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Kapitel 3
ОглавлениеIch bin frei geboren, frei wie der Adler,
der über den großen blauen Himmel schwebt;
ein leichter Wind streift sein Gesicht.
Ich werde frei sein.
»Zum Flughafen, bitte!«
Ich saß bereits im Taxi, als Lisa neben mir Platz nahm und dem Fahrer mit dem breiten Grinsen, das sie schon den ganzen Tag über hatte, unser Ziel nannte.
Sie hatte sogar in der Mittagspause eine Liste zusammengestellt, was ich alles mitnehmen müsste. Etwas für kalte Tage, etwas für warme Tage, etwas für regnerische Tage. Nicht zu vergessen Wanderstiefel und einen Rucksack für den Proviant. Ich nickte immer nur bereitwillig und ließ ihre Urlaubsvorbereitung über mich ergehen.
Meine Bitte, den Laptop noch auf die Liste zu setzen, verwarf Lisa mit einem lauten Lachen. »Was willst du damit? Wir wohnen praktisch in der Wildnis. Internet gibt es dort nicht. Wir haben gerade mal ein Satellitentelefon.«
Das klang ja hervorragend. Nicht einmal Internet gab es, um vielleicht eine E-Mail schreiben oder sich von der Einöde ablenken zu können.
»Aber Strom und heißes Wasser haben wir?« Die Frage war für mich gar nicht so abwegig.
»Natürlich, was denkst du denn?«, Lisa verdrehte die Augen. »Nur weil wir abgelegen von größeren Städten und Dörfern wohnen, landen wir nicht gleich im letzten Jahrtausend.«
Für mich schien alles möglich zu sein. Kein elektrischer Herd oder Ofen sondern eine kleine Feuerstelle, bei der wir Nachtwache halten müssten, damit das Feuer nicht ausging. Als Toilette würde es draußen ein altes Plumpsklo geben und waschen müsste man sich in einem kleinen, eiskalten Bach, der neben der Hütte floss. All das belachte Lisa nur und tadelte mich, ich hätte eine zu lebhafte Fantasie.
Nachdem ich meine Koffer gepackt hatte, versuchte ich noch ein Mal Thomas zu erreichen, aber es ging nur die Mailbox dran. Der Arme war anscheinend wirklich sehr beschäftigt. Ich schrieb ihm eine SMS, dass ich reisefertig sei und mich auf den Urlaub freute und dass ich ihn liebte und vermisste. Auch wenn es gelogen war, dass ich mich freute, aber so konnte ich ihn wenigstens beruhigen, dass es mir gut ging.
Es lohnte sich nicht mehr, mich vor der Abfahrt hinzulegen. Ich hätte sowieso kein Auge zubekommen. Der Wolf schwirrte mir immer noch im Kopf herum. Das Gefühl, das ich bei ihm hatte, wollte nicht verschwinden. Es hielt den ganzen Tag an – zum Glück, wie sich herausstellte. Ich hatte weder Panik noch Angst oder irgendwelche Befürchtungen, was den Urlaub betraf. Es fühlte sich sogar richtig an, auch wenn ich diesbezüglich keine Freudensprünge machte.
Nun saßen wir im Taxi und waren auf dem Weg zum Flughafen. In zwei Stunden startete unser Flieger. Die Zeit verging verdammt schnell.
Nachdem wir unsere Koffer abgegeben und eingecheckt hatten, drückte ich meine Nase an der Fensterscheibe zum Rollfeld platt. »Das ist aber ein kleines Flugzeug.«
»Das Flugzeug bringt uns nur nach Frankfurt«, erklärte Lisa. »Dort müssen wir umsteigen und dann wird das Flugzeug sicherlich größer sein.«
Ich fühlte mich weltfremd. Lisa war gerade mal zwei Jahre älter als ich, hatte aber viel mehr von der Welt gesehen. Sie war oft nach Kanada zu ihrem Bruder gereist, kannte Paris wie ihre Westentasche und in Rom war sie auch gewesen. Sie schwärmte mir von der Spanischen Treppe vor. Dort trafen sich Touristen und Einheimische, um den Abend zu genießen und natürlich um zu flirten. Ob Lisa in Rom etwas mit einem Italiener gehabt hatte? Vielleicht mit einem, der seine eigene Eisdiele oder Pizzeria hatte. Wie man sich Italiener halt vorstellte. Von Australien und Thailand erzählte sie nicht viel. Wahrscheinlich waren ihr Italiener lieber.
Ich fragte mich, ob sie vielleicht genauso reich war wie ihr Bruder oder ob ihre vermögenden Eltern das Alles für sie bezahlten, denn mit dem Gehalt, das sie bei uns in der Firma verdiente, konnte sie nicht die Welt bereist haben. Bei mir reichte es für die Nord- und Ostsee sowie Mallorca im Sommer und die Schweiz zum Skifahren im Winter. Ich war zufrieden damit. Bis Lisa mir ihre Geschichten erzählte. Ein leichtes Fernweh pochte dann schon in meinem Herzen. Nun würde ich meine größte Reise in meinem bisherigen Leben antreten. Ich würde so lange fliegen, wie ich noch nie geflogen war und ich würde so weit weg von zu Hause sein, wie noch nie. Langsam wurde sogar ich ein wenig euphorisch. Mia entdeckt die Welt. Kapitel eins: Ein Mal umsteigen, bitte.
Der Flug nach Frankfurt dauerte nicht lange. Ich hatte meinen MP3-Player ausgepackt und Musik gehört. Soundtracks von allen großen Kinofilmen der letzten Jahre sollten mich auf dieser Reise begleiten. Draußen war es dunkel, also schloss ich die Augen und lauschte der Musik. Kaum hatte ich mich entspannt, mussten wir nach einer Stunde wieder aussteigen.
Lisa grinste, als ich mit offenem Mund hinaus auf die Maschine starrte, die uns nach Calgary bringen sollte. »Na, groß genug?«
Ich nickte. Das war das größte Flugzeug, das ich je gesehen hatte. Überhaupt nicht mit der kleinen Dose zu vergleichen, mit der wir nach Frankfurt geflogen waren.
Wir hatten eine Stunde Aufenthalt, die wir uns damit vertrieben, dass ich Lisa meine Soundtracks vorspielte und sie versuchte, den dazugehörigen Film zu erraten.
Im Flugzeug konnte ich meine Beine fast ausstrecken. Die Beinfreiheit war enorm. Da ich sowieso nicht die größte Person war, konnte ich es mir richtig bequem machen. Lisa hatte es da schwerer. Sie war zwar nur einen halben Kopf größer als ich, hatte aber viel längere Beine. Ich beneidete sie darum. Dafür fand sie es unfair, dass meine Füße nicht so groß waren wie ihre. »Kauf dir mal schicke Damenschuhe in Größe 42. Du wirst verzweifeln. Hosen haben bei mir immer Hochwasser. Ab dem Bauchnabel abwärts bin ich völlig Mode-inkompatibel.«
Vielleicht trug Lisa deswegen meistens lange Röcke, da fiel es nicht so schnell auf, wenn sie etwas zu kurz waren, wie bei einer Hose.
Als Boardfilme sollten »PS. I love you« und »21« gezeigt werden. Ich entschloss mich dazu, weiterhin meine Musik zu hören und steckte mir die Kopfhörer in die Ohren. Nebenbei beobachtete ich den ersten Film auf dem kleinen Monitor im Sitz vor mir. »PS. I love you« kannte ich bereits, aber ich fand ihn immer wieder mitreißend und romantisch. Ob Thomas mir auch Briefe schreiben würde, wenn er wüsste, dass er sterben müsste? Thomas. Ich vermisste ihn plötzlich sehr, was durch die fehlende Verabschiedung nur verstärkt wurde. Doch zum Glück fielen mir nach kurzer Zeit die Augen zu. Der Tag war lang gewesen und nun holte mein Körper sich die Erholung, die er brauchte.
Ich wachte erst wieder auf, als wir bereits über Kanada waren. Das Frühstück hatte ich wohl verschlafen. Ich nahm es Lisa nicht übel, dass sie mich nicht geweckt hatte. Hunger hatte ich sowieso keinen.
Von der Landschaft konnte ich leider nichts erkennen, da die Wolken wie ein weißes Meer aus Zuckerwatte unter uns lagen und das Land unter sich versteckten. Aber ich genoss es, den blauen Himmel und die Sonne sehen zu können.
Je näher wir dem Zielflughafen kamen, desto wärmer wurde mir. Ein längst vergessenes Gefühl breitete sich in mir aus: Ein Gefühl, dass mir irgendetwas fehlte. Mein Herz begann schneller zu schlagen. So sehr ich Thomas liebte, mein Herz jedoch war nicht vollkommen. Es war immer noch Platz darin, der ausgefüllt werden wollte. In den letzten Monaten redete ich mir ein, dass dieses Gefühl verschwinden würde, wenn wir verheiratet wären und endlich in unserem Haus lebten. Mit der Zeit wurde dieses Verlangen, mein Herz auszufüllen, immer weniger und ich vergaß, dass es je existiert hatte. Vielleicht wurde mein Herz auch einfach kleiner.
Doch jetzt fing es an, wie wild zu schlagen. Kein Schlagen, welches das Blut kräftig in meine Adern pumpte. Es war ein vergebliches Pochen, als ob es für die Masse meines Blutes zu groß war und Luft in meine Venen pumpte.
Ich atmete tief ein und presste die Hand gegen meine Brust, als ob ich mein Herz wieder zusammendrücken könnte, zurück auf die kleine Größe, die es in der vergangenen Zeit angenommen hatte. Solch ein Herzklopfen wie jetzt hatte ich aber noch nie erlebt. Nicht einmal, als ich Thomas kennenlernte.
Im Laufe einer Beziehung gewöhnte man sich ja auch aneinander. Die wilden Schmetterlinge, die am Anfang in meinem Bauch herum geschwirrt waren, wurden weniger. Dafür machte sich ein Gefühl der Vertrautheit breit. Thomas passte schließlich auf mich auf. Was will eine Frau mehr, als einen Mann, der nur das Beste für sie will? Der sich um sie kümmerte, bis sie zusammen alt geworden waren und auf einer Parkbank saßen und Tauben fütterten.
Ich erinnerte mich an den alten Mann im Park. »Wovor laufen Sie denn weg, Fräulein? Sind Sie Ihrem Ziel schon näher gekommen?«
Lief ich wirklich weg? Was war mein Ziel? Eine kleine Holzhütte in der kanadischen Pampa?
Lisa legte ihre Hand auf meine Schulter. »Geht es dir gut?« Sie klang sehr besorgt.
»Mir geht es gut.« Wenn ich davon absah, dass ich wieder diese verdammte Leere in meinem Herzen spürte und es höllisch wehtat. Aber warum gerade jetzt? Vielleicht vertrug ich das Fliegen nicht.
»Du hättest vorhin doch etwas essen sollen. Aber du wolltest ja nicht.«
»Ich habe geschlafen. Vom Frühstück habe ich überhaupt nichts mitbekommen.«
»Mia, ich habe dich geweckt und du hast zu mir gesagt, dass du keinen Hunger hast. Die Stewardess wollte dein Tablett erst noch stehen lassen, falls du später etwas essen willst, aber du hast abgelehnt.«
»Daran erinnere ich mich gar nicht.« Nun war es so weit. Ich verlor meinen Verstand. Kein Wunder bei all den Dingen, die in letzter Zeit passiert waren. Erst der Heiratsantrag, dann die viele Arbeit, die Zweifel an Thomas, Zweifel an uns und zuletzt noch diese Schnapsidee mit der Reise nach Kanada. Mein Herz spielte schon verrückt. Nun tat es auch der Kopf. Ich lehnte mich mit der Stirn gegen den Vordersitz.
»Miss, ist alles in Ordnung? Wenn Sie sich übergeben müssen, haben wir hier unsere Sickness Bags.« Die Stewardess reichte mir eine Kotztüte.
»Danke, aber mir geht es gut. Ist wohl nur die Aufregung vor der Landung.«
Lisas Blick verriet mir, dass sie mir nicht glaubte, aber die Stewardess war mit meiner Antwort zufrieden. Sie nickte lächelnd und ging weiter nach vorne.
Als ich aus dem Fenster schaute, flogen wir gerade durch die Wolken. Ich sah nichts außer Nebel. Eine nette Stimme in den Lautsprechern bat uns, auf unseren Plätzen sitzen zu bleiben und unsere Gurte festzuschnallen, da wir uns im Landeanflug befanden. Ich hatte meinen Gurt den gesamten Flug über erst gar nicht gelockert und ausgerechnet jetzt fiel mir auf, dass ich auf die Toilette musste. Bis zum Flughafen würde ich es nicht mehr aushalten. Ich schnallte meinen Gurt ab und bat Lisa, mich vorbei zu lassen.
»Du hast schon verstanden, was gerade gesagt wurde?« Lisa legte ihre Stirn wieder in Falten.
»Ja, habe ich. So viel Englisch verstehe ich schon. Aber ich muss echt verdammt dringend.«
»Du hast den ganzen Flug über Zeit gehabt.«
»Da musste ich vielleicht noch nicht? Mann Lisa, lass mich durch oder ich mach’ mir in die Hose!« Letzteres sagte ich so laut, dass die Passagiere um uns herum lachen mussten. Eine Stewardess streckte den Kopf in unsere Richtung und winkte mich nickend aus meiner Sitzreihe.
»Siehst du, ich darf noch mal schnell.«
Lisa ließ mich endlich raus und ich quetschte mich in Richtung Toilette. Der Spiegel verriet mir, dass ich ziemlich blass war. Ich spritzte mir eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht und hörte in mich hinein. Mein Herz hatte sich beruhigt, aber das Gefühl, es sei zu groß, blieb. Es pumpte immer noch Luft in meine Adern. Wahrscheinlich war ich deshalb so blass. Meine Haut bekam einfach nicht mehr genug Blut. Als ich mich abtrocknen wollte, fiel mein Blick auf meine Augen. Hatten sie eine andere Farbe bekommen? Sie waren immer noch grün, aber etwas heller als sonst. Sie waren nicht mehr moosgrün, sondern strahlten wie grünes Gras. Dabei hätten sie eher dunkler wirken müssen, wenn meine Haut blass war.
»Miss, ich muss Sie leider bitten, sich wieder zu Ihrem Platz zu begeben.« Die Stewardess klopfte gegen die Tür.
Es lag sicher an dem Licht auf der Toilette. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Schnell rubbelte ich mein Gesicht trocken, atmete noch einmal tief ein und schloss die Tür auf.
»Ich komme schon.«
Wieder auf meinem Platz angekommen, starrte ich Lisa an. »Sehe ich anders aus?«, fragte ich und öffnete weit die Augen.
»Du siehst aus, als ob du auf dem Klo eine Überdosis Koffein zu dir genommen hättest. Warum?«
»Fällt dir an mir nichts auf?« Ich blinzelte.
»Hast du was im Auge?«
»Ach, vergiss es.« Ich winkte ab und beobachtete die Wiesen, Seen und Städte, die unter uns dahin glitten.
Lisa schaute mich noch eine Weile von der Seite an, seufzte und blickte auf ihre Hände. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Ihr Blick wirkte besorgt, fast traurig, doch auf ihren Lippen lag ein winziges Lächeln. Ich kannte Lisa gut, aber heute wurde ich aus ihr nicht schlau. Was sie wohl gerade dachte?
Das Flugzeug setzte mit einem ruckartigen Stolpern auf der Landebahn auf und schon begannen die Reifen zu quietschen. Ein wenig bedauerte ich, dass der Flug vorbei war. Der Flug war für mich immer etwas Besonderes am Urlaub gewesen, auch wenn er nach Mallorca nur etwas über zwei Stunden dauerte. Und diesen Flug hatte ich größtenteils verschlafen.
Wie auf Knopfdruck sprangen alle Passagiere aus ihren Sitzen, nachdem die Maschine zum Stehen gekommen war. Sie quetschten und drängelten sich durch die schmalen Gänge. Wir warteten, bis sich der erste Andrang aufgelöst hatte und konnten in Ruhe aus dem Flieger steigen. Die Kofferbänder waren völlig überfüllt, als wir ankamen. Jeder wollte als Erster seinen Koffer finden.
»Na, das kann ja spaßig werden«, stöhnte ich und ließ mich auf unseren Gepäckwagen sinken. Ich stützte meine Ellenbogen auf die Knie und legte mein Kinn in die Hände.
»Ach, das geht ziemlich schnell, du wirst schon sehen. Unsere Koffer kann man ja nicht übersehen.« Lisa zwinkerte mir zu und boxte sich in die erste Reihe am Laufband.
Das stimmte. Unsere Koffer konnte wirklich niemand übersehen, denn Lisa hatte sie mit einem pinken Klebeband umwickelt.
»Du wirst mir noch dankbar dafür sein«, hatte sie am Hamburger Flughafen zu mir gesagt und dabei mit der Klebebandrolle gewedelt.
Warum kaufte sie sich nicht einfach einen pinken Koffer?
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Lisa schnaufend, aber grinsend mit unseren Koffern zurück. »Siehst du! Ich habe sie gleich erkannt, als sie durch die Luke kamen. Das hat doch super funktioniert.«
»Schneller ging es dadurch auch nicht«, maulte ich Lisa an und half ihr, die Koffer auf den Wagen zu heben. Sie streckte mir die Zunge raus und wickelte das Klebeband von unseren Koffern ab. »Sei doch nicht immer so mürrisch! Sieh das Positive daran. Wir konnten unsere Koffer auf keinen Fall mit anderen verwechseln.«
Ich gab mich geschlagen und machte mich mit dem Gepäckwagen auf in Richtung Ausgang.
»Wir müssen noch unser Auto abholen.« Lisa wirkte nervös. Sie kramte in ihrer Handtasche und holte die Papiere für den Mietwagen heraus, den sie bereits in Deutschland gebucht hatte.
»Ich dachte dein Bruder holt uns mit einer Limousine ab«, spaßte ich, aber Lisa fand es nicht lustig.
»Meinem Bruder sind materielle Dinge nicht wichtig. Es gibt Wichtigeres im Leben als ein prolliges Auto und ein großes Haus.«
Hoppla, da war ich ihr wohl auf den Schlips getreten. So bissig war sie sonst nicht. Aber sonst befanden wir uns auch nicht in Kanada.
»Lisa Kirschfurt. Ich habe einen Wagen gemietet.«
Der junge Mann am Empfang nahm die Papiere entgegen, die Lisa ihm hinhielt, und blätterte sie mehrmals mit einem skeptischen Blick durch.
Super, jetzt gab es sicher ein Problem mit dem Auto.
Dann musterte er uns von oben bis unten und verschwand mit einem »Moment, bitte« in einer Tür hinter der Theke.
Es dauerte nicht lange, da kam der Autovermieter zurück und legte die Papiere mit einem Schlüssel auf den Tresen. »Bitte, Miss Kirschfurt. Ihr Wagen steht auf Parkplatz B8 für Sie bereit. Er ist bereits vollgetankt. Bitte unterschreiben Sie noch hier und hier.«
Ich musste kichern, denn er sprach den Nachnamen mit einem starken Akzent aus: Körschfört.
Lisa nahm den Stift entgegen und unterschrieb den Mietvertrag an den beiden Stellen, auf die der Mann zeigte.
»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Kanada und eine gute Fahrt.«
Sie lächelte kurz und nahm den Schlüssel entgegen.
Der Parkplatz war riesig und Lisa ungewöhnlich ruhig, als wir durch die Reihen der parkenden Autos gingen. Da ich sie nicht schon wieder verärgern wollte, folgte ich ihr schweigend. Sie wusste offenbar, wo wir hin mussten.
In Kanada war es nicht so kalt, wie ich es erwartet hatte, aber auch nicht so warm, wie erhofft. Die Sonne schien und am Himmel zeigten sich nur kleine Schäfchenwolken. Ein Greifvogel zog seine Kreise über uns. Am Horizont konnte ich schneebedeckte Berge erkennen. Das mussten die Rocky Mountains sein. Da mussten wir also noch hinfahren. Das war verdammt weit weg.
Der Vogel am Himmel schrie auf. Lisa blieb abrupt stehen und schaute nach oben. Fast wäre ich in sie hineingelaufen. Ich folgte ihrem Blick. »Ein Bussard«, sagte ich.
Lisa lachte. »Mia, das ist ein Falke.«
Eine Weile schauten wir uns den Falken an, wie er hoch oben seine eleganten Bahnen flog.
»Lass uns gehen. Du wirst hier noch einige Falken zu Gesicht bekommen.« Lisa zog mich am Ärmel weiter. »So, da haben wir unseren Wegbegleiter.«
Eigentlich hatte ich mit einem Kleinwagen gerechnet, da Lisa Angst vor großen Autos hatte. »Klein und praktisch müssen sie sein. In jede Parklücke müssen sie passen. Größere Autos sind mir zu umständlich«, hatte sie immer gesagt, weshalb sie einen kleinen Smart fuhr.
Jetzt standen wir vor einem großen, dunkelgrünen Geländewagen. Es war ein Jeep. Nicht der Neueste, was mich wunderte, denn Autovermietungen boten für gewöhnlich nur gepflegte und neuere Modelle an. Dieser Jeep hatte bereits ein paar Beulen und Kratzer. Er war zwar sauber, aber ich befürchtete, dass er uns auf halber Strecke auseinander fallen würde.
»Das ist unser Wagen?« Dieses Mal runzelte ich die Stirn. »Gibt es in den Rockies keine normalen Straßen? Schafft der das überhaupt noch?«
Lisa war schon dabei, die Koffer zu verladen. »Ja, das ist unser Auto. Mit einem Kleinwagen würden wir nicht weit genug kommen. Zu der Hütte führt nur ein Feldweg.«
Es würde also ein Abenteuerurlaub werden. Falls wir überhaupt an der Hütte ankämen. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel und kletterte auf den Beifahrersitz. Diese Geländewagen waren einfach zu groß für mich – oder ich zu klein für sie.
Lisa schwang sich mit Leichtigkeit hinter das Lenkrad und steckte den Schlüssel in das Zündschloss. Sie atmete noch einmal ganz tief ein und sah mich an. Sie wirkte immer noch besorgt. Traute sie dem Wagen doch nicht? »Bereit für eine Reise, die dein Leben verändern wird?«
Ich ignorierte den ernsten Unterton. »So was von bereit. Auf, auf ins Abenteuer!« Ich setzte mich kerzengerade hin und legte meine Hand zum Salut an die Stirn, mit der anderen Hand zeigte ich geradeaus.
Lisa stöhnte und drehte den Schlüssel um. Mit einem lauten Dröhnen und Schütteln sprang der Motor sofort an. Immerhin hatte er keine Startschwierigkeiten.
»Brauchst du keine Karte oder ein Navi?«, fragte ich Lisa, als wir vom Parkplatz aus auf die Straße bogen.
»Ich finde den Weg auch im Schlaf«, antwortete Lisa.
»Wie lange fahren wir?«
»Es wird dunkel sein, wenn wir ankommen.«
»Bist du gar nicht müde? Wollen wir nicht lieber einen Zwischenstopp einlegen, damit du dich ausruhen und schlafen kannst?« Ich war besorgt, weil Lisa den gesamten Weg alleine fahren wollte. Nach dem langen Flug war sie bestimmt auch erschöpft.
»Nein. Je eher wir da sind, desto besser.« Lisa starrte auf die Straße. Ich vermisste meine lustige und plappernde Freundin. Sie war anscheinend in Deutschland geblieben. Neben mir saß eine schweigende Frau, die zwar aussah wie Lisa, aber mir dennoch fremd war.
Wir fuhren eine breite Straße entlang. Noch war das Land ziemlich flach und von Feldern bedeckt, aber schon bald wurde es hügeliger und wir durchfuhren die ersten Wälder, deren hohe Bäume mich faszinierten. Ich kurbelte das Fenster herunter und lehnte mich hinaus. Die Luft war sauberer als in Calgary und auch frischer. Alles duftete nach Wald. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und genoss diesen Duft. Nasses Laub, Erde, Tannenzapfen, Nadelbäume. Hier roch alles viel intensiver als zu Hause. Oder nahm ich es nur intensiver wahr, weil alles neu war?
Als es mich fröstelte, kurbelte ich das Fenster wieder hoch. Die schneebedeckten Berge kamen immer näher und wir fuhren durch ihre Täler. An einer winzig kleinen Hütte bog Lisa von der Straße ab und parkte das Auto neben dem Haus. Es war ein kleiner Supermarkt in der Größe eines Tante-Emma-Ladens. Neben der Hütte befand sich eine alte Tanksäule.
Ich wunderte mich, warum wir hier Halt machten. »Ist der Wagen nicht vollgetankt gewesen?«
»Ja, das war er. Aber ich brauche einen Kaffee und du brauchst etwas zu essen. Das hier ist für uns die letzte Möglichkeit zu tanken, deshalb werde ich noch mal volltanken müssen und die beiden Kanister von hinten auffüllen. Man weiß ja nie.«
Kaffee und Essen. Das waren für mich zwei gute Argumente für einen kleinen Stopp. Es war fast Abend und mein Magen knurrte mittlerweile recht stark. Ich kletterte aus dem Wagen und dehnte mich. Meine Knochen knackten, aber es tat gut, mich zu bewegen.
Als ich den Kopf in den Nacken legte, fiel mir wieder ein Falke auf, der über uns flog. Anscheinend gab es sehr viele Falken in Kanada.
Mir wurde kalt, da die untergehende Sonne durch die hohen Bäume verdeckt wurde. Ich zog meine dicke Jacke an und stiefelte in Richtung Hütte, während Lisa sich den Zapfhahn schnappte und den Wagen betankte.
Unter dem kleinen Vordach lag eine schmale Veranda, auf der ein runder hölzerner Tisch und zwei Stühle neben dem Eingang standen.
Ein Mann lehnte an der Hauswand und rauchte seine Pfeife. Sein Holzfällerhemd mit roten Karos war genauso verwaschen wie die braune Jacke aus Schaffell, die er trug. Seine Jeans hatte mindestens genau so viele Jahre auf dem Buckel. Durch seinen weißen Vollbart konnte ich sein Alter schlecht einschätzen, da ich nicht viel vom Gesicht erkennen konnte, aber die Falten an seinen Augen und seine grauen schulterlangen Haare zeigten, dass er nicht mehr der Jüngste war.
Als ich eintrat, begrüßte er mich mit einem Lächeln. Es war eine urige kleine Hütte, in der winzige Holzregale mit Nahrungsmitteln standen. Hinter einer kleinen Theke, natürlich auch aus Holz, stand eine kleine Kühlung mit Getränkeflaschen und belegten Bagels sowie auch eine Kaffeemaschine.
Ich schlich langsam durch die Regalreihen. Lisa folgte mir, nachdem der Tank und die Kanister gefüllt waren, und schüttelte entweder den Kopf, oder nickte zustimmend, wenn ich nach etwas in den Regalen greifen wollte. Bei den Chips schnappte ich nach einer Tüte Lay’s. Die wollte ich schon immer einmal probieren. Das heftige Nicken von Lisa zeigte, dass sie damit einverstanden war. Sie nahm gleich noch eine weitere Tüte mit.
Der Mann kam ohne seine Pfeife in den Laden und beobachtete unser Treiben. Nachdem wir den kleinen Einkaufskorb gefüllt hatten, gingen wir zur Kasse, um zu bezahlen. Lisa bestellte noch vier belegte Bagel, zwei Flaschen Coke und zwei Kaffee mit Milch und Zucker.
Der Mann antwortete auf Englisch mit einem kanadischen Akzent. Daran musste ich mich erst gewöhnen, aber ich verstand es zu meiner Überraschung sehr gut.
Er goss den Kaffee in Plastikbecher und zeigte auf einen kleinen Tisch, auf dem Zucker und Milchtüten standen. Während wir unseren Kaffee fertig machten, packte er unsere Einkäufe in braune Papiertüten und wünschte uns eine gute Weiterfahrt. Danach ging er nach draußen, um seine Pfeife weiter zu rauchen. Diese Ruhe, die der Mann ausstrahlte, faszinierte mich. Dass hier überhaupt so viele Leute vorbei kamen, dass sich der Laden rentierte. Wir waren seit Stunden unterwegs und das hier war das erste Haus, das wir zu Gesicht bekamen.
Wir setzten uns in den Jeep und ich nippte an meinem Kaffee. Er war sehr stark, aber er tat gut. Lisa reichte mir einen Bagel mit Lachs. Als ich hinein biss erlebten meine Geschmacksnerven eine völlig neue Erfahrung. Das war das Leckerste, das ich seit Langem gegessen hatte.
»Frischer kanadischer Lachs. Schmeckt besser als der Fisch, den du aus der Tiefkühlung kennst, oder?« Lisa trank in großen Schlucken ihren Kaffee aus. So etwas Heißes hätte ich nicht dermaßen schnell trinken können.
»Tausend Mal besser«, murmelte ich kauend und schlemmte weiter meinen Bagel. Ich konnte mich nicht zurückhalten und futterte gleich meinen Zweiten hinterher.
Als es dunkler wurde, wurden auch die Wälder immer unheimlicher. Ich sah nur noch die erste Baumreihe im Lichtkegel unserer Scheinwerfer. Der Rest des Waldes lag in tiefem Schwarz und die Dunkelheit brachte meine Müdigkeit zurück. Lisa schaute immer noch wie gebannt auf die Straße. Ab und zu blickte sie nach rechts und links an den Straßenrand, als habe sie etwas zwischen den Bäumen gesehen. Bestimmt gab es hier auch Wild, das sich auf den Straßen tummelte. Auf einen Wildunfall hatte ich jedoch keine Lust.
Ich rollte meine Jacke zusammen und stopfte sie hinter meinen Kopf. Meine Augenlider wurden immer schwerer. Obwohl ich dagegen ankämpfte, gewann schließlich die Müdigkeit und ich schlief ein.
Es wurde wärmer und die Sonne blendete mich. Ich hörte den Motor nicht mehr brummen, auch die Musik aus dem Radio war verklungen. Stattdessen hörte ich Vögel, die für mich ihr fröhliches Lied sangen. Unter mir fühlte ich wieder das weiche Gras. Es war so bequem, dass ich mich lang ausstreckte.
Ich hielt meine Hand vor die Augen als ich sie öffnete, damit ich mich an die Helligkeit gewöhnen konnte. Mein Herz fing an zu klopfen, aber es war nicht das hohle Klopfen aus dem Flugzeug, das selbst nach dem leckeren Bagel und dem Kaffee nicht verschwunden war. Es war ein angenehmes, volles Schlagen. Ich spürte, wie meine Wangen rot wurden und das Blut in jeden Winkel meines Körpers strömte. Ich drehte meinen Kopf nach links, um zu den Bäumen zu blicken, die am Rand der Wiese standen, aber bis dahin reichte mein Blick erst gar nicht. Direkt vor meinem Gesicht tauchten die wunderschönen himmelblauen Augen auf, keine Armlänge von mir entfernt, und beobachteten mich neugierig. Sie zeigten keinerlei Wut oder Angriffslust. Der Wolf hatte seinen Kopf auf die Vorderpfoten gelegt und lag schräg neben mir. Mir fehlte die Kraft, um mich hinzusetzen oder gar weg zu rennen. Aber wollte ich das überhaupt?
Ich schaute in die Tiefen seiner Augen. Ich sah die kleinen Äderchen der Iris, die auf mich wirkten, als würden sie leuchten. Wie ein blauer strahlender Stern. Blau wie der Himmel. Im Schwarz der Pupille konnte ich mich selbst sehen. Ich sah mich, wie ich in seine Augen blickte. Ich lächelte dabei.
Das rabenschwarze Fell schimmerte wie Samt in der Sonne. Es musste sich fantastisch anfühlen. Mein Herz schlug schneller, als ich ganz langsam meine Hand hob. Der Wolf schaute kurz zu ihr herüber, blickte mir dann aber wieder in die Augen. Sein Atem veränderte sich. Er atmete schneller. Sein Blick und seine Körperhaltung blieben jedoch unverändert. Der Wolf lag ganz entspannt neben mir. Ich schob meine Hand weiter in Richtung Fell, ich musste es unbedingt spüren. Es war bestimmt ganz warm von der Sonne – und tatsächlich: meine Hand war noch Zentimeter von ihm entfernt und ich spürte bereits seine Wärme. Ganz leicht berührten meine Fingerkuppen die Spitzen seines Fells.
Der Wolf schloss entspannt die Augen. Bevor ich weiter nach ihm greifen konnte, schüttelte es mich durch. Mein Kopf knallte gegen die Scheibe und ich musste mich festhalten, um nicht vom Sitz zu rutschen.
»Sorry, aber ab hier gibt es keine befestigte Straße mehr«, entschuldigte sich Lisa schulterzuckend.
Ich versuchte mich zu sammeln und richtig hinzusetzen. Ein Teil von mir lag immer noch neben dem Wolf. Meine Finger fühlten sich warm an, als würden sie weiterhin das Fell berühren. »Dann sind wir also bald da?«
»Nein. Wir fahren noch etwa eine Stunde.«
»Eine Stunde? Wir werden jetzt eine Stunde lang durchgerüttelt? Warum liegt die Hütte so weit im Wald?«
Plötzlich machte Lisa eine Vollbremsung. Ich wurde nach vorn geschleudert, aber der Gurt hielt mich zurück, bevor ich mit dem Armaturenbrett zusammenknallen konnte. Verstört schaute ich nach vorn.
Vor uns stand ein riesiger Hirsch mit einem mächtigen Geweih. Langsam näherte er sich unserem Wagen und blieb etwa einen Meter vor uns stehen. Schaute er etwa zu Lisa? Diese beobachtete ihn ganz ruhig. Sie war nicht erschrocken, wie ich. Der Hirsch wandte sich nach einiger Zeit ab und ging gemächlichen Schrittes in den Wald hinein. Sein Geweih trug er stolz wie eine Krone.
»Ein bisschen langsamer jetzt, ok?«, flehte ich Lisa an.
»Die Straße ist nur am Anfang so holprig. Es wird gleich besser«, sagte sie und ignorierte meine Bitte.
Sie hatte recht. Nach einer Viertelstunde war die Straße besser befestigt. Es war zwar immer noch ein Waldweg, aber er war wesentlich fester und ließ sich ruhiger befahren.
»Wärst du ein fremder Mann, würde ich jetzt Panik bekommen, wo du mit mir hinfährst. Kilometerweit in den Wald hinein und das ganz allein«, versuchte ich ein Gespräch anzufangen. Wir schwiegen uns schon viel zu lange an.
»Wer sagt denn, dass du vor mir keine Angst haben musst?« Lisa blickte mich fies über den Rand ihrer Brille hinweg an.
Ich musste lachen, weil das wirklich dämlich aussah. Lisa konnte einfach nicht böse gucken. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als auch sie anfing zu kichern. Ich hatte befürchtet sie sei wegen der Bemerkung über ihren Bruder sauer auf mich gewesen.
»Keine Angst, ich werde dich nicht ermorden, zerstückeln und wilden Tieren zum Fraß vorwerfen. Vielleicht foltere ich dich ein wenig, indem ich dich fessle und dir Schlagerlieder vorspiele oder selbst geschriebene Gedichte vorlese.«
»Oder mich durch die Pampa jagst und jeden Tag mit mir wandern gehst.«
»Natürlich! Was glaubst du denn, warum du hier bist? Um deinen Seelenfrieden zu finden?« Lisa zwinkerte mir zu.
»Seelenfrieden ist doch nichts Schlechtes«, antwortete ich, auch wenn ich mich wunderte, wie Lisa auf dieses Thema kam.
»Nein«, sagte sie ernst. »Es ist neben der Liebe das größte Glück, das einem Menschen passieren kann.« Sie schaute mich an und lächelte. »Der Friede stellt sich niemals überraschend ein. Er fällt nicht vom Himmel wie der Regen. Er kommt zu denen, die ihn vorbereiten.«
»Woher hast du denn bitte den Spruch?« So poetisch kannte ich sie gar nicht.
»Von einem sehr weisen Mann.«
»Ah ja. Und wie soll man seinen Frieden vorbereiten?«
»Frieden wird in die Herzen der Menschen kommen, wenn sie ihre Einheit mit dem Universum erkennen.«
Ich verdrehte die Augen. Das klang überhaupt nicht nach Lisa. Das klang, als würde sie etwas zitieren, das sie in irgendeiner Esoterik-Zeitschrift gelesen hatte. Egal was Lisa mit mir hier draußen vorhatte, aus diesen Sprüchen wurde ich nicht schlau. Einheit mit dem Universum. Das klang für mich eher wie ein Spruch aus der Bibel – oder viel schlimmer: wie von einer Sekte. War Lisa ein Mitglied einer Sekte? Brachte sie mich deshalb nach Kanada in die Einöde? War sie vielleicht jemand, der neue Mitglieder anschleppte? Im Fernsehen hatte ich Berichte über solche Sekten gesehen. Sie bewohnten ganze Dörfer, blieben unter sich und waren davon überzeugt, dass allein ihr Glaube der richtige Weg war. Die Mädchen wurden jung verheiratet und niemand konnte aus dem Dorf fliehen und wenn es doch jemandem gelang, wurde er gewaltsam zurück geholt.
Aber passte das alles zu der Lisa, die ich kannte? Ich konnte es mir nur schwer vorstellen. Dennoch wollte ich versuchen, irgendetwas von ihr zu erfahren. »War der weise Mann vielleicht Priester oder so was?«
Lisa lachte. »So etwas Ähnliches. Du wirst ihn kennenlernen. Vielleicht verstehst du es ja dann.«
Nun verstand ich gar nichts mehr.