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Einleitung

Prüfungen setzten sich früher häufig nur aus Multiple-Choice-Fragen und Kurzantwortaufgaben zusammen. Die meisten Fragen zielten auf isoliertes Fachwissen und Routineverfahren. Darauf waren auch die Prüfungsvorbereitungen ausgerichtet – und öfter auch der fragend-erarbeitende Unterrichtsstil der Lehrkräfte.

In den letzten Jahren sind in vielen Bildungsbereichen neue Lehrpläne und Ausbildungsverordnungen eingeführt worden, in denen das Lernen als aktiver, selbstregulierter und zielorientierter Prozess umschrieben wird. Allein oder im Team sollen die Lernenden fachlich relevante und anspruchsvolle Problemstellungen bearbeiten, sie sollen vermehrt miteinander kommunizieren, gezielt außerschulische Informationsquellen nutzen, schrittweise die Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen und ihr Vorgehen selbst überwachen, beurteilen und reflektieren. Diese Art von Ausbildung und Unterricht verlangt nach neuen oder aktualisierten Formen des Prüfens und Bewertens in Schule und Betrieb.

Vor dem Hintergrund dieser gewandelten Lernkultur stellen wir in den ersten beiden Kapiteln die wesentlichen Eigenheiten schriftlicher und mündlicher Prüfungen dar. Im dritten Kapitel behandeln wir die Besonderheiten prozessorientierter Prüfungen, und Kapitel 4 führt vor, wie in der betrieblichen Ausbildung im praktischen Bereich geprüft werden kann. Die einzelnen Kapitel sind immer nach demselben Muster gestrickt: Zuerst wird jeweils die Prüfungsform kurz umschrieben. Dann legen wir schrittweise dar, wie die einzelnen Formen konkret entwickelt, durchgeführt und ausgewertet werden können. Jede Form wird mit konkreten Beispielen illustriert. Den Abschluss bilden jeweils knapp gefasste Tipps und Erfahrungen aus der Praxis.

Der Band wurde ursprünglich für die berufliche Grundbildung in der Schweiz konzipiert – viele Beispiele stammen daher aus diesem Bereich. Die zugrundeliegenden Inhalte lassen sich aber auch gut auf andere Stufen und Bildungssysteme anwenden.

Wer prüft? Was wird geprüft? Wie wird geprüft, und welche Prüfungsformen gibt es? Wie wird beurteilt? Diese Fragen stellen sich bei allen Prüfungsformen. Wir beantworten sie deshalb gleich zu Beginn.

Wer prüft?

Grundsätzlich kommen zwei Möglichkeiten in Betracht, die Fremd- und die Selbstevaluation. Bei der Fremdevaluation überprüft die Lehrerin oder der Lehrer, die oder der Ausbildungsverantwortliche, ein Teammitglied oder jemand aus dem Arbeitsfeld, ob und wie gut die geforderten Ziele erreicht wurden. Bei der Selbstevaluation beurteilen die Lernenden selbst, wie weit sie die Ziele aus ihrer Sicht erfüllt haben.

Was wird geprüft?

In den Lehrplänen sind in Form von Leistungs- oder Lernzielen die Inhalte und Anforderungsniveaus festgehalten; auch zu den Kompetenzen, die im Laufe einer Ausbildung erworben werden sollen, finden sich dort genaue Angaben. Auf dieser Basis sind bei Prüfungen unterschiedliche Aufgabenformen und Fragestellungen zu berücksichtigen. Es braucht Aufgaben, bei denen Wissen abfragt wird, andere Aufgaben überprüfen das Verständnis, verlangen eine Anwendung des Gelernten oder rücken eine Problembearbeitung ins Zentrum. Neben der Fachkompetenz werden heute vermehrt auch Elemente der Methoden-, Selbst- oder Sozialkompetenz überprüft und mit einer Note in die Gesamtbewertung einbezogen.

Wie wird geprüft?

Wir unterscheiden zwischen schriftlichen, mündlichen und prozessorientierten Prüfungen. Bei Letzteren wird über einen längeren Zeitraum etwas entwickelt; neben dem fachlichen Wissen und Können kommen auch andere Kompetenzen ins Spiel. Für die schriftlichen Prüfungen steht eine breite Palette von Bearbeitungsformen zur Verfügung, angefangen bei Kurzantwortaufgaben und Multiple-Choice-Fragen bis hin zu umfassenden Fallbearbeitungen oder Projektarbeiten. Bei mündlichen Prüfungen unterscheiden wir die Formen des Fachgesprächs und der Präsentation, häufig am Ende einer Projektarbeit. Im schulischen und betrieblichen Kontext sind in vielen Bildungsgängen Abschlussarbeiten vorgeschrieben, bei denen die Kandidatinnen und Kandidaten allein oder in Kleingruppen eine Problemstellung bearbeiten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse festhalten. Diese Formen bezeichnen wir als prozessorientierte Prüfungen, weil neben dem Produkt auch der Arbeitsprozess beurteilt wird.

Wie wird beurteilt?

Bei den schriftlichen und den mündlichen Prüfungen werden die erreichten Punkte zusammengezählt und anhand eines Umrechnungsschlüssels in eine Note überführt. Häufig wird dabei eine Berechnungsformel verwendet. Bei der Beurteilung von prozessorientierten Prüfungen werden Beobachtungskriterien hinzugezogen, die dann auf einer Einschätzskala beurteilt werden. Die Anzahl der Punkte kann wiederum in eine Note umgewandelt werden, oder es wird in einem Bericht die Qualität der Arbeit beurteilt. Nicht alles soll abschließend (summativ), also mit einer Ziffernnote, bewertet werden. Die Lehrkraft kann im Verlauf des Unterrichts Rückmeldungen geben (formativ), ohne zu benoten. Gerade bei den prozessorientierten Prüfungen lassen sich aber nie alle Dimensionen abschließend bewerten.

Wie werden Noten vergeben? Vor welchen Beurteilungsfehlern muss man sich in Acht nehmen? Antworten zu diesen und weiteren Fragen, die sich auf alle Prüfungsformen beziehen, finden Sie am Ende des Buches in Kapitel 6, «Grundlagen – das Wichtigste in Kürze».

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