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Was sind Weltkulturen?


Sinn und Auftrag der Weltkulturen

Unter einer Weltkultur verstehen wir einen geschichtlich gewordenen, aus einer bestimmten Zeit und Seelenverfassung herausgewachsenen Kultur-Organismus, der ungeachtet seiner nationalen, sprachlichen und ethnischen Besonderheit eine Bedeutung für die Gesamt-Menschheit besitzt und in seiner geschichtlich- en Entfaltung einen Teil der Weltgeschichte bildet. Eine Weltkultur ist nicht global ihrer räumlich-geographisch- en Ausdehnung nach, sondern im Hinblick auf ihre geistige Bedeutung. Denn ihr geistiges Erbe – sei es auf dem Gebiet der Kunst, Wissenschaft, Technik, Politik – ist in den Besitz der gesamten Menschheit übergegangen und besteht fort bis zum heutigen Tag.

Wer wollte denn zum Beispiel daran zweifeln, dass die Werke Shakespeare's ebenso zum Gemeingut der Menschheit gehören wie die indischen Upanishaden, die ägyptischen Pyramiden ebenso wie die gotischen Kathedralen? Dass unsere Mathematik ihrer Herkunft nach arabisch und indisch, unsere Logik griechisch, unser Rechtsbewusstsein immer noch römisch ist? Jede Weltkultur ist nationalkulturell und kosmopolitisch zugleich; und indem sie sich in ihren schöpferischen Kulturleistungen selbst entfaltet, dient sie der ganzen Menschheit. Zu den Weltkulturen gehören vor allem die frühen Hochkulturen, die sich seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. im Gebiet des fruchtbaren Halbmonds, in den Schwemmtälern des Nil, Euphrat, Tigris, Indus und Yang-tze herausgebildet haben – Ägypten, Mesopotamien, Indien und China. Neben diesen vier großen Kulturzentren müssen noch das vorkolumbanische Amerika, das vorchristliche Europa und das christliche Abendland zu den Kulturen von Weltformat gerechnet werden, sodass wir bei einer universalgeschichtlichen Betrachtung des menschlichen Daseins von sieben Weltkulturen auszugehen haben:

Ägypten3100 v. Chr – 641 n. Chr.
Mesopotamien3000 v.Chr. – 622 n. Chr.
Indien1800 v. Chr. – 1492 n. Chr.
China1500 v. Chr. – 1911 n. Chr.
Altamerika2000 v. Chr. – 1521 n. Chr.
Die Antike1800 v. Chr. – 395 n. Chr.
Das Abendland800 n. Chr. – 1806 n. Chr.

Nur diese sieben Weltkulturen gibt es: ihnen haben wir alles zu verdanken; alles andere ist bloß Nationalkultur, Regionalkultur, Volkskultur, aber nicht Weltkultur. Die Entfaltung dieser sieben Weltkulturen in der Dimension der Zeit bildet das, was wir Weltgeschichte nennen – die Kulturgeschichte der Menschheit.

Bei der Betrachtung der Weltkulturen gehen wir von einem ganzheitlich-organischen Kulturbegriff aus. Man darf hierbei „Kultur“ nicht im eingeschränkten, engeren Sinne verstehen, als ein bestimmtes Teilsystem des Sozialen Organismus, das die Bereiche Wissenschaft, Kunst, Literatur usw. umfasst. „Kultur“ im ganzheitlich-organischen Sinne ist vielmehr die Ganzheit des menschlichen Zusammenlebens überhaupt, eine gemeinschaftliche, in Raum und Zeit sich manifestierende Lebensform, die sich unter dem Einfluss bestimmter Werte und Normen geschichtlich entfaltet. Kulturen in diesem Sinne sind die großen Weltkulturen, wie sie bisher in der Menschheits-Geschichte aufgetreten sind, von der ägyptischen, sumerisch-babylonischen, indischen, chinesischen Kultur bis hin zum christlichen Abendland und dem Europa der Neuzeit. Diese Weltkulturen sind durchaus organische Gebilde, gleichsam kollektive Lebewesen. Oswald Spengler (1880–1936) hat recht, wenn er sagt: „Kulturen sind Organismen. Weltgeschichte ist ihre Gesamtbiographie. (….) Kultur ist das Urphänomen aller vergangenen und künftigen Weltgeschichte.“3

Jede Weltkultur ist ein Kultur-Organismus, ein geistiger Gesamtkörper. Jede Weltkultur, die auf diesem Erdplaneten erblüht, besitzt einen spezifischen, nur ihr eigenen Auftrag, ebenso Nationalkulturen wie das klassische Griechenland, das Italien der Renaissance oder das Deutschland der Goethezeit. Denn wir müssen begreifen, dass Kulturen metaphysisch gesehen selbst große Organismen sind, durchwirkt nicht nur von einem gemeinsamen Lebensgeist, einer kollektiven Aura, sondern auch geleitet von mächtigen Geisteswesen, die eine jeweilige Kultur sozusagen von innen her „beseelen“. Jede wirkliche Metaphysik geht davon aus, dass es eine Hierarchie solcher Geistwesenheiten gibt, und dass diese spirituellen Makrowesen unmittelbar hineinwirken in das Erden- und Menschheits-Geschehen.

Der Auftrag jeder Weltkultur – in West und Ost, Europa und Asien gleichermaßen – besteht darin, beizutragen zur großen Menschheits-Evolution, zur geistigen, sittlichen und spirituellen Höherentwicklung. Denn alle Kulturen, die bisher in der Weltgeschichte auftraten, sind allenthalben nur Bestandteile des einen großen Menschheits-Organismus; die Menschheit bildet spirituell eine Einheit, da alle menschlichen Seelen als unzerstörbare Funken göttlichen Seins aus der Allseele des Universums hervorgegangen sind und zu dieser dereinst wieder zurückkehren werden. Es gibt daher keinen höheren Gedanken als den einer universellen Bruderschaft, die ungeachtet aller Unterschiede der Nationalität, der Rasse, Hautfarbe und des Geschlechts besteht; und es wird vielleicht eine Zeit kommen, da die Menschheit den Zustand ihrer nationalstaatlichen Zersplitterung überwinden wird, um sich als einheitlichen, auch politisch verfassten Menschheits-Organismus zu konstituieren.

Der geistige Auftrag einer jeden Weltkultur steht im Einklang mit dem Gesamtgang der planetarischen und kosmischen Evolution. Wie das Alte Indien seine Upanishaden-Philosophie und seine großartigen Yoga-Systeme hervorgebracht hat zur Förderung des allgemeinen großen Menschheits-Zieles der spirituellen Höherentwicklung, wie China seinen Taoismus, niedergelegt in den Sinnsprüchen des Lao-Tse, wie Ägypten seine große Pyramidenweisheit und Griechenland die Lehren des Orpheus, Pythagoras und Platon entwickelt hat als Beitrag zur Menschheits-Evolution, so hat auch das Abendland seinen eigenen Geistesimpuls herausgebildet, von der Mystik des Meister Eckhart über das Rosenkreuzertum bis zum Deutschen Idealismus und den Werken der deutschen Klassiker. Die geistige Essenz der verschiedenen Weltkulturen – ihr esoterisches Erbe – kann einfließen in jene Universelle Weltreligion, die mit dem Anbrechen des Neuen Zeitalters weltweit verbreitet sein wird.

Diese zukünftige Universelle Weltreligion – die dem gerade anbrechenden neuen Weltzyklus angehören wird – ist nun durchaus nichts Neues, sondern im Gegenteil die Wiedergeburt jener Uralten Weisheit, die den Mysterienschulen der versunkenen Kontinente Lemurien und Atlantis entstammt und in den letzten Jahrtausenden der kulturellen Entwicklung den Adepten aller Religionen in allen Weltteilen bekannt war. Es handelt sich hierbei um eine durchaus einheitliche esoterische Urlehre, die ein geschlossenes Bild der Weltentwicklung bietet; jedoch ist es eine Lehre, die nicht mit dem Verstand allein, sondern nur auf dem Wege der Einweihung erworben werden kann. Ein solches Adeptenwissen konnte in Indien, Tibet und in anderen Ländern Asiens viel leichter als anderswo unter dem Schutzmantel der Verschwiegenheit bewahrt werden; allein im „christlichen Abendland“ lief die Entwicklung anders, da in diesem Erdteil seit den Tagen der Kirchenväter jede wirkliche Esoterik ausgemerzt wurde – mit den Mitteln der Exkomunikation, der Verfolgung, ja der physischen Vernichtung, etwa in den blutigen Ketzerkriegen des Mittelalters.

Dennoch ist jeder Kultur-Organismus letzten Endes im Geistigen verwurzelt; eine Weltkultur stellt gleichsam die Materialisierung einer „Idee“ – dies Wort im platonischen Sinne gefasst –, die Gestaltwerdung eines „Urphänomens“ dar. Denn das, was das elementare Zellgewebe einer jeden Kultur ausmacht, ist letzten Endes der Geist, und zwar Geist im Sinne von Spiritualität, die den Menschen mit den höheren geistig-göttlichen Welten in Verbindung setzt. Den Priesterkönigen, Eingeweihten und Mysterienschulen kam in früheren Zeiten die Aufgabe zu, die Verbindung des Menschen zum Göttlichen herzustellen. Aus der Götterwelt floss somit ein geistiger Impuls unmittelbar hinein in den Kultur-Organismus. Jede Weltkultur in der Geschichte hat bisher ihre Kraft aus dem Spirituellen geschöpft; und sie ging von dem Zeitpunkt an ihrem Untergang entgegen, da sie das Materielle höher als das Spirituelle, das Exoterische höher als das Esoterische setzte. Säkularisierung steht immer am Ende einer Kultur; sie markiert eine Phase des Niedergangs. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise wird es daher nicht versäumen, die Bedeutung der Spiritualität für den Bestand und Zusammenhalt der menschlichen Kulturen herauszustellen.

Gegenwärtig erlebt die Menschheit, nach dem Untergang der abendländischen Weltkultur, eine Säkularisierung ohnegleichen. Diese hat die Welt bereits an den Rand des Abgrunds gebracht. Eine Lösung der gegenwärtigen Menschheitsprobleme wird nur möglich sein, wenn die Gesellschaft sich aus ihrem Zellgewebe erneuert – eine Erneuerung aus ihren kulturellen und spirituellen Fundamenten. Dabei wird das spirituelle Erbe der Weltkulturen eingehen können in eine neue Universelle Weltreligion, die bestehende Religionen nicht etwa ersetzt, sondern vielmehr zu einer neuen Synthese vereint. Ebenso wird sich in dem jetzt anbrechenden neuen Äon eine globale Menschheits-Kultur herausbilden, die alle bestehenden Stammes-, Volks- und Nationalkulturen in sich schließt – nicht etwa, um sie zu einem Einheitsbrei zusammenzuschmelzen, sondern um sie in ihrer Eigenständigkeit zu bestärken und zugleich zu Teilen eines größeren Ganzen werden zu lassen.

Deshalb kann eine Betrachtung des Zyklus der Weltkulturen – also eine Kulturgeschichte der Menschheit – nur unter ganzheitlich-organischem Blickpunkt vorgenommen werden; und dies bedeutet ja Anerkennung der wesenhaften Einheit der Menschheit. Die Menschheit bildet eine Einheit ihrem Ursprung wie auch ihrem Entwicklungsziel nach; der Ursprung des Menschengeschlechts liegt jedoch nicht im Tierreich, wie der Darwinismus behauptet, sondern in den Höhen der geistiggöttlichen Welt. Der Weltprozess in seiner Gesamtheit ist letztlich ein Prozess der stufenweisen Selbstverwirklichung und Bewusstwerdung Gottes, der mit der Menschwerdung des Menschen einhergeht und mit der Rückkehr des Göttlichen zu sich selbst, zu seinem eigenen Ursprung, seinen endgültigen Abschluss erreicht haben wird. Rückkehr des Göttlichen zu sich selbst bedeutet auch Rückkehr zur Einheit. „Einheit“ steht somit am Anfang wie am Ende des Weltprozesses – am Anfang die Einheit des Ursprungs; am Ende die wiedergewonnene Einheit von Gott und Welt, die Wiederholung des Ursprungs auf einer höheren Ebene!

Weltkulturen – Schöpfungen der Götter?

Bevor wir nun die fünf archaischen Weltkulturen – von Ägypten bis Altamerika – vor unserem geistigen Auge Revue passieren lassen, müssen wir zuerst unseren Blick auf die innere Einheit und den metaphysischen Ursprung der Weltkulturen wenden. Alle frühen Hochkulturen scheinen miteinander zusammenzuhängen, sie atmen denselben Geist, zeigen sich von demselben geistigen Urwissen durchseelt, das von einstmals auf die Erde herabgestiegenen Göttern übermittelt wurde. Die irdischen Weltkulturen, besonders die der ältesten Vorzeit (5. Jahrtausend v. Chr.), erscheinen als die Schöpfungen von Göttern, als Pflanzschulen des Geistes mit dem Ziel eines Aufstiegs zu kosmischem Bewusstsein. Alle Frühkulturen dieser Erde sind ihrer zentralen Ausrichtung nach kosmisch, götterorientiert, sakral, hohepriesterlich, esoterisch. Alle Wissenschaft war heilige Tempelwissenschaft, alle Kunst den Göttern geweihte Sakralkunst.

Uralte Mythen aus allen Weltgegenden nennen die vom Himmel herabgestiegenen Götter die Lehrer, Erzieher und älteren Brüder der Menschheit. Verehrten die Azteken Mittelamerikas Quetzalkoatl als den ersten Staatengründer und Kulturbringer der Indianer, glaubten die alten Griechen, von dem Titanen Prometheus die Gabe des Feuers erhalten zu haben, so sahen die Bewohner Ägyptens in Osiris den Erfinder des Ackerbaus: „Als die Menschen die Erde bevölkert hatten und sich mit den Tieren, die zahlreich geworden waren, um die Nahrung sorgen mussten, gedachte Osiris, ihnen das Leben zu erleichtern. Er ersann eine Hacke und begann das Erdreich aufzuhacken. In die Furchen des Ackerbodens, die durch sein Hacken entstanden waren, streute er das Saatgut. Gerste und Flachs gediehen prächtig und brachten reichlich Frucht. So konnten Menschen und Tiere satt werden und die Menschen sich kleiden, wie Osiris es erdacht hatte.“4

In dem apokryphen Buch Henoch wird in faszinierender Weise geschildert, wie die „Wächter“ oder Nephilim, ein Geschlecht von 200 „gefallenen“ Engeln, vom Himmel zum Berg Hermon herniedersteigen, um sodann auf Erden mit den sterblichen Frauen Nachkommen zu zeugen, die später als die sagenhaften „Riesen der Vorzeit“ gerühmt werden. Die Nephilim waren kosmische Götter; das Alte Testament der Bibel nennt sie die „Gottessöhne“ (1. Mose 6, 4) aus der Zeit vor der Sintflut. Im Rahmen einer hochentwickelten vorsintflutlichen Zivilisation, die auf den Ehen zwischen Göttern und Menschen beruhte, wirkten die Nephilim als Lehrer und Kulturbringer: „Und Azazel lehrte die Menschen Schwerter, Messer, Schilde und Harnische zu fertigen, und zeigte ihnen die Metalle der Erde und die Kunst, sie zu bearbeiten. Auch Armbänder, Ornamente und den Gebrauch von Antimon und die Verschönerung der Augenlider und alle Arten kostbarer Steine und färbender Tinkturen zeigte er ihnen. Und es erhob sich große Gottlosigkeit, und sie begingen Untaten, und sie gingen in die Irre und fehlten auf ihren Wegen. Semjaza lehrte sie Zaubersprüche und Wurzelschnitte, Armaros die Lösung von Bannsprüchen, Baraqijal [lehrte] Astrologie, Kokabel die Sternenkonstellationen, Ezeqeel das Wissen von den Wolken, Araqiel die Zeichen der Erde, Schamsiel die Zeichen der Sonne und Sariel die Bahn des Mondes.“5

Die Engel als „Erzieher des Menschengeschlechts“ – deutlicher kann der kosmische, der metaphysische Ursprung der Weltkulturen nicht ausgedrückt werden. Die Schöpfungsmythen aller Völker gleichen sich: Urgötter stiegen vom Himmel herab; sie belehrten die ersten intelligenten Menschen, unterwiesen sie im Gebrauch von Werkzeugen, in der Zucht von Pflanzen und Tieren, erließen erste Gesetze für das Zusammenleben der Menschen, richteten Kulte und Opfer ein, wurden Gottkönige und Hohepriester. Dass diese „Götter“ keine „Raumfahrer“ im modernen Sinne waren, leuchtet ein. Die Himmelssphären, aus denen sie stammen, sind metaphysische Überräume, nicht das physische Universum mit seinen Galaxien und Sonnensystemen. Der Ursprung der Menschheit und ihrer Kulturen liegt in höheren, übermateriellen Wirklichkeits-Ebenen, als deren Sendboten seit jeher „Engel“ und „Götter“ in Erscheinung traten.

Die Nephilim des Buches Henoch waren sich inkarnierende Götter, Geistwesen auf dem Involutionspfad, die den Weg der stofflichen Erden-Verkörperung gewählt haben, als Schicksalsweg und Weltauftrag. Uralte esoterische Weisheit nennt die Menschheit ein inkarniertes Göttergeschlecht. Denn so intensiv haben sich die kosmischen Götter mit der werdenden Erdenwelt verbunden, dass sie selbst zu einem Teil der irdischen Menschheit wurden und in ihr bis zum heutigen Tage fortleben; und in diesem Sinne kann man sagen: die „gefallenen Engel“ sind wir selbst! In einer frühen, atlantisch-lemurischen Evolutionsperiode inkarnierten sich die Nephilim in der Menschenwelt – auf jener mythischen Zentralinsel des „Goldenen Zeitalters“, die heute nur noch in Sagen und Legenden vorkommt („Atlantis“). In diesem frühen Evolutionszentrum fand eine Vermählung von Menschen und Göttern statt, wie es sie seither im Verlauf der Erdenentwicklung nicht mehr gegeben hat; sie steht am Anfang des bewussten Menschentums und der Evolution der Weltkulturen.

So vollzieht sich die Welt-Evolution stets im Einklang mit dem Wirken von höheren, geistig-göttlichen Wesen. Die Kulturfähigkeit des Menschen ist eine Gabe von wirkenden Göttermächten, die sich die Menschheit einst zu ihrem Ebenbild schufen. Je älter eine Weltkultur ist, desto näher steht sie ihrem metaphysischen, kosmischen Ursprung. Treten in der Frühzeit die Götter noch ganz plastisch und lebendig in Erscheinung, so wandeln sie sich später zu blassen Schemen, bis sie am Ende ganz verschwinden; denn die Menschheit entfernt sich in ihrer Entwicklung zunehmend von ihrem göttlichen Ursprung. Sie geht den Weg in die Materie hinein, um sich in einer späteren Phase mit ihrem Geist-Ursprung wieder vollbewusst zu verbinden.

Das geistige Erbe der Weltkulturen

Jede der vergangenen Weltkulturen stellt ein unermessliches spirituelles, kulturelles und architektonisches Erbe dar, und zwar eines für die gesamte Menschheit. Das Alte Ägypten existiert nicht mehr; aber die Pyramiden als Wahrzeichen pharaonischer Macht ragen noch immer in den azurblauen Mittagshimmel; auch die gotischen Kathedralen stehen noch unversehrt, die Ideale der klassischen Antike sind ebenso präsent wie die Kunst und Literatur des Abendlandes. So kommt den Weltkulturen ein überzeitlicher Wert zu; als Zeugen einer großen Vergangenheit ragen sie in die Gegenwart unserer Lebenswelt hinein und prägen unsere kulturelle Identität.

In den folgenden Kapiteln dieses Buches wollen wir die fünf archaischen Weltkulturen, die seit etwa 3000 v. Chr. auf diesem Erdplaneten existiert haben, vor unserem geistigen Auge Revue passieren lassen. Dabei wird sich in einer vergleichenden Betrachtung zeigen, dass allen Weltkulturen offenbar dieselbe esoterische Urlehre zugrunde liegen muss. Sie war übersinnliche Welterkenntnis und Wissenschaft zugleich, und sie galt als ein Geschenk der Götter. In den frühen mesopotamischen Stadtstaaten und den ersten ägyptischen Gauen lag sie auch der öffentlichen, politischen Ordnung zugrunde, sodass man von einer Ur-Theokratie der frühen Kulturen sprechen kann.

Diese übereinstimmende Geheimlehre der Weltkulturen ist die Ur-Esoterik aller Völker und Länder, und sie lehrt überall das Gleiche. Wir werden in diesem Zusammenhang sehen, dass alle großen Dichtwerke der Menschheit – von der Bhagavad Gita, dem Gilgamesch-Epos und der Odyssee Homers bis zu Dantes Göttlicher Komödie – letztlich darin übereinstimmen, dass sie alle die symbolhaften und mythologisch verkleideten Schilderungen desselben Initiations-Weges sind.

Bei unserem Gang durch den Zyklus der Weltkulturen in einem Zeitraum von rund 5000 Jahren bewegen wir uns von West nach Ost, von Ägypten und dem Vorderen Orient nach Indien und China, um über das Alte Amerika wieder in die westliche Hemisphäre zurückzukehren. Ein großer Welt-Zyklus wird damit sichtbar, der schattenhaft am Horizont der Zeit die heraufdämmernde Zukunft erahnen lässt. Denn wie die Weltkulturen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen, auf das versunkene Atlantis, so streben sie auch alle einem gemeinsamen Ziel zu, einer großen Weltföderation aller Kulturen, die ein Weiterleben der Menschheit in einer Atmosphäre des Friedens, der Sicherheit und der Toleranz ermöglicht. In diese wahrhaft globale Kultur wird dann auch das esoterische Erbe der Weltkulturen einfließen können, das sich in unserer heutigen technisierten, immer globalisierter werdenden Welt als etwas im höchsten Maße Schützenswertes darstellt.

Der Zyklus der Weltkulturen

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