Читать книгу Gay Hardcore 22: Erziehung bei Monsieur Laurent - Maik Keller - Страница 6
Alte Schule
ОглавлениеAntoine kam gern nach Nanterre. Er beklagte sich zwar darüber, Wochenende für Wochenende, manchmal sogar Nacht für Nacht die zivilisierte Welt verlassen zu müssen, um seine Freizeit mit dem ›Mann seiner Alpträume‹ in der Provinz zu verbringen, doch abgesehen davon, dass sie ›im Nirwana‹ lag, fühlte er sich in Laurents Wohnung wohl. Die Verbindung nach Paris war, obwohl er immer das Gegenteil behauptete, ausgezeichnet, und die Wohnung lag nur wenige Minuten von der RER-Station entfernt. Antoine gewöhnte sich an den atemberaubenden Blick von der Dachterrasse auf die imposanten Hochhäuser und den Großen Bogen von La Défense, und er genoss die Sonnenuntergänge mehr als er zugab. Mit Inbrunst und Ausdauer wässerte er die Olivenbäume, die Laurent nicht richtig pflegte und die er seiner Meinung nach mehr als einmal vor dem Verdursten gerettet hatte.
Antoine lebte mit Männern zusammen, die er als seine Freunde bezeichnete und mit denen er, wie Laurent seinen Erzählungen entnahm, trotz seines insgesamt sehr abwechslungsreichen Geschlechtslebens keinen Sex hatte. Sie wohnten in wechselnder Anzahl und Besetzung, aber meistens zu viert, in einer winzigen, unpraktischen und völlig überteuerten Wohnung – aber eben Métro Oberkampf.
Antoine fand heraus, dass es in Nanterre ein Programmkino gab. Die Vorstellung, ›in der Pampa‹ ins Kino zu gehen, löste bei ihm zwar eine Art Panikattacke aus, aber er hatte keine Wahl: Ein preisgekrönter Film, den er unbedingt sehen wollte, in den großen Sälen von Paris aber verpasst hatte, war, oh Wunder!, als Spätvorstellung im Programmkino der ›Peripherie‹ noch zu sehen. Laurent verfolgte skeptisch, wie Antoine Eintrittskarten online kaufte und stellte beeindruckt fest, dass sie mit dem Strichcode auf dem Smartphone tatsächlich durch die Einlasskontrolle kamen. »Willkommen in der Welt«, sagte Antoine.
Laurent gefiel der Film. Antoine erklärte, der Film könne einem nicht einfach nur ›gefallen‹; es handle sich um nichts anderes als ein kinematographisches Meisterwerk. Auf dem Rückweg hielt er Vorträge über die Mitwirkenden, deren russisch klingende, tatsächlich aber kirgisische Namen Laurent noch nie gehört hatte. Laurent spürte, dass von seiner Seite mehr Begeisterung gefragt war, und erwähnte einige Szenen lobend – die allerdings genau jene waren, in denen sich der Regisseur laut Antoine dem Mainstream-Geschmack angebiedert hatte. Die Laune des jungen Mannes verschlechterte sich.
Um gut Wetter zu machen, schlug Laurent vor, das kommende Wochenende in Paris zu verbringen und in Antoines Wohnung zu übernachten. Antoine lehnte den Vorschlag wieder einmal derart kategorisch ab, dass Laurent sich fragte, ob es heutzutage in einer Wohngemeinschaft immer noch – oder schon wieder – ein Problem sei, einen Mann nach Hause zu bringen und mit ihm Sex zu haben.
»Das ist überhaupt kein Problem«, meinte Antoine grimmig. »Das Problem ist: wenn wir dort das machen, was Sie unter Sex verstehen, dann rufen die sofort die Polizei.«
Laurents schüchtern vorgebrachten Einwand, es geschehe ja alles zwischen ihnen freiwillig und in gegenseitigem Einverständnis, wischte er mit einem höhnischen Lachen weg: »Wenn ich dann noch sage, dass ich das freiwillig mache, komme ich mein ganzes Leben nicht mehr aus der Psychiatrie raus.« Und nach kurzem Nachdenken: »Es gibt Therapieansätze, da wird diese Art von Freiwilligkeit sofort und ohne weitere Nachfragen mit Medikamenten behandelt.«
Antoine setzte sich in den Kopf, ein Baguette zu kaufen, aber die Bäckereien hatten um diese Uhrzeit natürlich schon geschlossen – noch geschlossen, wie Laurent nach einem Blick auf die Uhr anmerkte –, was Antoines Stimmung weiter verdüsterte. Als sie zu Hause ankamen, war sie auf dem Tiefpunkt.
Im Aufzug küssten sie einander, und zwar die gesamte Fahrt über und derart leidenschaftlich, dass Laurent dachte, Antoines schlechte Laune habe sich gelegt. Dem war aber nicht so; als die Aufzugstür sich öffnete, ließ Antoine ihn los und ging mit starrem Blick die Treppe nach oben. Laurent schloss die Tür auf, und Antoine ging ins Wohnzimmer, wo er sich aufs Sofa fallen ließ. Er hielt es nicht lange aus; er stand wieder auf, öffnete die Terrassentür, ging hinaus, lehnte sich über das Geländer, winkte den gewaltigen, hell erleuchteten Wolkenkratzern zu und entschied, dass man trotz der kühlen Witterung – es war kein schöner Sommer – draußen essen würde.
Laurent bereitete den kleinen Imbiss vor. Antoine wartete geduldig auf dem Liegestuhl, den Laurent gekonnt für ihn aufgeklappt hatte, bis er mit den Vorbereitungen fertig war.
Die Nacht war sternenklar. Trotz des Lichts über der Stadt konnte Antoine allmählich bestimmte Planeten und Sternbilder erkennen und ihren Lauf verfolgen, besonders der Mars fiel ihm ins Auge, wegen seines rötlichen Schimmers. Über dem T-Shirt, das er bei jedem Wetter anhatte, trug er eine Jacke, weil es kühl und windig war. Unten war er inzwischen nackt, wie Laurent bemerkte, als er Wein und Tee hereinbrachte; er legte die Jeans, die Antoine unterwegs hatte fallen lassen, über eine Stuhllehne. Das neue Schwanzpiercing, ein dicker, silbrig blitzender Metallring, müsse an die frische Luft, erklärte Antoine, weil es so viel größer sei als das alte; sonst könne sich sein Schwanz entzünden. »Was Ihnen vermutlich egal wäre – mir und einigen anderen aber nicht.«
Laurent goss die Getränke ein: Es war angerichtet. Antoine erhob sich aus dem Liegestuhl und setzte sich an den Tisch.
»Wirklich frisch heute«, meinte Laurent.
Antoine biss ein gewaltiges Stück Käse ab und zeigte auf die Knopfleiste von Laurents Hemd.
»Aufmachen«, sagte er.
Laurent schüttelte den Kopf.
»Heute ist ein Tag des geschlossenen Hemds, definitiv«, sagte er.
»Wenn ich sage definitiv, ist es auch nie definitiv«, maulte Antoine mit vollem Mund.
Laurent trank einen Schluck Wein.
»Das ist eben der Unterschied«, meinte er.
»Und worin besteht er genau, dieser Unterschied?«
Nach jenem ersten Abend auf der Dachterrasse hatte Antoine erklärt, er gehe jetzt, und zwar für immer, wenn Laurent ihm nicht verspreche, dass so etwas nie wieder vorkomme. Laurent antwortete erst gar nicht, dann ausweichend, aber Antoine ließ nicht locker. Schließlich gestand Laurent, er könne das nicht versprechen, und er wolle es auch gar nicht, und Antoine war gegangen.
Laurent hatte in diesen Dingen keinen Stolz: Nach wenigen Tagen schrieb er Antoine und bat ihn, zurückzukommen, weil er es ohne ihn nicht aushalte. Das war nicht nur so dahergesagt: Er hielt es schlicht und einfach ohne ihn nicht aus.
Antoine hatte einen Stolz. Er überwand ihn und kam zurück. Seither galten die beiden bei allen, die sie kannten, als das Traumpaar, was Antoine manchmal gute Laune machte, manchmal schlechte. Jetzt schlechte, die sich auch nicht besserte.
»Ich habe Sie etwas gefragt«, sagte Antoine. »Ich habe gefragt, worin dieser Unterschied genau besteht.«
Laurent nahm noch einen Schluck Wein, Antoine schlürfte an seinem Tee. Schweigend aßen sie den Salat, den Laurent rasch und gekonnt zubereitet hatte.
»Für morgen irgendwelche Pläne oder Ideen?«, sagte Laurent schließlich.
Antoine kaute.
»Sprechen Sie mit mir?«
»Wir könnten ja auch mal hier was unternehmen«, meinte Laurent. »Das Wetter soll ja nicht gut werden.«
Sie hatten die Gewohnheit, Sonntagnachmittags in den Marais zu fahren, um dort ein wenig spazieren zu gehen: Antoine machte es Spaß, der Welt seine Beute vorzuführen. Wenn sie an dem Café vorbeikamen, in dessen zweitem Untergeschoss sie sich kennengelernt hatten, zeigte sich Antoine jedes Mal neu enttäuscht, dass an der Hauswand noch immer keine Plakette angebracht war, die an das denkwürdige Ereignis erinnerte. Auch nicht unten auf der Toilette, wie Laurent herausfand, als er nach einem Kaffee pissen ging. Antoine hatte frech grinsend angeboten, ihm nachzukommen, um die Erinnerung an ihr Kennenlernen, die sie gern heraufbeschworen, aufzufrischen, doch Laurent hatte abgelehnt. Jetzt, wo sie sich besser kannten, fand er, brauchten sie doch mehr Bequemlichkeit und Bewegungsfreiheit. Und bis nach Hause, hatte er hinzugefügt und Antoine auf der Straße glühend auf den Mund geküsst, halte er es, wenn auch knapp, noch aus.
Antoine schnitt das Baguette auf, das Laurent in der Mikrowelle aufgetaut und mit der Grillfunktion warm gemacht hatte.
»Klasse Idee!«, höhnte er. »Ein Wochenende in Nanterre. Super. Wir könnten den Sonntag ja zum Beispiel im Verkehrsmuseum verbringen!«
Stille.
»Kennst du denn das Verkehrsmuseum?«, fragte Laurent.
»Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen kann, altes, warmgemachtes Brot schmeckt wie frisches«, sagte Antoine. »Es schmeckt wie altes Brot, nur warmgemacht.« Er lachte bitter auf: »Klar, was will man erwarten, in der Peripherie!«
»Antoine, die Peripherie ist noch einmal etwas ganz anderes«, sagte Laurent, »und es ist mitten in der Nacht. Da ist es auch in Paris schwer …«
»Ich weiß, was die Peripherie ist«, fuhr Antoine dazwischen, während er mit dem Messer Butter herunterschabte und sie auf das halbierte Baguette strich, wo sie zerlief. »Ich weiß auch, wie irre früh ich hier morgens raus muss.«
Er arbeitete an der Gare Montparnasse.
»Von dir dauert es 24 Minuten bis zur Gare Montparnasse, von mir 33, das sind genau neun Minuten mehr«, sagte Laurent, der nachgeschaut hatte, weil er das ewige Genörgel, dass er in der Wüste, in der Pampa, am Nordpol, jedenfalls aber außerhalb der zivilisierten Welt wohnte, leid war.
»Gefühlt ist es aber viel länger«, sagte Antoine. »Weil es eben aus Paris herausgeht, fühlen sich neun Minuten viel länger an.«
Laurent kaute.
»Ich kenne übrigens das Verkehrsmuseum von Nanterre«, sagte Antoine. »Wie Sie wüssten, wenn Sie sich für etwas anderes interessierten als für meinen Arsch, habe ich Verkehrswesen studiert, und im Rahmen dieses Studiums haben wir das Verkehrsmuseum von Nanterre besucht.«
»Aha«, sagte Laurent.
»Es war das erste Mal, dass ich in Nanterre war, und ich hatte gehofft, auch das letzte.«
Antoine drückte Butter in das wehrlose Baguette. »Das hofft man ja öfter, dass das erste Mal auch das letzte Mal ist«, brummte er.
»So, so«, sagte Laurent.
Antoine tauchte seinen Löffel tief in die Nussnougatkrem, nahm ihn langsam hoch und verteilte die Beute sorgfältig auf dem Baguette: Die einzige Sünde, die er sich gegen seine strenge Sportler-Diät erlaubte. Aber jetzt biss er ohne Genuss ab.
»Hast du schlechte Laune?«, sagte Laurent.
»Danke der Nachfrage.«
»Und? Hast du?«
»Ja.«
Es entstand eine Pause.
»Und warum, wenn man fragen darf?«
Antoine starrte das Baguette an. »Ich habe deshalb schlechte Laune«, sagte er finster, »weil wir mittlerweile ein Sexualleben führen, als seien wir seit dreißig Jahren verheiratet.«
»Wir haben doch heute morgen …«, meinte Laurent.
»Das ist Stunden her«, fiel Antoine ihm ins Wort. Und fügte bissig hinzu: »Bin ich schon nicht mehr eng genug? Bringt’s nichts mehr, mich zu ficken, weil es mir nicht mehr richtig weh tut?«
»Tut’s dir denn nicht mehr weh?«
»Doch, wie Sau.«
»Das merkt man auch«, meinte Laurent kühl, »das ist doch eine gute Nachricht, da könnte man auch gute Laune davon haben.«
»Ich habe deswegen schlechte Laune«, erklärte Antoine und starrte auf sein Baguette, »weil ich mir hier aufgewärmtes altes Baguette mit Süßigkeiten beschmiere, statt etwas Sinnvolles zu tun.«
»Nämlich?«
»Nämlich«, meinte Antoine, und seine Stimme klang drohend, »einem perversen alten Sack den Schwanz zu lutschen.«
»Hm«, sagte Laurent. »Hast du da jemand Bestimmtes im Auge?«
Antoine warf mit finsterem Blick das Baguette auf den Teller und erhob sich. Er sah Laurent mit einem geringschätzigen Blick an, zog langsam die Jacke aus und ließ sie zu Boden fallen.
»Ist dir nicht kalt?«, fragte Laurent, als ginge ihn Antoines Athletenoberkörper nichts an.
»Mir wird dann schon warm«, sagte Antoine böse. Er zog sich mit überkreuzten Armen das T-Shirt über den Kopf und warf es ebenfalls zu Boden.
»Das gute Stück«, meinte Laurent mit einem mitfühlenden Blick auf das traurige Knäuel.
»Schade drum«, zischte Antoine.
Laurent räusperte sich.
»Wenn ich so herumlaufe, kriege ich eine Lungenentzündung«, sagte er.
»Wenn Sie so herumlaufen«, meinte Antoine, »kriegt der halbe Marais einen Herzinfarkt.«
Er ging um den Tisch herum, auf Laurent zu …
»Nicht so schnell«, sagte Laurent.
Antoine blieb auf halbem Weg stehen.
Laurent lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
»Nochmal einen Schritt zurück.«
Antoine machte einen Schritt zurück.
Mit Kennerblick und zunehmender Erregung betrachtete der alte, massige Mann den vollkommen geformten, vollkommen glatten Körper des jungen. Er trug keine Brustwarzenringe mehr, was Laurent besser gefiel; beim Ring durch den Schwanz blieb er aber eisern.
»Soll ich mich umdrehen?«, fragte Antoine leise.
Laurent schüttelte langsam den Kopf. Sie kannten sich jetzt so lange, und jedes Mal stockte ihm der Atem, wenn Antoine sich für ihn auszog. »Du hast es immer so eilig«, sagte er. »Dabei geht es doch erst einmal um das Gesamtbild.«
Ganz wenig, so dass Laurent es mehr ahnen als sehen konnte, öffnete Antoine den Mund, und langsam leckte er mit der Zungenspitze an den Lippen.
»Jetzt kannst du näher kommen«, meinte Laurent. Er nahm einen Schluck Wein und sah zu, wie Antoine um den Tisch herum auf ihn zukam.
»Ich habe schlechte Laune«, sagte Antoine drohend, »weil Sie stundenlang in diesem kack-geilen Vintage-Zweireiher, den ich aus Ihrem Vintage-Kleiderschrank ausgegraben habe, neben mir im Kino sitzen, und ich lutsche Ihnen den Schwanz nicht.«
Nackt wie er war, baute er sich vor Laurent auf und sah zu ihm hinunter.
»Ich habe schlechte Laune«, fuhr er nicht minder bedrohlich fort, »weil die Kack-Knöpfe dieses kack-geilen Vintage-Hemds, das ebenfalls ich aus Ihrem Schrank gezogen habe, den ganzen Abend wie zugenäht sind, und Ihr Vintage-Hosenladen ebenfalls den ganzen Abend wie zugenäht ist …«
Er beugte sich hinunter und begann, Laurents Hemd aufzuknöpfen, und Laurent ließ ihn.
»… und ich einen ganzen Film in voller Überlänge auf die Leinwand starre, statt Ihren Vintage-Schwanz zu lutschen und Ihren Retro-Pelz zu lecken.«
Er strich über das dichte graue Haar, das aus Laurents Hemd hervorquoll, beugte sich hinunter und leckte kurz, aber heftig über Laurents Brustwarze. Laurent stöhnte auf. Antoine sah zu ihm auf, und dann leckte er die Brustwarze lang, behutsam und ausführlich. Laurents Oberkörper bebte; er sank etwas über Antoine zusammen. Mit derselben Sorgfalt widmete sich Antoine seiner anderen Brustwarze. Laurents Bauch begann zu flattern.
»Bist du schon satt?«, fragte er leise.
»Nein«, sagte Antoine.
Langsam ließ Antoine Laurents Brustwarze aus dem Mund gleiten. Mit der Zunge schob er ein dickes graues Haar, das ihm in den Mund geraten war, auf die Lippen. Er drehte den Kopf zur Seite und spuckte es weg.
»Der Film«, sagte Laurent, wobei er sich räuspern musste, »hat dir doch richtig gefallen.«
Antoine richtete sich auf.
»Das hast du wenigstens behauptet«, meinte Laurent, während sich Antoine vorsichtig zwischen seine Beine drängte.
»Es hätte da schon Momente gegeben …«, sagte Antoine langsam und mit kaltem Blick. »Es gab ja jede Menge lange Einstellungen mit Landschaften. Klar, beim allgemeinen Publikum kommt so was an, da gilt das als entschleunigt …«
»Das würde dir so passen!«, sagte Laurent, zu ihm hochsehend. »Den Alten mal schnell während einer Landschaftseinstellung leerlutschen.«
Antoine sah ihn von oben herab an.
»Ich fand Sie schon hier im Aufzug zum Niederknien«, sagte er, »in diesem hammergeilen Zweireiher, mit Krawatte, Hemd, und diesem Riesenwalross-Schnauzbart … zum Niederkien.«
»Den lass ich mir nur wachsen, weil du …«
»Da tun Sie gut daran«, rief Antoine zornig. »Man muss die Vintage-Bürste ja nur sehen, dass einem die Spalte glüht. Sie haben das wahrscheinlich nicht bemerkt, aber da waren noch einige andere im Kino tief beeindruckt.«
Laurent hatte es bemerkt; er war geübt darin, das zu bemerken.
»Und dann sitzen Sie zweidreiviertel Stunden im Kino, als müssten Sie mir beweisen, dass ich nicht existiere.«
»Ich wollte den Film anschauen, damit wir uns danach darüber unterhalten können.«
»Ist der Film jetzt die Entschuldigung dafür, dass Sie mich stundenlang wie Luft behandeln?«, sagte Antoine. Er lachte: »Ja klar, man will ja bisschen kulturinteressiert wirken, so in der Öffentlichkeit!«
»Hättest ja auch einfach mal … anfangen können, statt mir jetzt Vorwürfe zu machen«, sagte Laurent, immer noch nach oben blinzelnd. »Oder brauchst du fürs Schwanzlutschen neuerdings eine Extra-Einladung?«
»Da waren Leute vor uns.«
»Du glaubst, die hätten Angst vor dir bekommen?«
»Außerdem hatten Sie ja vorgesorgt, mit Ihrer Riesen-Vintage-Unterhose«, sagte Antoine. »Sie wissen genau, dass es unmöglich ist, richtig an Ihren Schwanz zu kommen, wenn Sie diese liebestötenden Retro-Röhren anhaben …« – er stupste ihn mit dem Finger auf die Nase – »… und dann wäre Monsieur gar nicht mit mir zufrieden gewesen.«
Er wühlte sich mit den Händen durch Laurents dichtes graues Fell, bis er die Brustwarzen fand, die er beide gleichzeitig zwickte.
»Aïe«, machte Laurent.
Antoine beugte sich zu ihm hinunter, küsste ihn, und biss ihm auf die Zunge.
»Aïe«, sagte Laurent.
»Und in Zukunft, im Kino immer ohne Unterhose, ja? Das ist jetzt mal eine Vereinbarung, die von mir ausgeht«, meine Antoine.
Er steckte Laurent die Zunge in den Mund.
»Du machst dir falsche Vorstellungen von mir«, sagte Laurent, als er wieder sprechen konnte. »Denkst du, ich ziehe eine Unterhose an, wenn ich mit dir ins Kino gehe? Ich meine, so retro bin ich nun auch wieder nicht!«
Antoine nahm Abstand und sah ihn mit skeptischem Blick an.
»Im Ernst?«, fragte er. »Sie hatten keine Unterhose an?«
Sie küssten einander wieder. Antoines Zunge glitt über Laurents Hals, dann nach unten, vergrub sich in seinem Pelz, ging weiter nach unten, umkreiste den Bauchnabel und setzte ihren Weg nach unten fort.
»Man kann uns sehen«, meinte Laurent und deutete hinter sich, auf die Wolkenkratzer von La Défense.
»Das war Ihnen schonmal sowas von scheiß-egal«, sagte Antoine und fasste wieder an seine Brustwarzen.
»Aïe«, meinte Laurent.
Antoine hielt Laurents Brustwarzen zwischen den Fingerspitzen fest. Seine Augen wurden eng: »Haben Sie gerade gesagt, Sie hätten die ganze Zeit keine Unterhose angehabt?«
»Kannst ja mal nachschauen«, sagte Laurent. »Aber dann wird dein Tee kalt.«
Antoine zwickte ihn in die Brustwarzen.
»Aïe!«
»Sie behaupten jetzt nicht im Ernst«, meinte Antoine mit drohendem Blick, »dass Sie einen ganzen Kunst-Film mit Überlänge ohne Unterhose in einem Zweireiher mit aufknöpfbarem Hosenladen neben mir im Sessel sitzen, und ich …«
Er ließ die Brustwarzen los.
»Aïe!«, machte Laurent wieder.
»Mimose«, sagte Antoine.
»Der Film hat mir schon gefallen«, meinte Laurent, und zog sein Hemd vor der Brust zusammen, »aber in der Hinsicht hatte auch ich mir mehr von unserem ersten gemeinsamen Kinobesuch versprochen.«
»Zweidreiviertel Stunden«, sagte Antoine, »und ich knöpfe Ihnen nicht den Hosenladen auf und lutsche Ihnen den Schwanz nicht, obwohl es, wie ich hinterher so nebenbei erfahre, sehr gut möglich gewesen wäre; ist es das, was Sie sagen wollen?«
Laurent zuckte die Schultern.
»Da bekomme ich ja schlagartig noch schlechtere Laune«, meinte Antoine.
»Lass die jetzt aber bitte nicht an mir aus«, sagte Laurent, doch Antoine war bereits zwischen seinen Beinen auf die Knie gegangen. Feierlich, Knopf für Knopf, öffnete er den Hosenladen. Tatsächlich, keine Unterhose … Vorsichtig holte er den Schwanz und die Eier heraus. Er nahm die Eier in die Hand, wie um sie zu wiegen, und ließ sie langsam wieder los.
»Hängen auch immer tiefer«, sagte er, »die Langhaar-Hippies.«
Mit einem Finger strich er über den Schwanz. Er hob ihn an die Lippen, küsste und leckte ihn mit der Zungenspitze.
»Soll der jetzt den Abend im Freien verbringen?«, knurrte Laurent.
»Non, Monsieur«, sagte Antoine.
»Quatsch nicht, mach.«
Frech grinsend lehnte Antoine sich zurück.
»Hier?«, fragte er und deutete auf die hell erleuchteten Hochhäuser.
»Du machst es immer an den falschen Stellen spannend«, sagte Laurent, und diesmal war es seine Stimme, die drohend klang.
»Sie sind ein perverser alter Sack«, meinte Antoine ernst.
»Mach was draus«, sagte Laurent.
Es nutzt sich nicht ab, dachte er, als Antoine vorsichtig seinen Schwanz in den Mund nahm. Nichts nutzte sich ab, alles wurde von Mal zu Mal nur noch besser. Er lehnte sich zurück; er musste Antoine nichts mehr sagen, und er musste ihm nichts mehr zeigen. Von allen jungen Männern, mit denen er es zu tun gehabt hatte, war Antoine der aufmerksamste, der talentierteste; bei ihm war jede Anweisung, jeder Ratschlag, jede Anregung auf den fruchtbarsten Boden gefallen: Antoine hatte begriffen, was er wann wie zu tun hatte. Laurent war besessen von diesem jungen Mann, besessen von seinem Körper, besessen von seiner Art.
Langsam ließ Antoine Laurents Schwanz aus dem Mund gleiten.
»Richtig so, Monsieur?«, fragte er mit einer Stimme, die leise war, aber voll klang.
Laurent streichelte ihm über die Wangen: »Oui.«
»Mittlerweile weiß ich, wie es Ihnen gefällt«, flüsterte Antoine mit einem glücklichen, erregten Blick. »Mittlerweile weiß ich, was der Schwanz von Monsieur braucht.«
Laurent nickte ernst.
»Da sehen Sie, was Sie aus mir gemacht haben, Monsieur«, sagte Antoine. »Sie haben mich zu Ihrer Hure gemacht.« Er leckte Laurents Schwanz von den Seiten, erst langsam und zart, dann rascher und kräftiger. »Wie eine Hure haben Sie mich abgerichtet«, sagte er, und es klang wütend und bewundernd zugleich, »wie eine Hure haben Sie mich auf Ihren Schwanz dressiert.« Seine Stimme bebte vor Stolz und Erregung. »Sie haben aus mir eine Hure gemacht, Ihre persönliche, auf Ihren Schwanz dressierte Hure, und jetzt bin ich eine Hure, die Hure von Monsieur.« Er sprach stockend, atemlos, aber mit ruhiger, selbstbewusster Stimme, und seine Augen leuchteten: »Ja!, ich bin Ihre Hure, Monsieur, und ich bin stolz darauf, Ihre Hure zu sein, die auf den Schwanz abgerichtete Hure von Monsieur, die persönliche, auf den Schwanz abgerichtete Hure von Monsieur …«
»Mach«, presste Laurent zwischen den Zähnen hervor, packte Antoines Kopf und steckte ihm seinen Schwanz in den Mund. Er ließ ihn los, und Antoine tat wieder, was er, seit Laurent ihn darin unterwies, mit beispielloser Geduld, Geschicklichkeit und Disziplin auf geradezu unnachahmliche Weise tat: Er lutschte ihm den Schwanz.
Laurent konnte sich nicht entscheiden, ob er die Augen offen halten sollte oder schließen. Hielt er sie offen, war da der schönste Liebhaber, den er sich denken konnte, der ihm auf die raffinierteste Art und Weise den Schwanz lutschte; schloss er sie, waren da Bernard, Sylvain, Gérard und all die anderen, denen er Antoine vorstellen würde als die aufregendste Entdeckung, die er je gemacht hatte … Er bringt mich um den Verstand, dachte Laurent, und er wird alle um den Verstand bringen: Bernard, den reizlosen Schöngeist, der die Gelegenheit nutzen wird, mit einem jungen Mann besonders streng, grob und fordernd umzugehen; den dicken, polternden Gérard, der ihn beschimpfen wird, weil es ihm gefällt, junge Männer, die er fickt, zu beschimpfen; Sylvain, der verlebte Greis, dessen giftiger Genuss es sein wird, Antoine an seinem gewaltigen, in Ehren alt und träg gewordenen Geschlechtsteil scheitern zu sehen und diesen herrlichen jungen Mann den schlimmsten Züchtigungen auszusetzen; all die anderen, mehr oder weniger unansehnlichen, dafür umso anspruchsvolleren Bekannten … alle werden von Antoine begeistert sein, und hingerissen, von seiner Schönheit, seiner Sinnlichkeit und seiner Skrupellosigkeit.
Es dauerte lange, bis Laurent abspritzte. Antoine legte seinen Ehrgeiz daran, den Moment immer wieder hinauszuzögern, indem er innehielt und mit funkelnden Augen zu ihm hinaufsah, bevor er ihn weiterlutschte; so gekonnt machte er das, dass Laurent dachte, jetzt übertreibt er es, jetzt, wo er ihn so gut kennt, dass er ihn in der Hand hat. Die Erregung, der Rausch, in den Antoine ihn versetzte, schüttelte Laurent durch, ließ seinen Körper erschauern; sein Unterleib wurde hin- und hergeworfen, so dass sein Schwanz dem Mund Antoines entglitt, der ihn gleich wieder einfing …
Als er spürte, dass es soweit war, umfasste Antoine Laurents Becken, damit ihm sein Schwanz nicht im letzten Moment noch aus dem Mund rutschte; an der Art, wie Laurents Atem tiefer wurde, am Flattern und Beben seines Bauchs und seiner Hüften merkte Antoine, dass er jetzt nichts mehr zu tun hatte als stillzuhalten. Beide keuchend, Laurent vor Lust, Antoine vor Anstrengung, sahen sie einander an; es lag eine jungenhafte, spielerische Kumpanei in ihrem Blick, und zugleich eine uralte, tiefe, bitter ernste Verbundenheit. Laurents strahlend blaue Augen trübten sich, sein Becken zuckte …
»Voilà!«, sagte er, als er Antoine seinen Samen in den Mund spritzte. Er stützte sich auf seinen Schultern ab, und langsam sackte er über dem jungen Mann in sich zusammen. Vorsichtig schluckte Antoine den Samen hinunter. Laurent richtete sich auf und lehnte sich zurück; schwer atmend, mit wild pochendem Herzen und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen wartete er, dass Antoine ihm den Schwanz sauberleckte.
Es war eine heikle Aufgabe, Laurents Schwanz sauber zu lecken, nachdem er abgespritzt hatte: er war dann überempfindlich und ertrug nur die allerbehutsamsten Berührungen; ganz gleich, wie vorsichtig Antoine dabei vorging – es war kaum vermeidbar, dass ihm dabei Patzer unterliefen, winzige Ungeschicklichkeiten, kleine Unachtsamkeiten. Und dann …
Mit der Zeit – und, wie Laurent meinte, durch Ohrfeigen, oder auch einmal eine Kopfnuss unterstützt, deren Heftigkeit der Schwere der ›Entgleisung‹ angemessen war – hatte Antoine gelernt, mit dem Schwanz von Monsieur in diesem kritischen Moment auf die richtige Weise umzugehen. Mittlerweile beherrschte er auch diese Übung tadellos; äußerst vorsichtig und behutsam leckte er mit der Zungenspitze den hängengebliebenen Samen von Laurents Schwanz, um ihn am Ende mit den Lippen so sacht wie möglich trocken zu tupfen. Laurents Unterleib entspannte sich, und er stieß einen kaum hörbaren Grunzton aus: Antoine wusste, dass heute auch in diesem Punkt nichts an ihm auszusetzen war.
Er sah auf – und sah, dass Laurent die Hand, die er schon erhoben hatte, für den Fall, dass sie ihm ausrutschte … dass er sie jetzt wieder sinken ließ.
Antoine verzog das Gesicht zu einer verächtlichen Grimasse.
»Glauben Sie, ich kann das immer noch nicht?«, schnaubte er, während er aufstand: mit höhnischem Blick sah er auf Laurents Hand. »Mit wem, denken Sie, haben Sie es hier zu tun? Meinen Sie, Sie sind hier bei einer Zehn-Euro-Nutte in der Rue St. Denis?« Er sah ihn von oben herab an und zischte: »Monsieur!«
Es klang, als spucke er aus.
Laurents lehnte sich, die Ellenbogen auf den Knien, nach vorn; er hechelte wie ein abgekämpftes Tier.
Antoine ging um den Tisch und setzte sich, nackt wie er war, an seinen Platz. Er streckte sich und gähnte herzhaft, dann trank er einen Schluck Tee.
Er verzog das Gesicht.
»Meiner ist kalt«, sagte er. »Ihrer?«
Laurent nickte.
Antoine betrachtete sein mit Nusskrem beschmiertes Baguette und biss hinein: »Jetzt hat das doch eine ganz andere Grundlage.«
Laurent stützte sich auf den Tisch.
»Ziemliche Ladung übrigens«, sagte Antoine mit vollem Mund, »der Samen von Monsieur. Wenn man bedenkt, dass Sie mich …« – er beugte sich zur Seite, um die Küchenuhr zu sehen – »vor zwölf Minuten und neun Stunden das letzte Mal gefickt haben.«
Er kaute langsam und genüsslich.
»Ich weiß zwar nicht, ob ich Sie als einen besonders guten Liebhaber bezeichnen würde, aber was die Erfüllung Ihrer ehelichen Pflichten angeht sind Sie old school.«
Laurent starrte noch immer zu Boden.
»Sie japsen ja richtig«, meinte Antoine. »Soll ich den Krankenwagen rufen? Oder das Altersheim?«
»Ich japse nicht«, sagte Laurent. Er zwang sich, ruhig zu atmen. »Das Altersheim«, meinte er schließlich.
»Sie müssen Sport machen, Monsieur«, sagte Antoine, große Stücke von seinem Baguette beißend, »so alt sind Sie doch noch gar nicht. Es gibt Leute, die fahren mit Achtzig noch Fahrrad!«
Laurent stützte sich auf dem Tisch ab, und ächzend richtete er den Oberkörper auf.
»Sie können überhaupt nicht Fahrrad fahren?«
Wie schön er ist, dachte Laurent, und nickte.
»Kein Hunger?«, fragte Antoine.
»Doch«, sagte Laurent, machte aber keine Anstalten, etwas zu essen; er sah Antoine an, der da in seiner ganzen nackten Pracht ihm gegenüber saß, und er sah ihn mit den Augen von Bernard, und Sylvain, und Gérard und all den anderen …
»Sie schauen mich an, als hätten Sie mich noch nie nackt gesehen«, sagte Antoine. Er biss ab. »Soll ich mich anziehen, damit Sie in Ruhe essen können?«
Er kaute.
»Oder«, meinte er gelangweilt, »wollen Sie mir nun doch einen Heiratsantrag machen?«
Laurent wollte lachen; ein kraftloses Schnauben war alles, was sein ausgelaugter Körper zustande brachte.
»Ihnen ist klar, dass ich die ersten beiden Anträge gnadenlos abschmettern werde«, meinte Antoine. Er legte die Hände auf dem Knie übereinander und blickte zu Boden: »Das kommt jetzt sehr überraschend für mich, Monsieur«, sagte er, und seine Stimme hatte einen unerwartet hohen, zarten Klang: »Ich muss Sie um etwas Bedenkzeit bitten; ich möchte mir meiner Gefühle erst wirklich sicher sein.«
Und mit einem kalten Blick aus seinen rabenschwarzen Augen fügte er hinzu: »Sie können jetzt mit den Heiratsanträgen anfangen. Sie können, wenn Sie wollen, die ersten beiden überspringen und mit dem dritten beginnen.«
»Komm her und küss mich«, sagte Laurent.
Antoine rührte sich nicht.
»Ist es dringend? Ich habe mich eben erst hingesetzt …«
»Ja, es ist dringend«, sagte Laurent.
»Ja … dann«, meinte Antoine gedehnt.
Er blieb sitzen.
»Wollen Sie nicht erst zu Atem kommen?«
»Ich bin bei Atem«, sagte Laurent.