Читать книгу Die Pietisterey im Fischbein-Rocke. Komödie - Luise Adelgunde Victorie Gottsched - Страница 7
Der Brief des Herausgebers an den Verfaßer dieses Lust-Spiels.
ОглавлениеHoch-Ehrwürdiger,
Hochgelahrter Herr!
Ich habe die gröste Ursache von der Welt, E. H. für das neulich übersandte Manuscript verbunden zu seyn. Es ist nicht nöthig, daß ich mit vielen Worten bezeuge, wie unvergleichlich es Denenselben gerathen; da dieses ohnedem das gewöhnliche Urtheil ist, welches die Welt von Dero Schrifften zu fällen pflegt. Wenn ich davor nur die ungemeine Freude beschreiben könnte, welche dadurch in einer grossen und aufgeweckten Gesellschafft neulich entstanden, wo ich dasselbe von Anfang bis zum Ende vorzulesen mir die Freyheit genommen. Dieses aber mit Worten zu beschreiben wird mir gantz unmöglich fallen. Und ich will nur so viel sagen, daß auch die allerernsthafftesten Leute mehr als hundert mahl überlaut zu lachen genöthiget worden, und daß ich vor dem unzähligen Händeklatschen der übrigen wohl mehr als hundert mahl im Lesen inne halten müssen. Das ist aber noch nicht alles. Die gescheidesten Köpffe in dieser Gesellschafft traten alsobald zusammen, [8]und beschlossen mit einhelligen Stimmen, daß man der Welt dieses vortreffliche Lust-Spiel nicht mißgönnen müste. Wieder diesen Entschluß hatte die gantze Gesellschafft nichts einzuwenden, als dieses: Wo man denn einen Verleger darzu hernehmen würde. Weil sich so leicht kein Buchdrucker entschliessen würde eine Schrifft zu drucken, die allem Ansehen nach gewissen Leuten sehr mißfallen, und sie zu der empfindlichsten Rache gegen denselben anflammen würde. Doch kaum war dieser Einwurff vorgebracht; so war er auch schon gehoben. Eben diejenigen, so auf den Anschlag gekommen waren, dieses Werck drucken zu lassen, erbothen sich auch die Kosten darzu herzugeben. Ich versetzte hierauf, daß sie die Rechnung ohne den Wirth gemacht hätten, und versicherte, daß E. H. es niemahls zugeben würden, daß diese Schrifft, die sie niemahls zum Drucke bestimmt hätten, ans Licht treten dürffte. Ja ich selbst drohete, mich mit aller Macht darwider zu setzen; weil dasjenige, was mir im Vertrauen überschickt worden, auch nur in meinen Händen bleiben müste: wofern ich nicht bey dem Verfasser den Vorwurff einer Treulosigkeit verdienen wollte. Doch alles vergebens! Man hatte sich einmahl Dero Manuscripts bemächtiger, und es war mir nicht möglich, dasselbe wiederum in meine Hand zu bekommen. Alles was man mir dabey einräumte, war dieses, daß man mir den ersten Abdruck der Bogen zusenden, und mir die Bemühung überlassen würde, für die Ehre meines Freundes dabey zu sorgen; damit nemlich seine Schrifft, so viel als möglich, ohne Fehler ans Licht kähme. Was sollte ich thun? Gewalt gieng vor Recht, und ich muste mir endlich gefallen lassen, was ich nicht hindern kunte. Nunmehro ist Dero Werck würcklich unter der Presse, und [9]ich habe die Ehre, als eine getreue Heb-Amme, dieses so wohl gerathene Kind E. H. ans Tages-Licht zu bringen. Hiermit übersende die ersten Bogen desselben, und bitte über dem ersten Anblick derselben nicht gar zu sehr zu erschrecken, vielweniger einen unverdienten Haß auf mich zu werffen. Ich kan aufs theuerste versichern, daß ich alles gethan habe, was nur in meinen Kräfften gestanden, den Abdruck dieser Schrifft zu verhindern. Ich ergriff auch sogleich die Feder, E. H. Nachricht davon zu geben: Aber ehe der Post-Tag kahm; so hatte ich schon die zwey Bogen zur Ausbesserung der Druckfehler erhalten. So eilfertig sind diese Herren in der Ausführung ihres Vorhabens gewesen. Weil ich also selbst zu geschehenen Dingen das beste zu reden genöthiget bin; so schlage ich mich selbst zu der Parthey, meiner ehemahligen Wiedersacher, und versichere E. H., daß Sie von der Bekanntmachung dieses Meister-Stückes nichts zu besorgen haben. Denn was wollen die Gegner davon sagen? Ist es etwan eine Sünde, lächerliche Leute auszulachen? Warum haben sie in unzehlichen Schrifften sich selbst der klugen Welt zum Gelächter gemacht? Man hat lange genug ernsthafft mit diesen Leuten gestritten: Aber was hats geholffen? Sie sind selber dadurch in dem Wahne bestärcket worden, als ob ihre Neuerungen und Mystische Fantasien was recht wichtiges seyn müssten: Indem sich auch die grössten GOttes-Gelehrten, ja wohl gar gantze Theologische Facultäten die Mühe gegeben, wider sie zu Felde zu ziehen. In diesem Kriege aber ist es gegangen, wie dort bey dem Drachen in der Fabel, dem an statt eines abgehauenen Kopffs allemahl drey andere wieder wuchsen. Daher haben schon längst verständige Männer geurtheilet, man müsse solchen Schwärmern die [10]Ehre nicht mehr anthun, ernstlich wider sie zu streiten; und würde besser thun, wenn man sie mit Satyrischen Waffen zu erlegen bemühet seyn würde. Dieses haben nun E. H. mit so glücklichem Erfolg ins Werck gerichtet, daß dadurch nothwendig einer unzehlbahren Menge verführter Seelen die Augen geöffnet werden können. Wollte man sagen: Daß gleichwohl die Heil. Schrifft und viele Glaubens-Artickel mit dabey etwas leiden, und zum Gelächter werden würden; so wird doch ein Unpartheyischer leicht sehen, daß nicht die Schrifft selbst, auch nicht die Glaubens-Lehren, sondern nur die einfältigste Art, selbige zu mißbrauchen, gemeinet sey. Wäre dieses nicht; so müsste man auch behaupten, der theure Lutherus hätte sich an den Geheimnissen der Religion vergriffen, weil er den Mißbrauch der Papisten in seinen Schrifften lächerlich und verächtlich zu machen gesucht, ja wohl gar die Mönche und Pfaffen vor Ochsen und Esel gescholten, und die Bullen der Päbste Drecketen geheissen. Wem ist es also zu verargen, wenn er nach Nothdurfft dieser Zeiten in die gesegneten Spuren dieses theuren Rüst-Zeugs GOTTES tritt? Mehr darf ich E. H. vermuthlich nicht vorstellen, meine Kühnheit zu entschuldigen; und verharre also mit aller gewöhnlichen Hochachtung
Deroselben
verbundenster Diener,
Der Herausgeber.