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Geschichtlicher Überblick

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Der Steinzeitmensch fand auf dem Boden des späteren Österreich eine Landschaft vor, die von Wald überzogen war und in der Sümpfe große Teile der Täler einnahmen. Sie lebten von der Jagd und dem Sammeln von Früchten und Pflanzen und suchten Schutz in Höhlen an Felswänden mit guter Aussicht. In der ersten Hälfte des 6. Jts. v. Chr. stellte sich jedoch ein gesellschaftlicher Wandel ein: Die Menschen begannen sesshaft zu werden. Sie bauten Holzhäuser mit Wänden aus Weidengeflecht, das mit Lehm verputzt wurde, und etablierten die Nutztierhaltung, indem sie nach und nach Wildtiere domestizierten. In dieser Jungsteinzeit wurde auch erstmals Keramik produziert. Diese Veränderungen werden gemeinhin als Neolithische Revolution bezeichnet. Am Ende dieser Epoche, um 4300 v. Chr., hielt ein Metall Einzug in die Haushalte, das vor allem für Schmuck und Waffen verwendet wurde, nämlich Kupfer, das in unserer Region wohl aus Transsylvanien importiert wurde und großen Wert besaß. Aus dieser Zeit stammen im Übrigen die ältesten Gräber der Steiermark bei Wildon ( S. 103). Bis 1500 v. Chr. war Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, das härteste Metall, das man kannte. Aufgrund von dessen Wert und der sich herausbildenden Spezialisierung von Handwerkern entwickelte sich eine soziale Differenzierung.

Um 1200 kam jedoch mit dem Eisen ein neues Metall auf, das durch bewaffnete Konflikte und Handel mit Steppennomaden aus dem Osten in Mitteleuropa bekannt geworden war. Die Ersten, die es hierzulande bearbeiteten und verwendeten, waren die Menschen der Urnenfelderkultur, benannt nach ihrem Brauch, die Toten in Urnen auf einem Feld zu bestatten. Die Bevölkerung lebte nun in größeren Siedlungen mit Befestigungen aus Erdwällen mit Holzkonstruktionen dicht beieinander, die auf leicht zu verteidigenden erhöhten Plätzen lagen. Die Häuser wurden aus Holzpfosten errichtet.

Spätestens mit Einsetzen der Hallstattzeit um 800 v. Chr. war die gesellschaftliche Differenzierung abgeschlossen. Diese Protokelten errichteten große Prunkgräber für die Oberschicht, die voll von hochwertigen und teuren Beigaben waren. Benannt wurde diese Zeit nach der bedeutenden Fundstelle Hallstatt in Oberösterreich. Lokale Herrschaftszentren von reichen „Fürsten“ in großen Siedlungen auf Hügeln mit gutem Ausblick überwachten den Handel, der bis nach Griechenland reichte ( Siedlungen und Hügelgräber in Kleinklein [S. 46] und Hügelgräber in Strettweg [S. 55]), Bereits um 450 v. Chr. bildete sich ein neuer, vom Osten inspirierter Kunststil heraus, der auf alle Materialgruppen angewandt wurde, nämlich die Latènezeit, die Zeit der Kelten. Südlich des Alpenhauptkamms kann man erst ab Mitte des 3. Jhs. (La-Tène C) von einer Keltisierung sprechen. Im 2. Jh. v. Chr. kamen neue Siedlungsstrukturen auf: Im Westen wurden bis zu 15 ha große Höhensiedlungen, Oppida genannt, mit starker Befestigung errichtet, diese sind bei uns bisher leider nur durch wenige Grabungen und ohne moderne wissenschaftliche Methoden erforscht worden. Beispiele für solche Höhensiedlungen wären in Kärnten Gurina ( S. 115) und der Saaler Berg bei Maria Saal ( S. 127), für die Steiermark der Ringkogel bei Hartberg ( S. 87), der Kulm bei Weiz ( S. 65), Tieschen ( S. 99) und der Frauenberg ( S. 34). Die breite Masse der Bevölkerung jedoch lebte damals weiterhin in Einzelgehöften oder offenen dorfähnlichen Siedlungen, wo Handwerk und Handel betrieben wurde. Die Häuser dieser Ansiedelungen wurden im Fachwerk und mit Pfosten und lehmverputzten Weidenwänden errichtet.

Aufgrund der Nachbarschaft zu Italien und der daraus resultierenden Handelsbeziehungen gibt es bereits für die vorrömische Zeit schriftliche Quellen zur Geschichte des Gebiets südlich der Alpen. Der bekannte Geschichtsschreiber Livius berichtete, dass sich aufgrund von Landnot und inneren Konflikten im Jahre 186 v. Chr. 12.000 keltische Krieger samt Familien nach Süden begaben, um bei dem späteren Ort Aquileia ein Oppidum zu bauen. Drei Jahre später allerdings wurden sie wieder von den Römern in ihre alte Heimat zurückgetrieben; als Vorposten gegen neue Übergriffe gründeten die Römer 181 v. Chr. die Kolonie Aquileia. Weitere, meist friedliche Auseinandersetzungen folgten, doch um 170 v. Chr. kam es zu einer Gastfreundschaftsregelung zwischen Rom und den nördlicheren Kelten.

121/115–101 v. Chr. wurde Europa durch den Zug des Volksstammes der Kimbern in Atem gehalten. Am Weg nach Süddeutschland und Gallien plünderten sie 113 v. Chr. die reichen Noriker. Um ein Weiterziehen nach Italien zu verhindern zog der römische Konsul Gnaeus Papirius Carbo auf eigene Faust gegen die Kimbern; sein Heer wurde aber bei Noreia geschlagen. Dieses Noreia ist bis heute trotz zahlreicher Lokalisierungsversuche nicht identifiziert worden; die Literatur darüber kann bereits ganze Regale füllen. Sicher ist nur, dass es im Stammesgebiet der Noriker liegen muss, also im heutigen Kärnten oder der Weststeiermark.

Dem ansonsten weitgehend friedlichen Austausch mit den Römern lagen wahrscheinlich wirtschaftliche Interessen zugrunde, vielleicht in Verbindung mit dem begehrten Ferrum noricum, dem norischen Eisen, und der Ausdehnung der Noriker in das jetzt herrscherlose Gebiet der besiegten Boier, eines keltischen Stamms, der vor allem im heutigen Tschechien, Slowakei, Ungarn und Ostösterreich beheimatet war und im 2. und 1. Jh. v. Chr. verdrängt, bekämpft und in andere Stämme assimiliert worden war. Dieses Regnum Noricum, nun in seiner größten Ausdehnung, ist mehr als Oberherrschaft der Noriker bzw. des Königreichs Norikum über untergeordnete Stämme und Klienten zu verstehen und weniger im Sinne eines einheitlichen Staates. Bis zum Ende der keltischen Selbständigkeit regierten hier Könige, während andernorts, z. B. in Gallien, längst der Adel das Ruder übernommen hatte. Das Gebiet reichte von der Donau bis an die südliche Grenze des heutigen Österreichs und von der Ungarischen Tiefebene bis über den Inn hinaus nach Westen, inklusive Südostdeutschlands. Das ehemalige Gebiet der Boier umfasste Niederösterreich und Oberösterreich unter der Donau, das Burgenland und die Ungarische Tiefebene sowie den Bereich der Obersteiermark nördlich der Tauern und dem Hochschwab. Den Norikern und den Römern gemeinsam waren wirtschaftliche Interessen, führten doch sowohl die Bernsteinstraße als auch die West-Ost-Verbindung entlang der Donau durch das Gebiet, wo sich beide bei Carnuntum kreuzten. Gehandelt wurde vor allem mit Gold und Eisen, aber wohl auch weiterhin das wertvolle Salz.


Ausgrabungsarbeiten in Retznei/Steiermark: Im Bild zu sehen sind die Grundmauern eines römischen Gebäudes.

Im Gegenzug erhielten die Kelten Waren aus dem Süden, nicht zuletzt Wein. Die Münzprägung setzte ab dem 3. Jh. v. Chr. ein. Die Boier waren die Ersten, die Goldmünzen nach griechischen und römischen Vorbildern prägten, ab dem 2. Jh. waren Silbermünzen im Umlauf. Mitte des 1. Jhs. v. Chr. fand die keltische Münzprägung jedoch ein Ende.

Das Gebiet des Königreichs Noricum reichte von Passau bis kurz hinter Zeiselmauer an der Donau, von Niederösterreich und der Oststeiermark nach Süden bis unter Celeia (heute Celje/dt. Cilli), umfasste den Hauptkamm der Karawanken und der Gailtaler Alpen bis zum Kanaltal, reichte bis zum Hauptkamm der Karnischen Alpen und setzte sich von dort weiter nach Norden fort, wo die Grenze vom Eisacktal zwischen Salzach und Ziller bis zum Inn bei Kufstein entlang verlief. Die zum Königreich zusammengeschlossenen Stämme waren die Saevates, Alauni, Ambisontii, die Norici, Ambidravi, Ambilini und Uperaci sowie die Elveti. Die Noriker konnten in Zentralkärnten und der Oberen Steiermark, und die Ambidravi im Drautal um Teurnia ( S. 136) lokalisiert werden. Die Saevates lebten im Pustertal, die Laianci in Osttirol und im Raum Linz, die Ambisontes im Oberen Salzachtal und die Alauni im Raum Salzburg und am Chiemsee. Die Ambilini vermutet man im Gailtal, die Uperaci könnten um Flavia Solva gesiedelt haben; bei beiden gibt es bisher jedoch keine Gewissheit. Die Elveti könnten die Nachfahren jener Teile der Helvetier sein, die mit dem Kimbernzug im 2. Jh. v. Chr. nach Noricum gelangten.


Stämme des Königreiches Noricum

Um das Jahr 15 v. Chr., während des Alpenfeldzugs von Kaiser Augustus, wurde Noricum schließlich römische Provinz. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die Übernahme friedlich verlief. Nach der römischen Okkupation wurden neun Municipia gegründet, die unter lateinischem Recht und Territorium autonome Städte nach römischem Vorbild waren. Es waren dies Iuvavum (Salzburg), Aguntum (Lienz), Teurnia, Virunum, Flavia Solva ( S. 68), Celeia (Celje/dt. Cilli), Aelium Cetium (St. Pölten), Lauriacum (Lorch) und Ovilava (Wels). Meist befanden sich die römischen Städte schon auf älteren Ansiedlungen. Die Romanisierung ging an der Donau etwas langsamer vonstatten, dort erlangten die Städte erst im 2. Jh. n. Chr. den Status eines Municipium. Spätestens ab Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) ist die Verwaltung der Provinz bekannt: Ein Prokurator aus dem Ritterstand hatte die gesamte zivile und militärische Verwaltung wie auch die Finanzverwaltung inne. In dieser Zeit war in Noricum im Übrigen keine Legion stationiert. Erst nach den Markomannenkriegen in der 2. Hälfte des 2. Jhs. wurde die Legio II Italica permanent nach Noricum, genauer nach Lauriacum (Lorch), verlegt. Dadurch änderte sich die Verwaltung. An der Spitze der Provinz stand nun ein Legionslegat aus dem Senatorenstand. Hauptsitz der Verwaltung dürfte Ovilava (Wels) gewesen sein, wobei das Finanzzentrum in Virunum blieb. Durch die Stationierung des Heeres wurde die Mannschaftsstärke fast verdoppelt, zu den 5500–7000 Auxiliarsoldaten (Hilfstruppen) kamen etwa 6500 Eliteinfanteristen dazu. Die Markomannenkriege richteten große Zerstörungen an, und vom römischen Heer aus östlichen Reichsteilen eingeschleppte Krankheiten führten zu weiteren großen Menschenverlusten.

193 n. Chr. wurde Septimius Severus in Carnuntum zum Kaiser ausgerufen. Da gleichzeitig zwei weitere Kaiser proklamiert wurden, folge ein Bürgerkrieg, der auch Noricum nicht verschonte. 197 konnte Septimius Severus schließlich seine Alleinherrschaft sichern, vor allem mithilfe der Donauarmeen. Auch das 3. Jh. verlief nicht ohne Probleme. An den Grenzen Obergermaniens und Raetiens drängten die Alemannen ins Reich, das erste Anzeichen der beginnenden Völkerwanderung. Vor allem an den Grenzen an Rhein und Donau kam es zu verheerenden Plünderungszügen. Auch im Römischen Reich waren die Zeiten unruhig: „Soldatenkaiser“ wurden vom Heer ausgerufen, regierten kurze Zeit und wurden (gewaltsam) wieder abgelöst. Es folgte im Weiteren eine Wirtschaftskrise, vermutlich mit einer Klimaverschlechterung einhergehend. Mit Blick auf die archäologische Forschung fällt auf, dass in unruhigen Zeiten häufig Wertgegenstände und Münzen verborgen wurden, die heute als Hort- oder Depotfund ans Tageslicht kommen. Auch der Brauch der Grab- und Weiheinschriften hörte in dieser Zeit plötzlich auf. Bereits in den ersten Jahren des 4. Jhs. unter Kaiser Diokletian wird Noricum in zwei Teile geteilt. Der nördliche Teil wurde zu Noricum ripense (Ufernoricum) und war wichtig als Grenzprovinz, der südliche Teil zu Noricum mediterraneum (Binnennoricum) ohne ständige militärische Besatzung. Das früher pannonische Municipium Poetovio (Ptuj/Pettau) wurde nun dem Noricum mediterraneum eingegliedert. Der Statthaltersitz blieb für das Ufernoricum in Ovilava (Wels) und Lauriacum (Lorch), für das Binnennoricum wurde er nach Virunum verlegt, im 5. Jh. n. Chr. schließlich nach Teurnia ( S. 136). Militärische und zivile Verwaltung waren von nun an personell getrennt.


Blick vom Frauenberg auf Schloß Seggau


Reste der römischen Stadt Teurnia unweit von Spittal an der Drau: Blick in die frühchristliche Basilika

War man wenige Jahrhunderte zuvor von den Höhensiedlungen in die leichter erschließbaren Ebenen und Täler gesiedelt, so zog man sich nun wieder auf Anhöhen zurück und baute Stadtmauern. Auch innerhalb des Militärs und der Provinzbefestigungen fanden große Reformen statt. Besonders Mitte des 4. Jhs. wurde der Donaulimes deutlich verstärkt. Doch schon zu Beginn des 5. Jhs. erfolgte der Niedergang des Römischen Reiches in Noricum. Das letzte Mal ist ein römisches Heer im Jahre 430 auf norischem Boden erwähnt. Im Osten drängten die Hunnen in das Reich und Aufstände aufgrund hoher Steuerlasten brachen aus. Kärnten wurde zwischen 493 und 536 Teil des Ostgotenreichs. Die letzte lateinische Inschrift in Noricum datiert auf das Jahr 533. Das romanische Volk ging in den Slawen und Awaren auf.

Anfangs lebten die einheimischen Neo-Römer noch in Holzhäusern keltischer Tradition, doch ab dem 2. Jh. wurden die Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude nur noch aus Stein errichtet. Wer es sich leisten konnte, schmückte seine „vier Wände“ mit Mosaiken sowie Wandmalereien und die Möbel mit Elfenbeinschnitzereien. Auch Fensterglas war bereits in Verwendung. Städte von bisher unbekannten Ausmaßen entstanden und Thermen nach römischem Vorbild dienten nicht nur der Körperpflege, sondern auch der Entspannung und Muße. Händische Arbeit war für den echten Römer nichts, was Ansehen brachte. Große Landgüter, Villae rusticae, versorgten die umliegende Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, ohne dabei die Repräsentation außen vor zu lassen. Die Bevölkerungszahl war so groß, dass Hochrechnungen davon ausgehen, dass sich in den dicht besiedelten und fruchtbaren Gebieten alle 2 km2 eine solche Landvilla befunden haben dürfte.

Von Feuerböcken und Römersteinen

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