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Hügelgräber

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Im 1. und 2. Jh. n. Chr. waren im Südosten von Noricum Hügelgräber mit Brandbestattung in Gebrauch, daher werden diese im Speziellen norisch-pannonische Hügelgräber genannt. Der Verstorbene wurde auf einem Scheiterhaufen (ustrinum) verbrannt, danach die Asche auf dem Boden seines Grabes verstreut (Brandschüttung) oder in einer Urne aus Glas oder Ton beigesetzt. Ins Jenseits begleitet wurde er mit Grabbeigaben, die sich aus Gegenständen seines täglichen Lebens zusammensetzten: Essgeschirr, gefüllt mit Speisen und Getränken, manchmal für Frauen Schmuck und für Männer Waffen. Die Reichhaltigkeit der Gaben richtete sich nach dem Reichtum und Stand des Verstorbenen; nicht selten wurden zumindest Teile der Grabbeigaben auch mitverbrannt, etwa als Bestandteile der Kleidung des Verstorbenen.

Die Grabkammer und ein Zugang dorthin bestanden meist aus einem Mauerwerk aus Stein. Darüber wurde ein Hügel aus Erde aufgeschüttet, dessen Größe wiederum je nach Status des Verstorbenen variierte. Ein steinernes Denkmal erinnerte die Hinterbliebenen an die Bestatteten darunter.

In der Antike befanden sich die Gräber außerhalb der Siedlungen an wichtigen Straßen. Man glaubte, solange man ein sichtbares Grabdenkmal besaß und die Lebenden an einen Toten dachten oder eine Grabinschrift lasen, würde man im Jenseits weiterleben. Ein Hang zur Repräsentation über den Tod hinaus kann den Bauherren und Besitzern der Grabdenkmäler hierbei sicher auch nicht abgesprochen werden.

Personen niederen Ranges wurden lediglich verbrannt und ohne nennenswerte Beigaben in einfachen Brandgruben bestattet. Ihre Gräber sind obertägig nicht mehr sichtbar. Die Hügelgräber jedoch sind markante Erhebungen, die man auch ohne Vorkenntnis ihrer Örtlichkeit finden kann. Manch ein Waldspaziergang kann an kleinen Hügeln vorbeiführen, die einst als auffällige Erhebungen in der Nähe von römischen Siedlungen lagen.

Meist sind diese Hügelgräber aber zerstört; vielfach wurden sie schon in der Antike beraubt. Vor allem die metallenen Grabbeigaben lockten die Grabräuber. Solche Störungen (meint: Plünderungen) sind als Löcher und Einbuchtungen auf der Spitze der Hügel oder als Graben deutlich zu erkennen. In späteren Zeiten nutzten die Bewohner der umliegenden Bauernhöfe die steinernen Grabkammern oft als Steinbrüche für Baumaterial. Besonders „beliebt“ waren dabei natürlich behauene Stelen und Grabsteine; sie dienten als Fußabstreifer, Brunneneinfassungen, Türstürze oder Fassadendekoration. Heute befinden sich die Spolien, die gerettet werden konnten, an den Kirchenmauern, etwa in Gamlitz oder auf Schloss Seggau ( S. 91), und können wieder von jedem besichtigt werden, dank eines Dekrets von Kaiser Franz I. aus dem Jahr 1828. Leider locken die Gräber auch heute noch Sondengänger und Schatzgräber an, die heimlich und illegal nach Metallobjekten graben und dadurch die archäologischen Befunde stören oder gar unbrauchbar machen.

Ab Anfang des 3. Jh. kamen langsam wieder Körperbestattungen in Mode. Die Grabformen wurden variantenreicher, die Verstorbenen meist in gestreckter Rückenlage bestattet. Die Anzahl der Grabbeigaben nahm langsam ab. Grund dafür war mitunter eine veränderte Glaubensvorstellung, die mit dem Einfluss orientalischer Religionen und Kulte in Verbindung stand, aber auch innenpolitische Unruhen, eine Klimaverschlechterung sowie eine ökonomische Krise des Römischen Reichs. Das Begräbnis in einem Hügelgrab wurde zu aufwendig und im 4. Jh. wurde die Körperbestattung durch das Christentum zusätzlich gefördert. Ein Versuch zeigte, dass fünf Menschen binnen 26 Stunden 21,5 Tonnen Erde und 4,5 Tonnen Stein bewegen konnten, um einen 1 m hohen und im Durchmesser 7 m großen Hügel samt eingetiefter Grabgrube und trocken gemauertem Einbau ohne moderne Hilfsmittel errichten konnten. Die Rituale und Handlungen im Zuge des Begräbnisses vom Herrichten des Leichnams bis zu den Leichenspielen und Totenmahlen nahmen mehr Zeit und Aufwand in Anspruch.


1962 bei Semriach entdecktes römisches Hügelgrab (Höhe 1,5 m): Es ist das einzige in situ (am Ort) restaurierte Hügelgrab Österreichs und liegt am Krienzer-Kogl. Ein mit Steinplatten verkleideter Zugang ( Dromos) führt in ein Gewölbe, in dem die Asche-Urnen verstorbener Familienmitglieder beigesetzt wurden.


Hügelgräber werden oft mit ihrem römischen Namen Tumulus/Tumuli bezeichnet. Sie treten von Skandinavien bis Südeuropa, der Iberischen Halbinsel, den Britischen Inseln bis hin nach Kleinasien und im Vorderen Orient auf. Zuerst waren es Gräber für hochstehende Persönlichkeiten wie Könige, Fürsten, Adelige, Priester. Während die Kelten Flachgräber bevorzugten, kamen Hügelgräber erst wieder in spätkeltisch-frührömischer Zeit in Mode, zuerst im 1. Jh. v. Chr. in Rom und Italien. Dies beeinflusste bald die Provinz Noricum. Die norisch-pannonischen Hügelgräber erstreckten sich über die römischen Provinzen Noricum und Pannonien (heute Bayern bis Ungarn/Kroatien) und sind charakterisiert durch eine Brandbestattung unter einem Erdhügel mit Trachtbestandteilen ( Fibeln, Gürtelschnallen etc.) und Dreifußschalen. Der Großteil datiert in die mittlere Kaiserzeit 80–200 n. Chr.

Zuerst wurde der Brandplatz für den Scheiterhaufen gewählt. Das Grab konnte sich später auch an einem anderen Ort befinden. Der Grabplatz wurde vorbereitet, geebnet, gegebenenfalls mit einer Grablege aus Steinen oder Mörtelestrich bedeckt. Der Einbau wurde errichtet und darüber der Hügel aufgeschüttet, der aus bis zu 400 m3 Erde bestehen konnte. Totenmahle, Opfer oder Rituale bei den Hügeln hinterließen Aschegruben mit Tierknochen, Gefäßfragmenten und Kohleresten. Manchmal wurden im Kreis um den Hügel Pfosten zur Stabilisierung der Aufschüttung in die Erde getrieben, Steinstelen bei oder am Hügel konnten den oder die Stifter und/oder Bestatteten nennen und dienten als Schmuck oder Schutz. Der Hügel selbst war vielleicht bepflanzt. Gelegentlich fanden Nachbestattungen von Familienmitgliedern statt, bei denen die Hügel und Grabkammern für kurze Zeit wieder geöffnet wurden.

Die Steiermark war wahrscheinlich schon in der Antike das hügelreichste Gebiet norisch-pannonischer Hügelgräber. Allein im Territorium der Stadt Flavia Solva ( S. 68) sind heute mindestens 4500 Hügel bei errechneten 24.000 Bestattungen für die Stadt bekannt! Lokale Sagen und Geschichten von verborgenen Schätzen, geisterhaften Erscheinungen, geheimen Gängen und Königen im Berg liefern Hinweise auf Hügelgräber. Die Bezeichnungen „Heidenhügel“, „Hexenhügel“, „Römerhügel“, „Königsberg“, „Kugelberg“, „Grab Attilas“, „Steinäcker“, „Leweräcker“, „Leber“, „Le(e)ch“ können ebenfalls Grabhügel benennen.


Verbreitung der Fundorte mit Grabhügeln, -hügelgruppen und -feldern in der Steiermark: Blau: Römische Kaiserzeit, Pink: Römische Kaiserzeit und Hallstattzeit, Grün: Hallstattzeit, Orange: Urnenfelderzeit/Bronzezeit, Gelb: Urnenfelderzeit/Bronzezeit und Römische Kaiserzeit, Weiß: Unbekannt, rotes Eck: Municipium Flavia Solva

Hinweise

Wenn Fachbegriffe mit dem Symbol gekennzeichnet sind, findet sich ein erklärender Eintrag im Glossar auf S. 158.

Die mit (GK) gekennzeichneten Texte (Eisenerz, Leoben, Trofaiach) stammen von Dr. Gabriele Koiner (Institut für Archäologie, Karl-Franzens-Universität Graz).

Die hier aufgenommenen Fundorte, Museen etc. erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellen eine repräsentative Auswahl dar.

Da sich Öffnungszeiten, Kontaktdaten etc. ändern können, ist es ratsam, sich vor einem Besuch noch einmal im Internet zu informieren oder telefonisch nachzufragen.

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