Читать книгу Czordan und der Millionenerbe - Manfred Rehor - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
Mittwochmorgen kam Czordan nicht herunter, um sich seine Zeitungen zu holen. War der große Detektiv indisponiert? Was ja bei seinem Alter von rund siebzig Jahren durchaus vorkommen konnte. Vielleicht leistete er sich deshalb einen Angestellten, also mich, der das Büro am Laufen hielt.
Ich war mir im Klaren darüber, dass ich mit meiner Arbeit mein Gehalt nicht annähernd erwirtschaftete. Was sich Czordan dabei gedacht hatte, einen ehemaligen Personenschützer für das Büro anzuheuern, wusste nur er allein. Auch als Detektiv war ich eigentlich ungeeignet. Das war ein Job für jemanden wie Ron, der vom Typ her unauffällig war. Mit meiner kräftigen Statur, den kurzen blonden Haaren und meiner Vorliebe für gut geschnittene Anzüge fiel ich dagegen sofort ins Auge.
Um elf erschien Gregoria mit einem Satz Kabel, die sie im Computerraum installierte. Sie sagte etwas von „besserer Dämpfung“, aber ich hörte nicht zu, weil ich von dieser Technik zu wenig verstand.
Als sie fertig war, setzte sie sich auf Czordans Stuhl. Sie war so klein wie er, aber vier Mal so schwer. Trotzdem war sie mit ihren achtundzwanzig Jahren eine attraktive Frau. Was auch an den hellroten Haaren und ihrem blassen Teint lag, der sie frisch und kühl wirken ließ. Im Gegensatz zu ihrer türkischen Freundin Ayse, die eher der dunkle, feurige Typ war - aber das ist ein anderes Thema.
„Deine Geschäfte gehen gut“, stellte ich fest. Gregoria verdiente ihr Geld als selbständige IT-Beraterin, wobei sie mehr vom Aufstellen und Betreuen der Computer lebte, als von der Beratung.
„Wie kommst du darauf?“
„Dein neuer Wagen. Eine Klasse besser als der letzte.“
„Geleast. Stimmt, es läuft im Moment alles rund. Was nicht heißen soll, dass ich ausgelastet bin. Habt ihr in der Auskunftei irgendwelche technischen Anfragen, die ich bearbeiten kann?“
„Im Moment nicht. Außer, du verstehst etwas von neuassyrischer Kanalbautechnik. Ein reicher Hobbyarchäologe bezahlt Czordan dafür, bestimmte Einzelheiten darüber in Erfahrung zu bringen.“
„Nicht mein Gebiet. Hat sich Czordan schon zu meiner Idee geäußert?“
„Er will lieber Detektiv sein, als in weitere Computerkapazität zu investieren. Obwohl auch eine Detektei ein elektronisches Gedächtnis gut gebrauchen kann.“
„Jeder braucht das heutzutage. Die drei Mal achthundert Terabyte werden nicht mehr lange reichen. Ich könnte euch einen neuen RAID ...“
Ich hob die Hände. „Ich ergebe mich. Lass uns über etwas Schöneres reden.“
„Ayse braucht mal wieder Geld. Czordan kann sie zurzeit wohl nicht beschäftigen?“
„Sie könnte höchstens mir die Arbeit wegnehmen.“
„Verstehe. Aber vielleicht kennt er jemanden, der eine Sekretärin sucht.“
„Czordan kennt vermutlich eine Menge Leute. Aber ich glaube nicht, dass darunter Geschäftsleute sind.“
„Sondern?“
„Wenn ich das wüsste. Sein Privatleben ist mir so unbekannt wie der Stand seines privaten Bankkontos.“
„Wie wäre es, wenn Ayse und ich in der Detektei mitarbeiten? Wir könnten Leute beschatten oder was man sonst so treibt als Detektiv.“
„Ich werde deinen Vorschlag wohlwollend prüfen und ihn höheren Orts vortragen“, versprach ich.
„Tu das. Ein wenig Abwechslung wäre meinem Befinden ganz zuträglich.“
Wir kamen nicht dazu, weiter zu tratschen, weil das Telefon klingelte. Der interne Klingelton, also konnte es nur Czordan sein.
„Guten Morgen!“, grüßte ich ihn.
Gregoria zwinkerte mir zu, denn es war kurz vor zwölf Uhr.
Ich lauschte seinen gegrunzten Anweisungen und legte dann auf. „Er will Zeitungen und Post hochgebracht haben“, berichtete ich.
„Tu deine Pflicht. Ich gehe.“
Ich ließ Gregoria hinaus und schloss hinter ihr ab.
In der Post war ein Schreiben aus den USA, Absender eine Smith Agency in Danbury, CT. Vermutlich erwartete er das so dringend. Durch das hintere Treppenhaus ging ich nach oben in den ersten Stock. Dort hatte sich Czordan drei Wohnungen zu einer großen Suite umbauen lassen. Selbstverständlich mit Schallschutz, Klimaanlage und was sonst noch alles Standard war in New York - wenn man ihm Glauben schenkte. Da ihm das Haus gehörte, konnte ihm keiner dreinreden.
Das Treppenhaus war durch Bewegungsmelder und Kameras gesichert. Auch das war angeblich in New York so üblich. Ich brauchte nicht zu klingeln. Als ich vor der Tür stand, öffnete sie sich von alleine.
Czordan lag in einem großen Sessel. In der Rechten hielt er die Universal-Fernbedienung, mit der er die Tür geöffnet hatte. Ein süßlicher Geruch hing in der Luft, die von der Klimaanlage auf arktische Temperaturen herunter gekühlt wurde. Durch den Raum dröhnten die Schläge einer Bassgitarre und das Krächzen einer heiseren Stimme: Czordan hörte etwas Frühes von Bob Dylan. Auf dem Tisch lag ein zerfleddertes Taschenbuch. Wahrscheinlich Kerouacs On the Road oder Gedichte von Ginsberg.
Mit glasigen Augen stierte mich der Alte an. Ich streckte ihm die Post entgegen, die er zitternd nahm. Da er mich bei der Lautstärke der Musik ohnehin nicht verstehen konnte, zog ich nur fragend die Augenbrauen hoch. Er winkte mich mit einer schlaffen Geste zur Tür.
In diesem Zustand hatte ich ihn schon mehrmals angetroffen. Ob er dabei von der guten alten Zeit träumte und sich zudröhnte, weil er das Leben außerhalb seines geliebten New York nicht mehr ertrug, weiß ich nicht zu sagen. Als ich ihn zum ersten Mal so erlebte, befürchtete ich, dass ihm diese Exzesse in seinem Alter nicht gut tun. Aber am Morgen danach war er fit wie ein frisch geladener Akku.
Ich rechnete nicht mehr damit, ihn an dem Tag noch einmal zu sehen, doch kurz vor neunzehn Uhr kam er herunter ins Büro und schaltete seinen PC ein. Seinem Aussehen nach hätte man ihn eigentlich sofort in ein Pflegeheim einweisen müssen. Er hing mehr auf dem Stuhl, als dass er saß. Nach einem Blick in den Emaileingang schaltete den PC wieder aus und sagte: „Feierabend.“
Ein versöhnliches Ende dieses Arbeitstags. Anscheinend hatte er den kleinen Zwist vom Montag noch nicht vergessen.
Doch aus dem pünktlichen Feierabend wurde nichts.
Während ich meinen Schreibtisch aufräumte, läutete es an der Tür. Ich öffnete und vor mir stand ein bulliger fünfzigjähriger Mann, der so sehr nach Polizist aussah, dass er bestimmt in seinem Leben noch nie die Dienstmarke zeigen musste.
„Schmidt“, sagte er. „Ist Sam Czordan da?“
Ich wandte mich nach Czordan um. Der zog eine Grimasse und nickte. Also trat ich beiseite und ließ den Besucher herein.
Schmidt ging auf den Besucherstuhl vor Czordans Schreibtisch zu, beäugte ihn missmutig und sah sich im Büro um. Mit ausgestrecktem Arm hinderte er mich daran, an ihm vorbei zu gehen. Stattdessen marschierte er um meinen Schreibtisch herum, zog meinen Stuhl näher zu Czordan und ließ sich darauf nieder.
Da Czordan auf diesen Affront nicht reagierte, blieb ich ebenfalls gelassen. „Möchten Sie etwas zu trinken?“, fragte ich.
„Gut trainiert, der Junge, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Könnte der Richtige sein“, sagte Schmidt zu Czordan. Zu mir gewandt forderte er: „Cola!“
„Kaffee, stark!“, ergänzte der Alte heiser.
Ich ging nach hinten in die Miniküche, ließ aber die Türe offen.
Schmidt rief mir nach: „Wie heißen Sie, junger Mann?“
„Siegfried Ehrlich“, antwortete ich.
„Genannt Sig, vierunddreißig Jahre alt. Wusste ich doch, dass ich Ihr Gesicht schon mal gesehen habe. Unangenehme Sache, das damals. Aber eindeutig nicht Ihre Schuld.“
Mit der Colaflasche und einem Glas kehrte ich ins Büro zurück und schenkte ihm ein. „Ich bin Ihnen noch nie begegnet.“
„Richtig.“
Mehr sagte er nicht, also beließ ich es dabei. „Kaffee kommt gleich“, informierte ich den Alten.
Schmidt wandte sich an Czordan: „Was sollte das vorgestern Abend? Dieser Anruf wegen des Geländewagens und der angeblichen Entführung?“
„Ich habe etwas gehört und an Sie weitergeben lassen.“
„Warum? Tun Sie doch sonst nicht.“
„Sig, berichte!“, befahl Czordan.
Ich tat ihm den Gefallen und erzählt kurz und ohne ihren Namen zu nennen vom Besuch der alten Frau. Anschließend holte ich den Kaffee und stellte die Tasse vor Czordan hin. Auf die Untertasse hatte ich neben Milch und Zucker auch zwei Aspirintabletten gelegt, die er gleich mit dem ersten Schluck hinunterspülte.
Schmidt schlug die Beine übereinander und betrachtete Czordan eine Weile, bevor er sagte: „Sie haben einen Fall angenommen, der nur auf der Beobachtung einer Alkoholikerin beruht? Die Geschäfte Ihrer Auskunftei müssen sehr schlecht gehen.“
„Ihr Besuch beweist, dass ich mich nicht getäuscht habe. Was ist passiert?“
„In einer dunklen Ecke nahe der Potsdamer Straße wurde vorletzte Nacht eine Frau erschossen. Sie hatte keine Papiere bei sich, deshalb hat es eine Weile gedauert, bis wir sie identifizieren konnten.“
„Gisela Ahner“, folgerte Czordan. Er setzte sich auf und wirkte nun hellwach. „Das war unsere Informantin. Zeugen?“
„Möglich. In der Gegend gibt es viele Prostituierte. Die reden aber nicht gerne mit uns. Eine indirekte Zeugin haben wir allerdings schon - eine junge Frau, die in der Nähe beinahe von einem Geländewagen überfahren worden wäre, der mit überhöhter Geschwindigkeit um die Kurve kam.“
„Aus Richtung des Tatortes.“
„Ja. Das Kennzeichen des Wagens war verschmutzt, der Fahrer nicht zu erkennen, es ging zu schnell.“
„Es wird Ihrer Maschinerie ein Leichtes sein, den Wagen zu finden und den Fahrer zu überführen.“
„Sicherlich. Trotzdem eine interessante Situation: Kaum machen Sie auf Detektiv, arbeiten wir beide am selben Fall. Vorschläge für einen Verhaltenscodex?“
„Ich brauche keinen. Mein Verhalten ist korrekt, ich bewege mich strikt im Rahmen der Gesetze.“
„Das heißt, Sie werden uns nicht mehr helfen, als Sie müssen - außer Sie haben einen Vorteil davon.“
„Eine Detektei ist ein Wirtschaftsunternehmen. Wir produzieren Wissen und verkaufen es. Zu verschenken haben wir nichts.“
„Nette Definition. Was sagen Sie dazu, junger Mann?“
„Ich stimme vollinhaltlich zu“, behauptete ich. Dass Czordan von ‚wir‘ redete, wenn er von der Detektei sprach, fand ich interessant. Fast so interessant wie sein Verhältnis zu diesem Polizeibeamten. Als würden sie sich schon lange kennen. Wie das, wenn der Alte bisher in Deutschland nie als Detektiv gearbeitet hatte?
„Das habe ich nicht anders erwartet, schließlich verdienen Sie hier Ihren Lebensunterhalt. Wie viel zahlt Ihnen denn der alte Knauser?“
Ich fand, die Frage ging zu weit, wurde aber durch einen neuen Besucher einer Antwort enthoben. Es klingelte, und zwar ausdauernd. Jemand nahm den Finger nicht mehr vom Knopf. Vor der Tür stand ein dürres Wrack, das nach Schweiß, Schnaps und Urin stank. Alter und Größe entsprachen denen von Czordan, aber während mein Boss ein Energiebündel und geistig voll da war, jedenfalls an guten Tagen, war mit diesem Menschen nichts mehr anzufangen. Und das vermutlich schon seit vielen Jahren.
„Heißen Sie Czordan?“, fragte mich der Mann. Er wandte sich ab, ohne auf die Antwort zu warten, und stellte Schmidt dieselbe Frage. Diesmal antwortete er sich gleich selbst: „Nein, Sie sind Polizist.“
Seine Aussprache war undeutlich. Er redete langsam und bewegte dabei den Kopf, als müsse er den einzelnen Worten nachsehen.
Vor Czordan baute er sich auf und sagte: „Sie! Meine Frau ist umgebracht worden. Nachdem sie bei Ihnen war.“
„Setzten Sie sich bitte, Herr Ahner.“
Doch Ahner blieb stehen. Er stützte sich auf den Schreibtisch und fuhr fort: „Dieses verdammte Herumspionieren, warum haben Sie es ihr nicht ausgeredet? Seit vierzig Jahren sage ich ihr: Steck deine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten, schrei nicht immer gleich nach der Polizei, wenn dir jemand nicht passt.“
Schmidt warf ein: „Sie war auf dem Revier tatsächlich bekannt. Hat gegen Gott und die Welt Anzeige erstattet - oder es zumindest versucht. Schließlich wurde sie von niemandem mehr ernst genommen.“
„Diesmal hat sie wirklich ein Verbrechen beobachtet“, sagte Czordan. „Sie ist zu mir gekommen, weil sie wusste, dass die Polizei sie auslachen würde.“
„Wir haben sie nicht ausgelacht“, widersprach Schmidt scharf.
„Er hat sie umgebracht!“, schrie Ahner und zeigte auf Czordan. „Anstatt ihr zu sagen, sie soll sich zum Teufel scheren, hat er ihr auch noch was von einer Belohnung vorgequatscht.“
„Sie ist mit der Idee zu mir gekommen, sich eine Belohnung zu verdienen.“
„Verbrecher!“ Ahner wandte sich an Schmidt. „Nehmen Sie den fest, der ist schlimmer als die ehrlichen Halsabschneider da draußen.“
„Welche Halsabschneider?“, fragte Schmidt.
„Egal.“ Ahner zitterte und schwankte. Erst dachte ich, er sei noch betrunkener als seine Frau bei ihren Besuchen, aber dann erinnerte ich mich daran, dass er an Parkinson litt. Ich wollte ihn stützen, aber Schmidt kam mir zuvor.
„Ich bringe Sie nach Hause“, sagte er.
„Ja, tun Sie das.“ Ahner klammerte sich an Schmidts Oberarm fest. „Ist doch besser, wenn die Polizei sich um alles kümmert. Sie finden den Mistkerl, der meine Gisela auf dem Gewissen hat. Und dann hängen Sie ihn auf, zusammen mit denen da.“
„Wir werden den Täter finden“, versprach Schmidt. „Kümmern Sie sich nicht um diese Amateure.“
Ich öffnete den beiden die Tür und sah ihnen nach.
Czordan rief mich zu sich. „Sig, wir müssen aktiv werden!“
„Ärgern Sie sich nicht über das Wort Amateur. Da stehen Sie doch drüber.“
„Amateur? Pah! Schmidt weiß, wer ich bin und was ich kann. Nein, es geht um den Ruf der Detektei. Wenn sich herumspricht, dass unsere Klientin umgebracht wurde, sind wir erledigt.“
Ich überlegte, ob ich ihn fragen sollte, warum er wieder von ‚wir‘ sprach, entschied aber aufgrund seines grimmigen Gesichtsausdrucks, dass es der falsche Zeitpunkt für eine Grundsatzdiskussion war.
„Wir müssen den Täter vor der Polizei ausfindig machen. Schalte in allen Berliner Tageszeitungen eine Anzeige. Beschreibe den Geländewagen so, wie Frau Ahner es getan hat, und behaupte, du wärst an einem möglichen Lackschaden Schuld und möchtest dich mit dem Besitzer gütlich einigen.“
„Ich?“
„Wer sonst? Soll etwa mein Name veröffentlicht werden, damit jeder weiß, dass eine Detektei dahinter steckt? Gib eine der Reservenummern hier im Büro an und lass sie von Gregoria auf deinen Apparat und dein Handy schalten. Gute Nacht!“
Meine Erwartung, schon am folgenden Tag von einem Erfolg der Polizei zu hören, wurde enttäuscht. Eigentlich sollte sich der auffällige Geländewagen schnell finden lassen. Auch das Aufspüren von Zeugen aus dem Rotlichtmilieu gehörte zur alltäglichen Arbeit der Polizei. Doch das Telefon klingelte den ganzen Tag nicht. So blieb mir genügend Zeit, auf Czordans Marotten einzugehen.
Als ich morgens ins Büro kam, war er bereits da und tat sehr geschäftig. Er hatte Papiere vor sich liegen, starrte den Monitor an und telefonierte dabei mit Ron. Dass es Ron sein musste, entnahm ich Czordans Aussprache. Er redete dann immer besonders deutlich, weil er meinte, Ron sei nicht der Schnellste, wenn es um das Verstehen von Anweisungen ging. Allerdings kam ich zu spät, um mitzubekommen, was genau Ron tun sollte.
Da ich auf die Minute pünktlich war, bezog ich Czordans grimmige Miene nicht auf mich, als er auflegte. Ron musste ihn geärgert haben. Trotzdem war sein Tonfall scharf, als er fragte: „Wo sind die Ordner mit den Immobilien?“
„Stehen hinter Ihnen im obersten Regal.“
Er stand auf und sah nach oben. Für jedes der drei Häuser, die ihm gehörten, gab es einen breiten Ordner, auf dessen Rücken der Name der Stadt prangte, in der das Haus stand: Berlin, Hamburg, Stuttgart.
„Wo ist der Ordner Düsseldorf?“
„Gibt es nicht.“
„Leg einen an.“
„Sie haben noch ein Haus gekauft?“
„Vor einer Woche.“
Ich war beeindruckt. Zwar lief der ganze Bürokram, den die Immobilien verursachten, über Hausverwaltungen, aber deren Berichte kontrollierte ich und heftete sie in den Ordnern ab. Deshalb wusste ich über alles Bescheid. Immobilien konnten eine gute Geldanlage sein, zugegeben. Czordans Kaufkriterien blieben jedoch rätselhaft: Seine drei bisherigen Häuser waren große Wohnblöcke in schlechter Lage, Wertentwicklung und Mietgefüge deuteten eher nach unten. Nur als langfristige Anlage war eine solche Investition sinnvoll, hatte mir ein Bekannter aus der Immobilienbranche erklärt. Für einen Siebzigjährigen, der meines Wissens keine Nachkommen hatte, für die er sorgen musste, waren die Ausgaben für solche Häuser eigentlich unsinnig.
Mit Czordans Geld - er musste weitaus mehr davon haben, als er zugab - hätte ich mir eine Villa im Grünen als Alterssitz gekauft und mich vom Rest auf lange Reisen begeben. Da ich nur halb so alt war wie er, musste ich mir jedoch eingestehen, dass ich nicht beurteilen konnte, was wirklich in einem vorgeht, wenn man auf kaum mehr als zehn Jahre weitere Lebenszeit hoffen kann.
Er funkelte mich an, als könne er Gedanken lesen, wechselte aber das Thema: „Der Fall mit den Chinesen ist noch nicht ausgestanden. Ron hat von mir neue Instruktionen erhalten.“
„Was wollen Sie? Ein unterschriebenes Geständnis des chinesischen Staatschefs?“
„Ich habe mir heute Morgen noch einmal durchgelesen, welche Informationen gestohlen wurden. Das geht über das hinaus, was Tischgespräch in einer Kantine sein kann. Strategische Planungen, Führungsentscheidungen über die künftige Richtung der Forschung. Da muss es noch andere undichte Stellen geben. Ron wird eine weitere Möglichkeit prüfen.“
„Welche?“
„Die naheliegendste.“
Ich wandte mich dem Aktenschrank zu, in dem noch viel Platz war. „Soll ich noch mehr Ordner anlegen oder sind Ihre Immobilienkäufe fürs Erste abgeschlossen?“
Die Frage war als Scherz gemeint, doch seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen dachte er ernsthaft darüber nach, bevor er antwortete: „Nein, im Moment nicht. Die Umbauten und Renovierungsarbeiten sind noch nicht überall abgeschlossen. In Düsseldorf beginnt gerade die Planung. Willst du immer noch nicht hier im Haus einziehen?“
„Danke, nein. Ich behalte meine Wohnung in Wilmersdorf. Man soll Arbeit und Privates nicht vermengen.“
„Gute Detektive haben kein Privatleben!“
Ich bedachte ihn mit einem ironischen Blick, den er sehr gut verstand. Er presste die Lippen zusammen, stand auf und stapfte durch die Hintertür davon.