Читать книгу Ko Samui - Maja Meier - Страница 4
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ОглавлениеIch steige in das TukTuk, eine Art Dreirad, das als Taxi dient und mich zu meinem Hotel bringen soll. Ich kann mich nicht satt sehen, an der Schönheit, die mir die Insel bietet. Ko Samui, die Kokosnussinsel heißt sie, hat mich mein Reiseführer gelehrt, den ich letzte Woche stolz gekauft habe. Die wahre Farbenpracht der Blumen und Palmen lässt mich frohlocken.
Die Gesichter der Einheimischen sind freundlich. Überall sehe ich lächelnde Gemüter. Ich fühle mich vollkommen losgelöst vom Stress des Alltags. Wer hätte gedacht, dass mich mein Weg einmal auf diese Insel führt? Ich schmunzle. An wie viele Orte hast du mich schon geführt, die ich ohne dich nie gesehen hätte. Ich folge dir überallhin und wenn dieses das Ende sein soll, so wird es doch die Reise wert sein. Ich liebe dich! Das alles hier ist dein Leben und gerade in diesem Moment fühle ich mich wie ein Teil davon.
Ich erinnere mich an längst vergangene Zeiten, als ich dir schrieb, wie lieb ich dich habe. Du hast geantwortet, gleichfalls und ich bin stolz auf dich. Ob du es wohl auch wärst, wenn du jetzt sehen würdest, wie dein kleines, ängstliches Baby hier in diesem TukTuk sitzt, bereit dich und ein neues Land zu erobern?
Doch je mehr wir uns dem Hotel nähern, desto nervöser werde ich. Was soll ich tun, wenn du den Kontakt zu mir böse ablehnst, mich ignorierst, wie immer, wenn ich glaube, dass du einfach deine Gefühle verdrängen willst? Wie soll ich meinen Aufenthalt in gerade eurem Hotel begründen? Mein Herz überschlägt sich. Der Schweiß rennt mir von der Stirn. Ich atme schwerer. Ich spüre, dass mein Shirt auf dem Rücken durchtränkt ist.
Nein, ich setze alles auf dich, auf dich und deine Gefühle! Ich will, dass du sie einmal zulässt! Ich tue alles für dich. Ich lächle meinen thailändischen Fahrer an, der sich freundlich zu mir umdreht. Wir sind gleich da. Ich schaue auf den noblen Hotelkomplex, auf den wir zusteuern. Es ist mein Glück, dass deine Frau diesmal auf so ein exklusives Ambiente bestand, statt wieder bei Einheimischen unterzukommen.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist später Nachmittag. Was ihr wohl gerade macht? Die Bilder in meinem Kopf überschlagen sich ungewollt. Wahrscheinlich ist es euch bei dieser Hitze zu warm draußen und ihr seit im Hotel. Ihr genießt die Zweisamkeit. Nein, diese Bilder will ich nicht! In meinen Träumen kommst du ihr nie mehr nah.
Da steht sie also vor mir, die Villa Samui Blu, meine Residenz für die nächsten Tage. Ich habe mein Gespartes und meine letzten Urlaubstage verbraten. Egal, ich muss diese unendliche Sehnsucht stillen und dich sehen. Ist es nicht grotesk, dass ich ständig mit dir rede und du gar nicht da bist?
Nervös fahre ich durch mein Haar, das sich genauso klamm anfühlt wie meine Klamotten. Ich gebe dem netten Fahrer einige Baht, obwohl mir der Umgang mit einer fremden Währung noch ganz und gar nicht vertraut ist. Überfreundlich bedankt er sich und ich frage mich, ob ich ihm wohl versehentlich den dreifachen Preis bezahlt habe. Egal, er ist glücklich. Ich schaue ihm nach und erst jetzt bemerke ich, dass wir uns bereits direkt am Meer befinden. Ich kann es am Ende des schmalen Weges erkennen, der von Palmen gesäumt von meiner Hotelvilla hinunterführt.
Ich schmunzle erneut. Ich fühle mich gar nicht luxuriös genug für diesen Prachtbau, den ich jetzt stolz betrete. Die hohen Säulen des Eingangs sind nicht weniger imposant als der marmorne Pavillon, dessen Dach weiße Tücher sind oder der riesige Pool, dessen Wasser so azurblau ist, das man sich in dessen Farbe verliert.
Alles riecht blumig und irgendwie anders. Einige Menschen sitzen am Pool. Nervös schaue ich in die Runde. Mein Körper spannt sich an. Nervös presse ich meine Finger um den Griff meines Rollkoffers zusammen. Er ist nicht da! Sie ist nicht da. Ich atme auf. Er soll mich auf keinen Fall schon bei meiner Ankunft und so völlig durchgeschwitzt sehen.
Ich trete vor die Rezeption und habe das Gefühl, dass alle Blicke nur auf mich gerichtet sind. Die Hotellobby ist großzügig angelegt. Direkt neben dem Eingang steht ein Billardtisch, eine Dartscheibe hängt daneben. Schräg vor der Rezeption befindet sich eine kleine Bar, die bunt gestaltet mit vielen Reklameschildern zum Trinken fröhlicher Cocktails einlädt.
„Herzlich willkommen auf Ko Samui!“, begrüßt mich die junge, dunkelhaarige Schönheit an der Rezeption. „Hatten sie eine gute Anreise?“ Ich nicke. Ich bin so aufgeregt, dass mir die Worte fehlen. Auch das Lächeln der jungen Frau fängt mich sofort ein. Hier muss man einfach gute Laune haben. „Das freut mich. Bitte füllen sie kurz diesen Meldeschein aus. Ihr Zimmer steht für sie bereit.“
Meine Finger zittern, als ich meine Daten eintrage und meine Unterschrift unter das Meldeformular setze. Ich rechne damit, dass er, mein Martin, jede Minute um die Ecke kommt und mich hier stehen sieht. Natürlich ist es nicht so, aber der Gedanke ist wahnsinnig aufregend.
„Hier ist ihre Zimmerkarte. Halten sie sie einfach gegen den Türknauf. Beim Verlassen des Zimmers schließt die Tür automatisch. Nehmen sie also immer ihre Karte mit. Das Frühstück servieren wir ihnen bis 11 im Inselstübchen nebenan. Gern können Sie es sich auch auf das Zimmer bringen lassen. Den Pool können sie rund um die Uhr nutzen. Für weitere Freizeitangebote und Auflugstipps sprechen sie mich gerne an.“ – „Vielen Dank.“, sage ich und nehme ihr die Karte ab. „Haben sie noch Fragen?“ Ich lächle und denke darüber nach, nach Martin zu fragen. „Nein. Vielen Dank.“, antwortete ich.
„Der Lift ist dort drüben.“, zeigt sie in Richtung Bar. „Ich wünsche ihnen einen schönen Aufenthalt.“ – „Danke.“ Mein Blut kocht wild. Es hört sich für mich an, als halle das schleifende Geräusch, das mein Koffer verursacht unendlich laut in der Lobby wieder. Der Lift öffnet sich. Ich trete ein. Die Tür schließt sich.
Ich schaue auf den großen Spiegel im Lift. Ich habe mich in meiner Haut und mit meiner Figur nie wohl gefühlt. Aber hier ist mir plötzlich alles egal. Ich fühle mich so unendlich stark. Ich weiß, ich bin bei dir und werde dich bald sehen. Und es muss einfach sein. Ich werde dich mit all dem konfrontieren, was du so verdrängst.
Ich bin gespannt auf mein Zimmer. Die Lifttür öffnet sich und ich hebe meinen Koffer hinaus. Und dann stockt mir der Atem! Martin! Am Ende des Flures. Unsere Blicke treffen sich. Verstört trete ich in den Lift zurück und drücke wahllos eine Taste.
Hat er mich erkannt? Hat er mich für voll genommen? Hat er mich gesehen? Ja, unsere Blicke haben sich doch getroffen! War er schockiert? Ich konnte so schnell keine Regung erkennen. Ich ringe nach Luft, während der Fahrstuhl wieder hinabführt. Mein Martin, wie normal du ausgesehen hast in deinem Inselalltag, an dem ich nie teilhaben durfte! Er hat beige Shorts an, ein weißes Shirt mit schwarzem Schriftzug, Billabong, eines seiner Lieblingsshirts.
Ich kann unmöglich wieder unten in der Lobby auftauchen und drücke wieder auf die Drei. Er wird wohl kaum darauf warten, dass sich der Fahrstuhl wieder öffnet. Wahrscheinlich hat er mich in dem kurzen Moment gar nicht erkannt. Ich rede mir gut zu.
Wie sehr pulsiert mein Blut! Wie gern würde ich jetzt sofort zu dir und dich fest in den Arm nehmen! Oh wie verwerflich ist dieser Gedanke. Wahrscheinlich tust du das gerade mit deiner Frau. Und sie ist so gut zu dir. Ich weiß das. Aber es ist da, diese unglaubliche Sehnsucht ist da! Ich komme nicht dagegen an.
Meine Beine scheinen unter mir nachzugeben. Ich konzentriere mich darauf, meine Atmung wieder gleichmäßiger werden zu lassen. Es gelingt mir nicht. Ich schließe kurz die Augen, als der Fahrstuhl wieder in meiner Etage hält. Die Tür öffnet sich. Eifrig schaue ich nach links und rechts. Der Flur ist leer und still. Gott sei Dank! Aber er war es doch, oder? Doch, ich bin mir sicher. Es war Martin! Ob sein Zimmer auf meinem Flur liegt?
Hektisch folge ich dem Pfeil, der mich zu meinem Zimmer weist. Ich will nicht noch auf den letzten Meters eine Begegnung, für die mir gerade noch die Worte fehlen. Schaffe ich das? Meine Beine werden schwerer und doch habe ich das Gefühl, zu fliegen.