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Einzugsermächtigung
ОглавлениеWie oft es geklingelt hatte, weiß ich nicht. Es war eine Tageszeit, die ich gewöhnlich noch als Nacht bezeichne und in der ich von allem anderen als vom Aufstehen träume. Als ich endlich meinen Morgenmantel gefunden hatte und durch den Türspalt schaute, sah ich vor mir einen Herrn in einem roten Sakko.
»Guten Tag«, sagte er. »Schön, dass Sie doch noch öffnen. Als Hauseigentümer habe ich natürlich einen Schlüssel, aber ich falle ungern mit der Tür ins Haus.«
So, das also war der Eigentümer meines Hauses. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt, aber unsympathisch sah er nicht aus. Anfang dreißig mochte er sein, und er sprach in einem ruhigen, aber bestimmten Tonfall. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich, dass er nicht allein war. Er schien meinen Augen zu folgen und zeigte auf die beiden Männer hinter sich.
»Ach ja, ich habe meinen Vater mitgebracht, und das hier ist unser Mitarbeiter, sozusagen der gute Geist der Firma. Sie wissen wahrscheinlich, warum wir kommen?«
Natürlich konnte ich es mir denken. Der Stapel von Mahnungen auf meinem Schreibtisch war hoch genug; die letzten hatte ich gar nicht mehr geöffnet. Mal ging es um die Miete, die ich ja nun wirklich seit Jahren nicht bezahlt hatte. (Von Anfang an hatte ich mich gegen eine Einzugsermächtigung gesträubt, dann hatte ich die Überweisungen vergessen, und später war mir die ganze Sache einfach zu peinlich gewesen.) Andere Briefe berichteten von Beschwerden der Nachbarn – die Bäume im Garten seien verwahrlost, und die nicht geernteten Früchte faulten auf den angrenzenden Grundstücken. Der Studienrat von nebenan hatte erzürnt berichtet, ich hätte eine angebissene Pflaume von dem Baum in der Mitte des Gartens bis auf sein Rosenbeet geworfen. Und schließlich waren da die Anzeigen wegen des im Winter nicht geräumten Bürgersteiges, der eine ältere Dame ein gebrochenes Bein gekostet hatte.
Von all dem sagte der Mann im roten Sakko nichts. Er sagte nur: »Sie gestatten?«, und schon waren sie zu dritt im Flur, und vom Flur aus machten sie die Runde durch meine Zimmer. Sprachlos und auf eine merkwürdige Art gelähmt lehnte ich am Türpfosten und hörte durch die offenen Türen Fetzen ihres Gespräches mit.
»Das ist ja zum Weinen, wie heruntergekommen das alles aussieht. – Der Schimmel dort an der Decke hätte sich durch Lüften wohl vermeiden lassen. – Was ist denn das für ein Durchbruch hier? Das war eine tragende Wand. So etwas ist statisch unverantwortlich und lebensgefährlich. – Fällt Euch am Geruch dieser Wandfarbe etwas auf? Diese Stoffe sind doch gesundheitsschädlich und längst verboten.«
Nach einer Weile kamen sie zurück. Diesmal machte sich der Mitarbeiter zum Sprecher: »Wir haben uns Ihr Haus – unser Haus – gründlich angesehen und festgestellt, dass Sie es in unglaublicher Weise heruntergewirtschaftet haben. Zusammen mit allen Vorkommnissen der Vergangenheit und den Summen, die Sie uns schulden, wäre das ein Grund für eine fristlose Kündigung. Wir haben uns jedoch entschieden, Ihnen einen anderen Vorschlag zu machen. Wir ziehen bei Ihnen ein und bringen das Haus wieder in Ordnung. Es muss vieles ausgeräumt, einiges wiederhergestellt und anderes umgebaut werden, und insgesamt ist eine gründliche Renovierung nötig.«
Wie aus der Ferne hörte ich zu – obwohl er ganz nahe vor mir stand – und während er redete, schossen mir tausend Dinge auf einmal durch den Kopf: Mieterschutz – Kündigungsfristen – Zivilklage – Rechtsanwalt. Aber ich brachte nur einen polternden Satz heraus: »Also, jetzt hören Sie mal zu, Sie führen sich ja hier auf, als seien Sie der Allmächtige höchstpersönlich!«
»Ach«, sagte er, und dann mit einem eigentümlichen Lächeln: »Ja?«