, bleib‘ von mein‘ Weg‘n und schau‘ in der Kirchen, wohin z‘schauen hast, wenn dich d‘Frommheit h‘neinführt, nach‘m Altar und nach der Kanzel, aber nit nach‘n Weiberbänken; mein‘tweg ‚n auch dahin, aber nach einer andern.«

»Bist fertig? So hör‘ auch mich an. Ob ich geg‘n andere stolz bin, kommt da nit in Frag‘, du hast dich in derer Hinsicht g‘wiß nit über mich zu beklagen; wär‘ ich nur halb so übelnehmerisch wie du, so laufet ich jetzt wohl schon heimzu, übrigens g‘schieht‘s weder aus Demütigkeit noch tu‘ ich mir ein‘ Zwang an, daß ich dir standhalt‘, es is mir nur d‘rum, daß ich dich seh‘ und hör‘, und hast kein‘ freundlich G‘sicht und kein gut‘ Wort für mich, so nimm ich auch mit ein‘ finstern und mit unb‘schaffene vorlieb, und dafür, daß ich dich gern hab‘, kann ich just so wenig wie der Herrgottlmacher, möcht‘ also nit, du nähmst mir‘s übler auf und lägest mir‘s anders aus wie dem.« Helene hob die runden Schultern.

»‘s tät deiner Ehr‘ nit ‚n geringsten Abbruch, wann d‘ dich mitleidig bezeigest zu mir.«

Helen‘ runzelte die Brauen. »Du Narr, du, setz‘ dir keine Dummheiten in‘ Kopf, so fehlt dir gleich nix!«

»Hast schon recht, wenn du‘s ein‘ Dummheit nennst und ein‘ allmächtige dazu! Alles, was du dagegen vorgebracht hast und mehr noch, hab‘ ich mir selber g‘sagt, mich z‘Anfang g‘nug dawider g‘sperrt und g‘spreizt und doch hat‘s mich unterkriegt, daß ich mich jetzt nimmer ausweiß. Leni, mein Seel‘ und Gott, auf dein‘ Red‘ vorhin, daß der Sternsteinhof zwischen uns zwei‘n stund‘, hätt‘ mir einer sagen können, derselbe wär‘ niedergebrennt bis af‘n Grund, mir wär‘s nit nah‘gangen.«

Die Dirne lachte laut auf. »Das kannst ja erprob‘n. Zünd‘ ihn an!«

»Das is ein sündhaft‘ Reden. In Vatershaus wird doch keiner Feuer anlegen.«

»No, mein‘ nur nit, daß ich dich dazu anstiften möcht‘! Ich wollt‘ dir nur weisen, daß‘s schließlich doch allweil af mein frühers Sagen h‘nauslauft und jed‘s weitere Reden zwischen uns überflüssig is. Hätt‘st du dein‘ Hof eben nit, könnt mer dir a ehrlich Absicht zutrauen, so bist du aber der Toni vom Sternsteinhof, und die Dirn‘, die sich mit dir einlaßt, vergibt sich von vorhinein.«

»Als ob ich‘s – wie ich bin – nit ehrlich meinen könnt‘! Af‘m Sternsteinhof bleibt‘s nit allweil so b‘stellt wie jetzt, kann auch ein‘ Veränderung eintreten.« —

»Wenn dein Vater sterbet, meinst?« Die Dirne sah ihm bei der Frage scharf in die Augen.

Er wandte sich ab. »Ich wünsch‘ ihm den Tod nit, bewahr‘ aber g‘setzt —«

»Der Mann is noch nit so alt, daß er von heut‘ af morgen stirbt; der kann‘s noch ein‘ Reih‘ von Jahr‘ln mitmachen. Glaub‘ kaum, daß d‘ eine find‘st, die sich, dad‘rauf z‘warten, einlaßt.«

»‘s war‘ auch das nit notwendig, nur af a schicksame G‘legenheit brauchet mer z‘passen, dann krieget ich ihn schon herum. Was mir anliegt, das setz‘ ich bei ihm durch, da bin ich sicher.«

»Das hast schon einmal g‘sagt.«

»Du kannst auch d‘rauf glaub‘n, und über kurz oder lang vermocht‘ ich dir‘s auch zu weisen. Nach der Leut‘ G‘red‘ frag‘ ich ‚n Teuxel. Auf dich allein kommt‘s an. Aufrichtig g‘sagt, Leni, ließest du den Muckerl geh‘n und haltest zu mir, wann —«

»Was wann?«

»Wann ich dir ‚s heilig Versprechen gab‘, daß ich dich zur Bäuerin af‘m Sternsteinhof mach‘?!«

»Geh‘ zu,« schrie sie auf, mit beiden Armen abwehrend. Ein flüchtiges Zittern überlief ihren Körper, dann stand sie starr mit leuchtenden Augen, zwischen den halbgeöffneten Lippen den Atem hastig, aber geräuschlos einsaugend; sie fuhr mit der Rechten nach dem linken Arm, den sie dicht an den Leib geschmiegt hielt, und kneipte sich paarmal in das pralle Fleisch; dann bückte sie sich rasch nach dem Korbe und warf das Reisig, das herumlag, in denselben. Als sie sich mit hochgerötetem Antlitz wieder aufrichtete, sagte sie neckend: »Meinst, ich trau‘ dir nur gleich so? Das müßt‘st mir schriftlich geb‘n.«

»‘s gilt schon,« sagte ernsthaft der Bursche. »Heut‘ schreib‘ ich‘s noch nieder. Find‘ du dich morgen da an der Stell‘ ein, kannst‘s haben.«

»Ich komm‘ schon,« lachte sie, »ich bin ja auch neugierig, was du für eine Handschrift schreibst. B‘hüt‘ dich Gott, der‘weil!« Sie warf den Buckelkorb über die Achsel, nickte dem Burschen freundlich zu und lief ein paar Schritte, dann hielt sie inne und kam bedächtig zurück. »Laß ‚s doch lieber sein,« sagte sie.

»Ja, warum denn aber?«

»Armer Hascher, am End‘ reuet dich der ganze Handel.«

»Mich nit, da d‘rauf gib ich dir mein Wort.«

»Laß‘ gescheiterweis mit dir reden, Toni. Jetzt, wo ich wohl glauben muß, daß du‘s ehrlich meinst, war‘ es von mir nit rechtschaffen, wenn ich dir verhehlen tat‘, was mir eben für Bedenken durch ‚n Kopf schießen. Bevor sich nit d‘schicksame G‘legenheit find‘t, wo du dein‘ Vadern herum z‘kriegen glaubst, können wir uns nit offen als Liebsleut‘ zeigen, denn was ihm bis dahin verschwiegen bleiben soll, dürfen wir nit in der Leut‘ Mäuler bringen; wir müssen also heimlich zueinand‘ halten. Gelt ja?«

Toni nickte.

»Und da ist‘s wohl nit gut möglich, daß ich ohne ein Aufseh ‚n z‘machen und ein aufdringlich‘s Gefrag‘ zu wecken, n‘ Muckerl, so mir nix, dir nix, abweis‘, und du kannst auch nit verlangen, daß ich‘s tu‘, so lang die Sach‘ noch in Lüften hängt; denn ein wie ein fest‘s Zutrau‘n du auch haben magst, so is uns ein rechter Ausgang doch nit verbrieft. Gelt nein? So is wohl für all‘ Fäll‘ besser, ich laß‘ den Bub‘n noch weiter neben mir herzotteln und tu dazu nix dergleichen.«

»O nein! Mußt mich nit für gar so einfältig halten!« brauste der Bursche auf. »Wenn du die Meine sein willst, leid‘ ich nit, daß ein anderer an dich rührt.«

»Mein lieber Toni, da hast du nix z‘leiden, das müßt‘ wohl vorerst ich, und daß d‘ der‘halb‘n ganz sicher gehst, so sag‘ ich dir: so wenig ich mir den Bub‘n hab‘ nah‘ kommen lassen und nah‘ kommen ließ‘, bevor ich ihm nit als Weib ang‘hör‘, eben so wenig sollst du mir nah‘ kommen, bevor ich nit als Bäu‘rin af‘m Sternsteinhof sitz‘! Is dir das nit anständig, meinst du‘s anders, so magst dein‘ G‘schrift nur b‘halten!«

»Af Ehr‘ und Seligkeit! Leni, einer anderen trauet ich nit so viel, aber du darfst dir schon all‘s herausnehmen geg‘n mich! Tu‘, wie d‘ glaubst und für recht halt‘st; dem, was mich dabei verdrießt, muß ledig ich nach ein‘m End‘ seh‘n; sei nur freundlich zu mir, gibt mir öfter Gelegenheit, daß ich dich sehen und hören mag und bei‘n Händen fassen kann, —«

Sie standen Hand in Hand und lächelten sich an. Da zog die Dirne die Hände zurück und sagte: »Morgen is auch ein Tag. Morgen bered‘n wir‘s andere. Aber weil d‘ mein braver Bub sein willst und weil d‘ so willig Vernunft ang‘nommen hast, – ich bin sonst wohl gar nit freigebig, – doch geh‘ her, sollst ein‘ Lohn dafür hab‘n.« Sie schlang ihm den Arm um den Nacken und preßte ihre Lippen auf die seinen, dann lief sie eilig auf und davon.

Toni ging an den Bach, er taumelte, als er den Steg überschritt, so daß er ärgerlich auflachte, dann ging er, wie träumend, über die Wiese dem Sternsteinhofe zu. Von der Höhe sah er, ferne auf der Straße unten, verschwindend klein, die Gestalt der Dirne sich hastig fortbewegen, und manchmal schien ihm, als unterbräche ein Sprung oder ein Stolpern die Gleichmäßigkeit ihrer Schritte.

In der nächstnächsten Nacht, als die alte Zinshofer eingeschlafen war und »Holz zu sägen« begann, erhob sich Helene vom Lager, trat an das Fenster, zu dem der Vollmond hereinschien, und griff nach einer bereitgehaltenen Nadel, sie nähte an einem kleinen Leinwandtäschchen, fügte eine Schnur daran und, nachdem sie das Anhängsel um den Hals genommen, schlüpfte sie wieder unter die Decke. Sie schlief unruhig, und wenn sie halbwach nach dem Täschchen griff, so knitterte das, als ob es ein Papier enthielte. Es umschloß auch ein solches, – das Eheversprechen des Toni vom Sternsteinhof.

Der Sternsteinhof

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