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Kapitel II

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Als Finn am nächsten Morgen seine Augen öffnete, strahlte die Sonne durch die riesigen Fenster in seinen Hotelraum. Er genoss diese Atmosphäre, verbunden mit dem Weitblick in das Berner Land und diese absolute Ruhe. In Dublin wäre das beinahe unmöglich gewesen. Nicht nur die verschmutzte Luft, die an der Tagesordnung ist, sondern auch der Lärm, der von überall her polterte, gehörte in der irischen Stadt zum gewohnten Tagesbild. Bern ist für ihn eine willkommene Abwechslung, das Klima und die Menschen sind hier anders, freundlicher auf ihre spezielle Art. Im Speisesaal wartet bereits ein köstliches aussehendes Frühstück. Das Aroma des Kaffees strömt in seine Nase und bezirzt seine Sinne. Schon lange hat er das morgendliche Frühstück nicht mehr mit dieser Sorglosigkeit genossen, wie an diesem Tag. Seine Arbeit, eigentlich die Vorstellung beim Auftraggeber, wurde erst auf den späteren Nachmittag datiert, so dass ihm ausreichend Zeit zum Genießen bleiben würde. Dazu gehörte natürlich auch ein Schlendern durch die Einkaufsstraße in Bern, die zu der längsten in Europa gehörte und an der an jeder Ecke ein neues kleines Geschäft wartet, das mit bezaubernden Einlagen aufwartet und zum Eintreten animiert. Für Finn, der sonst nur das stressige Leben in London oder England kennt, ist der Bummel durch die Einkaufsstraße wie ein Spaziergang im Schlaraffenland. Überall lassen sich neue Dinge in vollkommener Ruhe entdecken. Leger gekleidet, bloß mit bei einer Bundfaltenhose und einem weißen Businesshemd versuchte er, jede Facette dieser neuen Eindrücke aufzuschnappen.

Alles verlief so friedlich und mit einer gewissen Art von Nostalgie, in der er sich einfach hätte fallenlassen können, wäre da nicht plötzlich ein starker Schmerz, den er in seinem Arm spürte. Genauer gesagt an seinem ganzen Körper. So vertieft war er in die märchenhafte Atmosphäre, dass er dabei eine junge Frau übersehen hatte, die er dadurch hart anrempelte und er sich an der Wand eines Hauses festhalten musste, um wieder Halt zu finden. Als er um sich blickte, entdeckte eine junge, wunderschöne Frau, mit langen brünetten Haaren, die leicht durch den Wind aufwirbelten. Tiefe, grüne Augen blickten aus ihrem Gesicht hervor. Mit einem leichten, verführerischen Lächeln entschuldigte sie sich bei Finn für das Anrempeln. Auch Finn entschuldigte sich vielmals, hatte er die junge Frau doch gar nicht bemerkt und so einfach umgerannt. Ehe er noch etwas sagen konnte, drehte die junge Frau ihm bereits den Rücken zu und verschwand langsam aus seinem Blickfeld. Er hingegen war von dieser Begegnung berührt, verwirrt und ein wenig verloren. Schon lange hatte ihn keine Frau so derart fasziniert. Dabei waren es nur wenige Sekunden und sie hatten nicht einmal viele Worte gewechselt. Das einzige was geblieben war außer dem sagenhaften, schon ein wenig magischem Lächeln, waren die Worte »Es tut mir leid« die mit einer sanften und vertrauten Stimme durch die Unbekannte erfolgte, die nun nach rechts in einer Seitengasse verschwand.

Finn stand noch immer am gleichen Punkt, sehnsüchtig schweifte sein Blick nach ihrem Schatten, der nun auch langsam in der Gasse verschwand. In diesem Moment fragte er sich, warum er sie nicht einfach als Entschuldigung zu einem Kaffee eingeladen hatte oder zumindest ein Small Talk versuchte. Finn war ein attraktiver, großer und gutgebauter Mann, der eigentlich immer auf eine positive Resonanz bei Frauen stieß. Doch die Richtige, war ihm nie begegnet. Und ein ganz bestimmtes, tiefes Gefühl, das er in diesem Moment nicht beschreiben konnte, blieb bei dieser Begegnung, die genauso abrupt endete, wie sie begonnen hatte. Seine Gedankenspiele wurden jäh durch das Klingeln seines Handys unterbrochen. Als er nach seinem Smartphone griff, das sich in seiner Hosentasche befand, bemerkte er jedoch noch etwas. Eigentlich hätte genau in dieser Tasche auch sein Portemonnaie sein sollen. Erst vor wenigen Minuten hatte er mit der darin befindlichen Kreditkarte Geld abgehoben und er wusste genau, dass er seine Geldbörse wieder fest in seine Hosentasche gesteckt hatte. Aber Moment. Nun verstand er, dass der Zusammenstoß mit der jungen Frau, die für einen kurzen Moment seine Gedanken bestimmte, vermutlich kein Zufall war, wie erst angenommen. Noch bevor er den genauen Ablauf versuchte zu rekonstruieren, verstand er. Er rannte plötzlich los und versuchte die junge Frau einzuholen. Die junge Dame, die so faszinierend lächelte, ihn dabei um den Finger drehte und gleichzeitig seine Geldbörse entwendete.

Er erreichte die Seitengasse, in die sie eingebogen war und rannte weiter die kleine Gasse hoch, bis er aus der Weite ihre brünetten, lange Haare sehen konnte und ihr hinterherrief, dass sie stehenbleiben soll. Sie blickte sich um, hielt für einen Moment inne und beinahe sah es so aus, als wollte sie warten. Als ob irgendetwas sie daran hinderte, einfach fortzulaufen. Doch als Finn bedrohlich näher kam, ergriff sie die Flucht. Dabei warf sie sein Portemonnaie auf den Boden, um ihn aufzuhalten. Das klappte. Finn, der schon außer Atem war, stoppte, hob seine Geldbörse auf und bemerkte, dass zwar seine Ausweispapiere noch alle vorhanden waren, nicht aber das Geld, das er zuvor abgehoben hatte. Immerhin gut und gerne um die 1.500 Schweizer Franken, die nun einfach den Besitzer gewechselt hatten. Er blickte sich um, doch die junge Frau war bereits nicht mehr zu sehen. Schnellen Fußes rannte er noch ein wenig weiter die Straße rauf, jedoch ohne Erfolg. Er war außer Atem, sein Herz raste. Wobei ihm nicht bekannt war, was ihm mehr Sorgen bereitete. Der Abhandenkommen von 1.500 Franken, dessen Verlust er ohne weiteres verkraften konnte, oder das sich die junge bezaubernde Schönheit am Ende nur als einfache Taschendiebin erwies. Letzteres würde genau dem Typ Frau bedeuten, dem Finn immer wieder begegnet. Es sind immer die falschen Frauen.

Als er wieder in seinem Hotelzimmer angelangt war, eine Dusche genommen hatte und nun wieder einigermaßen gefasst auf dem Hotelbett saß, erinnerte er sich an Gosia. Vor etwa einem Jahr hatte er sie in London kennengelernt. Eine junge, dunkelhaarige Frau aus Polen, die ihm den Kopf verdreht hatte. Beinahe hätte er sich mit ihr eine Zukunft vorstellen können. Alles war scheinbar perfekt, als sie ihm verriet, dass sie schwanger wurde. Doch dann kam es zu Komplikationen. Sie verlor das Baby. Finn gab ihr viel Geld für die Behandlungen und Untersuchungen. Er war damals in Trauer, immerhin hatte er sein Baby verloren. Doch nur kurze Zeit später stellte sich heraus, das Gosia gelogen hatte, gar nicht schwanger und nur darauf bedacht war, an sein Geld zu bekommen. Als er zwei Wochen später von der Arbeit heimkam, Gosia wohnte bereits bei ihm, durchfuhr ihn ein komisches Gefühl. Er öffnete die Tür und alles erschien so steril. Alle Bilder von ihr, ihre persönlichen Sachen waren verschwunden. Nicht nur die Sachen. Sondern auch Gosia. Mit ihr auch ein größerer Barbetrag, den er immer als Notreserve in seiner Wohnung aufbewahrte. Diese ganze Geschichte kam ihm nach dem heutigen Erlebnis wieder hervor und ein Zaudern durchlief seinen Körper. Er haderte noch auf dem Weg zum Hotel, ob er sie anzeigen sollte. Er nahm dann aber doch Abstand, schließlich waren seine Papiere alle wieder da und wegen 1.500 Franken lohnte sich der unnötige Aufwand nicht. Er musste sich eingestehen, dass er zum Zweiten Mal auf eine Frau reingefallen war und wollte das Thema damit für sich abschließen.

2 Stunden blieben ihm noch, bevor sein Geschäftstermin anstand. Ideal, um sich von den Geschehnissen des Tages abzulenken. Er wählte für das Meeting, das nur etwa 15 Minuten entfernt vom Stadtzentrum in einem Gewerbegebiet stattfinden sollte, einen feinen Zwirn und eine dunkle Krawatte aus. Pünktlich gelangte er zu dem Bürogebäude. Vor dem Bellevue wartete bereits ein netter Taxifahrer auf ihn. Ein Italiener im gesetzten Alter, der Finn mit tollen Anekdoten während der Fahrt unterhalten konnte und ihn so von den vorherigen Erlebnissen ablenkte. Beide lachten und amüsierten sich. Vor dem Bürogebäude wurde er zugleich von 2 Personen empfangen. Der Chef Egger und ein Manager, beide sprachen mit Berner Dialekt und stellten sich freundlich vor. Die Sonne zeigte sich bei diesem ersten Treffen von seiner besten Seite. In den Büroräumlichkeiten erstrahlte alles in trister Eintönigkeit. Alles war auf den Zweck hin eingerichtet, ohne eine persönliche Note und jeder Raum in dem 4 stöckigen Gebäude praktisch fast identisch ausgestattet. Mit dem Unterschied zum Konferenzraum, den alle nun betraten. Hier standen ein paar Pflanzen, wenn auch nur künstliche und an den Wänden fanden sich einige lüsterne Gemälde und sogar farbliche Höhepunkte, die in dem langen Raum interessante Akzente setzten, aber nicht zu verbergen mochten, dass sich in einer Ecke bereits ein fahrbarer Handwagen mit unzähligen Akten befand. Dokumente, die Finn bereits vor Abreise für seinen ersten Termin erbeten hatte. Doch an diesem Tag sollte es noch ruhig bleiben. Er wollte sich zunächst einen Eindruck von der Firma, den Managern und insgesamt den Geschäftsabläufen machen, bevor er in den nächsten Tagen und Wochen in die Materie eintauchen würde. So spannend die Beratung von Unternehmen für ihn auch immer war, bevor es dazu kam, mussten zunächst Tage-, Wochen- und manchmal Monatelang Akten durchgesehen, Bilanzen analysiert werden. Erst danach war überhaupt an eine Beratung zu denken. So würde es vermutlich auch in diesem Fall ablaufen.

Sein Aufenthalt im Hotel sollte nur für 2 oder 3 Tage andauern. Sein Londoner Unternehmen hatte bereits nahe dem Kunstmuseum in Bern eine geschmackvolle 2 Zimmer Wohnung in einer Jugendstil-Villa gefunden, von dem Finn einen traumhaften Blick auf die Aare genießen konnte. Genau richtig, um von dem stressigen Aktenstudium zu entspannen. Doch an diesem Abend und den nächsten beiden würde er zunächst im Hotel weiterhin nächtigen.

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