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Оглавление2 – Wunsch- und Alptraum
Oldtimer (frei nach Horst Reiner Menzel)
So mancher Oldtimer
schon lange Rosteimer,
wird wieder aufgemotzt
selbst wenn er Öl verrotzt.
Mein Auto hatte knapp 50 Sachen drauf, und ich schaltete in den dritten Gang. Es war einfach toll. Kupplung treten, Gang rein, Gas geben. Vor einem Jahr hatte ich meinen Führerschein gemacht. Schon oft war ich mit dem Auto meiner Eltern gefahren. Das war eine richtig gute Kiste, mit einem starken Motor und vier Türen. Es machte Spaß, damit zu fahren. Mein Fiat 500 hatte einen kleinen, schwachen Motor und nur zwei Türen. Aber er gehörte mir. Und das Fahrgefühl war ganz anders. Wie soll ich es beschreiben? Also, ich kriegte richtig Gänsehaut und knallrote Ohren vor Begeisterung. Das war ungefähr so wie Bescherung zu Weihnachten. Vor 10 Jahren riss mich eine Modelleisenbahn hoch. Jetzt ging es mir so mit meinem Auto.
Aber nun musste ich erstmal bremsen. Es kam eine Kreuzung. Wer von rechts kommt, hat Vorfahrt. Und von rechts kam ein Auto. Der Fahrer beachtete mich gar nicht. Er teilte wohl meine Begeisterung für mein Auto nicht. Er fuhr ja auch einen dicken Mercedes. Der war noch grösser, als der von Herrn Braun. Aber ich beneidete ihn überhaupt nicht. Ich war in mein kleines Auto verliebt. Der Mercedes fuhr links weiter, die Straße vor mir war wieder frei. Erster Gang, Gas geben, rassel rassel rassel, zweiter Gang, rassel rassel rassel. 50 km, dritter Gang. Was ich jetzt hörte klang nicht mehr wie die Nähmaschine, die bei uns zu Hause Krach machte. Als Kind hatte ich mal ein kleines Fahrrad. Wenn ich damit einen Platten hatte hörte ich ‚blubb, doff doff doff, blubb, doff doff doff‘. So ähnlich klang mein Auto auf einmal. Bei ‚blubb‘ war es so, als ob ich kurz bremsen würde. Mein Kopf scheuerte am Schiebedach entlang und beugte sich übers Lenkrad. Bei ‚doff doff doff‘ wurde mein Auto wieder schneller. Aber dann kam wieder blubb. Ich schaltete zurück in den zweiten Gang. Da begrüßte mich wieder das schöne Rassel-rassel-rassel. Ich gab Gas, das Rasseln wurde lauter. Wieder kam ich auf 50 km. Eigentlich hätte ich jetzt in den dritten Gang schalten müssen. Aber ich wollte weiter ununterbrochen beschleunigen. Ich hoffte so ums Blubb-doff-doff-doff rum zu kommen. Aber es nützte nichts. Kaum zeigte mein Tacho auf knapp über 50 km/h, da ging der Ärger wieder los. Betrübt fuhr ich nach Hause. Auf der gesamten Strecke erinnerte mich mein Auto daran, dass es krankt war. Den Namen der Krankheit kannte ich ja schon. Der Fiat hatte Vergaserwolf.
Als ich zuhause ankam, war es dunkel. Ich parkte an unserer Straße vor einer Laterne. Dort war wenig Platz aber so ein Fiat 500 ist kurz. Ich stieg aus und schaute an der Laterne empor. Die war plötzlich vernebelt. Die Luft roch irgendwie verbrannt. Dann sah ich dünnen Rauch aus den Luftschlitzen meiner Motorklappe emporsteigen. Entsetzt ging ich näher. Die Klappe war feucht. Aus den Ritzen trat Motoröl aus. Vorsichtig öffnete ich die Klappe. Der Motor war heiß. Aber zum Glück brannte nichts. Der Ölrauch verflüchtigte sich. Ich hörte Tropfen, die unter dem Motor zu Boden fielen.
Ich fühlte mich plötzlich schwach und schleppte mich ins Haus. Meine Eltern wollten gerade zu Abend essen. Sie saßen schon am gedeckten Esstisch. „Setz dich hin, Franki. Du hast bestimmt Hunger“ sagte meine Mutter ganz fröhlich. Mir war aber der Appetit vergangen. Ich entschuldigte mich und verkroch mich in mein Zimmer.
Am nächsten Tag half mir meine Mutter dabei, das Auto anzumelden und zu versichern wie Kuddel gesagt hatte. Meine Eltern waren wirklich sehr nett zu mir. Allerdings war ich ein wenig eingeschnappt, als ich ihnen den Fiat zeigte. Sie guckten sich das Auto an. Dann blickten sie zu mir. Meine Begeisterung war verflogen. Anstatt freudestrahlend stand ich da, wie ein nasser Pudel. Da brachen die Beiden in schallendes Gelächter aus. Ich fand das gemein und war beleidigt. Sie hörten überhaupt nicht mehr auf zu lachen. Meine beleidigte Miene feuerte sie nur noch mehr an. Meine Mutter konnte vor Lachen kaum atmen. Ich war fassungslos und gekränkt. Mein buntes, winziges, verrostetes Auto sah aber wirklich furchtbar komisch aus. Plötzlich fing ich auch an zu lachen und fühlte mich sofort besser.
Kurze Zeit später hatte mein Fiat neue Nummernschilder, und ich hatte einen Stapel Papier in verschiedenen Farben, mit Stempeln und Unterschriften. Auf fast jeder Seite stand mein Name. Das gab mir wieder Mut. Ich überlegte, wie ich mein Auto vor den Ferien wieder fit kriegen konnte. Geld hatte ich nicht. Aber zum Glück noch genug Zeit bis zu den Sommerferien. Nach meinem Job als Fahrer bei Trichlogit wollte ich nach Schweden fahren. Ich beschloss erstmal weiter Lastwagen auszuladen und mich auf meine Klausuren vorzubereiten.
Langsam gewöhnte ich mich an die Macken meines Autos. Beim Benzin Tanken musste ich auch immer Motoröl nachfüllen. Bei Aldi hatte ich einen fünf Liter Kanister Motoröl gekauft, den ich immer im Auto mitführte. Das machte die Sache erträglich und nicht so teuer. Das vergossene und rauchende Motoröl sah zwar schlimm aus. Aber mehr als einen Becher voll brauchte ich nicht nachzugießen. Viel störender war das fürchterliche Stottern. Nie kam ich schneller als 50 km/h voran. Autos, die hinter mir fuhren hupten und blinkten. Es musste etwas passieren. Ich erinnerte mich an Kuddels Tipp und fuhr zu Puttfarken. Die Werkstatt war leicht zu finden. Als ich auf den Hof fuhr, rief ein Mechaniker „nächste Einfahrt“. Ich drehte und fuhr zum nächsten Tor. Über der Einfahrt stand ‚Autoverwertung‘. ‚Das ist ja eine Frechheit‘ dachte ich. ‚Ich soll mein schönes Auto auf dem Schrottplatz wegwerfen‘. Ich parkte an der Straße und lief sauer zur Werkstatt. Den Mechaniker konnte ich nur mit Mühe überreden, sich meinen Fiat anzusehen. Er schaute sich die durchgerosteten Stellen und das hintere Nummernschild an. Gerade wollte ich ihm die Sache mit dem Stottern beim Fahren erzählen, da winkte er ab und sagte „lohnt sich nicht“. „Der fährt aber noch ganz gut“ verteidigte ich mein Auto. Der Mechaniker zeigte auf die Löcher. „Wie soll ich die dichtschweißen? Außerdem hat er bald keinen TÜV mehr“. „Was soll das denn heißen?“ fragte ich ganz unschuldig, denn ich wusste wirklich nicht, was er meinte. Da sah er mich mitleidig an und ging wieder zurück in seine Werkstadt, ohne noch irgendetwas zu mir zu sagen.
Ich fuhr zur Uni. Auf dem Parkplatz fragte ich eine Frau, die gerade in ihr Auto einsteigen wollte. Sie erklärte mir die Sache mit dem TÜV. Das ist ungefähr so wie das Verfalldatum von Lebensmitteln im Supermarkt. Wenn das Datum verstrichen ist, dann dürfen die Sachen nicht mehr im Regal liegen und verkauft werden. Autos haben auch so eine Art Verfalldatum. Wenn sie dann aber noch gut sind und einen technischen Test bestehen, dann kriegen sie ein neues Verfalldatum. Ich zeigte ihr mein Auto. „Meinen Sie, dass der Wagen so einen Test bestehen könnte?“ fragte ich sie. „Schwer zu sagen“ erwiderte sie höflich. Ich merkte aber, dass sie sich das Lachen verkniff. „Da müssen Sie einen Fachmann fragen. Viel Erfolg!“ sagte sie und ging wieder zu ihrem Auto. „Danke“ rief ich ihr hinterher.
Die Meinung eines Fachmannes kannte ich schon. Den Mechaniker Puttfarken brauchte ich nicht zu fragen. Trotzdem fuhr ich in der folgenden Woche wieder hin. Der nimmt nicht viel, hatte Kuddel gesagt. Außerdem kannte ich keine andere Werkstatt. Mutig fuhr ich in die Einfahrt, stellte mich neben das Büro und ging hinein. Da traf mich beinahe der Schlag. Hinter dem Empfangstisch stand der Mechaniker. Mir wurde kalt und mein Mund trocknete spontan aus. Auch er erkannte mich sofort. „Der Fiat, ne?“ fragte er. „Was hat er denn?“. „Vergaserwolf“ sagte ich kleinlaut. Wieder schaute mich der Mechaniker mitleidig an. Dann erhellte sich aber ganz plötzlich sein Gesicht und er lachte. „Eins zu eins“ sagte er. „Du hast noch nie was vom TÜV gehört. Und ich weiß nix vom Vergaserwolf“. Unser schlechtes Verhältnis hatte sich schlagartig verbessert. Ich beschrieb ihm das Stottern meines Fiats. Er hörte aber gar nicht richtig zu, sondern hielt seine Hand auf. Da hinein legte ich die Schlüssel. Wir liefen zum Auto, setzten uns rein, und er fuhr los. Wie immer ging der Mist bei knapp über 50 los. Der Mechaniker kniff die Augen zusammen. Er konzentrierte sich. Ich schöpfte Hoffnung. Er fuhr zurück zur Werkstatt. Wir gingen wieder ins Buero. „Ruf übermorgen an“ sagte er, riss ein Blatt von einem Block ab und drückte einen Stempel drauf. „Eher geht nicht. Zuviel los“ sagte er und gab mir das Blatt. ‚Quittung‘ stand da drauf. Rechts daneben hatte der Mechaniker die Telefonnummer gestempelt. Ich schaute ihn hilflos an. „Ich kuck mir das an und sag dir was das kostet“ erklärte er. Diese Auskunft beruhigte mich. Er würde mich also erstmal warnen, bevor ich Geld bezahlen musste. Er reichte mir die Hand und sagte „Klinke“. Ich schaute ihn fragend an. „So nennt mich hier jeder“ sagte er. „Frank“ erwiderte ich und schüttelte seine Hand.
Zwei Tage später rief ich wie vereinbart wieder an. „Bin noch nicht dazu gekommen“ sagte Klinke. „Übermorgen“. Was sollte ich machen? Besonders geduldig war ich noch nie. Aber nun musste ich es sein. „Ich kann so nix finden“ sagte Klinke zwei Tage später. „Wir haben aber einen gebrauchten Vergaser nebenan. Den kannst du bei uns selbst einbauen.“ Enttäuscht aber entschlossen nahm ich den Bus nach Altona. Der Vergaser vom Schrottplatz war billig. Leider hatte ich kaum Erfahrung mit Werkzeugen. Klinke musste mir helfen. Das tat er aber gerne. Ich war nun einmal ein armer Student, der zwar keine Ahnung hatte, sich aber nicht scheute, seine Finger schmutzig zu machen. Bei den Fingern blieb es nicht. Gesicht, Arme und was ich anhatte waren mit Öl verschmiert.
Endlich hatten Klinke und ich den Vergaser ausgetauscht. Zuerst wollte mein Auto gar nicht anspringen. Aber nach einigem Gefummel kam Leben in den Motor. Erwartungsvoll machte ich eine Testfahrt. Wieder beschleunigte ich ohne viel zu schalten. 30, 40, 50 km/h. Blubb-doff-doff-doff. „Das darf doch nicht wahr sein!“ rief ich verzweifelt. Alles war wie vor der Reparatur. Ich fuhr zurück zu Klinke und fragte ihn flehend „woran kann das denn liegen?“. „Tja“ sagte er „Dichtung leck oder Leitung dreckig“. Wie besessen kam ich jetzt täglich mit meinem kranken Auto zu Puttfarkens Werkstatt. Ich nahm alles auseinander und spülte die Teile mit Benzin. Die kleinsten Röhrchen durchstieß ich mit Draht. Dann bliess ich und prüfte, ob alles frei von Schmutz war. Ich baute die Teile wieder ein. Aber jeder Test brachte dasselbe Ergebnis. Nichts half. Der einzige Trost war, dass ich mein Auto gut kennenlernte und immer besser mit Werkzeugen umgehen konnte. Kein Wunder, dass der Vorbesitzer sich nicht mehr traute, mit dem Wagen ins Grüne zu fahren. Und ich wollte damit nach Schweden!
Würde ich jemals den Vergaserwolf wegbekommen? Was soll aus den Rostlöchern werden? Wo fließt das Öl raus? Schaffe ich es, das Leck zu dichten? Wenn ihr die Antworten wissen wollt, dann müsst ihr noch den nächsten Teil dieser Geschichte lesen.