Читать книгу Rhythm of Heartbeat - M. V. Melinar - Страница 4
Kapitel 3
ОглавлениеAls ich morgens erwachte, wurde ich schmerzhaft an die letzte Nacht erinnert. So schlimme Kopfschmerzen hatte ich noch nie! Andererseits wurde mein Kopf auch noch nie auf den Boden geschlagen.
Meine Augen brannten wie Feuer als ich sie öffnete. Das Licht, das in mein Zimmer fiel, war viel zu hell. Ich legte eine Hand schützend über die Augen. Mein Körper war steif. Beim Strecken durchzuckten mich leichte Schmerzen. Ich hatte wohl mehr Kraft gebraucht meinen Angreifer abzuwehren als mir zur Verfügung stand. Niemals zuvor hatte ich so um etwas gekämpft wie um mein Leben. Das Aufstehen würde sich wohl oder übel nicht schmerzfrei gestalten lassen. Daher versuchte ich, mich so gut wie nur möglich zusammen zu reißen. Schmerzen durchzuckten meinen ganzen Körper, jeden einzelnen Muskel und müden Knochen.
Auf der Bettkante machte ich eine Pause. Langsam schob ich den Ärmel meines T-Shirts ein Stück hoch, sodass der Verband darunter zum Vorschein kam, mit dem ich notdürftig meine Wunde verbunden hatte. Es musste noch ziemlich geblutet haben, der Verband war mit Blut durchtränkt. Beim Abrollen überlegte ich mir, wenn es schlimm aussah, einen Arzt aufzusuchen. Sollte es nicht der Fall sein, würde ich nichts tun. Durch das schon getrocknete Blut sah ich kleine Einstichwunden. Um Genaueres zu sehen müsste ich erst alles abwaschen. Mich beruhigte schon einmal das es allem Anschein nach nicht mehr blutete.
Mir kam nichts in den Sinn, dass so eine Verletzung hervor bringen würde. Messer und andere Waffen schloss ich aus. Wahrscheinlicher war es, das ich mich an einem seiner Kleidungsstücke verletzt hatte. Vielleicht trug er Nieten an seiner Jacke? Ich schob meine Gedanken erst einmal beiseite. Wichtiger war es, zunächst an Schmerzmittel zu kommen. Mein Kopf stand knapp vor einer Explosion.
Beim Aufstehen wurde mir schwarz vor Augen. Ich suchte Halt an der Wand, der erwartete Schwindel blieb jedoch aus. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass Jayden noch schlafen musste. Demnach konnte ich ungesehen im Bad verschwinden. Zuerst durchsuchte ich den Schrank wieder nach Schmerzmittel und wurde schnell fündig. Ich nahm zwei auf einmal und schluckte sie direkt mit Wasser aus dem Hahn runter. Die gewünschte Wirkung würde jedoch erst nach einer halben Stunde einsetzen. Was mich anging, konnte ich es kaum erwarten diese Schmerzen los zu werden und hoffte, die Tabletten würden auch den restlichen Körper vom Schmerz befreien.
Die Wartezeit verbrachte ich unter der Dusche. Erst dort wurde mir das volle Ausmaß meiner Verletzungen bewusst. Ich war übersät von blauen, fast schwarzen Flecken. Fassungslos starrte ich an mir hinab. Am schlimmsten war meine rechte Seite betroffen. Über meinen Rippen fasste ich leicht an den größten blauen Fleck, der meinen Körper zierte. Dort wo mein Angreifer mich geschlagen hatte. Ich fuhr direkt zusammen und fand gerade noch so halt an der Duschwand.
Anstatt mich wie gewohnt in mein Handtuch zu wickeln, zog ich mich direkt an. Ich hatte genug gesehen!
Doch der Blick in den Spiegel sagte mir, dass das nicht so einfach werden sollte.
Unter meinen Augen hatte ich dunkle Ringe von letzter Nacht. Als hätte ich ewig nicht mehr geschlafen. Dazu kam noch, dass das Weiße meiner Augen feuerrot glühte. Wie sollte ich so unter Menschen gehen? Der Kerl hatte wirklich gute Arbeit geleistet.
Im Schrank fand ich Schminke, normalerweise benutze ich keine, außer an Feiertagen. Die Ringe ließen sich nicht so einfach überdecken. Es sah fast noch schlimmer aus als vorher. Ich ließ die Haare offen und hoffte es würde etwas davon ablenken. Die Tabletten steckte ich vorsichtshalber in meine Hosentasche. Mit Sicherheit würde der Kopf sich sehr bald wieder melden.
Unten war ich allein, Jayden schlief noch trotz meinem Lärm im Bad.
Kimba saß bereits an der Terrassentür und schaute mich ungeduldig an. Ich ließ sie raus in den Garten und die Tür offen. Sollte ruhig etwas warme Luft herein kommen, es war kühl hier drin.
In der Küche schnappte ich mir die Brotpackung und Mett, legte noch ein Brett und ein Messer oben drauf und setzte mich im Wohnzimmer vor den Fernseher. Es lief nichts, deswegen ließ ich einfach einen Sender laufen, um die Stille zu vertreiben, während ich mich über mein Frühstück hermachte. Ich hatte einen Bärenhunger!
Deshalb strich ich mir das Mett grob auf das Brot und biss direkt ab. Noch am ersten Biss kauend, schmierte ich mir schon ein Zweites, diesmal sorgfältiger.
Beim Strecken war ich schon spürbar schmerzfreier. Die Tabletten taten ihre Wirkung, endlich. Auch meinem Kopf ging es langsam besser. Er drückte zwar noch, aber schmerzte nicht mehr bei jeder Bewegung. Damit konnte ich leben.
Oben hörte ich erste Schritte, mir war nie bewusst gewesen, dass das Haus so hellhörig war. Ich hörte, wie die Dusche anging. Und bereits nach fünf Minuten wieder ausgestellt wurde. Jungs hatten es so viel einfacher.
Ich konnte hören, wie Jayden den Schrank durchsuchte und leise über den Flur schlich. Er ging wohl davon aus das ich noch schlief. An meiner Tür stoppte er und öffnete sie vorsichtig. Ich musste grinsen, als er die Tür jetzt wesentlich lauter wieder schloss, nachdem er wusste, dass ich schon wach war.
Bereits als er oben an der Treppe ankam, roch ich sein Parfum. Und noch einen Geruch, den ich nicht zuordnen konnte. Ich liebte normalerweise den Geruch seines Parfums. Es roch süßlich, für Jungs etwas ungewöhnlich, aber der Duft passte zu ihm. Jedoch konnte man es auch übertreiben. Der Geruch brannte mir schon fast in der Nase. Hatte er darin gebadet?
»Du bist ja schon wach.«
Ich sah über die Couchlehne zu Jayden.
»Ich konnte nicht mehr schlafen.«
Den Grund dafür musste er ja nicht zwingend wissen.
Seine Reaktion auf mein Erlebnis letzte Nacht konnte ich mir gut vorstellen. Wenn er noch dieselbe Kraft wie damals vor seiner Krankheit hätte, würde er mich an den Haaren zu einem Arzt und anschließend zur Polizei schleifen.
Zwar war er nicht mehr so stark, ich war mir aber sicher er könnte es trotzdem irgendwie schaffen. Deshalb drehte ich mich wieder in Richtung Fernseher und hoffte er würde es dabei belassen. Zum Glück tat er das auch.
Er ging in die Küche und durchsuchte die Schränke. Ich ahnte schon, was gleichkommen sollte.
»Wo ist denn das Brot?«
Es war so klar ...
Ich betrachtete die leere Tüte vor mir. Ich hatte wirklich das komplette Brot gegessen. Als das Mett zu Ende ging, hatte ich sogar das Brot einfach ohne was drauf gegessen. Dabei mochte ich gar kein Brot. Ich aß vielleicht einmal im Jahr eine Scheibe, auch nur im Notfall, wenn nichts anderes da war. Noch mehr machte mir zu schaffen, dass ich immer noch Hunger hatte. Ich hätte locker noch ein Ganzes essen können.
»Leer.«
Ich wusste, nicht was ich sonst hätte antworten sollen.
»Wie leer?«, kam es ungläubig aus der Küche zurück.
»Ja leer halt. Ich hatte Hunger.«
»Und dann isst du eine ganze Packung Brot?«
Ich konnte ihn verstehen. Ich konnte es selbst kaum glauben. Ich hatte nichts, womit ich mich verteidigen oder erklären könnte.
»Du magst doch gar kein Brot?«, stellte er fest. »Ich nehme mal an, das du dann nicht besonders Lust auf Mittag hast. Ich mach mir dann ne Pizza.«
Ich hörte ihn kurz vor sich hin lachen und dann am Kühlschrank rumwerkeln.
Ich sagte nichts, obwohl ich eigentlich tierisch Hunger hatte. Und langsam wurde mir echt kalt. Draußen konnte man kaum von Kälte sprechen, alles war so Knochentrocken, das der Rasen im Garten schon welk wirkte und die Bäume auch nicht mehr ganz grün. Man sah kaum ein Tier, alle Schienen in kühleren Umgebungen zu sein. Selbst im Schatten waren es weit über dreißig Grad.
Trotzdem stand ich auf und schloss die Tür. Auf der Couch wickelte ich meine Beine in die Decke, die sonst immer auf dem Sessel lag.
»Du siehst gar nicht gut aus, Jenna.«
Musste er denn immer so aufmerksam sein?
Jayden stellte seinen Teller auf den Tisch und nahm sich ein Stück Pizza. Allein beim Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen.
»Danke schön, du siehst auch nicht besser aus.«
»Im Ernst, wirst du krank? Du bist ganz blass.«, fragte er besorgt.
»Vielleicht eine kleine Erkältung. Nicht weiter schlimm.«
Jayden hob seine Hand und legte sie mir an die Stirn.
»Mein Gott, hast du im Kühlschrank geschlafen? Du bist ja eiskalt. Ich hol dir noch eine Decke.«
Bevor ich widersprechen konnte, war er schon aufgesprungen. Ich legte mir selbst eine Hand an den Kopf, mir fiel nichts auf. Fühlte sich ganz normal an.
Jayden kam mit einer Wolldecke zurück und legte sie um mich.
»Du bleibst auf jeden Fall heute zuhause. Ich schaff das im Laden auch ohne dich. Soll ich dir einen Arzt rufen?«
Einen Arzt rufen kam gar nicht infrage!
Wie sollte ich dem meine blauen Flecke erklären, geschweige denn warum ich nicht sofort einen Arzt gerufen habe?
»Es geht mir wirklich gut. Ich hab nur etwas Kopfschmerzen. Ich nehme ein paar Tabletten und dann bin ich wieder fit.«
Jayden sah mich prüfend an, ich hoffte ich flog nicht auf und er kaufte mir meine Erklärung ab.
»Okay, ich hol dir die Tabletten. Brauchst du sonst noch etwas?«
»Kann ich etwas von deiner Pizza?«, fragte ich kleinlaut.
Ich wusste, dass ich die Frage bereuen sollte, noch bevor ich sie aussprach. Aber ich kam fast um vor Hunger. Der Geruch von dem Teller vor mir machte es mir nicht gerade leichter. Jayden brach sofort in Gelächter aus. Es dröhnte schmerzhaft in meinen Ohren. Wirklich all meine Sinne schienen heute nicht in Ordnung zu sein.
Er nickte nur kurz und lachte den ganzen Weg bis nach oben ins Bad.
Ich stürzte mich auf die Pizza. Ihr Geschmack war noch viel besser als der Geruch vermuten ließ. Ewig hatte mir nichts mehr so gut geschmeckt. Mir war bewusst, dass es nur daran lag, dass ich so hungrig war.
Wieder stieg mir der Duft in die Nase, den ich vorhin nicht deuten konnte. Doch dieses Mal wusste ich, woher ich ihn kannte.
»Warst du gestern noch im Krankenhaus?«, rief ich ihm zu, als er wieder runter kam.
»Nein, wieso sollte ich? Ich bin direkt vom Laden nach Hause.«
Ich schwieg.
»Glaubst du, ich hab dir einen Virus als Geschenk mitgebracht?«
Er lächelte mich so liebevoll an, dass es mir fast das Herz zerriss. Es war unvorstellbar, dass es bald nicht mehr so sein sollte.
»Ich weiß auch nicht, war nur so ein Gedanke.«
Er gab mir zwei Tabletten in die Hand und ein Glas Wasser. Keine Ahnung, wo er die noch aufgetrieben hatte, da sich die letzte Packung aus dem Bad in meiner Hosentasche befand.
Ich glaubte Jayden, wenn er sagte, er war nicht dort. Wiederum war ich mir aber auch sicher, dass er nach Krankenhaus roch. Den Geruch würde ich unter Tausenden erkennen. In den meisten roch es nach Tod gemischt mit Reinigern. Ich weiß es klingt verrückt, aber für mich ist es so. Oft war ich früher mit zu Jaydens Untersuchungen gekommen. Zuerst war ich immer mit in die Behandlungszimmer gegangen. Mir wurde jedes Mal übel, aber ich ließ mir ihm zuliebe nichts anmerken. Wie sollte ich so was auch jemandem sagen, der selbst fast vor dem Tod stand?
Ich versuchte nur kurz zu atmen, möglichst nicht durch die Nase. Später erlaubte Jayden mir nicht mehr, mit in die Räume zu kommen. Er wollte nicht, dass ich ihn in diesem Zustand sah. Völlig abgemagert und nur noch aus Haut und Knochen bestehend.
Deshalb wartete ich, manchmal stundenlang, auf ihn im Wartezimmer. Es störte mich nicht, für ihn hätte ich noch ganz andere Dinge getan. So ziemlich alles, was er von mir wollte.
Aber der Geruch des Todes machte mich wahnsinnig. Mir drehte sich jedes Mal der Magen. Und ich war froh, wenn Jayden mich endlich erlöste. Nach und nach fing ich an, vor der Tür auf ihn zu warten. Doch auch dort roch ich es, jedes Mal wenn sich die große Schiebetür öffnete kam eine Welle zu mir rüber. Am Ende wartete ich am Auto auf Jayden.
Nur in seltenen Fällen, wenn er mich drum bat, holte ich ihn drinnen ab.
Eine Zeit lang musste er, in seiner schlimmsten Zeit, im Krankenhaus bleiben. Lehnte es aber strickt ab, das ich ihn besuchen kam. Ihm war es unangenehm, wenn er sich vor mir erbrach. Die meiste Zeit verbrachte er eh mit schlafen, sagte er mir jedenfalls. Dafür telefonierten wir täglich mehrmals.
Ich wusch seine ganze Kleidung direkt an dem Tag, als er entlassen wurde. Sie stanken so stark nach dem mir verhassten Geruch, dass sich mir der Magen drehte. Einmal hatte ich mich wirklich fast übergeben, als ich einen Berg Wäsche in die Maschine steckte.
Woher nun der Geruch an ihm kam, war mir schleierhaft.
»Wollen wir bald los, oder möchtest du doch hier bleiben?«
Ohne ein Wort stand ich auf und zog mir die Schuhe an. Außerdem zog ich mir eine leichte Jacke über. Mir wurde immer kälter. Ich sagte nichts, aus Angst Jayden würde mich doch zwingen zuhause zu bleiben.
Jayden ging vor mir raus vor die Tür, deswegen merkte ich nicht sofort, wie sich das Licht in meine Augen bohrte. Es brannte höllisch, Tränen sammelten sich in den Winkeln und rannen mir die Wange runter. Schnell wischte ich sie weg und hielt mir eine Hand schützend über die Augen. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an das Licht gewöhnten.
Gerade rechtzeitig, bevor Jayden sich zu mir umdrehte.
Den ganzen Weg lang bis zum Vineta schwiegen wir beide. Jeder von uns war in seine eigenen Gedanken vertieft. Die alten Häuser der Madison Street zogen unbemerkt an mir vorbei.