Читать книгу Blood-Lady - Mandy Hopka - Страница 5

Letzter Durst

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Der Orgasmus übermannte mich, ich spürte ihn in mir. Wusste, dass auch er kam. Ich konnte mich nicht gegen meine Gefühle wehren, die wie ein Gewitter über mich einbrachen. Voller Lust stöhnte ich, verkrampfte meine Hände an seinen Schultern, während ich weiterhin zur Decke blickte. Ich spürte es, fühlte es. Wie es an meinem Hals herunterlief. Seine Erektion pulsierte in mir und mein Atem wollte sich nicht beruhigen. Wie erstarrt und vollkommen machtlos, ließ ich es zu. Ich verzog vor Schmerzen das Gesicht. Wie konnte man sich daran gewöhnen? Als seine Zähne tiefer in meine Haut fuhren, verkrampften sich meine Fingernägel in seiner Haut und das nicht vor Verlangen. Ich hörte, wie er schluckte, spürte die Wärme von seinem Mund. Er zog seine Zähne heraus, leckte über die kleinen Wunden meines Halses. Saugte mit seinen Lippen an ihr und wollte die Schmerzen damit vielleicht lindern, was ihm nicht wirklich gelang. Sein Mund glitt weiter bis zu meiner Schulter, wo er seine Zähne erneut in meine Haut schlug. „Damian“, entfuhr es mir schmerzerfüllt. Hatte er nicht gesagt, er würde mir niemals etwas antun? Eine Träne löste sich aus meinem Auge - die Folge dieses tiefen Entsetzens, welches er in mir auslöste. Er bewegte sich nur kurz, aber dies reichte aus, um seine Erektion in mir mit neuem Leben zu erfüllen. Seine Hand ließ von meinem Po ab und in dem er sie um mich schlang, drückte er mich immer fester an sich. Jede Stelle unserer Körper spürten einander. Wir waren eins, in jeglicher Hinsicht. Erneut zog er sie aus meiner Haut zurück und leckte wieder über die Stelle, wo wohl noch immer Blut austrat. Als er seine Hand aus meinen Haaren nahm und sie stattdessen an meine Wange legte und mich damit dazu brachte, ihn anzusehen, merkte ich erst, wie unbequem es gewesen war, so nach oben starren zu müssen.

Dieser Kuss war der erste, der mir auf gar keinen Fall gefiel, der in mir sogar einen Brechreiz auslöste. Ich schmeckte es, schmeckte mein eigenes Blut in seinem Mund. Ich wollte zurück, wollte von ihm weg, wollte einfach nur fliehen, von diesem Monster, der mir das gerade antat. Aber er ließ mich nicht, umklammerte meinen Körper, herrschte über meinen Kopf, über meinen Mund. Er wollte diesen Kuss nicht beenden. Als ich die Augen öffnete, stellte ich fest, dass auch er mit offenen Augen küsste. Und nun, erkannte ich ihn wieder. Damian, voll und ganz zum Leben erwacht. Seine Augen hatten wieder diesen unnormalen blauen Glanz. Diese unglaubliche Intensität, die ihn verriet. Er war kein Mann, er war ein Vampir. Ein Reinblüter und all das hier, war ein Teil seines Lebens oder ein Teil unseres. Das konnte ich einfach nicht mehr ignorieren. Er würde immer das bleiben, was er war. Es war eine Tatsache, die man nicht ändern konnte. Ohne Blut, war er tot, nicht überlebensfähig. Weitere Tränen, stiegen in mir auf, dieses Mal waren es Tränen der Verzweiflung. Ich liebte ihn, mehr als ich jemals einen Menschen geliebt hatte, aber er war kein Mensch! Das hier machte mir mehr Angst, als alles andere. Dieses Monster, in dessen Augen ich blickte, um dessen Mund mein Blut glänzte und in diesem ich mich schmecken musste, war mehr als abscheulich. Als Damian es bemerkte, wich sein Mund von meinem. „Amy, bitte nicht. Ich kann es nicht ertragen, wenn du weinst“, erwiderte er bedrückt und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Ich konnte nicht anders. Ich fühlte so viel Schmerz, dass ich nicht wusste wohin mit all diesen Empfindungen. Ich fühlte mich wie eine Verräterin.

Es tut mir so leid Mom, Dad. Ich kann einfach nicht mehr.

Damian legte seine Arme um mich und drückte mich, dieses Mal zärtlich, an sich. „Ich bin was ich bin“, begann er vorsichtig. „Du hast es nun gesehen oder nicht?“

„Ich wünschte, ich könnte es ihnen wenigstens erklären. Ich wünschte ich hätte ihre Zustimmung oder wüsste wenigstens ihre Meinung“, presste ich hervor und entfesselte damit eine Woge der Trauer. Es gab kein Zurück mehr. Ich liebte Damian, dass war ebenfalls eine Tatsache, die sich nicht ändern lassen würde. Selbst jetzt, liebte ich ihn noch. Immer hatte ich mich vor diesem Moment gefürchtet. Hatte geglaubt, meine Gefühle für ihn, würden sich dadurch ändern. Ich würde ihn hassen, mich vor ihm fürchten oder angewidert sein. Ich hatte Angst gehabt, alles zu verlieren, was wir hatten.

Aber es war nicht so.

Noch immer spürte ich meine Zuneigung zu ihm, die sich kein bisschen verändert zu haben schien. Selbst durch diese Verzweiflung, die ich gespürt hatte. Diese Panik und dem Schmerz.

Ganz im Gegenteil.

Jetzt - nachdem, hatte ich das Gefühl, dass sie stärker geworden war. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass mich schwere, dicke Ketten umgeben hatten, von denen er mich erlöste. Ketten des Hasses, der Wut und der Trauer. Aber jetzt - durch ihn, fühlte ich mich von ihnen befreit. Dennoch… „Du bist nicht wie ich. Du bist der Mann, den ich hassen sollte! Wieso? Wieso du? Ihr habt mir alles genommen. Ihr habt mein Leben zerstört und jetzt, gibt mir gerade ein solches Geschöpf mein Leben zurück? Mein Vater würde niemals stolz auf mich sein. Nie im Leben. Wenn Mutter das hier sehen würde, würde sie es zurücknehmen. Sie würden mich hassen. Ich bin … einfach verabscheuungswürdig. Ich lasse das zu, was sie umgebracht hat. Und trotzdem … und trotzdem“, meine Stimme brach und ich begann zu schluchzen. Damian vollendete meinen Satz. „Trotzdem liebst du mich.“

„Ich muss den Verstand verloren haben.“

„Den habe ich durch dich schon längst verloren.“ In seiner Stimme klang ein lachen mit, was mich aufsehen ließ. Mein Blick haftete an seinen Lippen, an denen noch immer mein Blut klebte. Langsam ließ er seine Zunge darüber gleiten. „Ich bin widerlich“, wisperte ich und in seinen Augen zeichnete sich ein Schmerz ab, den ich nicht veranlassen hatte wollen. „Ich wünschte, du würdest nicht so über dich und deine Gefühle denken. Aber nach alledem, was passiert ist, kann ich es dir wohl nicht verdenken.“ Für eine Weile blickten wir uns einfach nur an. Mein Kopf fühlte sich so leer an, dass ich ihn mit positiven Gefühlen füllen wollte. „Hör zu“, begann ich und legte ihm einen Finger auf seine Lippen, die nun nicht länger rot von meinem Blut waren. „Meine Liebe zu dir ist scheinbar so stark, dass nicht einmal du als Vampir sie erschüttern kannst. Davor hatte ich Angst. Ich hatte geglaubt, dass ich dich dann nicht mehr lieben könnte. Aber das tue ich dennoch. Ich denke, ich schaffe es nun, dich auch als Vampir zu akzeptieren, aber erwarte nicht von mir, dass ich es sonderlich schön finde was du bist und was du mit mir tun musst.“ Damian lächelte zuversichtlich und vertrieb den kummervollen Ausdruck aus seinen Augen. Sein Lächeln erwärmte den Raum, mein Herz und ließ meine Tränen versiegen. Dies konnte wohl nur er. Er war wohl wirklich wieder der alte. „Mir ist klar geworden, dass ich die Vergangenheit ruhen lassen sollte. Ich muss jetzt in die Zukunft blicken. Auch wenn meine Familie mich hassen würde, meine Freunde und alle anderen Fighter da draußen. Du bist was du bist und meine Gefühle, werden auch immer dieselben bleiben. Ich liebe einen Vampir und ich werde dir im Notfall mein Blut geben. Eben weil ich dich liebe glaube ich, dass ich stark genug sein werden, dies zu verkraften.“

„Das mit dem Notfall müssen wir aber nochmal bereden.“

„Man! Jetzt mach es mir doch nicht so schwer!“, rief ich sauer und glitt von ihm. Wie lange wollten wir noch ineinander, aneinander und aufeinander bleiben? „Weißt du, warum ich die Stellung gewechselt habe? Obwohl ich zum ersten Mal richtig in Fahrt kam.“ Desinteressiert zuckte ich die Schultern und suchte mein Hemd. „Und ich dachte noch, weil du gemerkt hast, dass du mir wehgetan hast“, spottete ich. „Tut mir leid. Aber die Wahrheit ist, bei unserem ersten Mal, war es dieselbe.“ Ich stockte und drehte mich wieder zu ihm um. Stimmt, wie hatte ich das vergessen können? „Es war damals der Beginn von etwas großem, genauso wie gerade eben. Unser erstes Mal war die erste Hürde, die ich genommen hatte, damit du mein wirst und das. Das hier war die letzte.“ Er zog mich zu sich und legte seinen Kopf an den meinen, während ich in seinen Schoß sank. Mittlerweile hatte ich eine Gänsehaut von der Kälte, vielleicht auch wegen seinen Worten. Trotzdem unser erstes Mal etwas Unvergessliches für mich war, hatten wir heute dennoch mehr geteilt. Mehr als mir lieb war. „Nun gehörst du endgültig mir.“ Sein Körper strahlte eine Wärme aus, die mich geradezu anzog. Ich lehnte mich ihm entgegen und wand meinen Kopf, sodass seine Stirn an der meinen lag. Stille trat ein, bis Damian sie schließlich unterbrach.

„Heirate mich, Amy.“

„Bitte?“, presste ich hervor und schlug die Augen auf, die ich geschlossen hatte, um diesen Moment der Zweisamkeit zu genießen. „Ich will, dass du meine Frau wirst, dass hier ist mein voller ernst. Also möchte ich auch eine ernstgemeinte Antwort.“ Unweigerlich musste ich an meine Familie denken. Eine Hochzeit ohne Familie, wohl möglich sogar ohne Freunde. Ich könnte für meine Liebe zu ihm jeden verlieren. Wieso mussten wir ausgerechnet heiraten? Eine Hochzeit war etwas vollkommen Nutzloses in meinen Augen. „Wieso müssen wir unbedingt heiraten? Ich meine, was würde es bewirken? Wir lieben uns, wieso dann noch heiraten? Es würde sich dadurch doch nichts ändern.“ Seine Arme lösten sich von mir und ich dachte, ich hätte ihn damit so sehr verletzt, dass er mich nun hier sitzen lassen würde. Stattdessen stand er auf und nachdem er eine kleine Schachtel aus seiner Hose herausgezogen hatte, kehrte er zu mir aufs Bett zurück. „Für uns Vampire ist eine Hochzeit mehr eine Zeremonie, eine alte und sehr wichtige Tradition, in deren man den Bund der Ewigkeit miteinander eingeht. Für uns ist eine Hochzeit ein muss, wenn man sein Leben zusammen verbringen möchte. Das zusammenführen zweier Familien, die daraufhin eins werden.“ Er öffnete sie und ein silberner Ring kam zum Vorschein. Er war eher schlicht gehalten. Zwei Silberstränge schlangen sich um eine dünne goldene Linie. Ohne Bling-Bling, ohne einen großen Diamanten. Für mich war er perfekt. „Wie lange hast du das hier geplant?“, fragte ich fassungslos, während ich den Ring anstarrte. Ich konnte meine Blicke nicht von ihm wenden. „Lang, sehr lang, zu lang! Aber es war noch nicht der passende Moment. Ich wollte warten, bis du mir sagst, dass du mich im Ganzen akzeptierst, denn erst dann, will ich diesen Bund mit dir eingehen. Dann, wenn dein Herz vollkommen mein ist. Für uns Vampire ist es wichtig, Amy. Vollkommen unabdingbar.“

„Das heißt, ihr habt eine Art Ritual oder so etwas?“

„Ja oder Nein?“ Ich löste meinen Blick von dem Ring und schaute in sein Gesicht. Er wirkte ernst und Anspannung zeichnete sich deutlich bei ihm ab. Er war sich wohl nicht sicher, was ich antworten würde. Wirklich und das, nachdem ich ihm gerade gesagt hatte, wie sehr ich ihn liebte! „Natürlich Ja! Wenn es so wichtig für dich ist dann …“ Damian ließ mich nicht ausreden und verschloss meine Lippen. Ich legte meine Hände an seine Wangen und erwiderte seine Küsse. In ihnen steckte so viel Liebe und Hingabe, dass ich wusste, dass es richtig war. Es fühlte sich nicht falsch an und die Menschen, die mich liebten, würden auch bleiben, oder nicht? „Du weißt, dass es jetzt kein Zurück mehr für dich gibt?“, fragte er, während er mir den Ring an den Finger steckte. Er war zu groß und würde nicht lang dort bleiben. „Das hatte ich mir schon gedacht“, stellte er fest und nahm ihn mir wieder ab. „Wenn du morgen sowieso nicht da bist, werde ich Jim beauftragen ihn dir verkleinern zu lassen.“ Damian steckte ihn zurück in die Schatulle, und legte diese auf seinem Nachttisch ab. „Damian“, rief ich und er dreht sich zu mir um. „Ich will auch überhaupt nicht mehr zurück. Mir gefällt mein Leben so wie es jetzt ist, mal abgesehen von Blinow und John‘ Wahnsinn. Und ich hoffe wirklich, dass wir eines Tages in Frieden miteinander leben können. Ohne den Präsidenten, ohne Probleme und Kriege. Dafür werde ich alles tun, was ich kann.“

„Dann werde ich dich dabei unterstützen.“ Wie jetzt? Vor ein paar Stunden, hatte er noch überhaupt keine Lust dazu, sich die Hände schmutzig zu machen. „Wie soll ich dich beschützen, wenn du alles ohne mich durchziehst?“ Das hatte er aber schnell eingesehen. Zu schnell. „Planst du schon wieder irgendetwas? Oder hat dir tatsächlich einfach nur Blut gefehlt, dass du jetzt so plötzlich wieder kluge Entscheidungen triffst?“ Er lächelte und hob die Kissen auf. „Was ich plane? Jedenfalls hat es nichts mit schlafen zu tun.“ Mit diesen Worten kramte er die Decke hervor, legte sie über uns und begann aufs Neue, mit seinen Händen meinen Körper zu erforschen.

Als ich aufwachte, war es noch immer dunkel. Verschlafen rollte ich mich von Damian weg und blinzelte in die Richtung meines Weckers. Es war gerade mal 3 Uhr morgens. Genervt zögerte ich etliche Minuten, bis ich mich aus dem Bett quälte und zum Bad schlich. Ich knipste nur das Licht des Badezimmerspiegels an, um ja nicht allzu viel grellem Licht ausgesetzt zu sein. Als ich mir meine Hände wusch blinzelte ich kurz in den Spiegel. Sofort zogen sie meine Aufmerksamkeit auf sich, wie ein rotes Warnschild, was man einfach nicht übersehen konnte. Zwei an der Schulter zwei am Hals. Abwesend, strich ich mit dem Finger über sie, diese kleinen Löcher in meiner Haut, über deren bereits Grind lag. Was war nur mit mir geschehen? Hatte ich vollends den Verstand verloren? Er war wirklich nicht dumm, dass er dies genau dann getan hatte, wo ich vollkommen übermannt wurde und nichts anderes tun konnte, als es zu zulassen. Für ihn, war es wohl das geilste auf der Welt. Zu kommen und mein Blut zu nehmen, herrlich. Ich schlug mit meiner Faust gegen den Spiegel. „Das bin wirklich nicht mehr ich“, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Doch es antwortete mir nicht. Meine Hand bedeckte die Zeichen meines Verrates in meinem Spiegelbild. Zumindest wusste ich jetzt, wie sie gestorben waren. Wahrscheinlich hatten sie alle viel zu früh das Bewusstsein verloren, sodass sie zumindest von da an schmerzfrei gestorben waren. Immerhin ein kleiner Trost. Ich wollte wirklich, dass diese Art von Vampiren - die ohne Rücksicht und Respekt vor dem Leben anderer handelten, von der Erde verschwanden. Sie gehörten nicht hier her, denn die Menschheit hatte genügend andere Sorgen.

Ich schloss die Tür hinter mir und wollte schleunigst ins warme Bett zurück. Dahin zurück, wo ich all das vergessen konnte. Denn so kurios es auch war, ich glaubte, dass nur Damian mich vergessen lassen konnte.

Doch ehe ich mein Bett erreichte, klopfte es an der Tür. Überrascht zuckte ich zusammen. Wer zum Teufel konnte das um diese Uhrzeit sein? Nachdem ich kurz gezögert hatte, ging ich schließlich zur Tür und öffnete sie. Welche Gefahr konnte mir hier schon drohen?

Ein Mädchen, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte, stand vor der Tür. Meine Augen brauchten eine Weile, um sich an das grelle Licht des Flures zu gewöhnen. Verwundert schritt ich heraus und zog die Tür leise hinter mir zu, um Damian nicht zu wecken. Verlegen schaute sie mich an. Meine Güte, hatte sie noch nie zuvor eine Frau in einem Männerhemd gesehen? Was kann ich dafür, dass die Träger meines Nachthemdes zerrissen waren. „Frau Báthory wünscht sie zu sehen.“

„Was denn, jetzt? Wisst ihr eigentlich wie spät es ist?“, fuhr ich sie an und ein gähnen übermannte mich. „Leider schläft sie am Tag. Sie meinte es sei wirklich dringend.“

„Jaja, wenn es so wichtig ist, dann soll sie morgen früh auf mich warten, bevor sie ins Bett geht, klar!“ Also wirklich, was dachte diese Frau, wer sie war? Dachte sie im Ernst, dass sie nur ein Wort zu sagen braucht und sofort würde ich nach ihrer Nase tanzen? Also bitte …„Sie meinte, ich soll ihnen sagen, dass es um John geht und dass es tagsüber auch nicht möglich wäre, mit ihnen allein zu sprechen. Ohne ihren Sohn.“ Wusste seine Mutter etwa doch mehr, als sie zugab? Was konnte sie mir so dringendes über ihn erzählen wollen? Und warum sollte Damian nichts davon wissen? „Na schön, warte hier“, gab ich dann doch nach. Meine Neugierde, war einfach zu groß. Verdammt sollten sie sein! Diese Báthory‘, die scheinbar wirklich immer das bekamen, was sie wollten!

Ich schlich ins Zimmer zurück und kramte meine Jeans hervor. Mit einem letzten prüfenden Blick auf den schlafenden Mann in diesem Bett - wohl gemerkt mein schlafender Mann, kehrte ich zu dem Mädchen zurück. Sie geleitete mich in das obere Stockwerk, das geradezu von Blumen überladen war. Selbst an den Wänden hingen Blumentöpfe, oder zumindest gemalte Bilder von ihnen. Sie hatte echt einen Faible dafür. Ansonsten sah es hier oben nicht anders aus als unten. Ich knöpfte das Hemd bis zum letzten Knopf zu. Es war so lang, dass es mir bis über den Po hing, aber es reichte aus, um andere Stellen zu verdecken.

Das Zimmer in das sie mich bat, war dunkel und nur mit Kerzen beleuchtet. Plötzlich wurde mir mulmig. Wie sehr konnte ich dieser Frau eigentlich trauen? Sie saß auf einem Sofa und trank aus einer Tasse, welche wie zu erwarten, eine Blumenmusterung aufwies. „Schön, dass du dich dafür entschieden hast, zu mir zu kommen. Und das um diese Uhrzeit.“ Ihre dünnen klapprigen Finger, umklammerten die Tasse. Sie wirkte noch eingefallener, alt und mager, als ich sie in Erinnerung hatte. Da ich ihr letztens kaum Beachtung geschenkt hatte, hatte ich stets das Bild von ihr vor Augen, wie sie in der Eingangstür erschienen war und meine Mutter zu ihr hinauf eilte, um ihr die Hand zu schütteln. Wie viel Hass ich damals in meinem Herzen getragen hatte... Dennoch fand ich Damian vom ersten Augenblick an faszinierend. Wenn auch mehr oder weniger auf eine negative Weise. Damals hätte ich niemals gedacht, dass ich für so jemanden wie ihn, einmal so viel empfinden würde, geschweige denn, dass mir diese Art von Mann überhaupt gefiel. „Jaja schon klar. Sparen sie sich das Höflichkeitsgerede“, sagte ich zickig. Ich mochte sie nicht. Sie war zu kaltherzig, zu finster. Ihre gesamte Ausstrahlung sprach von Grausamkeit. Und immerhin hatte sie ihre Dienstmädchen brutal ermordet, nur um in dessen Blut ein schönes Bad zunehmen. Einfach nur abartig! „Also, was wollen sie mir denn so wichtiges mitteilen?“ Argwöhnisch setzte ich mich auf den Sessel. Ich hatte nicht vor mich neben sie zu setzen. Allein diese drei Meter zwischen uns, waren nicht einmal ausreichend genug Abstand zu ihr. „Du hast ihm erneut dein Blut gegeben. Weise Entscheidung.“ Sicher hatte sie mein Blut wahrgenommen. Eine erstaunliche Fähigkeit, die es unbedingt näher zu erforschen gab. „Woher nehmen sie eigentlich ihr Blut?“, platzte ich heraus. Diese Frage stellte ich mir im Grunde schon lange. „Darf ich vorstellen. Beatrice.“ Das Mädchen lächelte mich schweigend an. „Eine Blood-Lady?“

„Sicher.“

„Warum hat Damian nicht einfach sie genommen? Mein Gott, da tanzt ihm eine vor der Nase herum und er verreckt hier halb?“ Báthory verschluckte sich. „Du dummes Ding. Sie gehört mir! Niemand legt seine Hände an sie. Niemand benutzt die Lady eines anderen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Welt. Damian hätte selbst seinen Vater umgebracht, wenn er sich an dir vergangen hätte.“

„Aber man konnte es, selbst wenn es verboten ist. Man würde dann zumindest nicht sterben!“ Mit ihrem Gesichtsausdruck verriet sie mir, dass ich Recht hatte.

„Du hast wirklich keine Ahnung von uns Vampiren oder gar von Würde und Respekt. Du, die sich für die Vampirflüsterin unter den Fightern hält. An was es euch mangelt, ist an praktischen Erfahrungen mit uns. Ihr lasst uns einfach ermorden und gebt euch nie lang mit uns ab. Dadurch könnt ihr uns unmöglich kennen.“ Da hatte sie nicht ganz unrecht, dass musste ich ihr einräumen. Das Ministerium war gespickt mit Fehlern. Mit Fehlern aus der Vergangenheit und von der Gegenwart. Es musste sich dringend etwas ändern. Vielleicht hatte der Vize nicht ganz unrecht, mit seiner Neuanordnung und Umstrukturierung. Auch wenn ich dies auf eine andere Art und Weise tun würde. „Weißt du eigentlich, wie widerlich es war, in eurem Verlies nur ekelhaftes Menschenblut aus Blutbeuteln zu trinken? Durch die Jahrhunderte hinweg verlor ich gänzlich die Kraft meiner Augen - auch wenn ich sie nun so oder so verloren hätte. Das einzig Gute daran war, dass meine Augen für euch nicht weiter interessant zu sein schienen und niemand auch nur auf die Idee gekommen war, dass wir Reinblüter eine sehr spezielle Macht mit ihnen besitzen.“ Oh Gott, die Ärmste. „Sie sollten froh sein, dass sie überhaupt noch leben. Das was sie getan hatten, ist unentschuldbar.“ Aber immerhin wusste ich so, weshalb wir davon nie etwas mitbekommen hatten, selbst als wir eine Reinblüterin in unserer Gewalt gehabt hatten. „Also was ist nun mit John. Was wollen sie mir über ihn erzählen?“ Ich lehnte mich im Sessel zurück und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Báthory lächelte falsch. Fast so Falsch, wie Blinow es konnte. „Ich kann diesen Krieg vielleicht beenden.“

„Ach was sie nicht sagen und ich bin in Wahrheit ein blutrünstiger Mischling.“

„Das ist mein ernst“

„Meiner auch“, scherzte ich, begann aber daran zu zweifeln, dass sie ebenfalls Witze machte. Dafür, war sie zu ernst.

„Weißt du, weshalb John Damian hasst?“, fragte sie und nahm erneut einen Schluck aus ihrer Tasse, die nach Pfefferminze und Vanille roch. Eine merkwürdige Mischung aus bitter und süß. „In etwa. Ich weiß, dass sie eine Affäre mit John‘ Vater hatten. Ihr Mann - also Damian‘ Vater, hatte ihn deshalb umgebracht und daraufhin, hatte sich auch noch John‘ Mutter das Leben genommen.“ Sie nickte zustimmend. „Das ist war. Franz war, ziemlich wütend. Aber im Grunde, ist das alles eine einzige Lüge.“ Zweifelnd ließ ich sie nicht aus den Augen. „Was meinen sie damit?“

„Damian und John waren noch zu jung um es zu verstehen. Beatrice? Gib ihr den Brief.“ Das Mädchen schritt zu mir hinüber. „Zu jung? Waren die beiden damals nicht schon 20? Ach ich vergaß, in ihrer Welt ist man ja in dem Alter noch ein Kind.“ Das Mädchen reichte mir einen weißen Briefumschlag. „Was ist das hier?“

„Wenn du diesen Brief an John weiterreichst, wird er Damian vielleicht vergeben. Dann kann mein Sohn versuchen mit ihm zu reden, anstatt ihn umzubringen. Du bist nicht dumm. Ihr braucht John, da jegliche Mischblüter auf seiner Seite stehen. Sie werden ihn anhören und das tun, was er ihnen befielt, weil sie ihn schätzen und nicht wie bei Damian, weil sie Angst vor ihm haben. Mich wird John nicht in seine Nähe lassen, dich schon.“ Der Umschlag war mit Kerzenwachs versiegelt worden und erinnerte mich damit an eine längst vergangene Epoche. „Was soll denn bitte so wichtiges hier drin stehen?“ Ein eingebildetes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Das ist leider eine Familienangelegenheit, die dich nichts angeht. Aber da ich weiß, dass du Frieden über diese Welt bringen willst, weiß ich auch, dass du diese Chance dennoch nutzen wirst. Ich weiß, dass John sich irgendwo im Pfälzerwald aufhält, mehr weiß auch ich nicht.“

„Mehr wissen sie nicht? Das ist eine unglaublich große Information! Wieso haben sie das niemanden erzählt?“, schrie ich entsetzt. Endlich tat sich etwas! Endlich gab es einen Hoffnungsschimmer am Horizont, dieser dunklen Nacht. „Hör zu. Ich liebe John, als wäre er mein zweiter Sohn. Damian würde ihn sofort umbringen, oder gar andersherum. So oder so, würde ich an diesem Tag jemanden verlieren der mir wichtig ist.“ Ach Damian ist ihnen wichtig? Das sie überhaupt solche Gefühle hatte, war mehr als fragwürdig für mich. Eine Person, die so viele Menschen ermordet hatte, konnte nicht lieben. Vielleicht war das alles ja nur eine Falle? „Deshalb sage ich es stattdessen dir. Du wirst diesen Brief zu John bringen. Danach kommt ihr beide wieder hier her, redet mit Damian und mir, und alles wird wieder gut.“

„Zu einfach. Das ist viel zu einfach. Ich will die Wahrheit wissen. Ich will wissen, was hier drin steht. Das ist einfach nur unglaubwürdig! Wieso sollte ich nicht glauben, dass dies hier nur eine Falle ist, um mich loszuwerden?“, entgegnete ich bestimmt. „Das wirst du schon noch erfahren, nachdem du ihm den Brief gegeben hast. Du liebst doch Damian. Ich will nur das Beste für ihn. Er würde niemals darüber hinwegkommen, wenn er John töten würde. Auch wenn er es nicht zugibt oder einsieht. Die beiden sind wie Brüder füreinander und auch er hat diese Gefühle für John.“ Wollte er sich deshalb aus alledem heraushalten? Hatte er den direkten Kontakt mit John vermeiden wollen? Wollte er damals deshalb die alleinige Kontrolle, damit das Ministerium John nicht aufspürte und ihn töten ließ? Hatte er deshalb meine Mutter so zurückgewiesen und sich Zeit verschaffen wollen? Zeit, die sie schlussendlich das Leben kostete. Jetzt dämmerte es mir… „Hätte ich noch ein paar mehr Jahre zur Verfügung, sehe dieser vielleicht anders aus, aber warum sollte ich meine letzten Jahre damit verschwenden, einen Kampf zu kämpfen, der für mich nicht von Nutzen ist?“ … „Denk doch mal nach. John wird garantiert nicht mit mir reden, er hasst mich. Und willst du mich wirklich diesen Kampf gegen ihn aussetzen? In diesen sinnlosen Kampf gegen ihn, wo ich tatsächlich sterben könnte? Ich dachte du willst mich nicht verlieren?“

Er hatte keine Angst davor, bei einem Kampf verletzt zu werden. Er hatte Angst zu gewinnen. Ihn umzubringen. Und dann lässt du mich auch noch ein schlechtes Gewissen haben! Schönen Dank auch. „Immerhin ist er noch immer mein Sohn, den ich geboren und aufgezogen habe. Er sieht Franz so ähnlich, dass ich immer wieder vor ihm erschrecke, wenn ich ihn sehe. Auch persönlich gleichen sie sich sehr.“ Ich erhaschte für einen Moment den Ausdruck von längst vergangenen Gefühlen in ihrem Gesicht, welches mir vorher so ausdruckslos und leer erschien. Faltig, knochig und viel zu hell. Wie ihr gesamter Körper. Ein einziges, weißes Skelett. Ob Damian eines Tages auch so aussehen würde? Nein unvorstellbar! „Ich muss sichergehen, dass John diese Information zuerst bekommt. Du würdest es Damian sicher gleich erzählen. Weil du ihn liebst. Weil du weißt, wie sehr er seinen Vater liebte. Ich kann dir die Wahrheit über unsere Familientragödie noch nicht erzählen. Wie es scheint, musst du mir vertrauen müssen.“ Diese ganze Sache gefiel mir nicht. Sie gefiel mir überhaupt nicht. Meine Neugierde war geweckt, aber öffnen konnte ich ihn tatsächlich nicht. Nicht ohne das Sigel zu zerstören und damit, würde ich vor John wohl ziemlich dämlich aussehen. „Du willst doch Frieden oder nicht? Ich habe gehört, sie werden bald einen neuen Angriff gegen deine Organisation starten. Nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt versammeln sich mittlerweile die Mischlinge für einen Gegenangriff. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

„Warum dann erst jetzt? Ich war ganze 2 Monate hier eingesperrt und sie kommen erst jetzt mit diesem Scheiß an?“, rief ich zornig. Ich war wütend und mein Herz hämmerte heftig gegen meine Brust. Ein Angriff auf das MFMS und das auf der ganzen Welt? Warum so plötzlich? Ich dachte John sammelt seine Kräfte hier im Zentrum? Verdammt, wie sollte das hier enden? Wie sollte man das noch verheimlichen können? „Es ist nicht meine Schuld. Du hast erst jetzt Damian dein Blut gegeben. Ohne seine Kräfte, kann er John nicht gegenüber treten. Er muss ihm ebenbürtig sein.“

„Dann hat John also auch eine Blood-Lady? Dann verstehe ich wirklich nicht, wieso Damian sich nicht einfach nach einer anderen umgesehen hatte. So schwer kann das ja nicht sein.“ Dies sagte ich zwar mehr zu mir selbst, aber es war auch kaum zu überhören. Sie lächelte amüsiert. „Damian ist nun mal Stur. Es macht mehr Arbeit als du denkst. Er müsste durch die Städte reisen, um die Richtige aufzuspüren. Zeit, die er nicht aufopfern wollte. Nicht solange er dich hatte. Es war seine Art dich dazu zu bewegen, dass du ihm dein Blut gibst. Er wusste wohl genau, dass wenn er kurz vor dem Tode stand, du ihm dein Blut schon geben würdest. Er wusste, dass du ihn nicht sterben lassen würdest. Das einzige was in seinem Plan nicht aufging, waren die Fighter.“ Nun war ich wirklich wütend. Er hatte mein Blut doch später nicht nehmen wollen? Warte… Aber vielleicht auch nur deshalb, weil er dachte, er könnte sich nicht mehr stoppen. Dann hatte er tatsächlich alles geplant? Was sollte dann das Gerede, dass er mir Zeit geben wollte? Nein, an den Dingen die er mir gesagt hatte, dass er das Anwesen nicht verlassen wollte, solange wie Blinow jeden Tag ein paar Fighter hier her schicken konnte, musste etwas Wahres dran sein. Ich wollte Damian mehr glauben, als dieser falschen Schlange vor mir. „Jetzt wird die Sache ja noch richtig interessant. Hat er denn sonst noch was erwähnt oder geplant, was ich wissen müsste?“ Am liebsten würde ich ihm den Kopf abreisen, aber den brauchte ich leider noch. Frau Báthory lächelte süffisant und stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab. Langsam, fast wie in Zeitlupe. Sogar diese Bewegung hatte etwas Bedrohliches an sich. „Ich würde gern noch ein wenig weiter leben. Zumindest solange, bis ich John noch einmal gesehen habe. Solange werde ich dir nichts mehr verraten können.“ Zu schade. „Aber mein Sohn liebt dich wohl wirklich. Das solltest du ihm glauben. Weißt du schon, dass das Blut einer Blood-Lady beim Sex viel intensiver ist. Generell soll es viel befriedigender sein, wenn Gefühle im Spiel sind. Zumindest habe ich dies gehört.“ Das hatte ich mir bereits gedacht. Aber ich antwortete ihr nicht. Vor seiner Mutter an unseren Sex zudenken, war unangenehm und noch schrecklicher war es, mit ihr darüber zu reden! „Aber eines kann ich dir noch sagen. John hat sogar eine ziemlich gute Blood-Lady.“

„Ach ja und das interessiert mich inwiefern?“, wand ich aufmüpfig ein. „Weil du sie kennst.“ Meine Augen weiteten sich und mein Gehirn setzte sich in Bewegung, bis es ziemlich schnell eine Antwort gefunden hatte. „Annabel? Das kann nicht sein. Sie liebt Damian!“

„Wie schnell kann Liebe zu Hass werden, wenn sie nicht erwidert wird?“ Ihre Augen wurden schmaler, als sei dies ein Thema, was ihr so gar nicht lag. „Woher wissen sie das alles?“ Meine Skepsis war kaum zu überhören. Damian hatte solange nach Informationen gesucht - bevor er kurz die Besinnung verloren und alles hingeschmissen hatte, während seine Mutter bereits alles wusste? „Ich kann einfach nicht glauben, dass Damian von alledem nichts gewusst hat!“, rief ich ungläubig, da ich ihm und ihr tatsächlich nicht mehr traute. Er könnte mich auch angelogen und die Informationen vor mir geheim gehalten haben.

Wieder dieses arrogante Lächeln, welches mich sogar ein wenig an Damian erinnerte. Das hatte er also von ihr.

„Du denkst, er hat dich betrogen? Ich kann dich beruhigen. Wie gesagt, ich will John um jeden Preis beschützen. Damian würde ihn nur den unnötigen Tod bringen und sich selbst damit ins Unglück stürzen.“ Wohl wahr. Ich blickte auf den Brief in meiner Hand. Ein so kleiner Gegenstand, konnte Millionen von Fightern und von Menschen das Leben retten und am Ende, auch noch eine komplette Katastrophe verhindern, in dem die Menschheit erfahren würde, dass es Vampire tatsächlich gab? Die Menschheit würde nie wieder ruhig schlafen können. Sie würden nie wieder vertrauen können, wenn sie alle herausfinden würden, dass wir dies seit Jahrhunderten vertuschten, Morde verschleierten, Täter erfanden, komplette Szenarien verdrehten und konstruierten, oder das die Präsidenten, Kanzler oder Minister in die Sache mit verstrickt waren. Wenn sie das alles herausfinden würden, wäre auf der gesamten Welt die Hölle los. Ich glaubte schon lange nicht mehr an Märchen. Aber es war ein Gegenstand, der Hoffnung erweckte. Etwas, woran ich mich klammern, wo man ansetzen konnte. Es gab tatsächlich etwas was ich tun konnte! „Das hier sollte wirklich unter uns bleiben. Dem neuen Minister wirst du sowieso nichts erzählen, schätze ich. Aber was ist mit Damian?“ Ich lächelte schadenfroh. Natürlich würde ich das nicht. Immerhin würde er mich niemals gehen lassen. Er würde den Brief lesen und wer weiß was mit dieser Information anstellen. Báthory war gewiss nicht dumm. Ich musste ihr wohl vertrauen. Zumindest bei dieser Angelegenheit. „Ich hoffe, wir kommen ins Geschäft, wie man so schön sagt.“ Ich versuchte in ihrem Gesicht zu erkennen, was sie gerade dachte, ob sie etwas empfand aber es war hoffnungslos. Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Wie Damian, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, verschloss auch sie sich gänzlich vor anderen Menschen. „Ich denke das werden wir.“ Nur fragte ich mich, wie ich John ausfindig machen, wie ich vor ihm auftreten sollte? Er war ebenfalls ein Reinblüter, ein ziemlich skrupelloser sogar und mir war nicht ganz wohl bei der Vorstellung, vor ihm zu stehen und ihm in die Augen zu blicken, um die pure Mordlust in ihm zu erkennen. Oder sogar in mir, immerhin hatte er meine Mutter umgebracht. Aber um Frieden zu schaffen, mussten das Morden und der Hass ein Ende finden. Aber konnte ich ruhig vor ihm stehen und meinen Hass unterdrücken?

Als ich in mein Zimmer zurückkehrte verstaute ich den Brief in meiner Tasche, zog meine Hose wieder aus und legte mich zu Damian ins Bett zurück. Ich konnte allerdings keinen Schlaf mehr finden. Das Adrenalin in mir, erweckte jeden Faser meines Körpers zum leben. Am liebsten, würde ich jetzt sofort losrennen. Aber dann würde sich Damian nur wieder Sorgen machen. Verraten durfte ich mich nicht. Es gefiel mir zwar nicht, ihn anlügen zu müssen, aber etwas anderes würde mir wohl nicht übrigbleiben. Wenn es eine Möglichkeit gab, ohne einen Kampf zwischen den beiden Frieden einkehren zu lassen, dann musste ich sie nutzen. Damian würde es ganz sicher nicht gefallen, wenn er herausfinden würde, dass ich vorhatte, selbst mit John zu reden. Ich fragte mich immer mehr wie er wohl war.

Der Mörder meiner Mutter.

Ich hoffte wirklich ich konnte professionell mit ihm umgehen. Denn Báthory hatte abermals recht. Im Grunde war es nur gut für uns, wenn er uns unterstützte, denn die Mischlinge würden ihm aus der Hand fressen. Er hatte ihr Vertrauen. Auch wenn ich mir wirklich wünschte, man würde ihm sein Herz herausreißen. Sofern er denn überhaupt eines besaß. War ich überhaupt bereit den Mörder meiner Mutter kennenzulernen? Wollte ich dies überhaupt? Im Augenblick fühlte es sich so an, als könnte ich wieder nach vorn blicken, aber wie würde es sein, wenn ich ihn kannte? Würden diese Narben wieder aufreißen? Würden diese Erinnerungen wieder zu mir zurückkehren und mich erneut verändern? Mich wieder hassen und alles infrage stellen lassen? Weder bei meinem Vater noch bei meiner Schwester hatte ich den Mörder je ausfindig machen können. Ich hatte sie nie gesehen, geschweige denn, mit ihnen reden können. War ich denn überhaupt fähig, mit ihm zu reden ohne ihn in Stücke zerreißen zu wollen? Bis jetzt war es so weit hergeholt gewesen, dass ich ihn eines Tages treffen würde, dass ich nie wirklich darüber nachgedacht hatte. Nicht einmal in den zwei Monaten, wo ich nur herumgesessen und gedankenverloren aus dem Fenster geblickt hatte. Doch nun war es soweit. Ich hatte meine Freiheit zurück.

Seine Wimpern waren viel zu lang für einen Mann. Genauso wie seine Haare. Wenn noch mehr Zeit verstreichen würde, könnte ich ihm bald einen Zopf flechten. Wie das wohl seinem Ego schaden würde. Ein Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.

Egal wie lang ich ihn auch ansah, ich konnte nicht genug von ihm bekommen. Er war der erste und wohl auch der letzte, der solche Gefühle in mir weckte. Selbst, wenn wir im Grunde nicht einmal eine richtige Beziehung führten. Mit gemeinsamen Einkäufen, Dates oder anderen Aktivitäten als Sex und die ewigen Diskussionen über Vampire und Fighter. Sogar jetzt noch. Sogar, nachdem diese Lippen rot gewesen waren. Rot von meinem Blut. Selbst nachdem es sein Ziel gewesen sein könnte, mich endlich dazu zu bewegen, ihm mein Blut zugeben. Selbst dann liebte ich ihn. Nie wieder werde ich diesen abscheulichen Kuss vergessen, in dem ich mein eigenes Blut schmeckte. Widerlich. Einfach nur widerlich.

Aber es gehörte zu ihm und damit wohl auch zu mir.

Ich ließ meine Finger über seinen Körper gleiten und ließ sie auf seiner Brust liegen. Sein Herz war im Einklang mit meinem. „Wie lange willst du noch so tun, als würdest du schlafen?“, fragte ich argwöhnisch. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Solange, bis ich durch einen Kuss erweckt werde.“ Eigentlich, hatte ich große Lust dazu, aber mir war nicht danach, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Nicht, nachdem ich wusste, dass er mich mit Absicht dazu gebracht hatte, ihm mein Blut zu geben. Nachdem ich wusste, dass ich erneut ein Objekt seiner Pläne geworden war, die kurioserweise immer aufzugehen schienen. Nein. Nachdem wollte ich ihn zappeln lassen. Das hatte er verdient. Zu dumm, dass ich es ihm nicht unter die Nase reiben konnte. Ich hätte zu gern gewusst, wie er sich da wieder herausgeredet hätte. „Vergiss es Dornröschen“, hauchte ich ihm mit Überheblichkeit in der Stimme ins Ohr. Er schlug seine Augen auf und blickte für einen Moment in die meine, bevor er blitzschnell seine Hand erhob und meinen Kopf mit Gewalt in seine Richtung schob. Meine Lippen landeten, so wie er es gewollt hatte, auf den seinen. Seine Zunge huschte in meinen Mund, ehe ich sie daran hindern konnte. Vielleicht wehrte ich mich aber auch nicht genug. Nachdem er sich schließlich das genommen hatte was er wollte, ließ er meinen Kopf wieder frei. „In meinem Bett, gelten meine Regeln.“ Seine Stimme klang zwar amüsiert aber ich glaubte auch einen ticken Ernsthaftigkeit darunter zu erkennen. Ich lachte nur spöttisch. „Dann hast du dir aber eindeutig die falsche ausgesucht, die du Heiraten willst.“ Ich glitt von seiner Seite weg und rollte mich auf den Rücken. Das war eindeutig zu wenig Schlaf die letzte Nacht. Selbst jetzt, war es gerade mal nach 7 Uhr morgens. Für einen Samstagmorgen, keine Zeit um aufstehen. Wobei, in den letzten Tagen war eh jeder Tag wie der andere gewesen. „Du weißt doch, ich mag Herausforderungen.“ Mit diesen Worten schob er sich dieses mal zu mir, legte seine Hand auf meinem Bauch und öffnete die Knöpfe seines Hemdes das ich trug, damit seine Finger meine Haut berühren konnten. Seine Hand war kalt und jagte mir eine Gänsehaut über den Körper. Ich blickte zu ihm und sah, dass er seine Augen bereits wieder geschlossen hatte. Die Müdigkeit war beinahe unerträglich. Und ich gähnte mittlerweile im Sekundentakt. „Mach die Augen zu“, brabbelte er kaum hörbar. Wenn es nur so einfach wäre. Ich schloss sie und wie zu erwarten, änderte sich nichts. Ich konnte seinen Herzschlag an meiner Seite spüren. Gleichmäßig und langsam. „Versuche wenigstens zu schlafen, Liebes.“ In seiner Stimme lag ein bitten, dem ich nachgehen wollte. Zumal, seit wann nannte er mich Liebes? Waren wir jetzt schon an der Stelle angelangt, wo man sich kitschige Kosenamen gab? Ich ließ meine Finger mit den seinen verschmelzen und versuchte weiter auf seinen Herzschlag zuhören, da dieser mich mehr beruhigte als das Schäfchen zählen als Kind, was ich tatsächlich immer getan hatte, wenn ich nicht einschlafen konnte. Früher hatte es wunderbar funktioniert. Damals gab es ja auch noch keine Probleme, so wie jetzt.

Eine Stimme die mir vertraut vorkam hallte in meinem Kopf. Träumte ich bereits? Jim oder wer war da noch? Öffnete sich die Tür? Als mein Kopf plötzlich in das Kissen sank und Damian‘ warme Hand von meinem Bauch verschwand, wurde ich hellwach und schlug meine Auge wieder auf. „Was willst du hier?“ Damian‘ Stimme war so hasserfüllt, dass ich mich aufrichtete und ebenfalls schlaftrunken in den Raum blinzelte. „Marvin?“, fragte ich verwundert und rieb mir verschlafen die Augen. Wie war er hier rein gekommen? Es war eine merkwürdige Situation. Ich starrte ihn an und er mich. Wir beide schienen uns zu mustern, immerhin hatten wir uns seit mehr als 2 Monaten nicht mehr gesehen. Seine Haare waren kürzer. So kurz das keine Locken mehr erkennbar waren. Er hatte sich eine neue, modernere Brille zugelegt und trug einen grünen Pullover einer Sportmarke. Er hatte sich tatsächlich verändert. Allein diese Frisur ließ ihn älter und erwachsener wirken als vorher. Seine Blicke hafteten auf mir, erforschten jeden Zentimeter meines Daseins. Als Damian mir schließlich die Decke entgegen drückte, fuhren wir auseinander. „Wolltest du nur einen Blick auf ihre nackten Brüste erhaschen? Tut mir ja schrecklich leid, dass ich auch noch da bin“, rief Damian sarkastisch. Peinlich berührt lief Marvin rot an und auch ich vergrub mich unter der Decke, während ich meine Beine vor meinem Körper anwinkelte und meine Arme um sie schlang. „Verschwinde Brillenschlange. Du hast hier nichts zu suchen. Erst recht nicht in diesem Zimmer.“ Erneut starrte Marvin mich an. Es schien, als würde er Damian überhaupt nicht mehr wahrnehmen. „Ich habe mir wohl zu unrecht Sorgen gemacht, denn scheinbar geht es dir ja wirklich gut hier.“ Mit einem letzten kummervollen Blick, wand er sich zum gehen. Hatte er vergessen, was er eigentlich hier wollte? „Marvin warte“, schrie ich und wollte aufstehen, ihm hinterher laufen. Ihn umarmen oder wenigstens ihn berühren. Niemand konnte verstehen wie glücklich es mich machte, dass er hierher gekommen war. Das er Jim beiseite geschoben haben musste, um sich den Weg zu mir frei zumachen oder ihn dazu überredet hatte, ihn zu uns zu führen. Ich hatte solange keinen Kontakt zu Menschen gehabt, die ich kannte und liebte, dass sich mein Herz voller Freude und doch Angst füllte. Damian hielt mich jedoch zurück. „Lass mich“, fuhr ich ihn an und durch meine kühlen Worte zu ihm blieb Marvin stehen. „Du wirst dieses Bett nicht verlassen, nicht ohne wenigstens einer Unterhose, ist das klar!“, erwiderte er herrisch und blickte mir bestimmt in die Augen. Ich ignorierte ihn, blieb allerdings wo ich war, da seine Arme sich bereits um mich gelegt hatten. „Bist du sauer, weil ich mich nicht gemeldet habe? Marvin ich wollte es! Wirklich. Es geht mir erst seit ein paar Tagen wieder besser und vorher … also vorher.“ Er lachte, allerdings eher gereizt, was mich zunehmend beunruhigte. Diesen merkwürdigen Ton kannte ich nicht, nicht von ihm ... Seine gesamte Haltung war anders. Was war nur mit ihm geschehen? „Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe, hierher zu kommen. Warum ich überhaupt gedacht habe, dass du anders bist als die anderen.“ Er drehte sich zu mir um und diesen Ausdruck in seinem Gesicht, würde ich wohl nie wieder vergessen können. Dieser Blick traf mich tief in meinem Inneren. Tief in meiner Seele. „Wie kannst du nur? Was zum Teufel ist nur in dich gefahren? Dich von diesem Scheißkerl anfressen zulassen, wie sein Mitternachtssnack! Du bist vollkommen verrückt geworden.“ Seine Stimme schrie förmlich nach meinem alten Ich. „Du meldest dich wochenlang - sogar über Monate, weder bei Nicki noch bei mir und das nach alledem, was passiert ist! Du glaubst nicht, was im Ministerium los war, nachdem sie dich abgeschleppt hatten. Wir haben uns riesige Sorgen gemacht, nachdem man uns vor ein paar Tagen erzählt hatte, du seist tot! Glücklicherweise kamen Nath und Erik zu uns und haben die Wahrheit erzählt. Das sie Báthory fast umgebracht hätten, sie aber auf deinen Vorschlag eingegangen waren, auf dich zu vertrauen. Weißt du auch, wieso sie das getan haben und das, trotzdem du uns alle verraten hast und für die Vampire handelst, wie es der Minister ausdrückte? Wir haben uns die ganze Zeit über, während du hier herumgelungert hast, für dich im Ministerium stark gemacht. Nicki und ich waren auf deiner Seite und haben versucht, den Schaden zu verringern, den deine beschissene Liebesbeziehung angerichtet hat. Wenn du ihn nicht lieben würdest, wären wir jetzt nicht in dieser Situation, denn durch deine Mutter hatten alle einen gewissen Respekt vor dir. Sie dachten alle, du würdest den Weg deiner Mutter weiter führen. Du hättest den Minister nach einiger Zeit zu Fall bringen können, wenn du diese Beziehung mit diesem Vampir nicht zugelassen hättest. Dann hätte Blinow dich niemals foltern können. Dann hätten diese Vampire dich nicht angegriffen, die dein kleiner Freund auf dich angesetzt hat. Nicki hat mir da so einiges erzählt, weißt du. Ohne ihn wäre dein Leben jetzt nicht ganz so chaotisch, dann hättest du gewisse Dinge noch.“ So kannte ich Marvin gar nicht. Das er so laut, so viele Dinge sagte und dies so schnell, dass sich vor Wut seine Worte beinahe überschlugen. Ich hätte niemals gedacht, dass er so impulsiv sein konnte. Ich wusste was er mir Mitteilen wollte. Dann hatte ich gewisse Dinge noch. Tatsächlich hätte ich ohne Damian zumindest noch einen Job oder Marvin, wenn ich Nicki nicht auch schon verloren hatte. Dann hätte ich noch eine Menge Menschen, die mir vertrauen würden. Aber dafür hätte ich nie erfahren was Liebe war. Aber war es diese Liebe wirklich wert? Was war im Leben bedeutsamer? Freundschaft? Familie? Oder doch der Mensch, den man Liebte? Meine Mutter hatte gesagt, man müsste Opfer bringen, um Frieden zu schaffen. Aber ich konnte doch nicht meine Liebe verleugnen und den Mann opfern, der mich glücklich machte. Nur, um meinen Ruf zu bewahren. „Ich kann einfach nicht verstehen, wie ausgerechnet du, dich von ihm beißen und aussaugen lassen kannst! Wir haben gedacht, dass dieser Idiot dich einsperrt oder was auch immer mit dir macht, weshalb du dich nicht bei uns meldest! Aber es scheint ja bei euch alles in Butter zu sein“ Das war es also. Das war es, was ihn so wütend machte. So wütend, dass er kaum mehr er selbst war. Ich war wohl nicht die einzige, die sich in diesen Zeiten veränderte. Geistesabwesend fuhr ich mit meiner Hand über die Wunden an meinem Hals, als könnte ich sie damit ungeschehen machen. „Du weißt, ich zähle nicht zu denen, die die Vampire abgrundtief hassen. Ich zähle mich zu denen die glauben, dass wir ihnen friedlich und mit Zusammenarbeit beim Aussterben zusehen können. Aber das was du getan hast, ist einfach widerwärtig! Hast du komplett vergessen was du bist? Hat es dir gefallen?“ Er atmete schwer, während er Luft holte und erneut ansetzte. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten oder ihn irgendwie zum Schweigen bringen. Ich wollte das alles nicht hören. „Als Fighter dich mit einem Vampir einzulassen … Das es ein normaler Mensch macht, der all das was wir wissen, was wir gesehen haben, was wir kennen, nicht weiß oder kennt. Der es nicht nachvollziehen kann, ist etwas vollkommen anderes, als wenn es ein Fighter macht, der im Grunde ganz genau weiß, wie die Realität aussieht. Das es eben noch immer Vampire gibt, die vollkommen verrückt sind und wahllos Menschen umbringen. Gerade Er ist kein Kuscheltier, ganz gleich, wie sehr er sich auch für dich ändern würde. Hast du das alles vergessen? Sie haben deine Mutter gerade erst ermordet, ebenfalls gebissen und ausgesaugt bevor oder nachdem man ihr ein Messer in ihr Herz rammte. Genau wie deine Schwester, deinen Vater!“ Hör auf. „Und du denkst nicht mal daran, wie sie sich fühlen würden, wenn sie dich jetzt sehen könnten?“ Bitte, hör auf. „Ich habe immer gedacht, dass du diese Grenze nicht überschreiten würdest. Ich dachte wirklich, du hättest eine logische Erklärung dafür, dass dir scheinbar alles und jeder egal geworden ist, solange du mit diesem Dreckskerl in die Kiste springen kannst. Aber daran, dass du hier die Blutbank für Mister: Ich bin was Besseres und all die anderen Menschen sind nur Abschaum, spielst, während da draußen gerade Tausende von uns sterben und ihr Leben wegen diesen Geschöpfen verlieren, wegen seines gleichen, hätte ich niemals gedacht. Nicht von dir. Ich hätte niemals geglaubt, dass du so tief sinken würdest. Niemals.“ Eine Träne löste sich aus meinen Augen gefolgt, von einer Flutwelle der Emotionen. Wieso sagte er so etwas? Was war auf einmal mit ihm los? Entsetzt schlug ich die Arme vor mein Gesicht. Das war einfach zu viel. Ich hatte oft an meine Familie denken müssen. Ihr Tot war der einzige Grund, weshalb ich so verzweifelt versucht hatte, meine Gefühle nicht zuzulassen. Mich eines besseren zu besinnen und doch, war ich immer wieder eingeknickt und zu Damian zurückgekehrt. Aber was sollte ich auch anderes tun, wenn er mich doch glücklich machte. Warum sah Marvin das nicht? Vielleicht war es auch einfach zu früh für ihn, dies zu verstehen. Er war in mich verliebt und da ich nun selber liebte wusste ich, wie schwer es für ihn sein musste, mich nackt mit einem anderen Mann zusehen. Noch dazu von ihm gebissen. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was ich empfinden würde, wenn ich Damian mit einer anderen erwischen würde. Ich könnte es nicht ertragen. Marvin würde wohl jeden hassen, den ich liebte. Das es sich nun dabei um einen Vampire handelte, gab ihn nur noch mehr Gründe, mich und die Vampire zu verurteilen.

„Das reicht jetzt. Bist du jetzt zufrieden?“, brüllte Damian und ehe ich mich versah lag seine Hand bereits an Marvins Kehle, der erschrocken die Augen aufriss. Ich war ebenso schockiert von dieser Wendung und immerhin stand Damian nun Splitterfaser Nackt vor ihm. Allerdings schien ich die einzige zu sein, die das interessierte. „Niemand verletzt die Frau die ich Liebe. Niemand! Auch du nicht“, schrie er und in seiner Stimme lag so viel Hass, dass ich erschauerte. „Du weißt doch noch nicht einmal was Liebe ist! Was hast du mit ihr gemacht? Du bist derjenige, der sie verletzt, Báthory. Du bist ein Vampir und als dieser, wirst du sie immer wieder verletzen. Du hast sie nicht verdient, nicht so jemand wie du.“ Seine Finger schlossen sich fester um seinen Hals aber Marvin bedachte ihn nur mit einem boshaften Blick. Hatten sie vergessen, dass ich noch da war? „Du weißt, dass du ziemlich übertreibst Fighter. Die Welt beginnt sich zu verändern. Die Menschheit und die Vampire waren mal auf einem guten Weg sich zu vereinen, bevor Frau Evers verstarb.“

„Bitte? Was meinst du damit?“ Marvin lachte amüsiert. „Die Fighter haben begonnen sich den Vampiren zu öffnen. Sie hatten angefangen zu akzeptieren. Ich weiß sehr gut über das Ministerium bescheid, besser als ihr zwei. Ich lebe nämlich schon ein wenig länger als ihr. Ich habe die Veränderungen über Jahre hinweg beobachtet. Nicht nur die Vampire haben ihre Revolutionsgeschichte. Nicht nur wir haben uns verändert, ihr habt auch vieles gelernt. Ihr habt angefangen nicht mehr nur zu hassen. Ihr habt begonnen, euer Leben zu schätzen und es nicht einfach nur wegschmeißen zu wollen. Euch nicht mehr als irgendwelche Auserwählten gefühlt. Frau Evers hat den entscheidenden Schritt gewagt und damit eine Revolution in der Geschichte losgelöst, die größere Auswirkungen hatte, als sie vermutlich gedacht hatte. Wenn ihr den Mischlingen nur ein wenig mehr Freiraum gegeben hättet, wenn ihr ihnen nur ein einziges Mal zugehört, ihnen vertraut hättet, dann wären wir heute nicht in dieser Situation. Die Mischlinge da draußen haben diesen Krieg nicht umsonst begonnen. Sie hassen euch Menschen nicht. Sie wollen einfach nur leben, so wie ihr. Es ist die schuld von euch Fightern, das sie sich gegen euch stellen und diesen Krieg führen oder zumindest befürworten. Sie waren dabei sich zu bessern. Sie hätten alle auf euch gehört, sich dem Frieden unterworfen. Aber durch diese vielen Regeln, wo ständig neue hinzukamen, habt ihr alles erneut ins Negative gekehrt. Wolltet sie in einem winzigen Käfig leben lassen, mit der Aussicht auf Freiheit, die sie wohl niemals haben würden. Sie durften lieben, durften Kinder haben, aber all das nur unter ständiger Beobachtung, Kontrollen, Verhören. Beim kleinsten Fehltritt wurden sie in euer Gefängnis gebracht und zu Tode gefoltert. Frag Amy, sie weiß jetzt, wie es sich anfühlt, wie Abschaum behandelt zu werden. Nur deshalb haben immer wieder welche rebelliert und noch immer die Menschen gehasst und sie angegriffen - mal abgesehen von den Kindern, die naiv und unerfahren ihren Trieben nachgingen. Genau diese hätte man von älteren Vampiren schulen müssen, anstatt sie zu bestrafen und wegzusperren. Man hätte ihnen früh genug mitteilen müssen, was sie sind. Ihr habt keine Ahnung über unsere Gefühle, Triebe und Gedanken.“

„Ach halt doch die Schnauze“, rief Marvin aber Damian hielt nicht inne. Er war wirklich ein überragender Redner. Er hatte eine Überzeugungskraft, die selbst meine Mutter übertraf.

„Die Mischlinge sind schon lange fähig, mit der Menschheit zu leben. Aber ihr habt ihnen jegliche Chance genommen, sich zu beweisen. Es ist weder Amy‘ noch meine Schuld das die Lage - in der wir uns befinden, so eskaliert ist. Also solltest du den Mund halten, wenn du von etwas keine Ahnung hast! Denkst du im Ernst, diese Bücher die du studierst würden dir helfen, etwas über uns zu erfahren? Anstatt eure Nase in längst vergangene Geschichten zu stecken, sollten ihr anfangen die zukünftigen Vampire zu studieren. Ihr solltet endlich aufwachen und aus der Vergangenheit, euren Fehlern lernen. Kämpfe und Kriege haben der Menschheit bisher nur geschadet. Anstatt zu reden und zu verhandeln, will niemand sich mit Einschränkungen zufriedengeben und genau deshalb, wird es nie Frieden auf dieser Welt geben. Die Menschheit ist der Grund für dieses Blutvergießen, nicht wir Vampire. Zumindest tragen wir nicht die alleinige Schuld daran.“ Ich wusste, was Marvin gerade dachte. Ich kannte ihn so lange, dass ich allein aus seinem Gesicht erkennen konnte, dass er Damian recht gab, aber es nicht zugeben wollte. In dieser Hinsicht waren wir beide gleich. Nur zu gut kannte ich diese Momente, wo ich Damian recht geben musste aber es mir einfach nicht eingestehen wollte. Ich hoffte, dass Damian es geschafft hatte, Marvin wieder zur Vernunft zu bringen. Diesen Hass in ihm, kannte ich so nicht. Das war nicht mehr er, nicht mehr der Marvin, der mir so viel bedeutete. Damian schien sichtlich erfreut über seine Sprachlosigkeit. „Und jetzt hör auf hier große Töne zu spucken. Das was ich mit Amy mache oder nicht ist ihr freie Entscheidung. Das einzige was sie verstanden hat, ist das man mit Hass allein, keinen Frieden finden wird. Weder körperlich noch seelisch. Er wird euch nicht zum Sieg verhelfen. Um John zu besiegen, müsst ihr schon eine andere Waffe finden.“

Eine Waffe, die ich längst besaß - wie es mir gerade wieder einfiel. „Du bist wirklich erbärmlich“, begann Damian erneut, nachdem seine Finger von Marvin‘ Hals verschwunden waren. Marvin‘ Gesichtsausdruck verdunkelte sich, nachdem er wohl für ein paar Sekunden positiven Respekt vor Damian gehabt hatte. „Ich mein, dass nennst du Freundschaft oder gar Liebe? Du gönnst ihr nicht einmal, dass sie jetzt glücklich ist. Du kannst sie nicht mehr akzeptieren, nur weil sie nicht den Weg gewählt hat, denn du für richtig hältst. Du bist auch nicht viel besser als ich, weißt du das? Ich würde auch niemals akzeptieren können, dass jemand anderes sie glücklicher macht, als ich es könnte. Wir sind beide in der Hinsicht Egoisten. Aber du willst etwas, was ich niemals von ihr verlangen würde. Du willst, dass sie genauso ist wie du es gerne hättest. Hingegen will ich nur, dass sie das ist, was sie ist. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Darf ich dir einen Rat geben? Manche Dinge lassen sich nicht mehr ändern und es ist besser, es zu akzeptieren, als sich daran hochzuschaukeln, denn dann wirst du die verlieren, die dir wichtiger sind, als man selbst.“ Unverfroren schritt er zu mir hinüber und hob seine Boxershorts vom Boden auf. Endlich zog er sich etwas an, diese Situation war schon merkwürdig genug. „Glaub mir“, fuhr er fort und setzte sich zu mir aufs Bett zurück. Scheinbar hatte er Marvin noch immer nicht genug eines besseren belehrt. „Amy würde für dich alles aufgeben. Sie würde ohne zuzögen dich retten ganz gleich, was es ihr abverlangen würde. Das einzige aber, was sie niemals für dich tun würde, ist mich zu verlassen. Und weißt du auch wieso? Weil sie mich liebt! Mich allein und weil du ebenfalls Gefühle für sie hast, dachte ich wirklich, du würdest genau das verstehen und es akzeptieren können. Du bist hier das Arschloch, den Amy nicht verdient. Der sie mehr verletzt, als ich es wohl jemals könnte.“ Hallo ich war auch noch da? Es kam mir vor, als wäre ich unsichtbar, während Damian Marvin immer kleiner redete. „Ich kann dich akzeptieren weil ich Amy liebe und weiß, wie wichtig du ihr bist, aber was ist mit dir? Ich wäre bereit Frieden zu schließen, wenn du bereit dafür bist, sie loszulassen.“ Eine ganze Weile lang starrte Marvin uns beide an. Erst sah er zu mir, dann zu ihm. „Ich werde darüber nachdenken Báthory.“ Glücklicherweise wirkte er nun nicht mehr ganz so aufgebracht als zu Beginn seines Auftrittes und daher war seine Stimme auch bei weitem versöhnlicher. Als er sich zum gehen wand, wollte ich ihn noch aufhalten aber ich besann mich eines besseren. Ich sollte ihn wohl wirklich fürs erste in Ruhe lassen und ihm Zeit geben. Stattdessen musste ich erst einmal mit Nicki über die Sache mit dem Brief reden und vor allem ihr alles erklären. Damian hatte recht, er würde schon zu mir kommen, wenn er bereit dafür war, mich und ihn zu akzeptieren.

Als Marvin verschwunden war, ließ Damian sich nach hinten fallen und blickte an die Decke. Ein paar seiner viel zu langen Harre hingen ihm noch immer im Gesicht und ich streifte sie zur Seite. Noch immer glänzte das Kreuz an seinem Ohr, welches für mich noch immer ein Mysterium war – wie so vieles an ihm. Seine Augen richteten sich auf mich, nachdem ich meine Hand auf seine Wange legte. „Ich dachte du kannst ihn nicht leiden? Wieso bist du nicht einfach froh darüber, dass er gerade angefangen hatte mich zu hassen. Jetzt wird er über deine Worte nachdenken und später bestimmt wieder mit mir reden. So wirst du ihn nie loswerden“, bemerkte ich und hob meine Augenbrauen. „Ich kann ihn nicht leiden, dass stimmt zwar aber er hat dich verletzt und das wird er auch weiterhin, wenn er es nicht einsieht und anfängt es zu akzeptieren. Aus Hass wächst nur weiterer Hass, der dich irgendwann alles zerstören und vernichten lässt.“

„Wieso habe ich das Gefühl, dass du von John sprichst?“

„Was sollte das bitte schön mit John zu tun haben?“, leugnete er und richtet sich wieder auf. „Der Kerl interessiert mich kein bisschen und dich auch nicht. Jedenfalls nicht als meine Lady.“ Nur leider wirkte er für mich kein bisschen so, als wäre John ihm egal. Seine Mutter hatte wohl tatsächlich recht. Ich musste verhindern, dass Damian auf John traf und die beiden gegeneinander kämpften. Ich musste es schaffen ihn friedlich hierher zu bekommen.

In der Hoffnung, dass dieser mysteriöse Brief tatsächlich diese Macht besaß, glitt ich vom Bett herunter. Ich durfte keine Zeit mehr verlieren. „Wo willst du hin? Es ist noch nicht einmal neun! Vor dem Frühstück lass ich dich hier nicht weg“, bestimmte Damian und wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab es auch kein Pardon.

Nachdem ich daher mit ihm frühstücken musste, gab er mir sogar tatsächlich mein Handy zurück. Endlich! Dafür hätte ich ihn eigentlich noch länger schmollen lassen sollen. Aber er gab sich wirklich Mühe dabei, sich zu ändern und dazu gehörte auch, mir meinen Freiraum zu lassen. In meinem Zimmer wählte ich sofort die Nummer von Nicki, die bereits ein dutzend Mal versucht hatte, mich anzurufen.

„Meine Güte du lebst ja noch? Das ist ja wirklich der Wahnsinn“, erklang ihre sarkastische Stimme am Telefon, ohne ein Hallo oder andere Höflichkeiten. Ich konnte es ihr auch schlecht verübeln. „Hör mal, können wir uns treffen? Dann reden wir und ich erkläre dir alles.“

„Das musst du auch! Marvin hat mich nur kurz auf den neusten Stand der Dinge gebracht und ich habe eine Menge Fragen an dich.“ Sie klang tatsächlich ziemlich wütend, allerdings wusste ich auch, dass mir Nicki nie wirklich lange böse sein konnte. „Deine alte Adresse?“, fragte ich sie, während ich mich in meine Jacke zwängte, was mit einem Arm nicht ganz so einfach war, als gedacht. „Ja, dass selbe Haus, dass selbe Chaos.“ Ich lachte kurz, verstummte dann aber als mir auffiel, wie schwer es für sie im Moment sein musste. Früher hatten wir uns immer über Tom lustig gemacht aber nun … Im Haus herrschte wohl noch immer das Chaos der Renovierungsarbeiten. Tom hätte eigentlich noch so vieles machen müssen. Mal abgesehen von der Küche, fehlten im Bad noch ein paar Anschlüsse. Die Wände mussten noch gestrichen und das Laminat in einigen Zimmern verlegt werden. Generell gab es in wohl jedem Raum noch ein paar Baustellen. Und nun war er tot und sie schwanger. Ich fühlte mich wirklich schlecht, dass ich nicht für sie da gewesen war. Ich, als ihre vermeintlich beste Freundin. „Ich bin sofort da“, bestätigte ich ihr und legte auf. Ich würde ihr erzählen müssen, dass Damian mich festgehalten hatte. Ich will und würde sie nicht mehr anlügen.

Bevor ich das Zimmer und dieses Haus endlich verlassen konnte - worauf ich seit über zwei Monaten gewartet hatte, passte Damian mich natürlich ab. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn er mir nicht noch etwas zu sagen hatte, nachdem er mich nun endlich nach draußen ließ. Wie ein Fels positionierte er sich zwischen Tür und Flur. „Was ist nun wieder?“, fragte ich genervt und verdrehte die Augen „Ich habe nun wirklich keine Lust, mit dir erneut darüber zu diskutieren, warum ich nicht eingesperrt werden will.“ Damian betrachtete mich mit einem wehmütigen Ausdruck in seinen Augen, der mich weich werden ließ. Seitdem er seine Kräfte zurück hatte, war er wieder der alte und dieser Ausdruckpasste daher eigentlich so gar nicht zu ihm. „Versprich mir, dass du zu mir zurück kommen wirst.“ Ich seufzte und machte einen Schritt auf ihn zu, um ihm einen Kuss zu geben. „Du musst wirklich lernen, mir zu vertrauen. Wieso sollte ich denn nicht wieder kommen? Diese Angst ist ja ganz süß von dir, aber normalerweise würdest du jetzt so was sagen wie: Ich erwarte, dass du zu mir zurückkommst. Oder so etwas in der Art.“ Ich sagte diese Worte mit einer ruhigen und einfühlsamen Stimme, um ihn auch wirklich zu beruhigen und gehen zu können. Nicht, dass er es sich noch anders überlegte. „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich sagte ja, vielleicht werde ich einfach alt.“ Auf diese Antwort konnte ich nur lachen. „Wow mit 28 bist du wirklich schon mehr als alt, steinalt sogar.“ Glücklicherweise lächelte nun auch Damian und legte seine Arme um meine Taille. Ich ließ ihm diesen vorerst letzten Moment und legte meinen Kopf an seine Brust.

Doch es sollte der letzte für eine sehr lange Zeit werden.

Blood-Lady

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