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1 – Leichenschmaus ist schrecklich

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Guten Morgen Welt, ein wunderschöner Tag stand vor der Tür. Die Vöglein zwitscherten fröhlich und die Sonne strahlte zum Fenster herein. Wobei man eher sagen könnte, dass sie sich durch die dunklen Vorhänge quälte, die es jeglichem Licht beinahe unmöglich machten, die schlafende, beinahe scheintote Person zu wecken. Düster und ungemütlich war es. Unordnung wohin das Auge blickte. Fröhliche Gedanken waren aber auch nicht wirklich das erste, das Maya durch den Kopf ging, als sie an diesem Morgen aufwachte. Mühsam streckte sie sich in die Länge, wirbelte herum auf die andere Seite und vergrub ihr Gesicht noch einmal im Kissen. Ihre grunzenden Geräusche ließen vermuten, dass sie tatsächlich keine Motivation fand, aufzustehen.

Samstag 09:00 morgens, müde und der Geist doch irgendwie hellwach.

Tat Nummer 1 – Babybook aufdrehen. Ohne auch nur einmal auf zusehen, tastete sie auf dem Boden nach ihrem winzigen und absolut unpraktischen - und deswegen Babybook genanntem - Netbook, schmiss dabei ein Glas um, das bereits Lebensraum verschiedener Kleinstlebewesen geworden ist und dem Begriff Evolution eine komplett neue Bedeutung gab, drehte sich dann nur widerwillig auf den Rücken, legte sich das kleine schwarze Ding auf den Schoß – und erstarrte augenblicklich.

Langsam drehte sie ihren Kopf von links nach rechts und von rechts nach links. Hob das Kinn und senkte es wieder. Zog und zwickte an der Haut unter und neben ihren Augen herum. Was zum Teufel blickte sie da aus der Spiegelung des noch schwarzen Bildschirms an? Wird sie etwa so von Kindern und wirklich äußerst kleinen Menschen wahrgenommen?

Wahrscheinlich ausschließlich von Kindern, es gibt nicht sonderlich viele Menschen, die noch kleiner waren als sie selber. Kein Wunder, dass sie so viele mit riesigen Augen anstarrten, aus dieser Perspektive jedenfalls. Aber gut, ein neuer Punkt für eine ihrer To-Do-Listen: Sport treiben. Nein! Facelifting, besser! Schneller! Aber teuer... gut… Faceliftcremes, vielleicht hilft's ja gegen dieses 3-fach Kinn, das sich in den letzten Wochen breit gemacht hat – ihrer Meinung nach.

Im Übrigen kann ich euch sagen, dass sie maßlos übertrieb. Von einem dreifachen Doppelkinn war nichts zu sehen, genauso wenig war sie überdurchschnittlich klein. Zumindest reichten ihre Beine bis zum Boden und das war ja das wichtigste. Maya war zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens nur, wie soll ich es sagen, etwas desillusioniert. Nachdem sie ihr Spiegelbild ausgiebig betrachtet und kritisch beäugt hatte, schaffte sie es dann doch das kleine Netbook aufzudrehen, um sich den Nachrichten zu widmen. Doch bevor sie sich auf diversen Websites umsehen konnte fehlte noch eine klitzekleine Kleinigkeit.

Sie öffnete den Arbeitsplatz – klick.

Öffnete den Ordner Eigene Dateien – klick.

Suchte die Datei: Todesliste – klick.

Jawohl, so sah es aus. Die Datei hieß Todesliste! Mit 8 Rufzeichen. Maya hatte eine Todesliste. Dabei handelte es sich aber nicht um eine normale schwarze Liste, wie sie jeder von uns hat. Und keiner kann mir erzählen, dass dem nicht so sei. Jeder von uns hat diese kleine Liste im Kopf auf der mal mehr, mal weniger Menschen stehen. Zum Beispiel der Sack, der einem den letzten Platz in der S-Bahn weggeschnappt und das auch noch bemerkt hat und so hämisch dabei grinste. Oder eine "Freundin" die meint der Rock sieht nach nichts aus und ihn sich dann selber holt. Oder Menschen, die einfach unausstehlich sind und ihren Platz allein schon deswegen verdient haben. Die und andere stehen auf schwarzen Listen. Aber nicht auf Mayas.

Sie öffnete das Dokument und fügte eine neue Zeile mit dem Datum ein. Dann ging's los.

NTV - Anschlag auf Zivilisten in so und so - 5 Tote

yahoo.de - Familie stirbt bei Verkehrsunfall - 3 Tote

CNN - Amoklauf an Schule - 8 Tote

BBC – Flugzeugabsturz – 62 Tote

Und so ging es weiter. Bis sie sämtliche Nachrichtenseiten abgeklappert hatte. Und zum Schluss stand unter der Datumszeile die Zahl 112.

112 Tote hatte sie zwischen 09:08 und 09:32 gezählt, die irgendwo auf dieser Welt gestorben waren. Ob durch Anschläge, Verkehrsunfälle oder Amokläufe. Dieses, nennen wir es Journal, führte sie seit ungefähr 2 Monaten. Fein säuberlich sah sie sich jeden Tag nach Toten um. Klingt makaber – war es auch. Somit waren es zu diesem Zeitpunkt auch 2 Monate, in denen Maya in Selbstmitleid versank… und nebenbei tote Menschen zählte.

Man fragt sich jetzt, was zu diesem äußerst eigenartigen Verhalten führte. Ist aber recht einfach zu beantworten: Vor rund zwei Monaten starb Mayas beste Freundin, ihre Schwester, ihre bessere Hälfte. Das war nicht so eine Art „in der zweiten Klasse bist du meine beste Freundin und in der nächsten dann eine andere“-Freundschaft. Die beiden verband mehr miteinander, etwas unerklärliches, fast schon, als wäre es vorherbestimmt gewesen. Sie lernten sich bereits während des Geburtsvorganges kennen, zumindest behaupteten sie das gerne. Denn ihre Mütter lagen im gleichen Krankenhaus, hatten zur gleichen Zeit Wehen und ihre Kreißsäle waren nur durch eine Schiebetür getrennt. Also schrien sie im Takt nacheinander. Angeblich zu "What a Feeling". Nachdem Maya um Punkt Mitternacht und Inca zwei Minuten nach ihr das Licht der Welt erblickt hatte und ihre Mütter auf das "Rooming" verzichtet hatten, um noch ein zwei Nächte schlafen zu können, bekamen sie ihre Einzelsuiten direkt nebeneinander. Und Maya behauptet nach wie vor, dass sie sich an Inca erinnern kann. Wie sie da so lag in ihre rosa Decke gewickelt. So wie alle Mädchen…

Und weil Mayas Eltern kurz vorm Entbindungstermin zufällig in die gleiche Straße von Incas Eltern gezogen waren, war ihre Freundschaft besiegelt. Von nun an gingen sie durch dick und dünn, wie man so schön sagt. Und nicht nur im übertragenen Sinne. Zwischen ihrem 16. und 17. Lebensjahr hatten die beiden Grazien etwas zu viel auf den Rippen. Insgesamt haben sie wohl zusammen 20 kg zugenommen. Wobei nun nicht verraten wird, wie die genaue Aufteilung ausfiel. Aber im Grunde konnten sie ja überhaupt nichts dafür. Pubertät eben. Und sie hörten auf mit dem Sport. Leistungsturnen war damals ihre Leidenschaft, fünf mal die Woche.

Ich meine auch nicht, dass sie ihn reduzierten: Nein.

Nichts mehr, komplett auf null. Kein Sport mehr. Nada.

Es wurde nur mehr geshoppt und gegessen. Gegessen und geshoppt. Wobei – sie aßen nicht mehr, immer noch viel, aber nicht mehr als zuvor. Nur verträgt ein Körper, der 5 Mal die Woche bewegt wurde auch tatsächlich eine Packung Chips am Tag. Und eine Tafel Schokolade. Wohingegen ein Kadaver, der es gerade einmal schafft sich für die Schule aufzuraffen, einen etwas geringeren Kalorienbedarf hat. Und dann gab es auch noch eine Sprachreise nach England, die noch einmal 8 kg mehr drauf gebracht hatte. Cookies, Burger, Fish’n’Chips, wer kann diesem widerlich guten Zeug auch nur ansatzweise widerstehen?

An ihre Rückkehr aus England konnte sich Maya auch noch zu gut erinnern. Nachdem ihre Mama sie abgeholt hatte und sie so am Küchentisch saß, kam eben diese ohne Vorwarnung auf sie zu und meinte: “Wir müssen unbedingt etwas tun, du bist richtig dick geworden.” Tja, Konsequenz aus diesem zwar ehrlichen aber auch wirklich schonungslosen Kommentar war, dass Maya sich weinend in ihr Zimmer zurück zog und beschloss, nie wieder zur Schule zu gehen. Ihre Patentante wies Mayas Mutter dann entsetzt zurecht und meinte, so könne man das einem jungen Mädchen doch nicht sagen, wo sie es höchst wahrscheinlich doch selber wusste. Also zog Mayas Mama los und kaufte ihr ein paar neue Shirts, um das Drama wenigstens etwas zu kaschieren.

Hat mehr oder eher weniger funktioniert.

Ein weiterer Punkt, der den beiden besonders gefiel war, dass sie an unterschiedlichen Tagen Geburtstag hatten, auch wenn sich ihre Geburtstzeit nur um 2 Minuten unterschied. Somit feierten sie gleich zweimal oder einfach zwei Tage hindurch. Nicht selten endeten diese Geburtstage in Exzessen. Angefangen mit voll geschlagenen Schokoladebäuchen und Kotzorgien die Nacht darauf, bis hin zu vollkommen versauten Hauseinfahrten nach ihren 18. Geburtstagen. Wobei niemand dachte, dass diese beiden (nun wieder) zierlichen jungen Frauen so viel Mageninhalt haben könnten.

Wie man sich täuschen konnte.

Wenn sie gefragt wurden, was sie einmal werden möchten, so antwortete Maya immer mit Schauspielerin. Inca wollte Anwältin werden oder irgendetwas, bei dem man im schicken Kostüm und High Heels durch die Eingangshalle eines Bürogebäudes klackern konnte. Es wurde aus beidem nichts. Maya war viel zu sensibel für das Business und studierte Tiermedizin, Inca fand ihre Erfüllung im Studium der Zahmedizin. Wobei Erfüllung bedeutet, man konnte Menschen ohne schlechtes Gewissen ein paar Schmerzen zufügen und verdient Uuuuunmengen Kohle damit.

Der Tag, an dem Inca starb, begann völlig harmlos, wie so viele Tage davor. Dieser war ein warmer Märztag, die Menschen sehnten sich schon den Frühling herbei. Mit Mitte Oktober hatte der Winter dieses Jahr aber auch etwas vorzeitig eingesetzt, Schnee konnte und wollte keiner mehr sehen. Manche behaupteten sogar, die Skiorte hatten schon genug. Wie dem auch sei. Es hatte angenehme 19.5 Grad. Die Sonne schien den ganzen Tag über und sogar einige Eisgeschäfte waren bereits geöffnet. An diesem Tag hatte es Maya überhaupt nicht eilig, irgendwo hin zu kommen. Sie ließ sich die Sonne auf der elterlichen Terrasse auf den Bauch scheinen und genoss den vorlesungsfreien Tag. Gestört wurde diese Ruhe nur durchs Klingeln ihres Handys. Wieso hatte sie wieder vergessen es lautlos zu schalten?

Gut, wer störte? Inca, die störte aber nie. Sofern sie nicht mitten in der Nacht verheult und zugerotzt anläutete und getröstet werden musste, weil sie wieder einmal mit ihrem Freund Schluss gemacht hatte.

Dieses Mal wollte sie nur wissen, ob Maya Lust auf Eis hatte. Natürlich hatte sie, was für eine Frage. Lieber war es ihr aber, wenn Inca doch zu ihr käme… mit Eis. Waffeln und Amaretto wollte Maya bereit stellen. Nach einer 10 minütigen Diskussion, in der Inca zu erklären versuchte, warum es im Eissalon viel schöner wäre, gab sie schlussendlich auf, da Maya sowieso immer recht behielt. Beziehungsweise, wenn sie sich nicht aus dem Haus bewegen wollte, dann tat sie das auch nicht. Komme was wolle. Das verdammte Ding hätte einstürzen können. Hatte sie sich vorgenommen drin zu bleiben, würde sie würdevoll damit untergehen.

Also machte sich Inca auf den Weg zu Maya. Als sie zuletzt miteinander telefonierten, war es ungefähr 2 Uhr nachmittags. Vom Eissalon bis zu Maya benötigte Inca normalerweise ungefähr 20 Minuten, je nachdem, wie flott sie mit ihrer Vespa unterwegs war. Gegen 3 Uhr rief Maya dann noch einmal bei Inca an. Waffeln, Amaretto und geschlagene Sahne standen schon bereit. Auch Schokostreusel hatte sie gefunden. Fehlte nur noch das Eis. Und Inca. Aber es ging niemand ran, es war sogar ausgeschalten. War aber auch nichts Neues. Mayas beste Freundin konnte mit den neuen Smartphones nicht so wirklich und rief schon mal öfter unwillkürlich Leute an oder schaltete es aus Versehen einfach aus. Kam dann aber erst Stunden später drauf, wunderte sich dann aber wiederum auch etwas weniger, warum sie niemand angerufen hatte.

Als die Sahne bereits in sich zusammen fiel und die Waffeln diesen eigenartigen Geschmack bekamen, wenn sie zu lange an der Luft waren, begann Maya sich dann doch Sorgen zu machen. Immer wieder hatte sie es auf Incas Handy versucht, sie aber nie erreichen können. Abends rief sie dann bei ihr zu Hause an. Vielleicht ist etwas dazwischen gekommen. Ihre Eltern könnten sie gebraucht haben, ein dringender Anruf von wer weiß wem. Aber auch dort ging niemand ran.

Erst gegen 19 Uhr hörte Maya das erlösende Klingeln ihres Handys, ein spezieller Klingelton. Better Days von Citizen King. Das hörten sie und Inca einmal einen ganzen Sommer lang. Ausschließlich dieses Lied. Dazu mussten sie aber die Playstation laufen lassen, denn das war das erste Lied bei einem Skatespiel. Und Inca hatte ihre Memory Card verloren, also fingen sie jedes Spiel von neuem an. Jeden Tag. Sie waren beide äußerst schlecht, also stand ihr Skater nur herum und lauschte ebenfalls dem Lied. Sich bereits überlegend, welche lustige Meldung sie nun schieben könnte, ging Maya ans Telefon. Aber dort meldete sich nicht Inca. Es war ihre Mutter. Soweit sie die unter Tränen erstickten Worte verstehen konnte, hatte Inca einen Unfall mit der Vespa. Nachdem sie vom Eissalon weggefahren war, auf dem Weg zu Maya.

Maya erfuhr an diesem Abend, dass ihre beste Freundin gestorben war. Von einem Auto erfasst. Die Eiscreme, die sie zwischen ihren Knien balanciert hatte, war über die Straße verteilt worden. Die Eiscreme, die Maya nicht im Eissalon essen wollte, weil sie sich für heute vorgenommen hatte, das Haus nicht mehr zu verlassen. Weil SIE, MAYA, das so beschlossen hatte. Und ihre beste Freundin dazu überredet hatte, zu ihr zu fahren. Und weil sie ihre beste Freundin war und wusste, dass sie Maya niemals umstimmen konnte, kam sie. Wollte kommen. Mit Eiscreme aus dem Eissalon.

Ungefähr eine Stunde lang war Maya dann noch alleine, ehe ihre Mutter nach Hause kam. Und erst als ihre Mutter sie nach Inca fragte, wurde ihr bewusst: Ihre beste Freundin war nicht mehr da. Weinen konnte sie aber nicht. Generell war Maya kein weinerliches Mädchen. Sie weinte nicht, als Artax aus „Die unendliche Geschichte“ im Sumpf versank. Sie weinte auch nicht, als Littlefoots Mama durch einen Scharfzahn starb. Sie weinte auch tatsächlich nicht, als die Titanic unterging. Ihr Kommentar war bloß, dass sie ja schon wusste was passieren würde und sich daher bereits seelisch darauf vorbereitet hätte. Maya weinte wirklich nicht oft. Und auch dieses Mal nicht.

Es vergingen nur wenige Tage, ehe das Begräbnis stattfand. War in so einer großen Stadt wie Wien, in der täglich so viele Menschen sterben, eher unüblich. Oft wartete man 2 Wochen. Die toten Menschen werden währenddessen dann in einer Lagerhalle gekühlt. So vergammeln sie nicht. Und falls die Angehörigen sie dann doch noch einmal sehen wollen, blicken ihnen nicht zwei schwarze Augenhöhlen entgegen aus denen noch zwei Würmer winken, die sich gerade an den Überresten des Gehirns zu schaffen machen. Naja, ganz so schlimm wäre es wohl nicht nach 2 Wochen, wobei im Sommer bei 30°C…

Wie auch immer, das Begräbnis fand zwei Tage später am Zentralfriedhof statt. Dort hatten Incas Eltern bereits vor wer weiß wie vielen Jahren ein Grab für den engsten Familienkreis gekauft. Oder hatten die das auch schon vorher und einfach die darin beerdigten Leichen ausgraben lassen? Lange Rede kurzer Sinn: Das Grab war leer, bis zu diesem einen Tag.

Maya konnte sich kaum aufraffen aufzustehen. Wobei damit wirklich nur die physische Aktion des „Aufstehens“ gemeint war, denn geschlafen hatte sie nicht. Keine Sekunde. Ihre Gedanken kreisten nur um den darauf folgenden Tag, wie sie sich verhalten, was sie sagen und vor allem: Wie sie Incas Eltern gegenüber treten sollte. Denn aus Mayas Sicht war sie eindeutig Schuld am Tod ihrer besten Freundin. Wäre sie bloß nicht so faul gewesen an diesem Tag und hätte sich aufgerafft um zum Eissalon zu fahren. Wenn, wäre, hätte…

Irgendwann stand Maya doch im Badezimmer. Sie trug ein Paar schwarze Hosen und einen schwarzen Pulli.

„Das wird die Hölle“ dachte sie sich. Erschrak aber im nächsten Moment und fragte sich, ob sie so leichtfertig mit diesem Wort umgehen sollte. Sie schminkte sich ein wenig, ihre Eltern warteten bereits auf sie. Trauerminen. Auch sie mochten Inca sehr. Aber vermutlich tat ihnen einfach nur Maya leid.

Als sie am Friedhof ankamen, waren sie unter den ersten. Davor hatte sich Maya am meisten gefürchtet. Denn somit waren Incas Eltern nicht beschäftigt und sie musste sich mit ihnen unterhalten. Musste. Maya konnte ihnen kaum in die Augen sehen. Sie hatte Angst dort Hass und Abscheu zu sehen. Also ging sie mit gesenktem Kopf auf Incas Mutter zu. Die beiden Elternpaare umarmten sich und weinten. Maya stand daneben, Incas Mama blickte sie an.

„Es tut mir so Leid Maya. Es muss fürchterlich für dich sein.“

Es vergingen Sekunden, ehe der Satz bei ihr ankam. Hatte sie so eben richtig gehört?

„Entschuldigung?“

„Ich weiß, wie es sich für mich anfühlt. Sie fehlt mir so unendlich, jeden Tag aufs neue aufzustehen und zu wissen, dass mich kein Sonnenschein in der Küche empfängt. Es ist einfach schrecklich. Aber du und Inca, ihr wart doch wie Schwestern.“

Unsicher blickte Maya zu Incas Mutter hinauf. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, kurz davor über zugehen, um in dicken Bächen an ihren Wangen runter zulaufen.

„Ich bin so traurig!“ war das einzige, das sie herausbrachte.

„Ich bin so unendlich traurig.“

Als Incas Mutter sie schließlich in die Arme nahm, wurde Maya bereits von Weinkrämpfen durchgeschüttelt. Nach der Beerdigung ließ sie sich beim Leichenschmaus entschuldigen. Sie konnte dieser Tradition sowieso nie etwas abgewinnen. Zuerst weinend am Grab stehen und kaum hat man etwas Essbares vor der Nase, sollte alles vergessen sein? So gut konnte kein Schnitzel der Welt sein.

Sie konnte das nicht. Sie wollte nur mehr nach Hause, sich duschen und dann in ihrem Zimmer verkriechen. Zwei Monate noch, dann stand eine der Sorte Prüfungen an, bei der rund 80% aller Teilnehmer durch fielen. Kein Problem für Maya. So faul beziehungsweise gemütlich sie es in der Freizeit angehen ließ, so disziplinierter war sie in Studienangelegenheiten. Obwohl… stimmte auch nicht. Maya war so ein von Gott gesegnetes Mädchen, das sich so gut wie gar nicht anstrengen musste. Schule und Studium waren vom Aufwand her gesehen reine Nebensache gewesen. Und auch für die Matura musste sie kaum lernen. Ein paar der Übungseinheiten besucht und das war es dann. Somit konnte sie guten Gewissens im Bett verfaulen. Das wäre ihr auch beinahe passiert. Sagen manche. Denn zwischen dem Begräbnis und dem heutigen Tag hat sie nicht viel gemacht. Eben bis zum heutigen Tag. Zwei Monate nach Incas Begräbnis.

Tödliche Aussicht auf Festanstellung

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