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Zweites Kapitel

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Markus weckte Liam mit der laut zufallenden Tür des Studios.

Mit zugekniffenen Augen und verwuschelten Haaren fragte Liam ob es schon Morgen sei.

„Es ist 11 Uhr Mittags.“, sagte Markus und begann sich auf die kommenden Boxtrainings vorzubereiten.

„Dann wird es mit meinem Frühstück wohl nichts mehr.“, sagte Liam und fuhr sich mit der Zunge über die Zähne.

Er ging zum Waschbecken um sich die Zähne zu putzen und das kalte Wasser auf seinen Handflächen brachte ihm die Kälte des Tages näher.

Eine Beerdigung an einem Wintertag stand an, doch zunächst trainierte Liam weitere 4 Stunden in dem kleinen Studio am altbekannten Boxsack bis die Fäuste schmerzten und die Muskeln brannten.

„Die Deckung hoch!“, rief Markus.

Und Liam ließ die Arme sinken.

„Ich muss los.“, sagte er.

Er nahm die U-Bahn zum Friedhof und wieder einmal war ihm als ob ihm etwas von der Welt entging. Als ob er trotz seiner Achtsamkeit, von der Gesellschaft ausgeschlossen, aufs Training fokussiert, die wichtigen Dinge eben nicht mitbekam.

So war ihm auf dem Bahnsteig und im Zug, Erst später auf der Beerdigung sollte er davon erfahren.

Die Beerdigung fand auf dem Hauptfriedhof von Milham statt. Liam lauschte den Worten des Pfarrers und dem Prasseln des Regens auf die schwarzen Regenschirme, die sich wie ein Zeltdach über die Friedhofserde spannten.

Sarg um Sarg, wurde langsam dem Untergrund Milhams übergeben. Mit den Blumen fielen letzte Tränen in die Gräber und Liam las am Grabstein ab:

- Paul Winkelhofer - , 1993-2020 -

Paul war ebenso wie seine beiden Freunde jung gestorben und eine Aura von seiner Trauer darüber mischte sich unsichtbar in die Luft.

„Es sind diese Fliegen.“, sagte Frank und sah Liam von der Seite her an.

„Welche Fliegen?“, fragte Liam, die Hände noch immer vor dem Schritt verschränkt.

„Neuartige Fliegen. Sie übertragen ein Virus. Allein gestern sind in dieser Stadt 200 Menschen gestorben, an einem Mückenstich.“, sagte Frank.

„Woher weißt du das?“, fragte Liam und sah Frank an, mit Augen die schon vieles gesehen zu haben glaubten.

„Aus der Zeitung. Die Medien sind voll davon.“

Liam dachte an die vor den Fliegen fliehenden Jugendlichen vom Vortag und sagte:

„Vielleicht macht man hier auch aus einer Mücke einen Elephanten.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich Liam von Frank und ging nach einem kurzen Handschlag zur U-Bahn um zum weißen Kreuz zu fahren. Er hielt nicht viel von Informationen, die ihn über die Medien erreichten.

Im weißen Kreuz wurde vorsorglich Insektenschutzmittel verteilt. Zu groß sei die Gefahr, die von den Stechmücken ausginge, hieß es. Man wisse noch nicht, ob es ein Virus oder das Gift der Mücken an sich sei, welches tötet, sagte ein Sozialarbeiter. Fakt sei aber, die Situation sei höchst gefährlich, inzwischen sprach man von über 250 Toten.

Die Mücken seien neuartig und hätten Stachel mit Widerhaken. Etwa 2 Stunden infolge des Stichs, träten die ersten Symptome wie Husten und hohes Fieber auf. Nach etwa 6-10 Stunden folge der Tod. In wie weit die neue Krankheit ansteckend sei, sei noch nicht bekannt, so der Sozialarbeiter. Wer aber derartige Symptome habe, solle sich zeitnah ins Krankenhaus begeben.

Während sich unter allen Anwesenden größte Besorgnis ausbreitete, blieb Liam seelenruhig. Er hatte schon oft ins Auge des Todes geblickt und gelernt ihn als ständigen Begleiter zu sehen. Als etwas was immer da ist und ihn eines Tages befreit aus den Ketten seines Körpers, als etwas was seiner Seele die Freiheit schenkte.

Auch wenn er sich den Tod nicht wünschte, nahm er ihn hin, wie den Schlaf der ihm jede Nacht die Schönheit des Augenblicks raubte.

Wie alle Anderen ließ sich Liam mit Insektenschutzmitteln einnebeln. Es roch süßlich chemisch und raubte ihm für einen kurzen Moment die Luft zum Atmen. Damit eingesprüht, aß Liam zu Abend. Er lauschte den Gesprächen über biblische Plagen und der bevorstehenden Apokalypse.

„Dass es ausgerechnet Milham treffen muss.“, sagte der Mann hinter ihm.

Danach bekam dieser Mann einen Hustenanfall und zu Tode erschreckt, sprang sein Nebensitzer auf und ging davon. Hektik machte sich im Raum bemerkbar, denn niemand wollte sich infizieren.

Noch während der Mann zum Krankenwagen gebracht wurde, verließ Liam den Raum.

Er hatte vor etwas trinken zu gehen.

Doch zunächst brauchte er Geld und dafür musste er in die Foxstreet fahren. Die Hochhausblocks standen wie massive Kästen auf dem Stein als Liam Haus Nummer 15 erreichte. In dem mit Graffiti beschmierten Aufzug fuhr er bis in den 11. Stock. Erst klingelte er, doch als niemand öffnete brach er die Tür auf.

Vor ihm stand Sam, ein kleiner runder kahlköpfiger Mann, der sich einst von Liam Geld lieh.

„Wo ist mein Geld?“, fragte Liam.

Sam, der gerade noch einen kleinen Rest Kokain die Nase hochzog antwortete:

„Ich hab kein Geld hier Liam, ehrlich.“

„20€ für dein Leben.“, sagte Liam und sah Sam durch die Lidschatten heraus an.

Das war bei Weitem nicht alles was Sam ihm schuldete und zögernd zog dieser die Brieftasche heraus, sagte:

„Also gut.“, und gab Liam 20 €.

Zum Abschied hielt Liam ihm die Faust hin, sagte:

„Ich komme wieder.“, und ging.

Es war für ihn immer besser, kleinere Mengen an Geld zu besitzen, da Geld auf der Straße schnell zu Problemen führt.

Liam fuhr von der Foxstreet zehn Stationen zur Goethestraße. Es spielte Musik von einer Liveband und es roch nach Alkohol und Schweiß als er die Bar betrat. Das Porters war sein Stammlokal und er bestellte wie üblich einen Cider. Als der Kellner am Tresen ihm das Glas zuschob, bemerkte Liam eine Mücke am Tresen. Sie war pechschwarz, mit blutroten Augen gespickt und hatte einen kräftigen Stachel.

In Sekundenbruchteilen realisierte Liam um was es sich handelte, nahm einen Untersetzer und schlug sie damit tot. Ein großer Blutfleck war darauf zu sehen, als er den Untersetzer abzog.

Ich vermute sie hat schon gestochen, jemand hier ist infiziert, dachte Liam und sah in die Zuschauermenge vor der Liveband.

Liam trank den ersten Schluck und ging behutsam, wie er immer ging,, in die Menge.

Die Band heizte die Stimmung auf. Beim Anblick der tanzenden Menschen schien der Virus gar nicht zu existieren. Ja, schien er sogar egal zu sein. Doch rechnete Liam jeden Augenblick mit einer Massenpanik, sobald sich die ersten Symptome bei dem Infizierten zeigen.

Doch bevor er sich weitere Gedanken machen konnte tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Als er sich umdrehte stand vor ihm eine junge Frau mit braunen Haaren und Augen von einer Tiefe in der sich Liam verlor.

„Hallo.“, sagte sie und spielte an ihren Haaren. „Bist du alleine hier?“

Nur ein wenig später saßen die Beiden gemeinsam an einem Tisch und nachdem Liam von siner Kampfkunst berichtet hatte, erzählte Carla von ihrem Job.

„Ich bin Journalistin.“, sagte Carla lächelnd. „Ich schreibe für die Milham Daily.“

„Und was schreibst du so?“, fragte Liam, nicht ohne einen Anflug von Bewunderung.

„Gerade schreibe ich über den neuen Virus.“, sagte Carla und kratzte sich am Bein. „Eigentlich ist es kein Virus, sondern das Gift der Mücken, welches tötet, aber das wird die Öffentlichkeit erst morgen erfahren.

„Warum erst morgen?“, fragte Liam.

„Um die Spannung zu erhöhen.“, sagte Carla. „Wir Journalisten leben von Spannung. Es gibt auch einiges was der Öffentlichkeit ganz verschwiegen wird.“

„Das wäre zum Beispiel?“, fragte Liam herausfordernd.

„Nun, zum Beispiel, das es ein Gegengift gibt, welches nur für die Reichen bestimmt ist. Die Produktion der Pharmakonzerne ist auf gering gestellt um den Preis in die Höhe zu treiben.“

„Also müssen du und ich, falls wir gestochen werden, sterben?“, fragte Liam.

In diesem Moment erlitt Carla einen Hustenanfall und begann zu verkrampfen und Liam wurde klar dass er handeln musste. Er musste einen Notarzt rufen.

Carla litt unter schweren Krampfanfällen und hohem Fieber, als der Notarzt sie hustend aus der Bar trug. Die von Liam befürchtete Massenpanik blieb zwar aus, jedoch war es sehr schwierig den Notarzt in dem Getümmel aus Menschen davon zu überzeugen, er sei Carlas Verlobter, um mit ins Krankenhaus zu fahren.

Der Notarzt fand, während der Fahrt, an Carlas Bein einen dick angeschwollenen blau angelaufenen Stich von einer Hornisse etwa, oder, wie der Notarzt sagte, dem neuartigen Insekt. Die anhaltenden Symptome ließen auf Letzteres schließen.

Liam sah noch einmal auf die Frau, in die er sich eben erst verliebt hatte und er wollte sie nicht sterben sehen. Er ballte die rechte Hand zur Faust und beschloss Alles dafür zu geben um das Gegengift zu beschaffen.

Liam

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