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Vorwort

Spionage ist ein uraltes Gewerbe. Sie scheint wie der Egoismus zum Wesen des Menschen zu gehören. Sippen, Stämme und Völker schickten zu allen Zeiten Kundschafter aus, um Nachbarn zu beobachten und aus diesen Beobachtungen Vorteile zu ziehen. Ebenso postierten Sippen, Stämme und Völker zu allen Zeiten Verteidiger ihrer Vorteile, die eben diese Kundschafter abhalten, vertreiben und auch fangen oder sogar töten sollten.

Spionage war sicherlich bereits während der Steinzeit üblich. Wenn einzelne Sippen umherzogen, war es von Vorteil nicht zu verraten, wo Tiere leicht zu jagen waren oder wo besonders viele nahrhafte Pflanzen wuchsen. Denn genau diese Plätze versuchten vermutlich auch andere Sippen zu finden. Schon entstand ein Misstrauen untereinander, das möglicherweise Auslöser für erste Kriege war.

Vielleicht ist Spionage das zweitälteste Gewerbe der Welt; auf jeden Fall versucht sie, das älteste Gewerbe der Welt für sich zu nutzen. Jedermann, ob Individuum, Sippe oder Volk, versucht, damals wie heute, Vorteile zu gewinnen und gleichzeitig auch Vorteile zu bewahren. An dieser Grundeinstellung hat sich kaum etwas geändert und nur die Dimensionen sind im Lauf der Jahrhunderte oder auch Jahrtausende größer geworden.

Wer sich mit dem Thema „Spionage“ auseinandersetzt, schärft zwangsläufig auch die eigene Menschenkenntnis und wird damit konfrontiert, dass der intelligente Mensch nicht immer der gute und im Dienst der Allgemeinheit einsichtige Mensch ist.

Spionage schafft einen Wissensvorsprung, doch der Spion, der diese Fakten erarbeitet, kann sich kaum in seinem Erfolg sonnen. Er muss anonym bleiben, denn niemand darf erfahren, wie dieser Wissensvorsprung zustande kam. Es sind Politiker, Generäle und immer häufiger auch Industrielle, die diesen Informationsvorsprung nutzen und sich dann als weise und klug feiern lassen. Sie hüten sich, öffentlich mitzuteilen, dass diese für ihre Entscheidungen so wichtigen Erkenntnisse von Spionen stammen. Nach einem Sprichwort, das bis zurück in die Antike reicht, lieben sie den Verrat, doch sie hassen den Verräter.

Dabei ist Spionage zweischneidig: Sie kann Kriege auslösen, aber sie kann auch Kriege verhindern. Spionage gibt es somit nicht nur in Kriegszeiten, sondern auch mitten im Frieden.

Mit der Entwicklung von Gesellschaften steigen sowohl die Qualitäten als auch die Quantitäten der Spionage. Frühe Späher hatten die Aufgabe zu beobachten und zu beurteilen. Sie blieben dabei meist passiv; sie schlichen sich heimlich heran, beurteilten die Lage und verschwanden ebenso leise, wie sie gekommen waren. Spitzel dagegen mussten sich erweiterte Fähigkeiten zulegen und nach und nach immer aktiver werden. Sie hörten zuerst zu und begannen dann aber zu agieren und zu provozieren, um Meinungen herauszulocken und zu erfahren. Doch genau wie bei den Spähern durfte auch bei ihnen niemand wissen, was sie tatsächlich erfahren hatten, was ihre Absichten waren und was sie anschließend ihren Auftraggebern meldeten. Bei Spionen schließlich war und ist stets Vielseitigkeit gefragt und ihr Aufgabenbereich ist von vorneherein ein sehr umfassender. Sie müssen einerseits Nachrichten beschaffen und andererseits die Nachrichtenbeschaffung ihrer Gegenseite verhindern. Gleichzeitig müssen sie Gegenaktionen starten und mit Gegenspionage den Gegner verwirren. Bei Geheimaktionen ist der Spion zuletzt voll gefordert: Er betreibt Sabotage, ist subversiv und muss mit den Möglichkeiten der modernsten Psychologie die gemeinsten menschlichen Niederträchtigkeiten beherrschen.

Eine solche Vielseitigkeit erfordert Arbeitsteilung: Mit dem Spion, der Nachrichten aktiv oder passiv verschafft, ist die Angelegenheit der Spionage nicht beendet. Ihm folgt der Kurier, der diese Nachrichten weiterreicht und sie dem Auswerter übergibt, dessen Aufgabe darin liegt, die mühsam beschafften Nachrichten für den Auftraggeber mundgerecht aufzubereiten. Der Auftraggeber verhält sich dann so, als hätte er alle Fragen und Probleme selbst gelöst. Saboteure und Attentäter schließlich machen für ihre Auftraggeber die Drecksarbeit, sie zerstören und ermorden.

Das Berufsethos des Spions seinen Kollegen gegenüber ist nur schwach entwickelt: Der Doppelagent haut Kollegen während der Arbeit in die Pfanne und der Überläufer nach der Arbeit, der Maulwurf dagegen wartet auf den geeigneten Zeitpunkt, um seine Kollegen zu verraten.

Wer wird unter solchen Voraussetzungen Spion? Wer riskiert seine Freiheit oder sogar sein Leben, um Nachrichten zu beschaffen, mit denen sich andere profilieren? Auch hier liefert das Wesen des Menschen vielfältige Anhaltspunkte: Geld kann viele Menschen motivieren und zu Tätigkeiten anstacheln, die sie sich womöglich nie zugetraut hätten. Ideologien schließlich können dem Menschen einreden, er sei besser als andere und seine Spionage sei deshalb gerechtfertigt, weil sie einer guten Sache diene. Ein anderes Motiv ist das menschliche Ego. Nicht wenige Menschen glauben, sie könnten sich alles erlauben und ihre Spionagetätigkeiten schmeicheln ihrem Ego. Dabei sind Spione von ihrer eigenen Klugheit und Tüchtigkeit oft so überzeugt, dass sie der Meinung sind, man würde sie nie erwischen. Zuletzt spielt noch Erpressung eine Rolle: Ein Mensch wird zur Spionage gezwungen. Eine solche meist äußerst heimtückische Erpressung trifft Menschen mit besonderem Wissen an den Schaltstellen der Macht. Zwar würden sie ihr Wissen lieber für sich behalten, doch die Sorge um ihre Existenz ist stärker und macht sie zu Spionen. Spionage ist immer möglich, wenn Staaten oder andere Gemeinschaften glauben, über dem einzelnen Menschen zu stehen. Letztlich ist der Spion ein Werkzeug, das benutzt wird und auch ersetzt werden kann.

Die Literatur zur Spionage beschäftigt sich meist mit tatsächlichen oder erfundenen Ereignissen aus der Zeit des Kalten Krieges oder des Zweiten Weltkrieges. Doch Spionage ist weitaus älter. Das vorliegende Buch blickt bis in die Antike zurück und schildert Spionageaktionen von den Pharaonen bis zum Ersten Weltkrieg. Dabei drängt sich die Frage auf: Hat sich die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden in ihren humanitären Empfindungen eigentlich fortentwickelt?

Spionage wird von Geheimdiensten betrieben. Wie der Name sagt, arbeiten diese Organisationen stets im Geheimen und halten Dokumente unter Verschluss. In politisch unruhigen Zeiten werden geheime Dokumente meist zuerst vernichtet und sind dann für spätere Generationen nicht mehr auswertbar. Noch heute sind manche alten Akten unzugänglich und können nicht für die Allgemeinheit aufbereitet werden. Der englische Secret Intelligence Service hält beispielsweise noch Dokumente aus dem 16. und 17. Jahrhundert unter Verschluss. Die Geschichte der Spionage wäre sicherlich noch bunter, wenn alle Informationen zur Verfügung stünden. Je weiter die Spionage in der Geschichte zurückreicht, umso weniger erhaltene Dokumente oder manchmal auch nur Gerüchte können ausgewertet werden.

Den zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben, möchte ich herzlich danken. Mein besonderer Dank gilt Dr. Wolf-Heinrich Kulke und Ursula Kohaupt für die Lektoratsarbeit sowie dem Theiss Verlag für die Herausgabe des Buches.

Dr. Manfred Reitz

Spione, die die Welt bewegten

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