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Pannenglück
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Maja Meier
Das Cottage
Impressum
Texte: © Maja Meier
Umschlag: © Copyright by Maja Meier/
Coverbild Pixabay (lizenzfrei)/Innamikitas
Verlag: PassionOfWords
Neuer Weg 28
19386 Gischow
kathleen@passionofwords.de
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
„Verflucht!“
Wütend und schnaubend trete ich gegen den Wagen und es ist wohl mein letztes Aufbegehren, das ich sofort wieder bereue.
„Verdammter Mist!“
Meine viel zu enthusiastische Wut, mit der ich meine High-Heels gegen das Auto bewegt habe, haben die Kieselsteinchen dieser gottverlassenen Landstraße am Hang mit auf den Lack befördert, sodass die Mistkarre sich nun nicht mehr nicht nur mehr allein weiterbewegt, sondern auch unschöne Spuren an der Seitentür hat.
„Hannah wird mich umbringen.“, seufze ich und lasse mich resignierend vor der Motorhaube auf die Schotterstraße nieder. Erschöpft lehne ich meinen Kopf an und schaue sarkastisch auf das Panorama des Tals hinunter. Da liegt also mein Traumland, meine erhoffte Auszeit, weite Felder, grüne Täler, flache Weiten und langgestreckte Hügel, Freiheit, so weit das Auge blicken kann.
Zornig beiße ich mir auf die Lippe und gebe meinem Verdruss erneut Ausdruck, in dem ich noch einmal wütend mit dem Fuß die Kiesel vor mir wegstoße. Und prompt reiße ich mir dabei meine Strumpfhose auf. Ich fluche laut und natürlich hört mich niemand und kommt mir zur Hilfe. Angewidert streiche ich über mein gelbes, kurzes Sommerkleid, das längst staubig und schmutzig ist.
Nein! Ich gebe nicht schnell auf. Ich mag unfähig sein, zu analysieren, was ich diesem Auto getan habe, dass es nicht weiterfährt, aber ich bin immer noch Frau genug, um mir selbst helfen zu können.
Ehrgeizig erhebe ich mich und halte noch einmal mein Telefon in die Luft. Angestrengt starre ich auf das Display. Ich drehe mich.
„Verdammt noch mal!“
Ich wollte Ruhe. Ich wollte Einkehr und Frieden und endlich weg, aber ich wollte Handyempfang!
Meine Stirn glüht feurig, während ich meine Zähne so fest zusammenbeiße, dass mein Kiefer schmerzt und sich erst wieder lockert, als ich aufgebe und mein Handy wieder in der Tasche verschwinden lasse. Ich drehe mich gen Tal.
„Oh nein!“
Ich knicke mit dem Fuß um. Schmerzerfüllt stützte ich mich auf die Motorhaube und jetzt sind es meine langen, knallrot lackierten Nägel, die in diesem unbedachten Moment ihre Spur auf dem Lack hinterlassen.
„Verfluchtl! Was ist das denn heute für ein Tag!?“
Panisch reibe ich mit meiner Spucke über den Wagen. Sie ist rot, von dem knalligen Lippenstift, den ich trage. Mein Makeup ist ohnehin längst verlaufen, bei der unausstehlichen Sommerhitze. Ich schwitze fürchterlich und mein Kleid klebt mir am Leib.
Gott sei Dank, die schmale Spur meines Aufstützens lässt sich beseitigen. Ich schnaube noch einmal.
Aber mein Schuh ist hin.
Fast liebevoll nehme ich meinen so lieb gewonnenen Absatzschuh auf. Der so spitze Hacken ist abgebrochen. Wer hat auch damit gerechnet, dass ich in der Prärie lande. Ich wollte Prärie, ja, aber mit Wellness und Luxus, irgendwo in einem abgeschiedenen Hotel.
Ich schaue erneut hinunter ins Tal und über die weiten Felder, die die Häuser umgeben, deren Dächer ich weit unten in der Ferne ausmachen kann.
Es war wohl ein Fehler, einfach planlos loszufahren, in der Hoffnung, irgendwo ein nettes Ambiente zu finden.
„Nein Elena!“, tadele ich mich sofort selbst. Es war verdammt richtig und würde diese verdammte Karre nicht streiken…
Für einen Moment habe ich wieder Hannahs Bild im Kopf. Sie hat keine Fragen gestellt, als ich sie um ihr Auto gebeten hab. Sie stellt nie Fragen, obwohl ich mir sicher bin, dass sie alles weiß. Sie wohnt direkt unter uns und sie muss einfach meine Schreie und die aggressiven Rangeleien gehört haben.
Mich begeistern Männer, die mich mit einer frivol dominanten Art beherrschen und zu nehmen wissen, dieser Reiz, das Kribbeln, doch bei Michael fing es irgendwann an, weit über das Liebesspiel hinauszugehen, sodass ich letztendlich keinen eigenen Willen und kein eigenes Leben mehr haben durfte.
Vorsichtig streiche ich über meinen Arm. Er ist noch immer blau. Es gibt kein Zurück mehr. Aber daran will ich jetzt nicht denken.
Nein, es gibt nur den einen Weg, weg von ihm und am besten nie zurückkehren.
Aber ich muss irgendwann zurück und wie soll ich dann Hannah erklären, warum ihr Wagen nicht mehr läuft?
Ich atme tief durch. Ich bin kein Mensch, der schnell hysterisch wird bei Überforderung. Doch, eigentlich bin ich genau der Typ Mensch. Im Moment scheint mir alles über den Kopf zu wachsen. Ich will einfach vergessen und so tun, als wäre dieses alte Leben, dass ich für ein paar Tage hinter mir lassen will, nicht mein eigenes.
Ich sinke wieder auf den Schotter hinunter. Für einen Augenblick schmunzele ich sarkastisch in mich hinein, während ich auf den orangeroten Himmel starre. Wunderschön romantisch versinkt die Sonne in den Wolken. Es ist nach 21 Uhr. Jetzt noch auf Hilfe oder gar ein offenes Gasthaus in dieser Einöde zu hoffen, ist wohl vergebens. Das ist also das Cornwall, das ich aus Filmen kenne und das ich immer sehen wollte.
Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als der Straße zu folgen, bis ich irgendwo auf Menschen treffe. Sicher gibt es gleich um die Ecke eine Autowerkstatt. Oh mein Sarkasmus ist heute grenzenlos!
„Verfluchte, pissige Einöde!“, zische ich ins Tal hinunter und erhebe mich wieder schwerfällig. Ich werfe meine Schuhe von mir. Doch dann…
„Nein!“
Ein Auto! Ein grauer Mercedes macht eine Vollbremsung vor meinen Schuhen. Ich sehe den Fahrer toben. Energisch stößt er seine Tür auf. Er stellt den Motor ab.
Nervös schaue ich auf den großen, schlanken Mann mit den breiten Schultern, dessen kurzes, dunkelblondes Haar ihm vorne etwas auf die Stirn fällt. Der Blick seiner hellblauen Augen fängt mich sofort.
Im Nu sammle ich meine Schuhe ein und blicke von den verhassten Kieseln zurück auf den Mann in Hellgrau, dessen trainierte Brust sich unter seinem weißen Poloshirt abzeichnet. Lässig lässt er seine Finger durch die Ösen der Gürtelhalterung seiner hellen Hose gleiten.
Hilfe habe ich mir ehrlich gesagt anders vorgestellt. Mir wird noch heißer, als mich der tadelnde Blick des Fremden trifft, doch sofort wandelt sich sein Blick, als er erfasst, dass ich eine Autopanne habe.
Er lächelt.
Ich schlucke aufgeregt. Diesen Mann umgibt eine sonderbare Aura. Dieser Moment gerade erinnert mich an meine erste Begegnung mit Michael, damals, als noch alles gut war.
Ich merke durchaus, dass sein Blick über meine schmale Silhouette wandert. Seine Brust hebt sich stark.
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Wenn er mich noch einmal so intensiv betrachtet, verliere ich die Fassung. Da sitze ich in der Prärie fest und der attraktivste Mann des Landes kommt, um mich zu retten. Ich könnte süffisant schmunzeln, während mein Groll meinen gerade aufkeimenden Wahnsinn vertreiben will.
„Kann ich helfen? Sieht so aus, als kommen sie nicht weiter?“ –
„Nein.“, schnaube ich verzweifelt und streiche durch meine kinnlangen, schwarzen Haare. Meine blauen Augen funkeln ihn genervt an. Doch wieder lächelt er. Er scheint fast amüsiert zu sein.
Gekonnt beugt er sich vor und öffnet meine Motorhaube. Fachmännisch prüft er den Motorraum.
Beschämt ertappe ich mich dabei, wie ich auf seinen strammen Hintern starre, den er mir entgegenhält.
Unruhig wische ich meine schwitzigen Hände an meinem Kleid ab.
Er räuspert sich.
„Damit kommen sie nicht weiter. Der Motor ist hin.“
Sofort setzt mein Atem für einen Moment aus und dann raste ich aus.
„Wie kann denn plötzlich der Motor im Arsch sein? Das ist doch nicht möglich! Ich bin ganz normal gefahren.“
Der Blick, mit dem er mich träumend und lächelnd ansieht, macht mich noch rasender.
„Verdammte Mistkarre!“, schreie ich den Wagen an, als könne er mich hören. Ich schlage meine Arme energisch über der Brust zusammen und im Nu wird mir bewusst, warum er plötzlich lacht. Ich muss aussehen, wie ein beleidigtes, eingeschnapptes Schulkind.
Relaxt setzt er sich auf die Motorhaube und noch einmal wandert sein Blick über meinen Körper. Mein schwitziges, freizügiges Dekolletee ist mir plötzlich peinlich.
Er streicht sich mit dem Finger über die Lippen, ehe er seine Zunge folgen lässt. Noch einmal räuspert er sich. Ich habe ihn wohl einen Augenblick zu lang gedankenverloren angestarrt.
Mein Atem geht unregelmäßig, als ich in seine blauen Augen schaue. Aufgeregt schlucke ich. Ich kann sehen, dass sich seine Brustwarzen in seinem Shirt abzeichnen. Seine Lippen sind voll, wie die einer Frau.
„Hallo?“, sagt er plötzlich.
Verdammt! Ich schüttele den Kopf. Warum habe ich ihn nur so angestarrt?
Amüsiert zieht er ein weißes Stofftaschentuch aus seiner Hose und wischt sich die öligen Hände ab.
„Was mache ich denn jetzt?“, winsele ich fast. Nie zuvor habe ich mich so unsicher erlebt. Meine Stimme klingt nicht mehr kraftvoll, sondern leise und schwach. Meine Beklemmungen sind mir sicher ins Gesicht geschrieben.
„Ich habe schon versucht, Hilfe zu rufen. Aber hier oben ist kein Netz zu finden.“, erkläre ich schnell und meine Stimme gewinnt wieder an Kraft. Ich sehe, dass er sich erneut über die Lippe leckt, als der tiefe Klang meiner Stimme zurückkehrt.
„Sie sind nicht von hier oder?“, fragt er und betrachtet mich noch immer neugierig.
Ich runzele die Stirn. Ist mir das so sehr anzusehen?
„Sie haben einen schönen Akzent.“, erklärt er.
Schlagartig wird mir klar, was er meint. Wenn ich aufgeregt oder wütend bin, hört man noch immer meine russische Herkunft heraus. Ich merke das nicht mal mehr.
Bedacht langsam spreche ich weiter. Ich kontrolliere meine Stimme jetzt gekonnt.
„Können sie mir helfen?“
Er steht auf und ich schlucke noch einmal schwer. Er ist fast zwei Köpfe größer als ich. Hilflos schaue ich zu ihm auf. Ich merke, dass ich zwar meine Stimme, nicht aber meinen unregelmäßigen Atem kontrollieren kann. Meine Brust hebt sich viel zu schnell und ich sehe, dass er es bemerkt. Noch einmal lässt er mich mit seinem gekonnten Gleiten der Zunge leiden. Ein wahrer Könner des Flirts. Oder ist es kein Flirt?
Nervös streiche ich über meinen Arm, doch sofort zucke ich zusammen. Kurz hatte ich meine schmerzvolle Erinnerung vergessen.
„Oh, haben sie sich dabei verletzt?“, stößt er sofort besorgt aus und berührt meinen Arm. Ich ringe sekundenlang nach Luft, während sein Finger sanft die dunkle Stelle berührt.
„Nein.“, überschlägt sich meine Stimme. Bei dieser Berührung kann ich nichts mehr kontrollieren. Der Duft seines süßlichen Parfüms, das ich nun wahrnehme, benebelt meine Sinne. Beschämt schaue ich flüchtig ins Tal.
„Nein, die Verletzung ist alt.“, sage ich schnell und kraftlos. Es wird still um uns. Ich spüre, dass meine Wangen unter seinem Blick zu brennen beginnen. Eindringlich sieht er mich an, als fordere er die Erklärung, die er schon selbst erahnt.
„Mein Bruder hat eine Werkstatt. Ich werde ihn bitten, den Wagen abzuschleppen. Wo kann ich sie hinbringen?“
Ich suche zu lange nach einer Antwort.
„Wo wollten sie denn hin?“, ändert er seine Frage und jetzt bin ich mir sicher, dass er meine Feuersröte sieht. Ich fühle mich ertappt, obwohl es ihm gegenüber nichts zu ertappen gibt.
„Ich habe mich noch nicht um eine Unterkunft gekümmert.“, setzte ich fort. Und plötzlich bricht meine ganze Verzweiflung, die sich die letzten Wochen aufgestaut hat, aus mir heraus. Ich schluchze laut auf und versuche sofort, meine Gefühle zu unterdrücken. Das bin nicht ich. Ich bin hart. Ich bin taff.
„He, alles gut. Sie kommen einfach mit zu mir. Sobald ich meinen Bruder erreicht habe, wird er den Wagen holen und morgen sieht die Welt schon anders aus.“, sagt er trocken und beugt sich über meinen Fahrersitz.
„Auf geht’s!“, lächelt er über meine Verwunderung, als ich sehe, dass er meinen Autoschlüssel abzieht und auf seinen Mercedes zuschreitet. Irritiert starre ich ihn an. Ein Mann, der die Führung übernimmt… Ich verliere mich kurz in diesem Gedanken, während ich zuschaue, wie er den Motor startet und sich mit den Fingern durch sein Haar fährt, den Mittelspiegel dreht und mich darin beobachtet.
Was bleibt mir anderes übrig?
Mir ist unwohl dabei, Hannahs Auto zurückzulassen. Ich schließe die Beifahrertür und lege meine Hand auf den Saum meines mir jetzt viel zu kurz erscheinenden Kleides. Es macht mich noch nervöses. Mein Herz schlägt kräftig unter meiner Brust. Wieder nehme ich seinen Duft wahr. Er lächelt mich gütig an.
„Tschüss Schrottlaube!“, flüstert er verschwörerisch.
„He, es ist nicht mein Auto! Ich brauche es heil wieder.“
Kurz prüft er meinen Gesichtsausdruck, ehe er den Wagen kontrolliert in die Kurve lenkt. Lässig legt er seine Hand auf die Gangschaltung, lässt sie dort ruhen und schaut immer wieder in den Spiegel.
Seine Hand so nah neben mir, sie macht mich nervöser. Himmel, warum bin ich so aufgeregt?!
Und während ich in den orangen Abendhimmel schaue, ist Michael, ist alles, wovon ich weggelaufen bin, ganz weit weg.