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Kapitel I

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Es war einer dieser typischen verregneten Tage, die in Dublin an der Tagesordnung standen, als sich Finn zum Flughafen aufmachte. Mit mehreren Koffern in der Hand verließ er seine Wohnung für einen längeren Zeitraum. Als Unternehmensberater sollte er in der Schweiz ein Unternehmen prüfen und am Ende feststellen, ob eine Sanierung oder eine Liquidation sinnvoller ist. Kurz vor seinem Abflug feierte Finn seinen 34. Geburtstag. Seine Reise nach Bern ist für ihn ein Aufstieg in der Karriereleiter. Seit fast 8 Jahren arbeitet er für die Unternehmensberatung. Häufig in der Dubliner Niederlassung, gelegentlich auch im Londoner Firmensitz. Schon oft gab es Reisen in das Ausland. Meistens ging es dann um die Liquidierung von mittleren Unternehmen, deren Geschäfte schlecht liefen und die sich kurz vor dem Konkurs befanden. Früher war Finn jedoch immer nur ein Mitarbeiter von vielen. Der Berner Auftrag untersteht nun ganz seiner Verantwortung. Die beste Möglichkeit, um sich langfristig profilieren zu können und danach eine Führungsposition in der Unternehmensberatung einzunehmen. Die Chancen standen gut.

Motiviert und mit viel Vorfreude hatte er seine Koffer gepackt. Die Schweiz kannte er noch nicht, hatte aber viel Positives gehört. Gespannt war er nicht nur auf die kulinarischen Angebote, sondern vor allem auf die landschaftlichen Reize, die in allen Reiseführern als besonders faszinierend dargestellt wurden. Sprachlich würde ihm der Aufenthalt keine Probleme bereiten. Seine vor einigen Jahren gestorbene Mutter war Deutsche und lernte damals Finns Vater bei einem Aufenthalt in London kennen. Die beiden verliebten sich und heirateten. 2 Jahre später kam Finn auf die Welt und wuchs liebevoll unweit von Dublin auf einem kleinen Landsitz auf. Er durchlebte eine wunderbare Kindheit, umgeben von freier Natur, Tieren und einer unbegrenzten Fantasie, die ihm als Kind eine Menge an Freude bereitete. Später studierte er in London, schon früh war er von der Unternehmensberatung fasziniert. Vermutlich kam dieses Interesse durch seinen Vater, der bis heute bei einer großen Bank in Dublin für die Firmenakquise tätig ist. Finn verbrachte in seiner Kindheit und Jugend häufig Zeit im Büro seines Vaters. Er wurde schnell zum Liebling in der Bank. Begierig belauschte er seinen Vater bei den Telefongesprächen und beobachtete, umso älter er wurde, ganz genau die Vorgänge. Seine Liebe war geweckt und direkt nach dem Studium in London bewarb er sich bei einer bekannten Unternehmensberatung. Durch seine Tätigkeit, die ihn fortan fesselte, pendelte er häufig zwischen London und Dublin. Während er in London ein kleines Hotelzimmer bevorzugte, richtete er sich in der irischen Stadt eine gemütliche Wohnung ein, ganz nach seinen eigenen Vorstellungen. Die meisten Zeit jedoch verbrachte er entweder auf Reisen oder in seinem Dubliner Büro.

Heute nun endlich war es soweit. Er hatte die Leitung und durfte in die Schweiz fliegen, um sich ein eigenes Bild machen zu können. Seine Aufgabe bestand darin, die aktuelle Situation der Firma zu bewerten, die seit Jahren rote Zahlen schreibt. Die Banken haben weitere Kreditlinien untersagt. Alles hängt nun von seiner Analyse und Unternehmensbewertung ab. Diese wird ausschlaggebend sein, ob es zu einer Sanierung kommt oder ob eine Liquidation erfolgen wird.

Nach einer langen und quälenden Taxifahrt durch die Rushhour in Dublin gelangt er endlich zum Airport. Das Treiben ist wie eh und je hektisch. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Zum Glück kennt er den Flughafen mittlerweile in- und auswendig und findet den KLM Check-in mühelos. Wie üblich heißt es nun wieder warten, bis sich die Schlange abgebaut hat und er endlich an die Reihe kommt. Nach fast 10 Minuten Wartezeit nimmt sich die junge Dame am Schalter seiner an. Ihr Lächeln bezaubert ihn für einen kurzen Augenblick und lässt ihn das hektische Treiben rund um ihn herum vergessen. Mit ebenfalls einem kleinen Lächeln stellt er seine Koffer auf das Band, während er ihr sein Flugticket und den Reisepass vorlegt. Die Dame am Check-in Schalter ist ganz sein Beuteschema. Jung, attraktiv, blond und stechende blaue Augen, in die er sich so gerne verlieren würde. Zeit für feste Beziehungen oder Liebe war ihm bisher nicht vergönnt. Die Arbeit forderte ihn und zugleich hat er nie die richtige Frau gefunden, mit der er sich eine längere Beziehung oder gar ein Leben hätte vorstellen können. So blieb es meistens bei kurzen, flüchtigen Begegnungen, die kurze Zeit danach wieder verblassten.

Nach der freundlichen Behandlung am Check-in Schalter holte ihn die raue Gegenwart wieder ein. Erneut stand er in einer langen Schlange vor der Sicherheitskontrolle. Er legte sein Handgepäck in die Schale vor dem Röntgengerät, ebenso wie Gürtel und Schuhe. Ein mürrischer Sicherheitsbeamter winkte ihn durch den großen Metalldetektor. Das Boarding begann eine Stunde später, so dass er sich die verbleibende Zeit in ein kleines Café setzte und auf seinem Smartphone noch einmal ein paar Daten abglich. Finn war ein intelligenter, junger Mann, der vielem aufgeschlossen gegenüber stand. Das Internet und die modernen Kommunikationsgeräte waren für seine Arbeit unerlässlich. Privat jedoch vermied er diese. Er nutzte weder eine private Email-Adresse, noch hatte er irgendwo ein Social-Media Profil. Er konnte den Hype seiner Bekannten nie so recht verstehen, die alles bei Facebook anderen mitteilen mussten. Diese moderne Kommunikation verabscheute er zu tiefst.

Die Zeit verging. Das Boarding erfolgte. Während des Fluges geriet die Maschine in Turbulenzen. Was Finn bereits aus einer Vielzahl von Flügen kannte, wurde für seinen Sitznachbarn, einen korpulenten Mann um die 40, zu einem Horrortrip. Sein erster Flug und sein Hang zu unzähligen Verschwörungstheorien führten ihn von einem Angstzittern zum nächsten. Während Finn ruhig und angeschnallt dasaß, schon beinahe die Augen schließen wollte, fing sein Sitznachbar förmlich an durchzudrehen. Die Angst stand ihm in den Augen. Und jeder kann sich wohl bildlich vorstellen, was passiert, wenn ein Passagier, durch sein enormes Körpergewicht eng eingequetscht in dem Sitz vor lauter Angst nicht weiter weiß und gedanklich bereits ein Horrorszenario nach dem anderen durchspielt. Angstschweiß floss ihm die Stirn herunter. Auch für Finn war das eine unangenehme Situation. Nicht nur, dass er direkten Körperkontakt hatte, sondern der Mann wollte sich einfach nicht beruhigen. Eine junge, attraktive Stewardess stand bereits an ihrer Sitzreihe und versuchte mit wohlklingenden Worten zu beruhigen. Doch das alles half nichts, insbesondere da ein Kind in der Sitzreihe vor ihm, vielleicht so um die 10 Jahre, seinen Kopf drehte und nur rief «Wir verlieren an Höhe, gleich werden wir abstürzen, wie beim letzten Mal ...«

Finn versuchte nun selbst, durch langsames Sprechen auf den Mann einzuwirken, dabei stellte sich dieser als Thomas vor. Doch auch noch so gut klingende Worte und Erklärungen, dass jedes Flugzeug Turbulenzen problemlos aushalten könnte, verhalten bei dem Mann. Es ging sogar so weit, das Thomas mit seinen Armen hilflos in der Luft herumruderte und dabei mit voller Wucht Finn am Kopf traf, was dieser aber in seiner weiter ansteigenden Angst nicht bemerkte. Thomas geriet regelrecht außer Kontrolle und auch die Turbulenzen wollten nicht nachlassen, nahmen sogar gefühlt zu. Mittlerweile schrie der Fluggast mit seiner panischen Angst vor einem möglicherweise nahestehenden Absturz sogar die junge Stewardess energisch an, die sich diesen Worten kaum zu Wort setzen wollte. Finn ließ nicht locker, redete direkt auf Thomas ein, dieser war aber bereits außer Sinnen. Da es auf Flügen generell keine Beruhigungsmittel oder Spritzen gibt, blieb am Ende nur das beherzte Eingreifen von Finn und weiteren Passagieren, die den Mann fest in den Sitz drückten und behelfsmäßig fesselten. Der Kapitän überlegte bereits, ob er den Flieger wenden sollte, die Entfernung zum nächsten Zielflughafen war aber bereits so klein, dass der Flieger weiterhin seinen Flug fortsetzte. Thomas, der immer noch ängstliche Passagier wurde mittlerweile mit Begleitung und großer Anstrengung auf einen Einzelsitz gebracht, wo er weiterhin mit Hilfsmitteln gefesselt wurde. Erst nachdem das Flugzeug in ruhigere Luftschichten gelangte, wurde auch Thomas umgänglicher und beruhigte sich nach und nach wieder. Für Finn war es jedoch ein aufregender Flug, der damit endete, das er zwar sicher an dem ersten Zwischenstopp in Amsterdam ankam, aber nicht unbeschadet. In seiner linken Gesichtshälfte war eine leichte Rötung zu erkennen, die durch den Zusammenstoß mit dem Arm von Thomas entstand. Ein kleiner Eisbeutel, der ihm auf dem Amsterdamer Airport gereicht wurde und die frische, stürmische Luft vor dem Flughafengebäude brachten Finn wieder langsam zur Besinnung und er musste insgeheim Schmunzeln über das, was er dort erlebt hatte.

Es gab schon viele seltsame Geschichten, die er auf seinen Flügen erlebt hatte. Da war zum Beispiel Tomkat, eine rabenschwarze Katze, die ihrem Besitzer beim Flug aus der Transportbox ausbrach und dann wie wild durch die Kabine raste. Halter, Stewardess und Passagiere waren auf der Hut und versuchten die Katze einzufangen, die natürlich dadurch immer mehr Angst bekam. Oder das junge Paar, das unbedingt einmal Sex über den Wolken haben wollte. Mal abgesehen von dem lauten Stöhnen, das plötzlich aus dem WC ertönte, schien das Paar kein Gleichgewicht gehabt zu haben. Am Ende steckte ihr kleiner Fuß in der Toilette fest. Wie peinlich diese Situation für die junge Dame gewesen sein mag, kann sich der Leser wohl ansatzweise vorstellen. Und dann war da noch die ältere Dame, die letztes Jahr auf einem Flug nach Rom neben ihm saß. Sie musste sehr einsam gewesen sein. Die ganze Zeit sprach sie mit Finn, wobei sprechen nicht die richtige Beschreibung ist. Viel mehr erzählte die ältere Dame ununterbrochen über ihr Leben und von ihren Nachbarn. Dabei ließ sie Finn gar nicht zu Wort kommen. In dem Moment, wo sie einen Satz abgeschlossen hatte, folgte bereits wie aus der Pistole geschossen der nächste. Ruhe kehrte erst ein, als Finn, den Flieger verlassen konnte. Umso glücklicher war er, als der Anschlussflug von Amsterdam nach Bern-Belp nun ohne nennenswerte Zwischenfälle verlief und er sogar seine Augen schließen konnte.

Als er in Bern ankam, heiterte sich seine Stimmung deutlich auf. Nicht nur die Alpen, die bei der Landung erkennbar waren, sondern auch die saubere Luft, das klare Wetter und der leichte Sonnenschein, der die gesamte Landschaft mit einem leichten Glitzer belegte, sorgten ebenfalls bei ihm für eine positive Stimmung. Die Fahrt bis in sein Hotel, das Bellevue Palace, das direkt in dem Stadtkern, neben dem Bundeshaus lag, dauerte nicht einmal 25 Minuten. Alles Weitere verlief beinahe schwerelos. Zwei Stunden später, nach einer warmen Dusche, lag Finn endlich in dem flauschigen Bett, mit Sicht auf die Aare, die unterhalb seines Hotelzimmers mit stetigem Fluss und mit einer beinahe märchenhaften Kulisse verlief. Ein völliger Gegensatz zu dem schmutzigen Dublin. So dauerte es auch nicht lange, bis er seine Augen schloss und in einen Tiefschlaf verfiel.

Sommerliebe

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