Читать книгу Die Gentlemen-Gangster - Manfred Bomm - Страница 45
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ОглавлениеBlaubart hatte auch Tage nach dem abendlichen Albtraum in seinem Büro das Geschehen nicht verarbeitet. Natürlich war da jemand gewesen, aber glücklicherweise hatte niemand versucht, die Tür von der Garage in sein Büro zu öffnen. Nach bangen Minuten des ängstlichen Wartens war nichts mehr zu hören und auch nichts zu sehen gewesen. Und als schließlich ein Auto mit quietschenden Reifen davongefahren war, hatte er sich wieder getraut, das Licht anzuknipsen.
Die Innentür hinaus in den Garagen- und Werkstatttrakt war tatsächlich geschlossen gewesen. Zum wiederholten Male lief das bedrohliche Szenario vor seinem geistigen Auge ab. Wie schon so oft in den vergangenen Tagen. Denn er hatte niemanden, mit dem er darüber reden konnte.
Ihn überkam noch einmal das Gefühl, wie es ihn übermannt hatte, als er wie gelähmt die Waffe in der Hand hielt. Wie er damit zu der Tür gegangen war. Dann die große Erleichterung, als sie tatsächlich verriegelt gewesen war.
Er schloss die Augen und lehnte sich in seinen Bürostuhl zurück, durchlebte wieder die Szene, als er die Waffe vor sich in den angrenzenden Raum gehalten und die taghellen Leuchtstoffröhren hatte aufflammen lassen: vor ihm die kostbaren US-Oldtimer-Fahrzeuge, chromblitzend im grellen Licht. Alles schien unberührt zu sein, das Rolltor geschlossen, eine Außentür auch. Hatte er sich getäuscht? Diese Frage plagte ihn nun seit Tagen. War alles nur Einbildung gewesen, weil ihm Kirstin von dem energischen Auftreten des Amerikaners berichtet hatte?
Die Erinnerungen an den Abend liefen weiter wie in einem Film, den er nicht stoppen konnte: Er war zurück ins Büro gegangen, hatte sämtliche Halogenstrahler draußen im Hof eingeschaltet, die er nun endlich über einen Bewegungsmelder steuern lassen wollte, und hatte die im Freien stehenden Fahrzeuge überblickt: Chevrolet, Mercedes, BMW, Ford, Porsche, Jaguar. Allesamt längst zu begehrten Oldtimern geworden. Doch etwas war anders gewesen: Auf der roten Motorhaube des Chevrolets hatte sich das Scheinwerferlicht auf seltsame Weise gebrochen.
Wieder befiel ihn jetzt der unbändige Zorn, der über ihn hereingebrochen war, als er die große Delle und den abgesplitterten Lack gesehen hatte.
Er würde den Teufelskerl finden, der mit einem schweren Gegenstand auf das Blech eingeschlagen hatte. Dazu brauchte er keine Polizei. Außerdem würde dies nur zu Ermittlungen führen, die er vermeiden wollte. Es kursierten schon viel zu viele Gerüchte über ihn. Meist steckte nur der pure Neid dahinter. Weil er mit seinem Geschäft erfolgreich war. Und er sich in allen gesellschaftlichen Kreisen bewegte.
Hinter dem, was jetzt geschehen war, steckte zweifellos dieser Lukas, dieser unangenehme Amerikaner, hämmerte es durch seinen Kopf. Immer und immer wieder. Vermutlich wollte ihn der Kerl mürbe machen. Aber Geschäft war Geschäft.
Er musste hart bleiben und deshalb sein Gelände nun endlich mit den modernsten Überwachungsanlagen sichern lassen.
Er versuchte, das traumatische Erlebnis abzuschütteln, und gab an der Wählscheibe seines Telefons eine sechsstellige Nummer ein. Während der Rufton an sein Ohr drang, nahm er sich vor, mit der geplanten Installation von Überwachungseinrichtungen auch gleich den altmodischen Wählscheibenapparat durch ein modernes Tastentelefon ersetzen zu lassen.
»Ja?«, holte ihn eine hauchende Frauenstimme aus diesen Gedanken zurück.
»Hi«, gab er sich locker, »ich bin’s. Bist du heute Abend auch wieder dran?«
»Och«, machte sie keck. »Das solltest du wissen. Heute ist mein freier Abend.« Ein Lachen war zu hören. »Heut zieh ich mich nur für dich aus.«
Er war ob solcher Direktheit jedes Mal wieder aufs Neue perplex.
»Machen wir wieder Fotos in der Garage?«, fragte sie, bevor er etwas antworten konnte. »Dann zieh ich mir was Aufregendes an – zum Ausziehen.«