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Vorwort

Dies ist ein Leitfaden für Berufspraktikerinnen und -praktiker und alle, die es werden wollen. Leitfäden zeigen besser als jeder noch so tiefschürfende wissenschaftliche Aufsatz, welche schulpraktischen und hochschuldidaktischen Kompetenzen ihre Autorinnen und Autoren haben. Das gilt auch für dieses Buch. Manfred Pfiffner und Christoph Städeli kennen sich im Schulalltag bestens aus. Deshalb fällt es ihnen leicht, ihre breiten theoretischen Kenntnisse mit dem zu kombinieren, was Lee Shulman (2004) als Wisdom of Practice («Weisheit der Praxis») bezeichnet hat: Sie formulieren einen roten Faden für die Bewältigung einer hochkomplexen Aufgabe, die so etwas wie die Achillesferse der Didaktik darstellt. Denn wer nicht aufpasst, zerstört durch unbedachtes Prüfen alles, was er oder sie im Unterricht zuvor aufgebaut hat!

Was mir an dem Buch gefällt: Es ist praxisnah, verständlich, knapp und ohne wissenschaftliche Verrenkungen geschrieben. Problemanalysen, Ratschläge und viele Beispiele und Tabellen vermitteln der Anfängerin, dem Anfänger eine erste Orientierung. Sie regen auch den Profi an, die eigene Praxis zu überdenken. Deutlich wird, dass das Prüfen kein lästiges Beiwerk zur Unterrichtsarbeit ist, sondern eine anspruchsvolle didaktische Tätigkeit, die klar definierten Kriterien folgen sollte.

Die Nagelprobe: Ratschläge zum mündlichen und schriftlichen Prüfen gibt es zuhauf. Die Nagelprobe für die Beurteilung des Buchs ist für mich deshalb Kapitel 3 zum «prozessorientierten Prüfen». Die Lernenden sollen in wachsendem Umfang selbstreguliert arbeiten, ihren eigenen Lernfortschritt analysieren und Feedback an die Lehrkräfte geben. Die Autoren betreten damit Neuland! – Eine Gratwanderung, die sie bestens bewältigt haben. Gut, wie mehrfach darauf verwiesen wird, dass aus dem Unterricht mit eingelagerten Prüfungsphasen nicht ein fortwährendes Prüfen mit eingelagerten Unterrichtsphasen werden darf!

Gütekriterien des Prüfens: Das Zauberwort im abschließenden Kapitel 6 lautet: «Transparenz!» Dem stimme ich aus vollem Herzen zu und erinnere an meinen eigenen Zehnerkatalog zum «Guten Unterricht» (vgl. z. B. Meyer 2016), in dem ich gefordert habe, die Leistungserwartungen transparent zu machen. Aber das war zu kurz gedacht: Die Transparenz der Leistungsrückmeldungen ist ebenso wichtig, wenn nicht noch wichtiger. Das belegen die Autoren auch mit zentralen empirischen Forschungsergebnissen.

Prüfen – ein Politikum? Die politische Dimension der Prüfungspraxis klingt an, insbesondere in Kapitel 6, wo faires Prüfen gefordert wird. Aber was ist «fair» angesichts der Heterogenität der Lernvoraussetzungen? Vor knapp fünfzig Jahren veröffentlichte Steinar Kvale (1970, dt. 1972) sein damals heiß diskutiertes Buch «Prüfung und Herrschaft» – ein Frontalangriff auf die inhumane Prüfungspraxis im kapitalistischen Bildungssystem. Das ist lange her. Die Systemkritik ist leiser geworden, aber nicht verschwunden. Auch heute wird in der internationalen Forschung gefordert, den PISA-Tunnelblick zu durchbrechen und in eine «post-standardisation era» überzugehen, in der es nicht mehr darum geht, möglichst viele vergleichbare Leistungsdaten über die Lernenden zu sammeln, sondern jedem einzelnen und allen zusammen zu helfen, sich prüfungsbezogen eigene Entwicklungsaufgaben zu setzen. Dafür liefert das Buch viele Anregungen.

Fazit: Prüfen ist ein anspruchsvolles Geschäft, weil nicht nur die Prüfungspraxis, sondern auch der eigene Unterricht immer wieder neu durchdacht werden muss. Aber es besteht kein Anlass, diesen zentralen Bestandteil der Lehrerarbeit zu dramatisieren. Das Buch zeigt: Es ist zu schaffen!

Oldenburg, im Mai 2018


PS.

Seit 46 Jahren nehme ich als Volks- und Hochschullehrer Prüfungen ab. Wenn es ein «gut» oder «sehr gut» gab, war das schön. Bei schlechten Ergebnissen habe ich mich immer elend gefühlt. Deshalb habe ich auch nie ein Buch zu diesem riskanten Thema geschrieben. Umso größer ist mein Respekt vor der Leistung der Autoren.

Prüfen (E-Book)

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