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Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg

Die Entstehung der U-Boote: Vom Ein-Mann-Tauchboot zu Jules Vernes‘ Traum

Die Entstehungsgeschichte der U-Boote ist von waghalsigen Experimenten und vielfältigen Rückschlägen über einen Zeitraum von hundert Jahren gekennzeichnet. Dabei stand ihr militärischer Einsatz im Vordergrund. Bei dem Entwurf, dem Bau und der Erprobung von Unterwasserfahrzeugen stellten sich folgende Fragen: Wie konnte ein Boot zum Ab- und Auftauchen gebracht werden? Wie konnte es unter Wasser angetrieben werden? Wie konnte es bei rascher Fahrt unter Wasser stabil gehalten werden, ohne unvorhergesehen aufzutauchen oder auf Grund zu laufen? Wie konnte die Besatzung mit Atemluft versorgt werden? Und wie konnten Sprengladungen ins Ziel gebracht werden, ohne das U-Boot selbst zu beschädigen oder zu zerstören?

Die amerikanische „Turtle“: Das erste militärische U-Boot

1775 entwarf der Amerikaner David Bushnell an der Yale-Universität kurz vor Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs das erste U-Boot, die „Turtle“, um die Schiffe der überlegenen britischen Marine bedrohen zu können. Die holzförmige 2,30 Meter hohe eiförmige Holzkonstruktion war mit Pech abgedichtet und verfügte über Ballasttanks. In diese Tanks am Boden der Konstruktion wurden 450 Liter Wasser eingelassen, um das im Leerzustand 550 kg schwere Boot zum Tauchen zu bringen. Es gab nur einen einzigen Mann an Bord. Dieser konnte das Boot wieder zum Auftauchen bringen, indem er mit einer Handpumpe Luft aus dem Bootsinneren in die Ballasttanks pumpte und damit das Wasser wieder aus den Tanks hinauspresste. Um das Boot vorwärtszubewegen, musste der Mann über Pedale in nahezu völliger Dunkelheit einen Propeller bewegen, mit dessen Hilfe das Boot langsam vorankam. Am oberen Rand der Konstruktion befand sich eine Luke mit kleinen Fenstern, aus denen der Mann feindliche Schiffe erkennen sollte und durch die Licht in das Bootsinnere eindrang. Man vermutet, dass die Luft in dem Gefährt bei großer körperlicher Anstrengung nach etwa einer Viertelstunde aufgebraucht war.


Nachbau der „Turtle“ im Ozeanographischen Museum von Monaco

Finanziert wurde das Boot größtenteils durch den Uhrmacher Isaac Doolittle, in dessen nur einen halben Straßenblock von Yale entfernter Werkstatt die mechanischen Teile des U-Boots gefertigt wurden. David Bushnells Bruder Ezra und ein befreundeter Zimmermann bauten die Hülle des Boots. David Bushnell hatte nicht nur die „Turtle“ entworfen, sondern auch in Versuchen nachgewiesen, dass Sprengstoff unter Wasser explodieren konnte. Außerdem erfand er den ersten Zeitzünder, der ebenfalls auf der „Turtle“ zum Einsatz kommen sollte.

Die „Turtle“ war mit einer primitiven Zeitbombe ausgestattet, die am Rumpf eines feindlichen Schiffs befestigt werden sollte. Die Sprengladung war außen an der „Turtle“ befestigt. Der Mann im Inneren sollte mittels eines außen angebrachten Bohrers ein Loch in den Rumpf des Schiffs bohren und an diesem Loch anschließend die Sprengladung befestigen. Danach sollte er sich in Sicherheit bringen bevor der Zeitzünder die Explosion auslösen würde.

Nach der Unabhängigkeitserklärung der USA am 4. Juli 1776 blockierten britische Kriegsschiffe amerikanische Häfen, um den Aufstand gegen die britische Krone zu ersticken. Die Revolutionäre setzten das U-Boot ein, um eines der britischen Kriegsschiffe vor New York zu versenken. Für den Einsatz wurden mehrere Freiwillige ausgebildet. Am 6. September 1776 wurde die „Turtle“, so amerikanische Quellen, mit Leutnant Ezra Lee an Bord von Ruderbooten im Dunkeln aus dem Hafen von New York in die Nähe des britischen Kriegsschiffs „HMS Eagle“ gezogen, dem Flaggschiff der britischen Flotte. Es gelang Lee jedoch angeblich nicht, ein Loch in den Rumpf zu bohren, so dass er erfolglos zurückkehren musste. Für George Washington war Ezra Lee ein Held.1 Der britische Marinehistoriker Richard Compton-Hall bezweifelt jedoch, dass der Angriff überhaupt stattgefunden hat. Aufgrund der Gezeitenströmungen und anderer technischer Probleme habe Ezra Lee die „HMS Eagle“ gar nicht erreichen können, ohne vor Anstrengung zusammenzubrechen. Der angebliche Angriff sei eine Finte amerikanischer Propaganda gewesen, um die Moral der Verteidiger zu stärken.2 Wie dem auch sei: die „Turtle“ war das erste tauchfähige und bewaffnete U-Boot, gebaut mehr als hundert Jahre bevor U-Boote Teil des Standard-Arsenals von Seestreitkräften wurden.

Die „Nautilus“ von Robert Fulton: Wunderwaffe für Napoleon

Das zweite U-Boot wurde ebenfalls von einem Amerikaner erfunden, dem Ingenieur Robert Fulton. Als 21-jähriger reiste er nach London und machte sich dort trotz seiner Jugend bald einen Namen als Erfinder von neuartigen Kanalschleusen. Außerdem versuchte er sich als Maler, allerdings mit begrenztem Erfolg. Als der inzwischen 32-jährige 1797 nach Paris kam, voller Sympathie für die Ideen der Revolutionäre, hatte er bereits seit einigen Jahren an Plänen für Dampfschiffe und auch für ein U-Boot gearbeitet. Seine Motivation beschrieb er wie folgt: Er wolle die Übermacht der europäischen Seestreitkräfte brechen und so den freien Seehandel fördern, der unter der „lizenzierten Räuberei“ der Europäer litte. Den Bau seines U-Boots finanzierte er mit Hilfe eines niederländischen Förderers und dadurch, dass er ein Panorama von Paris malte und dafür Eintritt verlangte.3 Das sechseinhalb Meter lange, aus Kupferplatten bestehende U-Boot „Nautilus“ wurde auf einer Werft in Rouen gebaut und im Juli 1800 erstmals auf der Seine getestet. Entgegen seiner hehren Bekenntnisse zur Befreiung der Meere hatte Fulton jedoch keine Hemmungen, sein U-Boot Napoleon anzupreisen. Die neue Wunderwaffe, so Fulton, könne bei der damals geplanten Invasion Großbritanniens gegen die überlegene britische Marine von Nutzen sein. Aber Napoleon blieb skeptisch und ernannte ein Komitee zur Begutachtung des Prototyps. Bei den darauffolgenden Tests bewegte sich das unter Wasser von zwei Mann mit Kurbeln über eine Schiffsschraube angetriebene U-Boot schneller voran als ein Ruderboot mit zwei Ruderern. Über Wasser konnte die „Nautilus“ durch ein Segel vorangebracht werden. Ballasttanks im Kiel des Boots erlaubten das Tauchen und Auftauchen. Die „Nautilus“ tauchte fast acht Meter tief. In geringer Tiefe konnte sie dank der Luftversorgung durch einen Schnorchel aus wasserdichtem Leder viereinhalb Stunden unter Wasser bleiben. Außerdem besaß sie ein primitives Periskop. Bewaffnet war die „Nautilus“ mit einer Sprengladung an einem „Spier“ am Bug des Schiffs. Dieser sollte die Sprengladung in den Rumpf eines feindlichen Schiffs bohren. Wenn sich das U-Boot dann entfernte, entrollte sich ein Seil, über das dann die Sprengladung aus sicherer Entfernung zur Explosion gebracht werden konnte. Insgesamt hatte die „Nautilus“ einen besseren Antrieb und eine bessere Bewaffnung als die vergleichsweise primitive „Turtle“.

Das Komitee der französischen Marine, das die Versuche im Juli 1801 in Le Havre beobachtete, war begeistert und empfahl den Bau von zwei weiteren, größeren U-Booten. Zwei Monate später kam Napoleon, um das U-Boot persönlich in Augenschein zu nehmen. Allerdings hatte Fulton den Prototyp zu diesem Zeitpunkt in seine Einzelteile zerlegen lassen, weil er leckgeschlagen war. Zudem hatte Fulton aus nicht näher bekannten Gründen wichtige Teile der „Nautilus“ zerstören lassen. Napoleon war darüber so erbost, dass er sich mit Fulton, den er für einen Betrüger hielt, überwarf. Die beiden weiteren geplanten U-Boote wurden nicht gebaut. Fulton ging daraufhin nach England und bat der Royal Navy seine Pläne an, die aber kein Interesse zeigte.4 Aus Sicht der Engländer verstieß der Einsatz von Unterwasserfahrzeugen gegen den Ehrenkodex der Marine. So schrieb die englische Marinezeitung Naval Chronicle 1805: „Unsere bedauernswerten Schlachtschiffe werden durch schreckliche und unbekannte Geräte, unsere Fregatten durch Unterwasserminen, unsere Steuermänner durch Taucher und unsere mutigen Matrosen durch Mörder unter Wasser ersetzt werden!“5

Danach sollte ein halbes Jahrhundert lang vergehen, bis ein weiteres U-Boot gebaut wurde.

Der deutsche „Brandtaucher“: Ein misslungener Tauchgang

Ab 1848 erstarkte in Schleswig-Holstein, das damals unter der Herrschaft des dänischen Königs stand, das deutsche Nationalbewusstsein. Die deutschen Nationalisten forderten eine Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund und griffen dänische Truppen an. Die dänische Marine beherrschte allerdings die See. In dieser Situation entwarf der Deutsche Wilhelm Bauer ab 1849 ein U-Boot namens „Brandtaucher“, um es gegen die Dänen einzusetzen. Wie seine Vorgänger war es durch Muskelkraft angetrieben. Mit Stulpenhandschuhen und Greifarmen sollten aus dem Inneren des Boots Brandsätze an den Pfeilern hölzerner Brücken oder am Rumpf von Schiffen angebracht werden. Bauer wandte sich damit an die neu gegründete Flottille des Herzogtums Schleswig-Holstein, die eine Kommission einsetzte, um die Idee zu begutachten. Die Kommission empfahl, keine Mittel zu bewilligen, weil das U-Boot „nur unter sehr günstigen Umständen wird mit Erfolg angewendet werden können“.6 Bauer ließ sich nicht entmutigen und sammelte mit Unterstützung von Offizieren der Flottille in ganz Deutschland Gelder für sein Projekt. Schließlich bewilligte das Herzogtum dann doch noch Mittel, die zusammen mit den Spenden zum Bau eines einfachen Boots ausreichten, aber nur unter Inkaufnahme von Kompromissen. So wurde die Bootswand halb so dünn gemacht wie geplant und es wurde auf die von Bauer vorgesehenen Ballasttanks verzichtet. Stattdessen wurde das Boot so gebaut, dass der Innenraum selbst teilweise geflutet werden musste, um abzutauchen.


Modell des von Wilhelm Bauer entwickelten, mit Muskelkraft angetriebenen „Brandtauchers“ im Historischen Museum in München

Am 1. Februar 1851 fand in der Kieler Förde der erste Tauchversuch des Brandtauchers statt. Er ging in aller Öffentlichkeit gründlich schief. Bauer hatte um mehr Zeit gebeten, um Verbesserungen vorzunehmen, aber seine Bedenken wurden beiseite gewischt, da die Militärs hofften, den Brandtaucher bei einer Wideraufnahme der Kämpfe einsetzen zu können.

Bauer und zwei andere Männer stiegen selbst in das Boot. Das Boot tauchte zweimal erfolgreich. Als das Boot ein drittes Mal geflutet wurde, kippte es nach hinten. Der Besatzung gelang es nicht, mit den an Bord befindlichen Handpumpen ausreichend Wasser aus dem Boot zu pumpen, um es zu stabilisieren. Während das Boot langsam auf den sieben Meter tiefen Grund sank, drang Wasser durch die undichten Wände ein. Die Männer konnten die Ausstiegsluke wegen des Wasserdrucks nicht öffnen. Sechs Stunden lang harrten sie in Dunkelheit und Kälte aus, während der Wasserspiegel im Boot langsam anstieg. Erst dann entsprach der Innendruck dem Außendruck: die Männer konnten die Luke öffnen, und es gelang ihnen aufzutauchen.7 Die Armee Schleswig-Holsteins wurde zwei Monate später auf Druck Preußens aufgelöst. Weder Schleswig-Holstein noch Preußen trieben die Entwicklung von U-Booten danach weiter voran.

Die „Wilhelm Bauer“ brachte keinen technischen Fortschritt gegenüber den Vorgängermodellen. Allerdings gelang ihrer Besatzung der erste, zwar unfreiwillige, aber erfolgreiche Ausstieg aus einem getauchten U-Boot.

Die französische „Plongeur“: Scheitern des Pressluftantriebs

In Frankreich wurde zu jener Zeit an der Entwicklung eines weit fortschrittlicheren U-Boots gearbeitet. Das Boot namens „Plongeur“ wurde nicht mehr mit Muskelkraft, sondern mit Pressluft angetrieben, die wiederum einen Propeller antrieb. Die Pressluft wurde auf einem Begleitschiff durch eine Dampfmaschine erzeugt und über Röhren in Tanks im Inneren des U-Boots geleitet. Die Drucklufttanks nahmen den größten Teil des 45 Meter langen und 426 Tonnen schweren Stahlboots ein. Außerdem trug das Boot seine Sprengladung an einem sieben Meter langen „Spier“, der vom Bug des Boots nach vorne ragte. Genau wie bei der „Nautilus“ sollte die mit einer speerförmigen Spitze versehene Sprengladung in einen hölzernen Bootsrumpf gerammt werden. Danach sollte das Boot rückwärtsfahren und über ein Kabel aus sicherer Entfernung den Zünder aktivieren. Die „Plongeur“ hatte eine zwölfköpfige Besatzung und konnte etwas über eine Stunde lang unter Wasser fahren.

Der moderne Antrieb schuf jedoch ein neues Problem. Weil Pressluft zum Antrieb des Motors ausgestoßen wurde, musste gleichzeitig immer eine präzise Menge Ballastwasser mit eingelassen werden, um den Auftrieb konstant zu halten. Da dies nie genau gelang und das Boot nur hinten über ein Höhenruder verfügte, stieg das Boot während der Fahrt immer wieder an die Oberfläche und sank dann wieder auf den flachen Meeresgrund in etwa zwölf Meter Tiefe. Gelegentlich rammte es dabei mit dem Bug in den Meeresboden. Ein Ingenieur schlug vor, auch im vorderen Bereich des Boots ein Höhenruder einzubauen, um die Stabilität besser zu gewährleisten, was jedoch abgelehnt wurde. Stattdessen wurden die Testfahrten aufgegeben. Das Boot, das seiner Zeit weit voraus war, wurde zu einem Wassertankschiff umgebaut, ohne jemals wieder zu tauchen.

Die amerikanische „C.S. Hunley“: Die erste Versenkung eines Kriegsschiffs durch ein U-Boot

Während des amerikanischen Bürgerkriegs kam ein einfacheres U-Boot als die „Plongeur“ zum Einsatz. Die Nordstaaten blockierten die Häfen der Südstaaten, die so vom Handel abgeschnitten waren. Die Südstaaten, die nur über wenige Kriegsschiffe verfügten, versuchten diese Blockade mit U-Booten zu brechen, die mit Muskelkraft angetrieben wurden. Die ersten Tests waren jedoch desaströs. Der Ingenieur Horace Lawson Hunley ließ drei U-Boote bauen und testen. Auf dem zweiten der Boote, der „American Diver“, wurden zunächst ein primitiver Elektromotor und dann eine Dampfmaschine eingebaut. Elektromotoren und Batterien waren damals bei weitem nicht so leistungsfähig wie heute. Die Dampfmaschine funktionierte natürlich nur über Wasser. Daher entschieden sich Hunley und seine Mitstreiter, wie bereits bei der „Nautilus“ und bei ihrem ersten U-Boot, der „Pioneer“, für Muskelkraft als Antriebsform mit Hilfe einer Kurbel. Technisch war das Boot kein Fortschritt gegenüber seinen Vorgängern.

Die „American Diver“ hatte fünf Mann Besatzung. Das Innere wurde durch Kerzen beleuchtet. Das Boot tauchte nicht wirklich tief unter, sondern nur knapp unter die Wasseroberfläche. Aufgrund des begrenzten Luftvorrats musste es regelmäßig auftauchen und die Luken öffnen. Die Reichweite war auf wenige Kilometer begrenzt. Der „American Diver“ gelang es nicht, einen erfolgreichen Angriff durchzuführen, bevor sie bei einem Sturm sank. Daraufhin entwickelte und finanzierte Hunley ein drittes, größeres Boot, das von acht Männern angetrieben wurde. Am 29. August 1863 sank das Boot vor Charleston bei einem Unfall, dessen Ursache ungeklärt blieb. Möglicherweise bediente der Navigator versehentlich die Höhenruder falsch, so dass das Boot mit geöffneten Luken steil nach unten fuhr. Fünf der acht Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Das Boot wurde gehoben und wieder eingesetzt.

Am 15. Oktober 1863 sank das Boot abermals. Hunley, der selbst mit an Bord war, und die übrigen sieben Besatzungsmitglieder erstickten vermutlich. Durch den Wasserdruck gelang es ihnen nicht mehr, die Luken des gesunkenen Boots zu öffnen. Erneut konnte das Boot gehoben werden. Die Leichen mussten vom Bergungskommando zersägt werden, um sie durch die engen Luken ziehen zu können. Von diesem Ereignis existiert ein Augenzeugenbericht:

„Das Schauspiel, was sich uns bot, war unbegreiflich grausam. Die unglücklichen Männer krümmten sich in den absonderlichsten Haltungen. Manche umklammerten Kerzen, offenbar vergeblich bemüht, die Luken zu öffnen. Andere lagen am Boden, fest ineinander verhakt. Die geschwärzten Gesichter von Verzweiflung und Todesqualen entstellt.“ 8


Die H.L. Hunley

Kurz darauf wurde eine neue Besatzung aus Freiwilligen zusammengestellt. Mitglieder des Bergungskommandos, das die Leichen aus dem Boot geholt hatte, gehörten zu den Freiwilligen. Sie bereiteten einen weiteren Angriff mit dem jetzt nach dem verstorbenen H.L. Hunley benannten Boot vor. Das Boot war, so wie die „Plongeur“, mit einem Spierentorpedo bewaffnet. Der neuen Besatzung gelang es schließlich, am 17. Februar 1864 vor Charleston ein Kriegsschiff der Nordstaaten, die „USS Housatonic“, zu versenken. Beim gleichen Einsatz verschwand jedoch das zwölf Meter lange Boot mit seiner Besatzung spurlos. Man vermutet, dass der Sprengkopf explodierte, als die „Hunley“ noch in direkter Nähe des Schiffs war. In diesem Fall hätte die Druckwelle der Explosion die Lungen der Männer auf der „Hunley“ zerstört und sie sofort getötet. Seitdem wurden Spierentorpedos nicht mehr eingesetzt.

Die „Hunley“ wurde in den 1970er Jahren auf dem Meeresboden entdeckt und im Jahr 2000 gehoben. Forschern gelang es, die bis dahin unbekannten Männer der Besatzung zu identifizieren. Dazu analysierten sie zunächst die Chemie der Zähne und Knochen der Männer. Dabei fanden sie heraus, dass vier der Männer sich vorwiegend von Mais ernährt hatten und daher wahrscheinlich in den USA geboren waren. Die vier anderen Männer hatten sich vorwiegend von Weizen und Roggen ernährt und waren daher wahrscheinlich Europäer. Ahnenforschern gelang es dann durch Vergleiche der DNA der Männer mit der DNA von möglichen Verwandten, alle acht Männer namentlich zu identifizieren. Einer der Männer, Arnold Becker, war demnach ein Deutscher.9


Die H.L.Hunley wird gehoben

Die spanische „Ictíneo II“: Das erste U-Boot mit chemischem Antrieb

In Spanien war der Katalane Narcís Monturiol 1859 der erste Ingenieur, der U-Boote für zivile Zwecke baute. Die „Ictíneo“ (Fischboot) war ein mit Muskelkraft betriebenes U-Boot zum Ernten von Korallen. Monturiol war auch Chemiker und beschäftige sich mit der Frage, wie die Atemluft bei längeren Aufenthalten unter Wasser erneuert werden konnte. Die „Ictíneo“ war das erste U-Boot, das mit einem chemischen Gerät zur Entfernung von Kohlendioxid aus der Atemluft ausgestattet war. Sie war damit ihrer Zeit weit voraus.

1867 entwickelte Monturiol dann die „Ictíneo II“, das erste U-Boot mit einem luftunabhängigen Verbrennungsmotor, das seiner Zeit auch weit voraus war. Der Motor war eine Dampfmaschine. Das Besondere an ihr war, dass sie nicht mit Kohle angetrieben wurde, sondern mit einer chemischen Reaktion aus Magnesiumperoxid, Zink und Kaliumchlorat, bei der Hitze entstand. Als einziges Abgas entstand dabei Sauerstoff, der in Tanks gesammelt wurde. Der Sauerstoff wurde dann für Lampen genutzt, um das Innere des Boots zu beleuchten, und um die Atmung der dreiköpfigen Besatzung bei längeren Tauchfahrten zu ermöglichen. Das Boot mit seinem kupferbeschichteten Holzrumpf konnte bis zu 30 Meter tief tauchen und war an der Wasseroberfläche bis zu acht km/h schnell. Durch das Füllen und Entleeren der Ballasttanks tauchte das Boot ab und auf, wobei zum Entleeren Handpumpen genutzt wurden, die nur ein langsames Auftauchen ermöglichten. Monturiol wollte auch dieses Boot zum Ernten von Korallen verwenden. So wie Wilhelm Bauer hatte er in einer Art frühem „Crowdfunding“ mit einem „Brief an die Nation“ private Geldgeber für den Bau des Boots gewonnen. Allerdings blieb der kommerzielle Erfolg aus. Erst danach wandte sich Monturiol an die spanischen Militärs, die letztendlich auch kein Interesse an Monturiols Vorschlägen zeigten, Raketen von dem U-Boot unter Wasser abfeuern zu lassen oder eine Kanone an einem Kran über Wasser heben und abfeuern zu lassen.10 Das Unternehmen von Monturiol musste schließlich Konkurs anmelden.


Nachbildung des mit einer luftunabhängigen Dampfmaschine angetriebenen „Ictineo II“ im Hafen von Barcelona

Durch die künstliche Erzeugung von Sauerstoff beim chemischen Antrieb des U-Boots und die chemische Bindung von Kohlendioxid hatte Monturiol Lösungen für zwei wichtige Probleme gefunden, den Unterwasserantrieb und die Versorgung mit Atemluft. Diese innovativen Technologien sollten erst viele Jahrzehnte später wieder auf U-Booten genutzt werden.11

Die „Sub Marine Explorer“: Tragischer Tod im Pazifik

Etwa zeitgleich entwickelte der Deutsch-Amerikaner Julius Kröhl ebenfalls ein U-Boot, das dem Ernten von Korallen und Perlen diente. Den Bau und Einsatz des Boots finanzierte der Unternehmer durch die Ausgabe von Aktien an der New Yorker Börse. Die zwölf Meter lange „Sub Marine Explorer“ wurde im Dezember 1866 in Einzelteile zerlegt und mit dem Schiff nach Panama gebracht und dort wieder zusammengebaut. Das Stahlboot konnte 40 Meter tief tauchen. Die Besatzung konnte durch Schleusen am unteren Rand des Boots aussteigen, um Austern und Perlen zu fischen. Die „Sub Marine Explorer“ war, so wie die „H.L. Hunley“, nur mit Muskelkraft angetrieben.

Anders als die „H.L. Hunley“ verfügte sie jedoch über Presslufttanks. Aus diesen Presslufttanks konnte Luft abgelassen werden, um den Druckausgleich beim Abtauchen vorzunehmen, denn das Boot hatte unten zwei offene Luken. Außerdem konnte mit der Pressluft Wasser aus den Ballasttanks gepresst werden, um das Boot zum Auftauchen zu bringen. Die Energie dafür kam von einer Dampfmaschine auf einem Begleitschiff, mit deren Hilfe die Presslufttanks – so wie auf der „Plongeur“ – befüllt wurden.


Das Wrack der „Sub Marine Explorer“ auf der Insel San Telmo im Golf von Panama

Nach den ersten Einsätzen starb Julius Kröhl, vermutlich an Malaria. Der zweiten Besatzung wurde genau die Fähigkeit, rasch auftauchen zu können, zum Verhängnis. Die Männer starben allesamt, und das U-Boot wurde aufgegeben. Noch heute liegt es verrostet am Strand der Insel San Telmo.12 Sehr wahrscheinlich war die Todesursache die damals noch unbekannte Dekompressionskrankheit. Wenn Menschen längere Zeit unter hohem Wasser- oder Luftdruck stehen, akkumuliert sich in ihrem Blut Stickstoff. Wenn sie dann rasch auftauchen, bildet der Stickstoff Bläschen, die dann mit einiger Verzögerung zu Unwohlsein bis hin zum Tod führen können. Erst 2001 wurde das Wrack von einem Unterwasserarchäologen identifiziert, nachdem es Einheimische bis dahin für ein Wrack eines japanischen Klein-U-Bootes aus dem Zweiten Weltkrieg gehalten hatten.13

Um 1870 ließ der Entwicklungsstand der U-Boote noch viel zu wünschen übrig. Die U-Boote waren langsam, ihre Reichweite war sehr begrenzt, sie verfügten über keine effektive Bewaffnung, und sie waren für ihre Besatzungen lebensgefährlich.

Jules Verne beflügelt die Phantasie der U-Boot-Erfinder

1869 veröffentlichte Jules Verne seinen Roman „Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer“. In dem Roman geraten Professor Aronax und zwei Begleiter an Bord des geheimnisvollen U-Boots „Nautilus“ unter seinem Kapitän Nemo. Die „Nautilus“, deren Namen Jules Verne zu Ehren von Robert Fulton gewählt hatte, versorgt sich ausschließlich aus dem Meer: Die Nahrung kommt von Meerestieren, die Energie indirekt aus unterirdischen Kohleflözen. Mit der Kohle wird in einem Unterseehafen Meerwasser destilliert, womit einerseits Trinkwasser gewonnen wird, andererseits Natrium, aus dem zusammen mit Quecksilber Natriumamalgam gewonnen wird. Aus diesem wird chemisch Strom erzeugt, womit die „Nautilus“ mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Stundenkilometern angetrieben wird. An Bord erleben Professor Aronax und seine Begleiter zahlreiche Abenteuer. Sie fahren zum Südpol, entdecken spanische Galeonen und das sagenumwobene Atlantis. Schließlich fliehen Aronax und seine Begleiter, während die „Nautilus“ vor Norwegen in den Strudel des Malstroms gerät.

Das Boot ist unbewaffnet bis auf einen Sporn, mit dem es Schiffe rammt. Damit sollen die nicht näher ausgeführten Ungerechtigkeiten gerächt werden, die Kapitän Nemo in seinem Leben auf Land erlitten hatte.

In dem Roman spann Jules Verne verschiedene Erfindungen – den von Monturiol entwickelten chemischen Antrieb, die damals gerade erst entdeckte Erzeugung von Strom und die Ballasttanks früherer U-Boote – weiter zu einem Gefährt, das den heutigen U-Booten nicht unähnlich war. Sein Roman inspirierte viele Konstrukteure von U-Booten, vor allem in Frankreich und in Amerika.

Die schwedische „Nordenfelt“: Das erste U-Boot mit einem Torpedo

Trotz der Inspiration durch Jules Verne gelangen in den folgenden knapp zwei Jahrzehnten nur wenige Fortschritte. Der erste wesentliche Fortschritt betraf die Bewaffnung. 1866 hatte der Engländer Robert Whitehead für die österreichungarische Marine den ersten Torpedo entwickelt. Er wurde mit Druckluft und Propellern angetrieben, aber zunächst nur auf Torpedobooten eingesetzt. Der englische Pfarrer und Erfinder George Garrett hatte erstmals Torpedos in externen Halterungen auf einem U-Boot anbringen lassen, der von ihm entworfenen und 1879 gebauten „Resurgam“. Das Boot ging allerdings auf einer Überfahrt unter.14

Der schwedische Ingenieur und Waffenhändler Nordenfelt beauftragte Garrett damit, 1885 ein weiteres U-Boot zu bauen, die Nordenfelt I. Dieses U-Boot feuerte erstmals einen Torpedo unter Wasser ab. Aber die Boote blieben militärisch dennoch wenig überzeugend. Das mit einer kohlebefeuerten Dampfmaschine angetriebene Boot hatte einen entscheidenden Nachteil. Beim Tauchen musste die Maschine abgestellt werden. Dank eines Drucktanks, in dem Dampf gespeichert wurde, konnte das Boot danach noch einige Stunden mit etwa 5 km/h halb untergetaucht fahren, während nur eine Glaskuppel aus dem Wasser ragte. Allerdings war das U-Boot schwer zu steuern und kam immer wieder vom Kurs ab. Nichtdestotrotz wurde die neue Erfindung aufwändig präsentiert. An den ersten Vorführungen des Boots ab dem 25. September 1885 bei Kopenhagen nahmen die dänische Königsfamilie, die dänischstämmige russische Zarin, der Prinz und die Prinzessin von Wales sowie Marineoffiziere aus zahlreichen europäischen Ländern, Japan, Brasilien und der Türkei teil. Das U-Boot feuerte bei dem dreitägigen Ereignis jedoch keinen einzigen Torpedo ab. Nordenfelt und Garrett, hatten nach dieser Demonstration auf Aufträge gehofft, die aber ausblieben.

Hier kam jedoch der in der heutigen Türkei geborene 36jährige Grieche Basil Zaharoff ins Spiel. Zaharoff, der für Nordenfelt arbeitete, gelang es, die griechische Regierung zum Kauf eines U-Boots zu bewegen. Das Boot wurde im April 1886 ausgeliefert und machte erste Seeversuche, die jedoch wenig erfolgreich waren. Die griechische Marine verweigerte die Abnahme, hielt die peinliche Episode jedoch geheim.

Zu dieser Zeit waren die Spannungen zwischen dem Osmanischen Reich und Griechenland auf einem Höhepunkt. Die Türken machten sich Sorgen, dass die Griechen sie mit ihrer neuen „Wunderwaffe“, deren Existenz Zaharoff ihnen nicht verheimlicht hatte, bedrängen könnten. Zaharoff bot den Türken eine größere, angeblich deutlich bessere Version des U-Boots mit drei Torpedos statt nur einem an. Die Türken bissen an und kauften gleich zwei dieser U-Boote, die in Einzelteilen nach Istanbul geliefert und dort unter Aufsicht europäischer Ingenieure zusammengebaut wurden.


Der Waffenhändler Basil Zaharoff verkaufte gleichzeitig U-Boote an Griechenland und an das Osmanische Reich, die kurz vor einem Krieg miteinander standen

Das erste Boot, die „Abdül Hamid“, lief im September 1886 vom Stapel. Die Tests waren allerdings ebenfalls wenig erfolgversprechend. Obwohl das Boot 30 Meter tief tauchen sollte, konnte es nur eine Tiefe von fünf Metern erreichen. Wenn das Boot durch den Wasserverbrauch der Dampfmaschine an Gewicht verlor, litt die Stabilität, ebenso wenn ein Torpedo abgefeuert wurde. Wenn die Besatzung sich im Boot nach vorne oder nach hinten bewegte, wippte es wie eine Schaukel nach vorne und hinten.

Zu einem Kampfeinsatz kam es nicht. Es ist unklar, ob die beiden Boote noch weiter von der Marine genutzt oder aufgegeben worden sind.15 Zaharoff legte mit dem Deal den Grundstein für seine Karriere als korrupter europaweiter Waffenhändler, die ihn zu einem der reichsten Männer seiner Zeit werden ließ. Garrett wanderte in die USA aus und verlor sein gesamtes Geld beim Versuch sich als Farmer zu etablieren. Inzwischen war er an Tuberkulose erkrankt, die er durch die lange Zeit an Bord von U-Booten sicher verschlimmert hatte. Er trat in die US-Armee ein, wobei er seine Krankheit verheimlichte. Dort fiel er durch Trunkenheit und Ungehorsam auf und starb einsam und verarmt.

Die ersten U-Boote mit Elektromotor: „Peral“ und „Gustave Zédé“

Ein Sprung in der Antriebstechnik und damit in der Reichweite und Geschwindigkeit der U-Boote gelang 1887. Dies geschah fast gleichzeitig in Spanien und in Frankreich. 1887 wurde im spanischen Cartagena die „Peral“ auf Kiel gelegt, ein rein elektrisch angetriebenes U-Boot mit 22 Metern Länge und einer Reichweite von 150 Kilometern. Das Boot war mit einem Torpedorohr ausgestattet, anstatt Torpedos seitlich mitzuführen. Dadurch wurde die Hydrodynamik des Boots verbessert, und es konnten Torpedos nachgeladen werden. Die spanische Marine hatte das Boot finanziert, die Seeerprobung war erfolgreich und ein zweites Boot wurde in Auftrag gegeben. Das Boot war mit seiner Leistung seiner Zeit etwa zehn Jahre voraus. Der Erfinder, Leutnant Isaac Peral, geriet jedoch mit der Marineführung in einen Streit darüber, welche Werft das zweite Boot bauen sollte. Im Ergebnis zog die Marine den Auftrag zurück, und Peral zerstörte das Innere des gebauten Boots und alle seine Pläne.16 Spanien wurde dadurch beim Bau von U-Booten um Jahrzehnte zurückgeworfen und von anderen Ländern überholt.

Die 18 Meter lange, ebenfalls elektrisch angetriebene „Gymnote“ wurde zeitgleich in Frankreich gebaut. Das Boot war von dem Erfinder Gustave Zédé, der mit Jules Verne befreundet gewesen war, entworfen worden. Nach dem Tod von Zédé wurde 1893 ein 45 Meter langes, nach ihm benanntes U-Boot gebaut. Auf der „Gustave Zédé“ waren leistungsfähige Batterien und ein starker Elektromotor installiert. Die Batterien alleine machten mit 130 Tonnen die Hälfte des Gewichts des Boots aus. Das Boot verfügte zunächst nur über externe Torpedos. 1897 wurde auf dem Boot ein Torpedorohr installiert. Außerdem verfügte die „Gustave Zédé“ erstmals über einen Turm mit Periskop. Das Boot konnte 400 km über Wasser oder 18 Stunden lang 200 km unter Wasser zurücklegen und hatte eine Besatzung von 16 Mann. 1901 gelang es der „Gustave Zédé“, bei einem Manöver unbemerkt so nahe an ein französisches Schlachtschiff heranzukommen, dass sie das Schiff hätte versenken können. Danach begannen die Militärs aufzuhorchen: U-Boote konnten Kriegsschiffen also durchaus gefährlich werden.

Die „USS Holland“: Das erste U-Boote mit Verbrennungsmotor und elektrischem Antrieb

Angesichts der französischen Erfolge beim Bau von U-Booten befürchtete die US Navy ins Hintertreffen zu geraten. Sie wandte sich daher an einen Ingenieur, der seit zwei Jahrzehnten fieberhaft experimentelle U-Boote baute: den irischamerikanischen Erfinder John Philip Holland. Er hatte nicht weniger als fünf U-Boote gebaut, die zwar einsatzfähig waren, aber aus den verschiedensten Gründen nie in Dienst gestellt wurden. Seinen ersten Entwurf bezeichnete die US Navy als „nicht einsatzfähig“. Holland baute dennoch mit Geldern irischer Freiheitskämpfer zwei Boote, die mit ihnen gegen die Briten kämpfen wollten. Das erste, sehr kleine Boot wurde nach erfolgreichen Testfahrten versenkt, weil Gelder für ein größeres, wirksameres Boot in Aussicht gestellt wurden. Das zweite Boot wurde zwar gebaut, aber Holland geriet mit den irischen Freiheitskämpfern wegen der Bezahlung in Streit. Diese entführten es daraufhin und lagerten es in einem Schuppen ein, weil sie es ohne Hollands Hilfe nicht bedienen konnten.

Danach musste Holland mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln arbeiten. Sein drittes Boot sank beim Stapellauf, das vierte wurde beim Stapellauf schwer beschädigt. Für das fünfte Boot fand Holland dann einen privaten Kapitalgeber und gewann eine lukrative Ausschreibung der US Navy. Das Boot musste allerdings einen Dampfmaschinenantrieb verwenden, weil die US Navy es so wollte. Holland war überhaupt nicht von diesem Konzept überzeugt und brach den Bau ab.


J.P. Holland in der Luke eines von ihm entwickelten U-Boots

Danach begann er, ein Boot nach seinem eigenen Konzept zu bauen, das durch die Kombination eines Petroleummotors mit einem Generator, einem Elektromotor und Batterien angetrieben wurde. Bei der Überwasserfahrt konnte der starke Petroleummotor den Generator antreiben und die Batterien aufladen. Bei der Unterwasserfahrt wurde das Boot durch den batteriegespeisten, schwächeren, aber luftunabhängigen Elektromotor angetrieben. Der Benzinmotor der „USS Holland“ hatte eine mehr als fünfmal größere Reichweite als der batteriebetriebene Elektromotor der „Gustave Zédé“, nämlich 2.100 km. Die US Navy testete das 1897 gebaute Boot. Schließlich kaufte die US-Regierung die „USS Holland“ nach zwei Jahren und stellte sie als erstes U-Boot in Dienst. Mit ihren sechs Mann Besatzung, 16 Metern Länge, 65 Tonnen Verdrängung und ihrem Torpedorohr war sie durch seinen Antrieb damals ein Quantensprung in der Technologie-Entwicklung. An diesem Antriebskonzept orientierten sich alle weiteren U-Boote bis zur Entwicklung der Atom-U-Boote.

Die von Holland gebauten Boote hatten allerdings einen entscheidenden Nachteil: Sie nutzten keine Ballasttanks. Um zu tauchen wurden seitlich angebrachte Ruder genutzt, die das fahrende Boot unter Wasser drückten. Dadurch tauchte das Boot jedoch immer wieder abwechselnd auf und unter, wie eine Schildkröte, und konnte nicht lange im Verborgenen bleiben. Der amerikanische Ingenieur Simon Lake, der mit Holland konkurrierte, hatte ein U-Boot entwickelt, das mit Hilfe von Ballasttanks in horizontaler Lage ab- und auftauchen konnte. Der Petroleummotor seines Boots, der „Argonaut“, wurde unter Wasser durch Presslufttanks mit Luft versorgt. Das Design von Lake war nach der Aussage eines Experten der US Navy dem Design von Holland überlegen. Dennoch hatte die US-Regierung, auch aufgrund des Einflusses des US-Kongresses, die Prototypen von Simon Lake zugunsten des Designs von J.P. Holland abgelehnt. Die Electric Boat Company hatte wirksame Lobby-Aktivitäten entfaltet, die von Lake als „zweifelhaft und verwerflich“ verurteilt wurden.

Der amerikanische Patriot Lake, dessen Kapitalgeber ungeduldig wurden, bot daher nach zehnjährigen erfolglosen Verhandlungen mit der US Navy anderen Ländern, darunter Japan und Russland, sein Boot zum Verkauf an.

Das erste russische U-Boot

Iwan Bubnow, der Vater des russischen U-Boot-Baus, hatte mit 24 Jahren sein Ingenieursstudium an der Marineakademie Nikolajew in Sankt Petersburg abgeschlossen und zunächst am Entwurf und Bau von Schlachtschiffen gearbeitet. Im Januar 1901 entschied sich die russische Marine dafür, ein U-Boot entwerfen zu lassen und erteilte den Auftrag dafür einer dreiköpfigen Kommission unter der Leitung des 28jährigen Bubnow. Nach nur vier Monaten wurde der Entwurf fertiggestellt, nach einem Monat wurde er akzeptiert und bereits ein Jahr später lief das erste russische U-Boot, die „Delfin“, vom Stapel. Das Boot verfügte, ebenso wie die „USS Holland“, über einen Verbrennungsmotor für die Fahrt über Wasser und einen Elektromotor für die Fahrt unter Wasser. Es war mit zwei externen Torpedos bewaffnet und hatte eine Besatzung von 22 Mann. Allerdings war dieses erste Boot noch von einer Reihe technischer Probleme geplagt, wie sich bald herausstellen sollte.

Der russischjapanische Krieg: U-Boot-Transport mit der Transsibirischen Eisenbahn

In der Nacht auf den 9. Februar 1904 begann Japan einen Eroberungskrieg gegen Russland und China, indem es den russischen Flottenstützpunkt Port Arthur im Gebiet des heutigen Chinas angriff. Durch die Neutralisierung der dort stationierten Kriegsschiffe konnten die Japaner das im Einflussbereich Chinas liegende Korea erobern. Die Russen befürchteten nun einen japanischen Angriff auf ihren zweiten Flottenstützpunkt am Pazifik, Wladiwostok. Die dort liegenden Kriegsschiffe waren der japanischen Flotte weit unterlegen. Um die Japaner vor einem Angriff abzuhalten, sollten die U-Boote zum Einsatz kommen. U-Boote galten damals als unberechenbar und potenziell hochgefährlich.

Die Russen hatten allerdings zu Beginn des Kriegs nur ein einziges U-Boot, das zudem am anderen Ende des riesigen Zarenreichs in Sankt Petersburg lag, die „Delfin“. Russland begann nach dem japanischen Angriff mit einem massiven Notprogramm zum Bau und Kauf von Kriegsschiffen und U-Booten. Hierfür wurde der Bau von sechs U-Booten der „Kasatka-Klasse“ in Auftrag gegeben, die Bubnow entworfen hatte. Vier der jeweils 142 Tonnen schweren Boote wurden nacheinander ab November 1904 mit der Transsibirischen Eisenbahn auf Spezialwagen nach Wladiwostok gebracht, wofür eigens Brücken auf der Strecke verstärkt werden mussten. Die Batterien und Motoren mussten aus den U-Booten entfernt werden, um ihr Gewicht auf unter 100 Tonnen zu reduzieren.17

Parallel dazu verhandelten die Russen mit deutschen und amerikanischen Unternehmen über den Kauf von U-Booten. Im Mai 1904 kauften die Russen das auf der Germaniawerft in Kiel gebaute Kleinst-U-Boot „Forelle“. Die Germaniawerft hatte das Boot auf eigene Kosten bauen lassen und gehofft, die kaiserliche Marine würde es kaufen. Aber die Kriegsmarine war nicht an einem Kauf interessiert. Das Boot verfügte ausschließlich über einen Elektroantrieb, so dass seine Reichweite mit etwa 40 km sehr begrenzt war. Die Russen kauften das Boot jedoch in ihrer Verzweiflung und gaben gleich den Bau drei weiterer größerer U-Boote in Kiel in Auftrag. Die „Forelle“ brachten sie mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok, wo sie bereits im Oktober 1904 in Dienst gestellt wurde.

Die Russen kauften außerdem dem Amerikaner Simon Lake ein Boot, die „Protector“, ab. Sie brachten Lake sogar persönlich zusammen mit seinem Boot 1904 in einer geheimen Aktion nach Russland. In Libau im heutigen Lettland musste die „Protector“ in Konkurrenz zu den Prototypen anderer Hersteller einen Test bestehen: Sie mussten eine 13 Kilometer lange Strecke in einem sich windenden, engen Kanal zwischen der offenen See und einem geschützten Militärhafen unentdeckt überwinden. J.P. Holland und eine französische Firma lehnten die Teilnahme an dem Wettbewerb ab, weil sie nicht glaubten, ihn bestehen zu können. Die „Protector“, die über Räder verfügte, um unter Wasser in geringer Tiefe auf dem Meeresgrund fahren zu können, tauchte hingegen nach zwei Stunden Fahrt durch den Kanal unentdeckt neben einem Kriegsschiff im Militärhafen auf. Die russische Marine gab Lake daraufhin einen Vertrag zum Bau fünf weiterer U-Boote, die als „Osetr-Klasse“ in Dienst gestellt wurden.18 Die „Protector“ selbst wurde per Eisenbahn an die russische Pazifikküste transportiert.19

Gleichzeitig kauften die Russen bei der Electric Boat Company in den USA das von J.P. Holland entworfene, benzinelektrisch angetriebene U-Boot „Fulton“, zerlegten es in seine Einzelteile und transportierten es ebenfalls im Geheimen per Schiff nach Sankt Petersburg. In Sankt Petersburg wurde das U-Boot wieder zusammengebaut und als „Som“ von der russischen Marine in Dienst gestellt und erprobt. Sechs weitere Boote wurden bestellt und später in Sankt Petersburg von der Electric Boat Company gebaut. Die „Som“ wurde ebenfalls per Eisenbahn nach Wladiwostok gebracht, wo sie im Oktober 1904 eintraf. Wegen zahlreicher technischer Probleme und wegen fehlender Torpedos war sie allerdings erst im Frühjahr 1905 einsatzbereit.

Die „Delfin“, das erste russische U-Boot, war am 29. Juni 1904 bei einer Testfahrt auf der Newa gesunken, wobei 25 Männer ums Leben gekommen waren. Sie wurde wieder gehoben und auch per Eisenbahn und einer neuen Besatzung nach Wladiwostok gebracht, wo sie Ende 1904 eintraf.

Im März 1905 verfügte die russische Pazifikflotte also über zwölf U-Boote: die in ihrer Reichweite sehr eingeschränkte in Deutschland hergestellte „Forelle“; die in Russland gebaute „Delfin“; die in den USA hergestellte „Som“ und ein weiteres in Russland gebautes Boot der Som-Klasse namens „Schuka“; zwei Boote der „Osetr“-Klasse, darunter die in den USA gebaute ex-„Protector“; und die vier in Russland gebauten Boote der „Kasatka-Klasse“. Die Boote fuhren in den Küstengewässern Patrouillen, um die Japaner vor einem Angriff abzuschrecken. Dabei blieben sie an der Oberfläche, um gut sichtbar zu sein. Ansonsten – so die Annahme - hätten sie ihre abschreckende Wirkung nicht erzielt. Am 29. April traf die „Som“ auf japanische Zerstörer, tauchte vor den angreifenden Zerstörern ab und versuchte anzugreifen. Aber der Gegner war bereits außer Reichweite, als das U-Boot zum Feuern bereit war.20 Tatsächlich griffen die Japaner die in Wladiwostok eingeschlossene russische Pazifikflotte nicht an. Stattdessen stellten sie die um Afrika herbeigefahrene russische Ostseeflotte Ende Mai in der Schlacht bei Tsushima, wobei die russische Flotte vernichtet wurde. Der Krieg endete einige Monate später mit einer russischen Niederlage, ohne dass ein U-Boot im Kampf eingesetzt worden war. Die Japaner hingegen hatten der Welt gezeigt, dass sie als einzige asiatische Nation ihrer Zeit eine ernstzunehmende Großmacht waren.

U-Boote im Kaiserreich: „Blinde Maulwürfe“?

Deutschland hinkte beim Bau von U-Booten Anfang des 20. Jahrhunderts anderen Ländern hinterher. Für den Leiter des kaiserlichen Marineamts, Großadmiral Alfred von Tirpitz, waren U-Boote "lahme Enten" und "blinde Maulwürfe". Er setzte auf den Bau großer Panzerschiffe. Obwohl Kaiser Wilhelm II. im Herbst 1903 das von der Germaniawerft auf eigene Kosten gebaute U-Boot „Forelle“ besucht hatte und des Kaisers jüngerer Bruder und Generalinspekteur der Kaiserlichen Marine, Prinz Heinrich von Preußen, eine Fahrt auf dem U-Boot unternommen hatte, blieb die Marineführung skeptisch. Erst als Franzosen, Briten, Amerikaner und Russen über funktionsfähige U-Boote verfügten, zog die kaiserliche Marine widerstrebend nach. 1904 ließ sie den Bau eines U-Boots bei der zu Krupp gehörenden Germaniawerft in Kiel in Auftrag geben. Selbst der mit der Konstruktion beauftragte Ingenieur Gustav Berling war angesichts der Aufgabe "ganz niedergeschlagen", hielt er doch U-Boote für "großen Unsinn". Dennoch wurde U 1 gebaut und 1906 als erstes U-Boot in den Dienst der kaiserlichen Marine gestellt.21 Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kam U 1 ins Deutsche Museum nach München, wo sie bis heute ausgestellt wird.

Im Jahr 1909 fand eine wesentliche Ergänzung der Bewaffnung statt, indem U 3 als erstes U-Boot mit einer Bordkanone ausgestattet wurde. Damit sollten U-Boote an eine neue Rolle angepasst werden, nämlich das Aufbringen von Handelsschiffen. Mit der Bordkanone konnten Warnschüsse abgegeben werden, um ein Handelsschiff zum Stoppen zu bringen. Außerdem konnten Handelsschiffe mit den Bordkanonen versenkt werden, nachdem ihre Besatzung von Bord gegangen war, ohne die wenigen teuren Torpedos zu „opfern“. Die Bewaffnung wurde somit einer neuen Einsatzform angepasst, die im Ersten Weltkrieg besondere Bedeutung erhalten sollte.

Fazit

U-Boote waren von Anfang an als „Waffe des kleinen Mannes“ für den Einsatz gegen überlegene gegnerische Seestreitkräfte vorgesehen: von den Amerikanern im Unabhängigkeitskrieg und den Franzosen zu Zeiten Napoleons gegen die Briten, von den Deutschen in der Schleswig-Holsteinischen Erhebung gegen die Dänen; von den Südstaaten im Amerikanischen Bürgerkrieg gegen die Nordstaaten; und vom russischen Zarenreich im Pazifik gegen die Japaner.

Nach einem halben Jahrhundert des Experimentierens war um das Jahr 1900 ein funktionsfähiger militärischer U-Boot-Typ entwickelt worden, dessen Antriebssystem und Ballastmechanismus bis heute Standard auf allen nichtmit Atomkraft angetriebenen U-Booten sind. Ungelöst blieb damals noch das Problem der Atemluftversorgung. Aus diesem Grund und zum Aufladen ihrer Batterien mussten die damaligen U-Boote regelmäßig auftauchen. Trotz dieser Schwäche sollten sich U-Boote im Ersten Weltkrieg als tödliche Waffe erweisen.

Der Erste Weltkrieg: Von Experimentalbooten zum Schrecken Englands

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs besaßen 14 Marinen auf der ganzen Welt 400 U-Boote.22 Dennoch hatten die Admiräle keine klare Vorstellung davon, wofür sie U-Boote einsetzen wollten. Sie hingen der Theorie Alfred Thayer Mahans an, dem einflussreichsten Theoretiker des Seekriegs im ausgehenden 19. Jahrhundert. Mahan sagte, dass es nicht möglich sei, alle Handelsschiffe auf dem Weltmeer mit Kriegsschiffen zu schützen. Stattdessen sollten Kriegsschiffe an einer Stelle konzentriert werden und dort ihre Übermacht in einer Seeschlacht ausspielen. Dadurch könne ein Land den Seehandel kontrollieren, Landungen an beliebigen Stellen durchführen, und mit einem globalen Netz an Stützpunkten zur Weltmacht werden. U-Boote spielten in dem Konzept keine Rolle, weil es sie noch nicht gab, als Mahan seine Theorie entwarf. Die Admiräle setzten auf Schlachtschiffe und Kreuzer. Diese sollten in einer großen, entscheidenden Seeschlacht aufeinandertreffen, so wie es seit Jahrhunderten geschehen war.

U-Boote wurden von den Militärs mit gemischten Gefühlen betrachtet. Sie konnten Überwasserkriegsschiffe zerstören, ohne selbst entdeckt, geschweige denn zerstört zu werden. Sie versprachen daher eine wirksame Waffe zu sein, die einen raschen Sieg in einer Seeschlacht versprach. Aber genau aus diesem Grund galt der Einsatz von U-Booten seit den ersten Versuchen von Robert Fulton mehr als hundert Jahre zuvor als unmoralisch. U-Bootfahrer, so sagten damals viele Offiziere der Royal Navy, seien Kriminelle und Piraten, die gehängt werden sollten. Gentlemen führten Schlachten im Angesicht des Gegners, nicht feige aus dem Hinterhalt. Doch die Haltung der Royal Navy und der anderen Marineführungen der Zeit war zwiespältig: Auch wenn sie auf die U-Boot-Fahrer herabsahen ließen die Marinen Großbritanniens, Frankreichs, der USA, des deutschen Kaiserreichs, des Königreichs Italien, des Kaiserreichs Österreich-Ungarns, des russischen Zarenreichs und des japanischen Kaiserreichs U-Boote entwickeln und bauen. Die Royal Navy und die französische Marine hatten mit 76 bzw. 70 U-Booten die größten U-Boot-Flotten aufgebaut. Die meist adligen Offiziere auf Überwasserkriegsschiffen der Royal Navy sahen aber mit Verachtung auf die Offiziere herab, die sich gemeinsam mit ihren Matrosen auf engstem Raum in die dunklen, stinkenden Stahlrohre quetschten und sich die Hände schmutzig machten. Ein Gentleman, so die Meinung der meisten britischen Offiziere, tat so etwas nicht.23 Der britische Konteradmiral Arthur Wilson forderte noch Anfang des Jahrhunderts, alle U-Boote in Kriegszeiten als Piratenschiffe zu betrachten und ihre Besatzungen hinzurichten. U-Boote seien die „Waffe der Schwächeren“, auch der moralisch Schwächeren, und einer Nation wie Großbritannien unwürdig. Ein anderer britischer Admiral, Sir John Fisher, widersprach jedoch. Ihm zufolge boten U-Boote eine Gelegenheit, den Seekrieg zu revolutionieren. Fisher, der nach Nelson als die zweitwichtigste Person in der Geschichte der Royal Navy gilt, trieb den Ausbau der britischen U-Boot-Flotte in seiner Eigenschaft als höchster Offizier der Royal Navy (First Sea Lord) ab 1904 voran.

Eine der wenigen Zivilisten und möglicherweise die einzige Frau, die sich damals öffentlich zum Einsatz von U-Booten äußerte, war Clara Barton, die Gründerin des Amerikanischen Roten Kreuzes. Sie war vermutlich die erste Frau an Bord eines U-Boots, als sie 1899 von dem U-Boot-Entwickler Holland zu einer Testfahrt eingeladen wurde. Nach der Fahrt sagte sie Holland ins Gesicht, dass U-Boote ein „Instrument des Todes“ seien und sie schockiert darüber sei, dass ein Amerikaner solche Waffen entwickele. Holland entgegnete ein wenig kleinlaut, dass U-Boote durch ihre abschreckende Wirkung dem Frieden dienen würden. Die Geschichte der nächsten Jahrzehnte sollte Clara Barton Recht geben.24

Aber wozu sollten die U-Boote dienen? Ihre naheliegende „klassische“ Rolle war das Versenken gegnerischer Kriegsschiffe. Aber dafür waren die damaligen U-Boote höchstens in Küstengewässern geeignet, wo sie auf ihre Gegner lauern konnten. Denn sie waren meist deutlich langsamer als die Kriegsschiffe, die sie versenken sollten. Außerdem waren ihre Torpedos ungenau. Sie hatten keine Lenkung und einen Pressluftantrieb mit einer Reichweite von nur einigen Hundert Metern. Ihren Lauf konnten aufmerksame Schiffsbesatzungen anhand der aufsteigenden Luftblasen entdecken, so dass beschossene Schiffe ausweichen konnten. Zudem mussten U-Boote damals fast immer über Wasser fahren. Sie konnten nur für wenige Stunden mit Batterien und Elektroantrieb tauchen. Britische U-Boote waren im Ersten Weltkrieg tatsächlich vor allem dafür vorgesehen, bei einer Seeschlacht gegen die kaiserliche Marine in der Nordsee defensiv einzugreifen.

Erst mit Beginn des Ersten Weltkriegs entstanden neue Aufgaben für U-Boote. Eine dieser Rollen war die von „Kreuzern“, die gegen Handelsschiffe eingesetzt wurden. Kreuzer waren Schiffe, die im Meer kreuzten, bis sie feindliche Handelsschiffe fanden. Sie mussten dabei das Prisenrecht befolgen. Dies bedeutete, dass sie in internationalen Gewässern Schiffe durchsuchen und feindliche Ladung als sogenannte „Prise“ an sich nehmen durften. Wenn feindliche Schiffe militärische Ladung mitführten, durften sie versenkt werden. Die Besatzung der Schiffe musste jedoch zuvor in Sicherheit gebracht werden. Auch neutrale Schiffe konnten inspiziert werden, wobei in diesem Fall nur kriegswichtige Güter beschlagnahmt werden dürften. Diese in der Londoner Seerechtsdeklaration von 1909 niedergelegten Regeln waren als Gewohnheitsrecht in einer Zeit entstanden, als es noch kaum U-Boote gab. Aber wie sollten sich U-Boote an das Prisenrecht halten? U-Boote waren nicht in der Lage, die Besatzung von versenkten Schiffen an Bord zu nehmen. Aber sie konnten der Besatzung zumindest die Gelegenheit geben, einen Notruf abzusetzen und in die Rettungsboote zu steigen, auch wenn das genau genommen nicht den Bestimmungen der Londoner Seerechtsdeklaration entsprach. Klar war jedoch: U-Boote dürften unbewaffnete Handelsschiffe laut Völkerrecht nicht ohne Warnung mit Torpedos versenken. Daher wurden sie mit Deckkanonen ausgestattet. Mit diesen konnten Warnschüsse vor den Bug abgegeben werden, um Handelsschiffe zum Anhalten zu zwingen. Wenn militärische Ladung entdeckt wurde, konnten sie die Schiffe mit ihren Geschützen versenken, nachdem die Besatzung der Handelsschiffe in Rettungsboote gestiegen war. Alternativ konnten die Schiffe versenkt werden, indem Sprengladungen mit Zeitzündern angebracht wurden. In jedem Fall mussten U-Boote zuerst auftauchen, wodurch ihr größter Vorteil – ihre Unsichtbarkeit – aufgegeben wurde.


Das deutsche minenlegende U-Boot UC 1

Eine weitere Rolle, die kurz nach Beginn des Kriegs entstand, war die Blockade feindlicher Häfen durch das Verlegen von Seeminen. So wollte die kaiserliche Marine britische Häfen blockieren, die sie wegen der Übermacht der Royal Navy mit ihren Schiffen nicht erreichen konnte. Daher wurde der Bau von besonderen U-Booten in Auftrag gegeben, deren einziger Zweck das Legen von Seeminen war. Die Minen wurden durch Schächte aus dem U-Boot abgesenkt. Sie hatten Auftrieb, waren aber durch Gewichte am Boden befestigt, so dass sie knapp unter der Wasseroberfläche schwebten und bei Kontakt mit einem Schiff explodierten. 1915 kamen die ersten minenlegenden U-Boote der Klasse UC von Zeebrügge im besetzten Belgien aus zum Einsatz.25 Insgesamt legten die Deutschen während des Kriegs 50.000 Minen vor britischen, französischen und italienischen Häfen, größtenteils durch U-Boote.26 Alliierte Schiffe mit einer Verdrängung von 1,2 Millionen Tonnen, dem 30fachen der Titanic, wurden durch deutsche Seeminen versenkt.

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs bauten die Briten dann auch U-Boote, die der eigenen Flotte vorausfahren sollten, um Kriegsschiffe mit schweren Geschützen anzugreifen. Wenn sie eine gegnerische Flotte entdeckten, sollten sie unter ihr hindurch tauchen, überraschend im Rücken des Gegners wieder auftauchen und ihn beschießen, während die eigentliche Flotte den Gegner von vorne unter Beschuss nahm. Dafür wurden die U-Boote mit gigantischen Geschützen ausgestattet, deren Granaten jeweils 390 kg wogen. Zum Einsatz kamen diese Geschütze jedoch nie. Außerdem bauten die Briten gegen Ende des Kriegs mit der R-Klasse erstmals U-Boote, deren Hauptaufgabe der Angriff auf feindliche U-Boote war.

Zu der anfänglichen Unklarheit über die sinnvollste Einsatzart der U-Boote kam noch ihre technische Unzuverlässigkeit. Ihre Batterien waren riesig. Bei der britischen E-Klasse wogen sie 230 Tonnen und machten ein Drittel des Gesamtgewichts des Boots aus. Immer wieder kam es zu schweren Unfällen, weil die Boote mit leicht entflammbarem Benzin angetrieben wurden. Deswegen wich man auf das weniger leicht entflammbare Petroleum als Treibstoff aus. Petroleum hinterließ aber eine dunkle Rauchfahne, wodurch die U-Boote von weitem sichtbar waren. Die britische Marine setzte auch Dampfturbinen auf U-Booten der K-Klasse ein, die leistungsfähiger als die Benzin- und Petroleummotoren waren. Die Boote der K-Klasse waren als einzige damalige U-Boote schneller als deutsche Kreuzer. Sie waren jedoch so sehr von technischen Problemen geplagt, dass sie bald „Kalamity Class“ genannt wurde. Seewasser drang durch die niedrigen Schornsteine in die Boiler ein und brachte sie zum Erlöschen, und die Hitze der Dampfturbinen auf kleinem Raum war unerträglich. Wenn die Boote in einem Winkel von 30 Grad tauchten, bestand die Gefahr, dass ihr Bug bereits die zulässige Tauchtiefe überschritt, während das Heck noch aus dem Wasser ragte. Viele Boote der K-Klasse sanken, rammten andere Boote oder liefen auf Grund. Zu einem Kampfeinsatz kam es nicht. Außerdem waren U-Boote oft noch undicht, wodurch einige untergingen.

Die Lebensbedingungen auf U-Booten

Die Lebensbedingungen auf U-Booten der Zeit des Ersten Weltkriegs zählen wahrscheinlich zu den schlimmsten, die je auf U-Booten geherrscht haben.

Ein Offizier an Bord des deutschen U-Boots U 9 berichtete Folgendes:

„Die Batterien, die sich unter den Räumlichkeiten für die Mannschaften befanden und die mit Säure und destilliertem Wasser befüllt waren, gaben beim Be- und Entladen Wasserstoff ab. Dieser wurde durch die Entlüftung abgesaugt. Ein Ausfall der Belüftung bedeutete das Risiko einer Explosion – eine Katastrophe, die mehrere deutsche U-Boote ereilte. Wenn Meerwasser auf die Batterien gelangte, dann strömten sie giftiges Chlorgas aus. (…) In einer kleinen Ecke befand sich eine Toilette, die durch einen Vorhang vom Kommandoraum getrennt war. Als ich dies sah, verstand ich warum der Offizier, den ich abgelöst hatte, mir die Benutzung von Opium vor allen Fahrten, die länger als zwölf Stunden dauerten, empfohlen hatte (…) Die Koje des diensthabenden Offiziers war zu schmal, um auf dem Rücken zu liegen. Er war gezwungen, eingeklemmt (…) seitlich zu liegen. Er konnte auch nicht mit den Füßen nach hinten liegen, weil er sonst einen Kurzschluss an dem dort liegenden Sicherungskasten hätte auslösen können (…) wegen des das Boot umgebenden kalten Meerwassers kondensierte die Luftfeuchtigkeit im Bootsinneren. Dies war sehr unangenehm, weil bei jeder Bootsbewegung Kondenswasser auf das Gesicht des Schlafenden tropfte. Man versuchte dies zu verhindern, indem man Regenkleidung oder Gummiplanen über den Körper und das Gesicht zog. Es war wirklich wie in einem feuchten Keller.“ 27

Auf manchen Booten machten sich zudem Kakerlaken oder Ratten breit. Krankheiten waren an Bord Alltag, vor allem Lungenerkrankungen und Ohrenentzündungen. Viele Männer ruinierten sich auf Dauer ihre Gesundheit durch die Abgase und Chemikalien in der Atemluft. Zu ihnen zählte auch Georg Ludwig von Trapp, der drei Jahre lang österreichischungarische U-Boote im Mittelmeer kommandiert hatte. Von Trapp, der später als Vater der singenden Trapp-Familie sowie durch das Musical und den Film „The Sound of Music“ vor allem in Amerika Berühmtheit erlangen sollte, litt zeitlebens an Atembeschwerden.


Das Innere des versenkten deutschen U-Boots U 110 nach der Bergung durch die Briten 1918

Die ersten Boote hatten keine Kojen, außer einer für den Kapitän und den Ersten Offizier. Die übrigen Männer schliefen in Hängematten, die sie in die engen Gänge hingen. Eine Toilette gab es auf den ersten Booten nicht, sondern nur Kübel. Die Boote waren dunkel und nur von schwachen Lampen notdürftig beleuchtet. Die Lüftung war rudimentär. Die Luft war voll vom Gestank von Diesel, Motorenöl, Schweiß, Fäkalien und menschlichen Ausdünstungen. Während längerer Tauchfahrten in größerer Tiefe in der Nordsee, während derer die Dieselmotoren nicht liefen, wurde es im Inneren der Boote eiskalt. Während Überwasserfahrten konnte es im Maschinenraum unerträglich heiß werden. Wechselkleidung gab es während der oft wochenlangen Fahrten nicht. Eine Dusche gab es nicht an Bord.

Den Batterien musste regelmäßig möglichst reines Wasser hinzugegeben werden, um eine zu starke Konzentration der Säure in den Batterien zu verhindern. Da das in Tanks mitgeführte Süßwasser knapp war und der Wasserbedarf der Batterien groß war, blieb nur wenig Wasser für die Bedürfnisse der Besatzung übrig. Gekocht wurde, wenn überhaupt, auf dem Deck der U-Boote, um der Dunkelheit und der Enge für einen Moment zu entkommen. Dort konnte man sich auch mit einem Eimer Meerwasser „duschen“. Dies alles war natürlich nur bei gutem Wetter und ohne Feindkontakt möglich.

Eine weitere Gefahr war ein unerwarteter Anstieg der Konzentration geruchloser, tödlicher Gase wie Kohlendioxid und vor allem Kohlenmonoxid. Für diese Gase gab es damals noch keine Messgeräte. Es war jedoch bekannt, dass beim Anlassen der Dieselmotoren Kohlenmonoxid entsteht. Die ersten Dieselmotoren waren noch unzuverlässig. Oft waren nach dem Auftauchen mehrere Versuche erforderlich, bevor sie ordentlich liefen, wobei jedes Mal auf den schlecht ventilierten Booten die Kohlenmonoxid-Konzentration anstieg. Kohlenmonoxid und Kohlendioxid, dessen Konzentration bei längerer Unterwasserfahrt durch die Atemluft anstieg, konnten durch das Verteilen von Löschkalk in dem Boot gebunden werden. Um festzustellen, wann dies erforderlich war, wurden auf französischen U-Booten im Ersten Weltkrieg Hunde mit an Bord genommen. Dabei handelte es sich um Hunde verschiedener Rassen von Dackeln bis hin zu kleinen Schäferhunden, die von den Männern sehr geschätzt wurden und Maskottchen der Boote waren.

Hunde sind ebenso wenig wie Menschen in der Lage, Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid zu riechen. Sie zeigen jedoch rascher als Menschen Symptome einer erhöhten Konzentration dieser Gase. Da die Gase schwerer als Luft sind, sammeln sie sich zuerst am Boden des U-Boots. Hunde nehmen diese Gase also viel früher als Menschen wahr. Zu den Symptomen zählen Hecheln, unkoordinierte Bewegungen und Lethargie. Manche Hunde beginnen auch zu bellen. Wenn ein Hund Symptome zeigte, wurde er sofort an einen höheren Ort in Sicherheit gebracht. Auf diesem Weg haben Hunde Besatzungen von U-Booten vermutlich mehr als einmal das Leben gerettet.28

Trotz der schweren Bedingungen fanden sich während der ersten Kriegsjahre genügend Freiwillige für den Dienst auf U-Booten. Dies erklärt sich zum Teil dadurch, dass die Lebensbedingungen der Arbeiter und Bauern damals sehr hart waren. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Elitetruppe und der bessere Sold im Vergleich zum Dienst auf Schiffen waren sicher auch ein Anreiz. Zudem gab es großzügigeren Urlaub als auf Kriegsschiffen. Für den Urlaub wurden zeitweise sogar gute Hotels gebucht. Außerdem war der Einsatz auf U-Booten für Angehörige der kaiserlichen Marine die einzige Möglichkeit eines Kampfeinsatzes. Die Kriegsschiffe blieben fast während des gesamten Kriegs im Hafen, weil sie einer Schlacht mit der Royal Navy nicht gewachsen waren. Als die U-Boot-Flotte ab 1916 in Vorbereitung auf die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs massiv ausgebaut wurde, konnte der erhöhte Bedarf an seemännisch ausgebildeten Männern allerdings durch Freiwillige nicht mehr gedeckt werden. Daher wurden ab 1917 Soldaten zum Dienst auf deutschen U-Booten verpflichtet.

Die Mannschaften entstammten dem Arbeiter- und Bauernmilieu, während die Unteroffiziere und Offiziere aus dem Bürgertum stammten. Angehörige des Bürgertums konnten in der noch relativ jungen, in der Zeit vor dem Krieg rasch expandierenden kaiserlichen Marine leichter Karriere machen als beim Heer, dessen Offizierskorps damals noch fast ausschließlich aus Adligen bestand.

U-Boot-Kommandant Martin Niemöller

Einer derjenigen, die sich freiwillig zur U-Boot-Waffe meldeten, war der spätere Pfarrer und bekannte Friedensaktivist der fünfziger Jahre Martin Niemöller. Er war zunächst als Kadett, dann als Steuermann und schließlich als Erster Offizier im Mittelmeer und im Atlantik im Einsatz.


Martin Niemöller bei der Beförderung zum Oberleutnant der U-Boot-Waffe im Februar 1917

Die Boote, auf denen er Dienst tat, legten Minen und versenkten zahlreiche Handelsschiffe. Im November 1917 war er auf der U 151 vor Dakar im Senegal im Einsatz. An Bord eines der Schiffe im Hafen von Dakar wartete damals der als Reichsdeutscher von den Franzosen internierte, aus dem Elsass stammende Albert Schweitzer darauf, nach Frankreich gebracht zu werden. In einem Brief an Niemöller schrieb Schweitzer später: „Lieber Herr Niemöller, Sie haben mir also tatsächlich aufgelauert und nach dem Leben getrachtet. Wenn es Ihnen geglückt wäre, hätten Sie jetzt einen braven Kumpan weniger im Anti-Atom Kampf. Da es sich schon so gefügt hat, wollen wir umso besser zusammenhalten.“29

Britische Blockade Deutschlands

Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhängte Großbritannien mit seiner weit überlegenen Marine eine Blockade über die deutschen Häfen. Diese Blockade umfasste nicht nur deutsche Schiffe, sondern Schiffe aller Nationen mit jeglicher Fracht. So war es beispielsweise auch neutralen Schiffen mit Nitrat an Bord nicht gestattet, deutsche Häfen anzulaufen, weil Nitrat sowohl zur Herstellung von Kunstdünger als auch von Sprengstoff verwendet wurde. Die Unterbindung von Nitratlieferungen setzte der deutschen Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung anfangs stark zu, bis die Herstellung von künstlichem Nitrat gelang. Die Strenge der britischen Blockade wurde in den neutralen, mit Großbritannien sympathisierenden USA kritisiert.

Die Royal Navy hatte aufgrund ihrer militärischen Übermacht und der geographischen Gegebenheiten die Möglichkeit, die Blockade durch Kriegsschiffe und Minenfelder effektiv umzusetzen. Neutrale Handelsschiffe wurden inspiziert und durften, allerdings ohne verbotene Ladung, weiterfahren. Deutschland war zur See unterlegen und war deshalb nicht in der Lage, mit gleichen Mitteln eine Blockade Englands durchzusetzen. Die Alliierten verlegten fünf Mal mehr Seeminen als die Deutschen. Viele deutsche U-Boote wurden durch Minen versenkt.

Überraschender Erfolg von U 9 und die Entstehung des U-Boot-Mythos

Am 22. September 1914, kurz nach Beginn des Kriegs, versenkte das deutsche U-Boot U 9 unter dem Kommando von Kapitänleutnant Otto Weddigen drei ältere britische Kreuzer vor der niederländischen Küste mit Torpedos. Dieser Erfolg war durch die Unaufmerksamkeit und Unerfahrenheit der britischen Besatzungen zu erklären. Die Kreuzer waren zum Beispiel keinen Zickzack-Kurs gefahren. Als der erste Kreuzer getroffen wurde, ließen die beiden anderen Kreuzer Rettungsboote zu Wasser, anstatt zu fliehen. Dadurch wurden sie zu leichten Zielen für U 9. Dieser Erfolg konnte von anderen U-Booten nicht wiederholt werden, weil die Royal Navy nach diesem Desaster vorsichtiger wurde.

In Deutschland war mit der Versenkung der Mythos des erfolgreichen U-Boot-Einsatzes geboren worden: Mit begrenzten Mitteln war es einem einzigen Boot gelungen, drei Kriegsschiffe in kürzester Zeit zu versenken. Weddigen wurde als Kriegsheld gefeiert. Bierkrüge, Medaillen, Wandteller und Porträtbüsten von ihm wurden in großer Zahl in Umlauf gebracht. Seine Heimatstadt ernannte den 32jährigen zum Ehrenbürger. Angeblich stand damals in vielen deutschen Haushalten ein Erinnerungsstück an Weddigen.30

Alliierte U-Boote dringen bis vor Istanbul vor

Der Einsatz alliierter U-Boote im Ersten Weltkrieg ist weit weniger bekannt als der Einsatz deutscher U-Boote. Tatsächlich waren die U-Boote der Alliierten nur wenig im Einsatz. Allerdings gab es zwei spektakuläre Ausnahmen, die beide vor allem britische U-Boote betrafen. Das Marmara-Meer und die Ostsee.

1915 führten die Alliierten eine Landung bei Gallipoli, gegenüber dem antiken Troja, durch. Damit sollte die Hauptstadt des Osmanischen Reichs, Konstantinopel, das heutige Istanbul, erobert werden, womit das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich besiegt worden wäre. U-Boote spielten bei der Landung bei Gallipoli indirekt eine wichtige Rolle, weil sie den auf der Halbinsel stationierten osmanischen Truppen den über das Marmara-Meer erfolgenden Nachschub abschneiden sollten. Das Marmara-Meer ist ein Binnenmeer, an dessen nordöstlichem Ende zudem Konstantinopel liegt. In dessen Hafen lagen damals die deutschen Kreuzer „Göben“ und „Breslau“, die nach einer spektakulären Jagd durch das Mittelmeer der Royal Navy dorthin entkommen waren. Ein Durchbruch in das Marmara-Meer war also in vielfacher Hinsicht erfolgversprechend. Nicht nur konnten die Nachschubwege des Gegners gestört werden, sondern auch im Hafen von Istanbul eine alte Rechnung beglichen und ein psychologischer Schlag versetzt werden. Um von Mittelmeer in das Marmara-Meer zu gelangen, muss man die Dardanellen durchqueren. Sie sind eine 65 Kilometer lange Meerenge, die an der engsten Stelle nur 1.300 Meter breit und an der flachsten Stelle 60 Meter tief ist. Unvorhersehbare gegenläufige Strömungen und Wasserschichten mit unterschiedlichem Salzgehalt erschweren die Navigation. Außerdem waren die Dardanellen vermint und durch Artillerie auf beiden Seiten und Patrouillenboote schwer bewacht, um das Eindringen von feindlichen Kriegsschiffen und U-Booten zu verhindern. Das Durchfahren der Dardanellen in beide Richtungen erforderte Mut, Glück und Geschick.

Im Januar 1915 war das französische U-Boot „Saphir“ beim Versuch des Eindringens in die Dardanellen untergegangen. Im April erlitt die britische E-15 das gleiche Schicksal. Am 25. April 1915, zeitgleich mit der Landung der Alliierten, gelang der britischaustralischen AE-2 der Durchbruch ins Marmara-Meer. Dafür war sie durch die Minensperre durchgetaucht. Danach legte die Besatzung eine nächtlichen Schlafpause am Meeresboden ein und bewältigte die restliche Fahrt in Periskoptiefe. Diese Erfolgsmeldung per Funk brachte den britischen General Ian Hamilton dazu, die schwierige Landung in Gallipoli nicht aufzugeben, sondern sie fortzuführen. AE-2 geriet zwar im Marmara-Meer unter Beschuss und musste von der eigenen Besatzung versenkt werden. Aber zwölf weitere U-Boote folgten ihr ins Marmara-Meer mit insgesamt 27 Einsätzen in acht Monaten. Zwei Kriegsschiffe, ein Zerstörer, fünf Kanonenboote, 55 Transportschiffe und 148 Segelboote wurden von den U-Booten mit Kanonen, Torpedos oder Sprengladungen versenkt. Die U-Boote waren so erfolgreich, dass die Türken den Nachschub für ihre Truppen auf den weit beschwerlicheren Landweg verlegen mussten und ihren Soldaten fast die Munition ausging. Am spektakulärsten war der Einsatz von E-11, die am 25. Mai 1915 Konstantinopel erreichte. Der Besatzung des U-Boots gelang zwar nur die Beschädigung eines älteren Transportschiffs im Hafen von Konstantinopel, aber die psychologische Wirkung des Angriffs auf den als unangreifbar geltenden Hafen war massiv. In den Straßen der Stadt brach Panik aus. E-11 hingegen kehrte wieder sicher durch die Dardanellen zum Stützpunkt auf der griechischen Insel Lemnos zurück.31 Der erfolgreiche U-Boot-Einsatz konnte jedoch den Ausgang der Landung bei Gallipoli letzten Endes nicht beeinflussen. Sie endete in einem blutigen Desaster, das sich monatelang hinzog, und musste am Ende abgebrochen werden.

Britische U-Boote in der Ostsee

Die Ostsee war im Ersten Weltkrieg ein für Deutschland wichtiger Handelsweg, weil kriegswichtiges schwedisches Eisenerz auf diesem Weg nach Deutschland gebracht wurde. Die Briten hatten es sich zum Ziel gesetzt, diesen Handel zu stören. Hierfür schickten sie im Oktober 1914 zunächst zwei U-Boote in die Ostsee, die sich nachts über Wasser durch den Öresund schlichen und anschließend den Winter in Reval, dem heutigen Tallinn in Estland, verbrachten. Im Sommer 1915 versenkten sie und drei weitere U-Boote mehrere Handelsschiffe mit Eisenerz. Dabei hielten sie sich an das Prisenrecht. Wenn die Handelsschiffe allein fuhren, dann wurde den Besatzungen die Gelegenheit gegeben, in Rettungsboote zu steigen. In einem Fall, der „Nicodemia“, schleppte ein U-Boot die Rettungsboote sogar in Küstennähe. In einem Fall nahm das U-Boot E 19 die Besatzung eines versenkten Schiffs, der „Nyland“, kurzzeitig auf, bis ein Handelsschiff gefunden wurde, dem die Besatzung übergeben werden konnte.32 Die Einhaltung des Prisenrechts wurde dadurch erleichtert, dass einige Handelsschiffe zu diesem Zeitpunkt ohne Eskorte fuhren und es noch keine Gefahr durch feindliche Flugzeuge gab.

Ein Boot, die E 9, beschädigte am 2. Juli 1915 den Kreuzer „Prinz Adalbert“, der mit anderen Kriegsschiffen Stellungen an Land bombardieren sollte, um der deutschen Armee den Vormarsch auf Riga zu ermöglichen. Nach einem weiteren U-Boot-Angriff wurde die Flotte aus Angst vor U-Booten zurückgezogen, und der Angriff auf Riga scheiterte. Dem Kommandanten von E 9, Max Horton, wurde von russischen Zaren daraufhin als „Retter Rigas“ der Sankt-Georgs-Orden verliehen.


Max Horton (links) und Noel Laurence 1915

Der damals 32jährige Max Horton war der bekannteste Kommandant der britischen U-Boot-Flottille in der Ostsee, die schließlich auf neun Boote anwuchs. Mit den Russen verstand sich der trinkfeste, zigarrenrauchende Spieler blendend. Die Deutschen setzten 1915 sogar ein Kopfgeld für seine Ermordung aus. Eine junge Frau in Reval erhielt den Auftrag, ihn in ein Gespräch zu verwickeln und heimlich Gift in seinen Kaffee zu mischen. In letzter Sekunde, nachdem das Gift bereits in seiner Tasse war, soll sie sie seinen Arm festgehalten und ihn gewarnt haben, den Kaffee nicht zu trinken. Anscheinend war sie von seinem Charme angetan. Sie verriet ihre Auftraggeber, die von den Russen festgenommen wurden. Horton bedankte sich mit einer goldenen Zigarettenschachtel, in der sein Name eingraviert war. Die britische Marineführung beorderte Horton im Winter 1915/16 gegen seinen Willen zur „Erholung“ zurück nach England. Die Russen verabschiedeten ihn mit einem großen Bankett und begleiteten ihn zum Zug, der ihn nach Murmansk und von dort mit dem Schiff zurück nach England brachte.33

Fünf U-Booten war es gelungen, den Eisenerzhandel in der Ostsee empfindlich zu stören. Die ab 1916 konsequente Bildung von Konvois band in den nächsten Jahren Ressourcen der kaiserlichen Marine und führte zu Lieferverzögerungen. Nach Einschätzung des Marinehistorikers Innes McCartney ist es in der Geschichte des Seekriegs einmalig, dass so wenige und so kleine Kriegsschiffe einen so nachhaltigen Erfolg erzielen konnten.34

Erste deutsche Blockade der britischen Inseln 1915

Nachdem die Blockade der deutschen Häfen durch Großbritannien nur auf mäßige internationale Proteste stieß, plante Deutschland im Gegenzug eine Blockade der britischen Inseln. Die deutsche Regierung hoffte, dass die Proteste dagegen auch so gering ausfallen würden wie die Proteste gegen die Blockade Deutschlands. Deutschland verfügte aufgrund seiner schwächeren Flotte nicht über die Möglichkeit, mit Kriegsschiffen eine Blockade der britischen Inseln durchzusetzen. Deswegen setzte Deutschland dabei, ermutigt durch den Erfolg von Weddigen und benebelt vom Kult um seine Person, auf U-Boote. Auch Passagierschiffe wurden ausdrücklich zur Versenkung freigegeben, wenn sie Soldaten, Waffen oder Munition transportierten. Was die Versenkung von Passagierschiffen für die internationale öffentliche Meinung bedeuten würde, wurde von der deutschen Seite wenig beachtet. Die völkerrechtlichen Probleme aufgrund des Prisenrechts wurden ebenso beiseite gewischt, und die politischen Risiken bezüglich eines möglichen Kriegseintritts der USA wurden zu Beginn des Kriegs noch unterschätzt.35

Am 4. Februar 1915 kündigte das Kaiserreich eine Seeblockade über die Britischen Inseln an. Da britische Schiffe zuvor völkerrechtswidrig als Tarnung die Flaggen neutraler Staaten benutzt hatten, umfasste die Blockade ausdrücklich auch neutrale Schiffe. Da britische Frachtschiffe bewaffnet wurden, sollten keine Inspektionen nach Prisenrecht stattfinden – dies wurde vom deutschen Kaiserreich ausdrücklich so angekündigt. Als erster Staat der Weltgeschichte begann das deutsche Kaiserreich also am 18. Februar einen „uneingeschränkten U-Boot-Krieg“.

Die Briten lehnten zunächst Konvois, bei denen Frachter in größeren Gruppen unter dem Schutz von Kriegsschiffen unterwegs waren, ab. Ein Grund dafür war logistischer Art. Fahrten wurden dadurch verzögert. Durch die erzwungenen längeren Liegezeiten der Schiffe konnten diese letzten Endes in einem bestimmten Zeitraum weniger Tonnage transportieren. Außerdem wurde der Transport insgesamt verlangsamt, weil ein Konvoi so langsam fahren musste wie das langsamste Schiff im Konvoi. Die Briten hielten es für wichtiger, ihre Kriegsschiffe gemäß der Mahan-Doktrin andernorts einzusetzen. Der Glaube an die Mahan-Doktrin war ein wesentlicher Grund dafür, dass in den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs keine Konvois gebildet wurden, wodurch Handels- und Passagierschiffe besonders verwundbar waren.


Die „SMS Lusitania““ wurde von einem deutschen U-Boot versenkt

Als die deutsche Seite durch Spione erfuhr, dass das in den USA vor Anker liegende britische Passagierschiff „Lusitania“ insgeheim auch Munition nach Großbritannien transportieren würde, schaltete die deutsche Botschaft in Washington in amerikanischen Zeitungen Anzeigen, die Zivilisten davor warnten, an Bord der „Lusitania“ zu gehen. Dennoch befanden sich einige amerikanische Zivilisten und auch Kinder an Bord. Die unbewaffnete und ohne Eskorte fahrende „Lusitania“ wurde am 7. Mai 1915 von einem deutschen U-Boot südwestlich von Irland entdeckt. Da Kriegsschiffe in der Nähe vermutet wurden, wurde sie nicht gestoppt und inspiziert, sondern ohne Vorwarnung mit einem Torpedo versenkt. 1.198 Passagiere, darunter viele Kinder, kamen dabei ums Leben. Die amerikanische und britische Regierung bestritten wider besseres Wissen, dass sich Munition an Bord befand, und stellten Deutschland vor der Weltgemeinschaft an den Pranger. So protestierten selbst Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich, die mit Deutschland verbündet waren, gegen die Versenkung. Die USA waren damals kurz davor, aufseiten Großbritanniens und Frankreichs in den Krieg einzutreten. Um dies zu verhindern, befahl der Kaiser am 13. Mai 1915, neutrale Schiffe und größere feindliche Passagierdampfer zu schonen. Dadurch konnte der Kriegseintritt der USA zu diesem Zeitpunkt noch verhindert werden.

Britische Frachter und auch kleinere britische Passagierschiffe wurden jedoch fast vier Monate lang weiter angegriffen. Neutrale Frachtschiffe sollten unter Beachtung der Prisenordnung inspiziert werden. Britische Frachter, die zum Teil bewaffnet waren, sollten hingegen direkt versenkt werden. Die Briten setzten daraufhin ab Juni 1915 verschiedene kleine Schiffe als U-Boot-Fallen ein. Diese U-Boot-Fallen – nach ihrem Heimathafen Queenstown auch Q-Ships genannt - waren Frachter, die versteckt Geschütze an Bord hatten. Wenn keine Gefahr durch feindliche Kriegsschiffe bestand, versenkten U-Boote kleinere Frachter bevorzugt mit ihren Deckkanonen, weil sie ihre wenigen und teuren Torpedos für wertvollere Ziele aufheben wollten. Dies bot den U-Boot-Fallen eine Chance. Mit den versteckten Geschützen sollten U-Boote, die sich den Frachtern über Wasser näherten, überraschend versenkt werden. Manchmal fuhren die britischen U-Boot-Fallen auch völkerrechtswidrig unter neutralen Flaggen. So sollten U-Boote gezwungen werden sie zu inspizieren, wodurch die U-Boote leichter zerstört werden konnten.

In manchen Fällen erschossen die Besatzungen der britischen U-Boot-Fallen die überlebenden deutschen Besatzungsmitglieder, die auf ihr Schiff zu schwammen. So erschoss die Besatzung der „HMS Baralong“ am 19. August 1915 schiffbrüchige deutsche U-Bootfahrer.

Ebenfalls am 19. August 1915 versenkte ein deutsches U-Boot ein kleineres Passagierschiff, da der Kaiser ja nur die Versenkung großer Passagierschiffe untersagt hatte. Wieder kamen US-Staatsbürger ums Leben. Am 9. September erhielten die deutschen U-Boote dann den Befehl, keinerlei Passagierschiffe mehr anzugreifen und Frachter jeglicher Nationalität – also auch britische Frachter - nur unter strikter Einhaltung der Prisenordnung aufzubringen. Da dies für die U-Boote zu riskant war, endete damit nach nur sieben Monaten der erste uneingeschränkte U-Boot-Krieg der Geschichte.

Deutsche Handels-U-Boote

Deutschland nutzte U-Boote auch, um trotz der britischen Seeblockade Handel zu treiben. Einige Betriebe in den USA waren dringend auf die Zulieferung spezieller chemischer und pharmazeutischer Produkte aus Deutschland angewiesen, die in den USA damals noch nicht hergestellt werden konnten. Umgekehrt benötigten deutsche Unternehmen Rohstoffe wie Kautschuk oder Zink. Deswegen kam ein Hamburger Reeder auf die Idee, ein Handels U-Boot zu bauen. 1916 wurde die „Deutschland“, das erste von zwei Handels U-Booten, in Dienst gestellt. Ihr gelangen zwei Fahrten in die USA mit einer Fracht von jeweils 1.000 Tonnen. Dabei fuhr sie unter der britischen Blockade zwischen Schottland und Norwegen hindurch, auf dem Atlantik dann über Wasser mit dem schnelleren Dieselantrieb. Die Fahrten hatten vor allem eine politische Botschaft: Den neutralen USA, in denen nach der Versenkung der „Lusitania“ die Stimmung deutschlandfeindlicher geworden war, sollte damit der gute Willen Deutschlands demonstriert werden. Als die „Deutschland“ am 9. Juli 1916 in Baltimore ankam, verlangten die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, dass sie beschlagnahmt werden müsse. Die US-Regierung schloss sich jedoch der deutschen Auffassung an, dass es sich bei der „Deutschland“ um ein Handelsschiff handele, und ließen sie wieder auslaufen. Bereits auf seiner ersten Fahrt machte die „Deutschland“ einen Gewinn in der vierfachen Höhe ihrer Produktionskosten.

Streit um den uneingeschränkten U-Boot-Krieg 1916: Tirpitz wird entlassen

Admiral von Tirpitz, Staatssekretär im Reichsmarineamt, der U-Boote zehn Jahre zuvor als „lahme Enten“ und „blinde Maulwürfe“ bezeichnet hatte, plädierte Ende 1915 dafür, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg wiederaufzunehmen. Frankreich, dessen Kohleminen größtenteils in deutsche Hände gefallen waren, wäre zudem von britischen Kohlelieferungen abgeschnitten worden, so dass seine Eisenbahnen und seine Industrie nicht mehr funktionsfähig gewesen wären. Er wollte außerdem Großbritannien, das auf Nahrungsmittel und Rohstoffe aus Übersee angewiesen war, in die Knie zwingen. Nationalkonservative Politiker und Tirpitz glaubten, dass Großbritannien in seiner Not zu einem Separatfrieden bereit gewesen wäre. Die deutschen Landstreitkräfte würden dann in Frankreich, so der Gedankengang, auf weniger Widerstand stoßen. Außerdem hielt Tirpitz eine Marine, deren Matrosen sich während eines Kriegs untätig im Hafen befanden, für einen potenziellen Unruheherd.


Admiral Alfred von Tirpitz, bis 1916 Staatssekretär im Reichsmarineamt

Allerdings musste Tirpitz zuvor die Regierung und den Reichstag überzeugen. Besonders intensiv befasste sich der Abgeordnete Matthias Erzberger von der katholischen Zentrumspartei mit der Frage des Für und Wider des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs. Der Zentrumspartei kam eine wichtige Rolle im Reichstag zu, weil sie damals das Zünglein an der Waage zwischen den fortschrittlichen und konservativen Parteien war. Um sich ein genaues Bild zu machen, suchte Erzberger das Gespräch mit Tirpitz und seinem Admiralstab. Tirpitz behauptete, England wäre sechs Wochen nach Aufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs friedensbereit. Sein Admiralstabschef Holtzendorff hingegen sprach von sechs Monaten. Durch diese Widersprüche irritiert schlug Erzberger vor, dass die U-Boote zunächst nur für die Blockade des Ärmelkanals genutzt werden sollten, um die Franzosen von ihrem Kohlenachschub abzuschneiden. Dabei wären keine neutralen Schiffe in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Marineführung behauptete, dass dieser Plan nicht zu verwirklichen sei. Erzberger wurde dadurch noch skeptischer: Wie sollten die U-Boote ganz England blockieren können, wenn sie noch nicht einmal in der Lage sein sollten, den Ärmelkanal zu blockieren?36


Der Reichstagsabgeordnete Matthias Erzberger, ein kenntnisreicher Kritiker des U-Boot-Kriegs

Ein anderer Skeptiker dachte weniger militärisch, sondern politisch. Reichskanzler Bethmann Hollweg rechnete im Fall der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs mit einem Kriegseintritt der USA. Am 19. Februar 1916 sagte der Reichskanzler in einer Denkschrift, dies sei ein „Verbrechen“ und es dürfe kein „eiserner Vorhang“ um Großbritannien gelegt werden.

Tirpitz scherte sich jedoch wenig darum, was der Reichskanzler und Erzberger sagte, was tief blicken lässt, was das Kräfteverhältnis zwischen Militärs und Politikern während des Ersten Weltkriegs angeht. Am 29. Februar 1916 gab Tirpitz den Befehl, den uneingeschränkten U-Boot-Krieg wiederaufnehmen.


Reichskanzler Bethmann Hollweg lehnte den uneingeschränkten U-Boot-Krieg ab

Allerdings hatte er es offenbar „versäumt“, den Kaiser vorher umfassend zu unterrichten. Bethmann Hollweg intervenierte daraufhin beim Kaiser. Gleichzeitig gab es massive Kritik aus dem Reichstag. Matthias Erzberger gelang es, seine in dieser Frage gespaltene Fraktion gegen den U-Boot-Krieg einzuschwören. Nicht nur sei dieser völkerrechtswidrig. Das Kaiserreich habe auch, so rechnete der Abgeordnete im Reichstag vor, zu wenige U-Boote, um eine Blockade wirksam durchsetzen zu können. Gleichzeitig konnten jedoch zahlreiche britische Handelsschiffe versenkt werden, was die Argumentation von Tirpitz zunächst stützte. Der Kaiser nahm den Befehl dennoch zurück, weil Tirpitz ihn übergangen hatte. Tirpitz musste am 12. März sein Rücktrittsgesuch einreichen. Der zweite uneingeschränkte U-Boot-Krieg wurde nach weniger als drei Wochen wieder eingestellt.

Zweite deutsche Blockade der britischen Inseln 1917-18

Im August 1916 veränderte sich das Kräfteverhältnis zwischen Militär und Politikern im Kaiserreich, als mit Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff zwei „Hardliner“ an die Spitze der Streitkräfte gelangten und gemeinsam die Oberste Heeresleitung bildeten. Hindenburg, der eine Schlacht gegen die russische Armee gewonnen hatte und sich als Held stilisieren ließ, war tatsächlich nicht viel mehr als eine Fassade. Tatsächlich fügte er sich dem ihm formal als Vertreter zugeordneten, rhetorisch begabten Ludendorff, der in den nächsten beiden Jahren zum mächtigsten Mann im Kaiserreich wurde, ohne formal an der Spitze des Staats oder der Regierung zu stehen. Der Kaiser bezeichnete Ludendorff als einen „zweifelhaften, vom Ehrgeiz zerfressenen Charakter“, stellte sich ihm jedoch nicht in den Weg.37 Beide Männer begannen darauf hinzuarbeiten, dass der uneingeschränkte U-Boot-Krieg wieder aufgenommen werden sollte. Im Oktober gelang es ihnen, dass die Zentrumsfraktion im Reichstag gegen den Willen von Matthias Erzberger auf den Kurs der Obersten Heeresleitung umschwenkte und den U-Boot-Krieg wieder unterstützte.

Die Nationalkonservativen und ihre Verbündeten glaubten, dass Großbritannien aus dem Krieg ausscheiden würde, noch bevor sich ein erwarteter Kriegseintritt der USA entscheidend auf den Kriegsverlauf hätte auswirken können.38 Zudem würden die U-Boote es den Amerikanern erschweren, Truppen nach Europa zu bringen. Bevor sich die Hardliner durchsetzen konnten, ergriff Bethmann Hollweg jedoch noch einmal die Initiative, wobei er aufs Ganze ging. Im Reichstag machte er am 12. Dezember 1916 Deutschlands Kriegsgegnern ein Friedensangebot, bei dem es keine Sieger und Besiegte geben sollte. Aufgrund des Drucks der Obersten Heeresleitung blieb das Angebot jedoch vage und machte die Bedingungen für den Frieden nicht explizit. Den Kriegsgegnern war das ursprünglich geheime „Septemberprogramm“ der Reichsregierung aus dem Jahr 1914 bekannt, in dem die Annexion Luxemburgs sowie von Teilen Frankreichs und Belgiens vorgesehen war. Außerdem sollte Belgien zu einem Vasallenstaat gemacht und Frankreich „in wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht werden“. Die Oberste Heeresleitung dachte gar nicht daran, sich aus den besetzten Gebieten in Belgien, Luxemburg und Frankreich vollständig zurückzuziehen. Unter diesen Umständen war es nicht überraschend, dass die Kriegsgegner das Friedensangebot am 30. Dezember ablehnten. Es diente jetzt lediglich dazu, den Krieg zu eskalieren, während die Verantwortung dafür den Briten, Franzosen, Italienern und Russen gegeben werden konnte.

Zudem hatte die kaiserliche Marine Anfang 1917 weit mehr Möglichkeiten, eine Blockade der britischen Inseln durchzusetzen, als es noch 1915 oder Anfang 1916 der Fall gewesen war. Die Zahl der deutschen U-Boote war von nur 19 zu Beginn des Kriegs auf 110 im Mai 1917 angestiegen. 120 weitere Boote waren zudem im Bau. Die Boote waren moderner und mit Dieselmotoren anstatt mit den älteren Petroleummotoren ausgestattet. Die Dieselmotoren waren leistungsstark, verbrauchsarm, betriebssicher und entwickelten keine starke Rauchfahne. Sie hatten außerdem weit größere Kanonen und eine größere Reichweite als die älteren Modelle, so dass sie ohne aufgetankt zu werden zweimal den Atlantik überqueren konnten.

Die Oberste Heeresleitung setzte sich schließlich gegen Reichskanzler Bethmann Hollweg durch. Am 9. Januar beschloss der Kronrat die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs zum 1. Februar 1917. Der U-Boot-Krieg war zunächst sehr wirksam: Allein im Februar und im März wurden Schiffe mit einer Verdrängung von fast einer Million Tonnen versenkt, also pro Monat dreimal mehr als während des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs 1915.39 Winston Churchill, damals Abgeordneter im Unterhaus, schrieb in seinen Memoiren: „1917 nahm die Bedrohung durch U-Boote ungeheure, furchtbare Dimensionen an […]. Die Drosselung der Schifffahrt war akut.“ Ein U-Boot versenkte auf einer einzigen Fahrt 54 Handelsschiffe.

Am 6. April 1917 traten die USA in den Krieg ein. Im Mai 1917 führten die Briten und die Amerikaner dann das Konvoi-System ein. Durch das Konvoi-System ging die Zahl der Versenkungen deutlich zurück. Die U-Boote waren jetzt gezwungen, getaucht anzugreifen. Unter Wasser waren sie jedoch deutlich langsamer als über Wasser, so dass die Konvois in den Weiten des Atlantiks entweder nicht entdeckt werden konnten, oder im Fall der Entdeckung entkommen konnten. Dadurch sank die Zahl der Versenkungen von Frachtschiffen. Die Minensperre am nördlichen Ausgang der Nordsee führte außerdem zur Versenkung vieler deutscher U-Boote. Am 6. Juli 1917 hielt der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger vor dem Hauptausschuss des Reichstags eine viel beachtete Rede, in der er der Obersten Heeresleitung falsche Angaben über den angeblich weiterhin erfolgreichen Einsatz der U-Boote nachwies. Der Krieg sei weder zu Land noch zur See zu gewinnen. Erzberger, der zu Beginn des Kriegs genau wie die Nationalkonservativen einen „Siegfrieden“ angestrebt hatte, plädierte erstmals für einen Verständigungsfrieden unter Verzicht auf Gebietsannexionen. Er gewann eine Mehrheit der Reichstagabgeordneten der SPD, der Fortschrittlichen Volkspartei und es Zentrums für seine Position.40 Diese verabschiedeten die Friedensresolution des Reichstags vom 19. Juli 1917, in der ein Verständigungsfrieden angestrebt wurde, ohne jedoch die Bedingungen genauer festzulegen. Der Vorstoß wurde jedoch von der Obersten Heeresleitung mit Hilfe der konservativen Parteien im Reichstag als „defätistisch“ zurückgedrängt. Bethmann Hollweg trat zurück, und fortan waren die Reichskanzler nur noch Marionetten der Obersten Heeresleitung, die sich um den Reichstag nicht mehr scherte. Die Rede von Matthias Erzberger und die Friedensresolution konnten zwar den Krieg nicht beenden, hatten aber dennoch historische Bedeutung. Sie waren wichtige Schritte auf dem Weg zur Stärkung des Parlaments und, gemeinsam mit der militärischen Niederlage, zum Sturz des Kaiserreichs 16 Monate später.41

Die deutschen U-Boote hatten den Krieg im Atlantik verloren. Sie hatten ihn nicht verloren, weil ihre Verluste hoch waren, sondern weil ihnen die technischen Mittel fehlten, um ihren Gegner zu finden. Luftaufklärung und gute Horchsysteme existierten damals noch nicht. Nach Einführung des Konvoi-Systems gab es einfach nicht genug deutsche U-Boote, um in den Weiten des Ozeans die Konvois aufzuspüren.

Deutsche und österreichische U-Boote im Mittelmeer

Am wirksamsten waren die deutschen U-Boote im Mittelmeer, wo sie britische Handelsschiffe auf dem Weg von Gibraltar zum Suez-Kanal versenkten. Aber wie konnten deutsche U-Boote so fern von deutschen Häfen operieren? Italien war ja im Ersten Weltkrieg zunächst neutral und dann gegen Deutschland in den Krieg eingetreten.

Die kaiserliche Marine operierte von Häfen an der Adria, die damals zu Österreich-Ungarn gehörten, das mit Deutschland verbündet war. Ihr Hauptstützpunkt war Kotor im heutigen Montenegro. Die U-Boote wurden 1915 mit der Eisenbahn in Einzelteilen zerlegt nach Pola an der Adriaküste transportiert und dort zusammengesetzt. Die dort eingesetzten Boote waren viel kleiner als die im Atlantik operierenden Boote. Die Österreicher verfügten nur über Klein-U-Boote der Klasse UB I mit 28 Metern Länge und 14 Mann Besatzung, die lediglich in der Adria eingesetzt werden konnten. Die kaiserliche Marine verfügte auch über 50 Meter lange Boote der Klasse UB II, die im gesamten Mittelmeer eingesetzt wurden. Dennoch waren sie mit einer Verdrängung von 300 Tonnen und 23 Mann Besatzung nicht besonders groß; außerdem waren sie recht langsam und mit einer 50mm-Kanone eher leicht bewaffnet. Das hinderte sie aber nicht daran, zahlreiche Handelsschiffe zu versenken.

Dabei gingen die Deutschen im Mittelmeer bis 1917 weitestgehend nach Prisenordnung vor. Den Besatzungen versenkter Schiffe wurde die Möglichkeit gegeben, auf Rettungsboote zu steigen. Da im Mittelmeer keine U-Boot-Fallen eingesetzt wurden und die Frachter nicht bewaffnet waren, war die Einhaltung der Prisenordnung leichter möglich als im Atlantik. Ein einziges U-Boot, die im Mittelmeer eingesetzte U 35, versenkte 224 Handelsschiffe und zwei Kriegsschiffe. Es gilt als „erfolgreichstes“ U-Boot der Welt.


Der britische Frachter „Maplewood“ wird am 7. April 1917 von dem deutschen U-Boot U 35 beschossen

Es gab allerdings Fälle, in denen Passagierschiffe versenkt wurden, ohne dass die Menschen vorher auf Rettungsboote gehen konnten: So wurde das italienische Passagierschiff „SS Ancona“ am 8.11.1915 versenkt. An Bord des Schiffs befanden sich italienische Reservisten, die aus New York nach Neapel unterwegs waren. Als ein deutsches U-Boot einen Warnschuss abgab, versuchte die „SS Ancona“ zu entkommen. Daraufhin versenkte das U-Boot sie mit einem Torpedo.42 Außerdem wurde das britische Passagierschiff „SS Persia“ am 30.12.1915 ohne Warnung versenkt, nachdem der Kapitän des deutschen U-Boots geglaubt hatte, durch sein Periskop Geschütze und Soldaten an Bord entdeckt zu haben.

Die Oberste Heeresleitung will von der drohenden Niederlage ablenken

Das Kalkül der Generäle, dass Großbritannien aus dem Krieg ausscheiden werde, bevor die USA genügend Truppen nach Europa bringen könnten um den Kriegsverlauf zu beeinflussen, war gründlich schiefgegangen. Hinzu kam, dass im Spätsommer 1918 der Obersten Heeresleitung klar wurde, dass auch der Krieg zu Land verloren war. Es kam ihnen nun darauf an, den Krieg so zu beenden, dass nicht ihnen die Schuld für die Niederlage gegeben würde. Bereits seit einiger Zeit hatte die Oberste Heeresleitung die inzwischen machtlosen Reichskanzler zu Sündenböcken erklärt, wenn etwas schiefgegangen war. Dieses aus ihrer Sicht bewährte Muster galt es fortzusetzen. Als Ludendorff und Hindenburg Ende September dem Kaiser reinen Wein einschenkten, hatten sie einen Plan. Der liberale Politiker Prinz Max von Baden solle als Reichskanzler eingesetzt werden und Waffenstillstandsverhandlungen einleiten. Die Generäle würden währenddessen ihre Hände in Unschuld waschen.

Max von Baden war ein bescheidener Mann, der den Dienst an der Front abgelehnt hatte und sich stattdessen der Versorgung von Kriegsgefangenen beider Seiten gewidmet hatte. Zudem war er homosexuell, was aber nur seinem engsten Umfeld bekannt war. Er sah in dem Angebot eine Chance, eine parlamentarisch legitimierte Regierung zu bilden. Die Falle, die ihm gestellt wurde, erkannte er hingegen nicht. Er nahm die Aufgabe an und bildete Anfang Oktober eine Mehrparteienregierung unter Beteiligung der Sozialdemokraten. Die Generäle forderten dann Max von Baden ultimativ auf, Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen. Die Öffentlichkeit wusste davon nichts. Nach anfänglichem Zögern tat er dies auch pflichtschuldigst angesichts der ihm geschilderten aussichtslosen Lage. Er versäumte es, diese Verantwortung an die Oberste Heeresleitung zurückzuspielen, die für die Niederlage militärisch und durch ihre Ablehnung der Friedensinitiative Bethmann Hollwegs im Dezember 1916 politisch verantwortlich war.

Die Versenkung der „RMS Leinster“: Versuchter Auftakt zum Endkampf zur See

Den Generälen und Admirälen reichte es jedoch nicht, die Schuld für die Niederlage Dritten zuzuschieben. Sie wollten außerdem noch mit einer letzten, heldenhaften Schlacht in die Geschichtsbücher eingehen. Diese Schlacht sollte zur See geführt werden mit der Flotte, die fast den gesamten Krieg über – abgesehen von den U-Booten – tatenlos im Hafen gelegen hatte. Aber für ein solches Himmelfahrtskommando gab es keinerlei politische Unterstützung von der neuen Regierung. In dieser Situation geschah ein Ereignis, das Historiker bis heute nicht eindeutig einordnen können. Am 10. Oktober 1918 versenkte ein deutsches U-Boot - mitten während der gerade angelaufenen Waffenstillstandsverhandlungen - den britischen Dampfer „RMS Leinster“. Der Dampfer war unbewaffnet und hatte neben Soldaten auch Zivilisten an Bord. Die Versenkung, die 500 Todesopfer forderte, rief weltweit Empörung hervor.

Vier Tage nach der Versenkung schrieb Wilson an die Deutschen, dass es keinen Frieden geben werde, solange Passagierschiffe versenkt würden. Außerdem verschärfte er seine Bedingungen. US-Präsident Wilson hatte im Januar 1918 in seinem 14-Punkte-Programm die Eckpunkte für eine Nachkriegsordnung umrissen. Darin war vom Selbstbestimmungsrecht der Völker und von Rüstungsbegrenzung die Rede. Diese Forderungen waren relativ mild, da nur von Rüstungsbegrenzung und nicht von weitgehender Entwaffnung, von Reparationen oder einer Stärkung des Parlaments die Rede war. Wilson forderte nun eine weitgehende Entwaffnung Deutschlands und eine parlamentarische Kontrolle von Politik und Militär. Diese Verschärfung nahmen die Generäle zum Anlass, nun öffentlich gegen die neue Regierung und die Annahme der Bedingungen von Wilson Position zu beziehen und zum Kampf bis zum Äußersten aufzurufen. Ein amerikanisches Ultimatum, den U-Boot-Krieg bis zum 20. Oktober einzustellen, ließ die deutsche Seite verstreichen. Wilhelm Solf, Außenminister der neuen Regierung, äußerte den Verdacht, dass es sich bei der Versenkung der „RMS Leinster“ um eine von der Marineführung beabsichtigte Provokation gehandelt habe. Inzwischen eskalierte der Konflikt zwischen Reichstag und Militärs weiter. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert rechnete am 22. Oktober mit den „Katastrophenpolitikern“ ab, die Stimmung war aufgeheizt.

Der Kieler Matrosenaufstand: Ohne Beteiligung der Besatzungen der U-Boote

Am 24. Oktober gab dann die Seekriegsleitung der Flotte den Befehl, zur Entscheidungsschlacht gegen die Briten auszulaufen. Die Matrosen auf den Kriegsschiffen, die politisch gut informiert waren, sahen den in greifbarer Nähe befindlichen Frieden zu Recht in Gefahr und erkannten die Aussichtslosigkeit der Schlacht. Sie weigerten sich den Befehl auszuführen und rebellierten in der Nacht auf den 30. Oktober in Wilhelmshaven. Die Besatzungen der U-Boote schlossen sich dem Aufstand nicht an, sondern befolgten den Befehl, die Schiffe der aufständischen Matrosen mit der Versenkung zu bedrohen.43 Der Befehl zur Versenkung wurde nicht gegeben, und der Aufstand weitete sich auf Kiel aus. Max von Baden wollte den Kaiser zum Rücktritt zwingen, erlitt jedoch einen am 1. November einen Nervenzusammenbruch, weil Kaiserin Auguste Viktoria damit drohte, in diesem Fall seine Homosexualität publik zu machen. Nach außen hieß es, der Reichskanzler sei krank. Inzwischen ging die Novemberrevolution ihren Gang und die Monarchie brach am 9. November inmitten der laufenden Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zusammen. Die Matrosen hatten den Generälen einen Strich durch die Rechnung gemacht.

In einem Punkt waren die Generäle jedoch erfolgreich: Der neuen Regierung und den Matrosen konnten die Nationalkonservativen und später die Nationalsozialisten die Schuld für den Waffenstillstand vom 11. November, den angeblichen „Dolchstoß“ in den Rücken der unbesiegten Armee, geben. Es dauerte viele Jahrzehnte und einen weiteren verheerenden Weltkrieg, bis die Wahrheit ans Licht kam. Der Krieg war bereits im Sommer 1918 aussichtslos verloren. Die Verantwortung dafür trugen der Kaiser und seine Generäle. Die aufständischen, von den Nazis später diffamierten Matrosen waren keine Verräter gewesen. Sie waren Helden gewesen, die zu Recht einen selbstmörderischen Befehl verweigert hatten.

Die Besatzungen der U-Boote, die sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatten, blieben vom Ruch des Verrats in der in weiten Teilen sehr konservativen Gesellschaft Weimarer Republik ausgenommen. Weddigen wurde weiterhin als Held verehrt, was den Mythos der unbesiegbaren U-Bootwaffe nährte. Warum aber hatten sich die U-Boot-Besatzungen anders verhalten als die Matrosen auf den Kriegsschiffen? Die Tatsache, dass sie sich meist freiwillig gemeldet hatten und sich auch spät im Krieg daher noch mehr mit den Zielen des Kriegs identifizierten, mag dazu einen Beitrag geleistet habe. Die Tatsache, dass Offiziere und Mannschaften an Bord der engen U-Boote die gleichen schwierigen Lebensbedingungen teilten, hat sicher auch mit dazu beigetragen, dass die U-Boot-Besatzungen die Befehle ihrer Offiziere nicht verweigerten.

Postskript: Seefriedhof vor Flandern

2017 entdeckte der flämische Unterwasserarchäologe Tomas Termotte das Wrack eines U-Boots vor der Küste Flanderns. Das deutsche U-Boot vom Typ UB II aus dem Ersten Weltkrieg war, anders als andere Wracks, nahezu intakt und lag in nur 30 Meter Tiefe. Das Boot war mitsamt seiner Besatzung von 23 Mann vermutlich nach der Kollision mit einer Mine mit nur geringer Beschädigung auf den Meeresgrund gesunken. Weitere Untersuchungen durch Taucher förderten eine Plakette zutage, durch die das U-Boot eindeutig als UB 29 identifiziert werden konnte. In weniger als einem Jahr hatte es 32 Handelsschiffe versenkt, bevor es im Dezember 1916 unterging. Die Besatzung war erstickt. Das Wrack wurde nicht gehoben, sondern das Gebiet um das Boot wurde zum Seefriedhof erklärt. Das U-Boot wurde von der belgischen Regierung zum Kulturerbe erklärt.44 45

Fazit

U-Boote traten im Ersten Weltkrieg erstmals als wirksame Waffe in Erscheinung. Insgesamt versenkten deutsche U-Boote im Krieg 6.394 Frachtschiffe und 100 Kriegsschiffe. Die Besatzung der meisten versenkten Frachtschiffe überlebte, weil ihnen Gelegenheit gegeben wurde, vor der Versenkung in Rettungsboote zu steigen. Im Schnitt versenkte jedes deutsche U-Boot fast 20 Schiffe. Dies geschah aber unter hohen eigenen Verlusten. 200 der 329 deutschen U-Boote sanken oder gelten als verschollen. Für 5.249 der deutschen U-Bootmänner, fast die Hälfte der 12.500 Mann starken U-Boot-Waffe, bedeutete der Krieg den Tod. Deutsche U-Boote beeinflussten auf indirekte Weise zweimal das Kriegsgeschehen: Erstens durch die Versenkung der „Lusitania“, womit sie zum späteren Kriegseintritt der USA und damit zur deutschen Niederlage beitrugen. Und zweitens durch die Versenkung der „RMS Leinster“, wodurch der Friedensschluss verzögert, die Friedensbedingungen verschärft und das Ende des Kaiserreiches beschleunigt wurde. Die indirekten Auswirkungen dieser beiden Versenkungen hatten wahrscheinlich einen größeren und gegenteiligen Einfluss auf den Kriegsverlauf als die militärische Wirkung des Einsatzes deutscher U-Boote.

Zwischen den Weltkriegen: Gescheiterte Abrüstung und kuriose U-Boot-Kreuzer

Kaum war der Erste Weltkrieg vorbei, begann ein Wettrüsten der Siegermächte zur See. Die USA und Japan begannen mit massiven Programmen zum Bau von Schlachtschiffen, um Großbritannien als führende Seemacht abzulösen. Frankreich und Italien versuchten ebenfalls, ihre Flotten auszubauen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten und um die Vorherrschaft im Mittelmeer zu erlangen.

In dieser Situation schlug US-Präsident Harding ein Abkommen der fünf großen Seemächte zur Begrenzung des Ausbaus ihrer Flotten vor. Dieser Vorschlag passte gut zur Stimmung nach dem blutigen Weltkrieg. Die britische Regierung war dazu nur allzu gerne bereit, weil das wirtschaftlich geschwächte Land sich ein Wettrüsten nicht leisten konnte. Sie hofften, mit dem Abkommen ihre Position als Seemacht auf Augenhöhe mit den USA halten zu können. Die Amerikaner hingegen waren vor allem daran interessiert, Japan als wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Konkurrenten im Pazifik im Zaum zu halten. Das Washingtoner Flottenabkommen von 1922 legte in diesem Sinn die maximale Tonnage und die maximale Zahl der Schlachtschiffe und Flugzeugträger fest. Beispielsweise dürften die USA und Großbritannien jeweils höchstens 15, Japan neun sowie Frankreich und Italien jeweils fünf Schlachtschiffe besitzen. Die Amerikaner und die Briten hatten damit ihr Ziel erreicht: Die japanische Flottenstärke war auf 60% ihrer jeweiligen Flottenstärke limitiert. Frankreich und Italien waren auf ein Drittel der Flottenstärke der beiden führenden Seemächte begrenzt. Deutschland, das an den Verhandlungen nicht beteiligt war, war der Bau von Großkampfschiffen und von U-Booten durch den Versailler Vertrag verboten worden.

Bei den Verhandlungen in Washington hatten die Briten ein weltweites Verbot von U-Booten gefordert. Dies war Folge der traumatischen Erfahrungen mit der Versenkung britischer Fracht- und Passagierschiffe durch deutsche U-Boote im Frühjahr 1917, als England drohte, von der Versorgung zur See abgeschnitten zu werden. Außerdem sahen viele britische Offiziere und Politiker den Einsatz von U-Booten immer noch als „unenglisch“ und als Waffe der moralisch Schwächeren an.46 Lord Lee of Fareham, First Lord der Britischen Marine, bezeichnete U-Boote auf der Konferenz als „die Verneinung der Menschlichkeit, der Ritterlichkeit und der Zivilisation selbst“.47 Die britischen Delegationen bei zwei weiteren Flottenkonferenzen, den Londoner Konferenzen 1930 und 1935, brachten immer wieder ihre Argumente für ein Verbot von U-Booten vor und bezeichneten den Einsatz von U-Booten gegen Handelsschiffe als Piraterie.48


Lord Lee of Fareham, First Lord der Britischen Marine, forderte bei der Washingtoner Flottenkonferenz 1921-22 ein Verbot von U-Booten

Frankreich, Italien und Japan wehrten sich gegen ein solches Verbot. Sie wollten ihre vergleichsweise kleinen U-Boot-Flotten ausbauen, um zu den größeren Seemächten trotz der Begrenzung der Zahl der Schlachtschiffe aufschließen zu können. Aus Sicht der Italiener und Japaner waren U-Boote, auch wenn sie das nicht so aussprachen, die „Waffe des kleinen Manns“. Am Ende konnten sich die Briten nicht durchsetzen. Das Washingtoner Abkommen verbot nicht die U-Boote. Schließlich enthielt es noch nicht einmal eine Begrenzung der U-Boot-Flotten, weder was die Anzahl noch die Größe der U-Boote betraf.

Die beteiligten Länder versuchten - soweit es ihnen der Washingtoner Flottenvertrag ermöglichte - weiter aufzurüsten. Sie verlagerten daher den Schwerpunkt beim Ausbau ihrer Flotten weg von Schlachtschiffen auf kleinere Schiffe wie Kreuzer, Zerstörer und auf U-Boote, die nicht bei der Berechnung der Gesamttonnage berücksichtigt wurden. Dies geschah, obwohl der militärische Wert der U-Boote in den zwanziger Jahren umstritten blieb. Der Erste Weltkrieg hatte zwar gezeigt, dass U-Boote eine wirksame Waffe gegen allein fahrende Frachtschiffe waren. Aber die Entwicklungen im letzten Kriegsjahr hatten auch gezeigt, dass taktische Maßnahmen wie die Bildung von Konvois und technische Neuerungen wie Flugüberwachung, die Einführung der ersten Sonargeräte und Wasserbomben die von U-Booten ausgehende Gefahr deutlich reduzieren konnten.

Eine Kuriosität: U-Boot-Kreuzer

Die Briten und Franzosen setzten in den zwanziger Jahren beim Bau von U-Booten auf U-Boot-Kreuzer. Dies waren U-Boote mit großkalibrigen Geschützen. Wofür genau diese gut sein sollten, darüber gingen die Meinungen auseinander. Manche sagten, sie sollten feindliche Kriegsschiffe überraschend stellen und mit wenigen gezielten Schüssen aus der Nähe versenken, so wie es bei der britischen K-Klasse am Ende des Ersten Weltkriegs geplant gewesen war. Die 1918-19 als Nachfolgemodell der K-Klasse gebauten Boote der M-Klasse49 sollten hingegen zunächst dazu dienen, Ziele an der feindlichen Küste oder aus einem Hafen auslaufende Frachter überraschend zu beschießen. Die M-Klasse hatte mit einem Kaliber von 305mm die größten Geschütze, die je auf U-Booten eingebaut wurden.


Britisches U-Boot der M1 der M-Klasse

Laut den Bestimmungen des Washingtoner Flottenabkommens mussten die großen Geschütze auf den Booten der M-Klasse entfernt werden. Auf der M2, dem zweiten Boot der M-Klasse, wurde anstatt der Kanone ein wasserdichter Flugzeughangar eingebaut. Sie war das erste U-Boot der Welt mit einem Flugzeug. Es sollte als Aufklärungsflugzeug einem Flottenverband voranfliegen. Ein speziell für das U-Boot hergestellter einsitziger, kleiner Doppeldecker konnte nach der Wasserlandung vom U-Boot mit einem Kran auf Deck gehoben werden. Danach wurden die Flügel eingeklappt, das Flugzeug wurde in den Hangar gebracht, und das U-Boot konnte samt Flugzeug abtauchen und sich vor feindlichen Schiffen in Sicherheit bringen. Allerdings funktionierte das nur bei ruhiger See. Zudem entwickelte die Royal Navy Ende der zwanziger Jahre ihre Flugzeugträger so weiter, dass sie Flugzeuge mit einer größeren Reichweite aufnehmen konnten. In der Royal Navy fanden viele, dass man deswegen keine Flugzeuge auf U-Booten mehr brauchte. Wenige Jahre nach ihrer Indienststellung schien die M2 zu nichts mehr gut zu sein. Sie ging 1932 bei einem Unfall vor der Küste von Dorset verloren. Man vermutet, dass der Flugzeughangar zu früh geöffnet wurde und das U-Boot voll Wasser lief. Heute ist das Wrack ein beliebtes Ziel für Taucher.


Die britische M2 nach dem Einbau des Flugzeug-Hangars anstelle des Geschützes

Deutsche U-Boote in der Zwischenkriegszeit

Deutschland war durch den Versailler Vertrag der Bau und der Besitz von U-Booten verboten. Deutsche Ingenieure hatten dennoch während der Weimarer Republik intensiv die Entwicklungen beim Bau von militärischen U-Booten verfolgt. Bereits 1922 wurde in den Niederlanden unter einem Decknamen ein Konstruktionsbüro gegründet, das „Ingenieurskantoor voor Scheepsbouw“ (IvS), das mit sowjetischen Entwicklern zusammenarbeitete. Dieses Büro baute dann in Finnland fünf kleinere U-Boote für die finnische Marine und in Spanien ein Boot für die spanische Marine. Diese Boote dienten als Prototypen für spätere deutsche und sowjetische U-Boote.

Ab 1933 begann Nazi-Deutschland damit, die Bestimmungen des Versailler Vertrags zu ignorieren und ließ U-Boote für die Kriegsmarine bauen. Die ersten gebauten U-Boote der Klasse II waren mit einer Verdrängung von 250 Tonnen und einer 20mm-Kanone klein. Sie waren nur für den Einsatz in Küstengewässern geeignet und wurden für Ausbildungszwecke benutzt.

Als das U-Boot-Programm publik wurde, versuchte Großbritannien über ein Flottenabkommen mit dem Deutschen Reich 1935 den Ausbau der Kriegsmarine einzudämmen. In dem Abkommen wurde festgelegt, dass die Gesamttonnage der Kriegsmarine 35% der Tonnage der Royal Navy nicht überschreiten sollte. Damit wurde die Kriegsmarine Nazi-Deutschlands den Marinen Frankreichs und Italiens gleichgestellt. Außerdem wurde dem Dritten Reich implizit gestattet, weitere U-Boote zu bauen. Das erste U-Boot der Kriegsmarine lief bereits drei Tage vor Abschluss des Flottenabkommens vom Stapel. Hitler nutzte die Naivität der britischen Regierung aus, ignorierte das Abkommen bald und bereitete Deutschland auf den von ihm geplanten Krieg vor. Dabei lag der Schwerpunkt allerdings bis zum Kriegsausbrauch bei Überwasserkriegsschiffen, während U-Boote nur eine untergeordnete Rolle spielten.

Fazit

In der Zwischenkriegszeit lieferten sich die großen Seemächte Großbritannien, USA, Japan, Frankreich und Italien ein Wettrüsten mit selbst auferlegten Hürden. Die Hürden betrafen die Zahl und Größe von Schlachtschiffen und Flugzeugträgern, die damals als die wichtigsten Waffenträger der Marine angesehen wurden. Dort wo es diese Hürden nicht gab, wurde die Aufrüstung besonders rasch vorangetrieben. Dies taten vor allem Japan, Italien und Frankreich - die drei Staaten, die sich durch die Begrenzungen für Großkampfschiffe besonders benachteiligt fühlten. Das Deutsche Reich baute seine Flotte nach der Machtergreifung Hitlers ebenfalls rasch aus.

Franzosen und Briten entwickelten U-Boot-Kreuzer, U-Boote mit großen Geschützen wie auf Kreuzern, um die Abrüstungsbestimmungen zu umgehen. Einige dieser U-Boote führten sogar Flugzeuge in einem Hangar mit. Einen sinnvollen Zweck erfüllten diese eher kuriosen U-Boote nicht.

Der Spanische Bürgerkrieg: Ein illegaler Geheimeinsatz fliegt auf

Im Juni 1936 putschten faschistische Generäle in Spanien gegen die gewählte Regierung der spanischen Republik. Dies war der Beginn des drei Jahre andauernden spanischen Bürgerkriegs, an dem auf beiden Seiten Kombattanten aus ganz Europa beteiligt waren. Aufseiten der Republikaner standen schlecht bewaffnete und ausgerüstete internationale Freiwillige, bestehend aus Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten. Aufseiten der Faschisten standen schwer bewaffnete Truppen aus Italien und Deutschland, die in ihren Ländern mit gutem Sold von Mussolini und Hitler angeworben worden waren. Dabei war die Unterstützung Italiens weit bedeutsamer als die deutsche Unterstützung, die heute vor allem durch die von Picasso bildlich festgehaltene Zerstörung von Guernica durch die „Legion Condor“ bekannt ist.


Der italienische Diktator Benito Mussolini (links) ließ insgeheim U-Boote einsetzen, um Schiffe mit Waffenlieferungen für die Gegner des faschistischen Führers Francisco Franco (rechts) zu versenken

Mussolini, der über den Putsch vorab informiert gewesen war und dessen Militärs seit Jahren enge Kontakte zu den Putschisten pflegten, unterstützte die Putschisten von Anfang an mit Waffen. So waren es italienische Flugzeuge, welche die spanischen Truppen aus dem Rif im Norden Marokkos nach Madrid flogen. Ohne diese Unterstützung wäre der Putsch wahrscheinlich bereits im Keim erstickt worden. Die demokratischen Regierungen Englands und Frankreichs verweigerten hingegen der gewählten Regierung die dringend erforderliche Unterstützung.

Die spanische Marine stand im Juni 1936 nahezu vollständig aufseiten der Republik. Die Matrosen waren auf den Putsch vorbereitet gewesen und hatten Offiziere, die den Putschisten nahestanden, gefangengenommen. Somit befanden sich auch alle spanischen U-Boote in der Hand der Republik, während die Faschisten über kein einziges U-Boot verfügten. Die Marine hinderte die Putschisten daran, Truppen aus Marokko nach Spanien zu bringen, so dass diese schließlich nur auf dem Luftweg nach Spanien gelangen konnten. Allerdings ließen die Matrosen auch Offiziere, die sie nur der Sympathie für die Putschisten verdächtigten, festnehmen. Viele wurden sogar nach kurzem Prozess hingerichtet. Dies sollte sich bald rächen. Im Fall eines U-Boots, der C-5, wurde ein Bootsmann zum Kommandanten gewählt. Als das U-Boot kurz nach dem Auslaufen tauchte, verlor die Besatzung die Kontrolle und es ging beinahe unter. Nur mit Not konnte es kurz vor der Zerstörungstiefe stabilisiert werden und tauchte wie ein Korken unkontrolliert an die Oberfläche, wobei die Männer an Bord durcheinandergeworfen wurden. Das U-Boot kehrte dann in den Hafen zurück. Nach diesem Zwischenfall erhielt wieder einen Offizier, José Lara, das Kommando, obwohl der Matrosenrat ihm nicht traute.

Die Spannungen zwischen Offizieren und Matrosenräten setzten sich an Bord der C5 und anderer U-Boote fort. Auf der C-5 lag der Präsident des Matrosenrats, der Funk-Maat José Porto, in ständigem Streit mit dem Kommandanten José Lara. Zweimal gelang es dem U-Boot, franquistische Kriegsschiffe mit Torpedos auf kurze Distanz zu beschießen, aber die Sprengköpfe explodierten frühzeitig oder die Torpedos verfehlten ihr Ziel. Porto warf dem Kommandanten daraufhin vor, die Torpedos sabotiert zu haben. Ein anderes Mal stritten sich die beiden darüber, ob die C-5 aus einer bestimmten Position ihre Kanonen abfeuern solle. Bei diesem Streit wollte Porto den Kommandanten erschießen und konnte von anderen Matrosen nur knapp daran gehindert werden. Der Kommandant wurde schließlich abgesetzt und auf dem U-Boot inhaftiert. Die C-5 wurde bei einem Wasserbombenangriff schließlich beschädigt. Nachdem sie einen Hafen erreicht hatte, empfahl der Kapitän den Schaden zu reparieren. Die vorgesetzten Offiziere lehnten dies jedoch ab und befahlen dem U-Boot auszulaufen. In der Nacht zum 1. Januar 1937 sank die C-5 wenige Stunden nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Bilbao aus unbekannten Gründen. Keiner der Männer an Bord überlebte.

Drei Wochen zuvor war ein anderes U-Boot, die C-3, im Mittelmeer untergegangen. Damals ging man von einem Unfall aus. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass der Kommandant des deutschen U-Boots U 34 offenbar das U-Boot versenkt hatte. Die U 34 war im Rahmen der Geheimoperation Ursula, benannt nach einer Tochter des Befehlshabers der U-Boote Admiral Dönitz, im Mittelmeer unterwegs gewesen, um die Franquisten zu unterstützen.

Einige Marineoffiziere entgingen nur knapp und mit viel Glück der Hinrichtung. Verständlicherweise trauten sie den Republikanern seitdem nicht mehr über den Weg. Zu ihnen gehörte auch José Luis Ferrando Talayero, der später als Kapitän des U-Boots C-2 eine wichtige Rolle spielen sollte.

Frankreich und England drängten nach Ausbruch des Bürgerkriegs auf ein Abkommen, in dem sich alle Staaten verpflichteten, sich nicht in den Bürgerkrieg einzumischen. Im August 1936 unterzeichneten 27 Staaten ein solches Nichtinterventionsabkommen, in dem sie sich einigten, keine Waffen nach Spanien zu schicken. Die Politiker in London und Paris glaubten, dass sich auch Deutschland und Italien an das Abkommen halten und ihre Unterstützung für die Faschisten einstellen würden. Weit gefehlt: Mussolini spielte ein doppeltes Spiel. Im November 1936 unterzeichnete Italien ein Geheim-Abkommen mit den spanischen Faschisten. In dessen Rahmen lieferte Italien weiterhin große Mengen an Waffen an Franco.

Die italienische und die deutsche Kriegsmarine beteiligten sich mit den Briten und Franzosen an einer Seeblockade, um Waffenlieferungen an beide Bürgerkriegsparteien zu verhindern. Die Italiener und die Deutschen ließen sich dabei ausgerechnet jene Küstenabschnitte im Mittelmeer zuweisen, auf denen die meisten Waffenlieferungen an beide Seiten erfolgten. Die Kriegsschiffe sollten dabei Handelsschiffe daraufhin inspizieren, ob sie Kriegsgerät an Bord hatten. Allerdings ließen sie Schiffe mit italienischen Waffen passieren, während sie Schiffe mit Waffen für die Republikaner aufhielten. Die Patrouillen zur Sicherung der Blockade wurden von Kriegsschiffen durchgeführt, die notfalls Blockadebrecher versenken und deren Besatzungen an Bord nehmen konnten. U-Boote waren für einen im Einklang mit der Prisenordnung stehenden Einsatz, wie man aus dem Ersten Weltkrieg wusste, nicht geeignet.

Allerdings bildeten die Republikaner Konvois, die von Zerstörern der republikanischen spanischen Marine geschützt wurden, um die Blockade zu durchbrechen. Um diese Konvois anzugreifen, wurden italienische und deutsche U-Boote im Mittelmeer vor republikanischen Häfen positioniert. Diese U-Boote waren im Geheimauftrag, ohne Flagge und Markierung unterwegs. An der „Operation Ursula“ waren Ende 1936 zwei deutsche U-Boote beteiligt. Die Operation wurde jedoch nicht fortgesetzt, weil man in Berlin befürchtete, die U-Boote könnten enttarnt werden. Deutschland und Italien leugneten den Einsatz von U-Booten, obwohl die Republikaner und die internationale Öffentlichkeit Italien im Verdacht hatten. Franco war sehr daran interessiert, eigene U-Boote zu haben. Es gelang ihm aber nicht, auch nur ein einziges U-Boot der spanischen Marine in seine Hand zu bekommen.

Mussolini übergab der Marine der spanischen Faschisten im April 1937 insgeheim zwei moderne italienische U-Boote, die „Archimede“ und die „Torricelli“. Diese sahen oberflächlich betrachtet den spanischen U-Booten der C-Klasse ähnlich. Da die C-3 und die C-5 Ende 1936 gesunken waren, wollte man der Öffentlichkeit vortäuschen, den Faschisten sei es gelungen, die gesunkenen U-Boote zu heben und wieder instand zu setzen. Um die Übergabe der U-Boote zu vertuschen, wurde in Italien sogar der Bau zweier baugleicher U-Boote mit gleichen Namen in Auftrag gegeben, die 1939 von der italienischen Marine in Dienst gestellt wurden. Die Faschisten hofften, dass die Marine Francos die U-Boote einsetzen konnte, ohne dass eine Spur nach Italien führen würde. Ein Teil der Besatzungen wurde in Italien vor der Übergabe ausgebildet, ein anderer Teil wurde nach der Übergabe von auf den U-Booten verbliebenen Italienern ausgebildet.


Der von einem U-Boot versenkte republikanische Truppentransporter „Ciudad de Barcelona“

Eines der erhaltenen U-Boote, die „General Sanjurjo“, versenkte am 30. Mai 1937 den republikanischen Truppentransporter „Ciudad de Barcelona“. Das ohne Eskorte fahrende Schiff transportierte deutsche, italienische, britische, amerikanische, skandinavische und australische republikanische Freiwillige. 200 Menschen kamen beim Untergang des Schiffs ums Leben. Einige sangen laut Zeugenaussagen unter Deck die „Internationale“, während das Wasser immer weiter stieg. Die Überlebenden wurden von Fischerbooten gerettet oder konnten sich selbst an das nahe Land retten. Das Wrack der „Ciudad de Barcelona“ ist heute ein beliebtes Ziel von Tauchern.

Nachdem am 5. August republikanische Zerstörer einen für die Faschisten bestimmten italienischen Konvoi aufgehalten hatten, begann die italienische Marine am 12. August 1937 im gesamten Mittelmeer einen massiven Einsatz gegen jegliche Handelsschiffe, die republikanische Häfen anliefen. Daran beteiligt waren auch Dutzende italienische U-Boote, die ohne Markierungen waren oder unter falscher spanischer Flagge fuhren. Sie führten nun, so wie bereits ihre spanischen Verbündeten, einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg, bei dem sie ohne Vorwarnung 15 Handelsschiffe angriffen. Allerdings trafen die meisten Torpedos nicht, weil Wasser in sie eindrang und ihren Stabilisierungsmechanismus zerstörte.50 Italienischen U-Booten gelang es daher nur, ein sowjetisches und ein britisches Handelsschiff zu versenken. Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion protestierten und forderten auf der Konferenz von Nyon im September 1937, gegen Piraten vorzugehen und „unbekannte“ U-Boote anzugreifen. Italien wurde „eingeladen“, sich an dem Kampf gegen Piraten zu beteiligen. Daraufhin befahl Mussolini den U-Booten, die Angriffe zu beenden.51

Die Faschisten waren nach wie vor sehr daran interessiert, mindestens eines der U-Boote der republikanischen Marine in ihre Gewalt zu bekommen. Die Gelegenheit dazu schien sich zu bieten, als sich zwei U-Boote, die C-2 und die C-4, im August 1937 gegen den Befehl der republikanischen Führung in das neutrale Frankreich absetzten. Die Besatzungen auf jedem der beiden Boote waren untereinander zerstritten, und ihre Kommandanten mussten ihre verbliebene Autorität mit Matrosenräten teilen. Auf der C-2 hatte ein Matrose ein Jahr zuvor den Kommandanten straflos umgebracht.52 Die Kommandanten hatten den Besatzungen der beschädigten U-Boote unter diesen Bedingungen freigestellt, ob sie sich in das Mittelmeer in republikanisches Gebiet durchschlagen oder sich ins neutrale Frankreich absetzen wollten. Die Besatzungen folgten der Empfehlung der Kommandanten, sich nach Frankreich abzusetzen.

Der Kommandant der C-4, Jesús Las Heras, erklärte sich dann bereit, sein in Le Verdonsur-Mer liegendes Boot den Faschisten zu übergeben. Es stellte sich jedoch heraus, dass das beschädigte U-Boot nicht mehr seetauglich war. Las Heras schloss sich anschließend einem faschistischen Kommando an, das nach Brest entsandt wurde, um die dort liegende C-2 mit einer List in ihre Gewalt zu bekommen. Das Kommando kam am 18. September mit einem Boot an Bord und behauptete, einen Befehl zum Auslaufen der republikanischen Regierung zu haben. Der Kommandant der C-2, Ferrando, der beinahe von den Revolutionären hingerichtet worden war, war zuvor überzeugt worden, dass er keinen Widerstand leisten würde. Die Besatzung durchschaute jedoch das Manöver und leistete Widerstand, wobei ein Mitglied des Kommandos erschossen wurde und die Maschinen sabotiert wurden. Die Faschisten mussten unverrichteter Dinge in Begleitung von Ferrando abziehen. Die C-2 wurde dann repariert und unter dem Kommando eines sowjetischen Offiziers, Nikolai Pawlowitsch, in den republikanischen Teil Spaniens überführt.53

In der Zwischenzeit setzten die beiden U-Boote der spanischen Faschisten ihre Angriffe gegen Handelsschiffe fort. Sie versenkten weitere republikanische, aber auch neutrale Frachtschiffe, darunter am 21. Januar 1938 den britischen Frachter „Endymion“. Das Blatt des Bürgerkriegs hatte sich inzwischen zugunsten der Faschisten gewendet. Die Republikaner, die untereinander zerstritten waren und aufgrund ihrer anarchistischen und kommunistischen Tendenzen die Unterstützung der Regierungen Frankreichs und Großbritanniens verloren, wurden immer weiter zurückgedrängt. Währenddessen unterstützten die Italiener und die Deutschen immer offener Franco. Der Bürgerkrieg endete schließlich im April 1939 mit der Niederlage der Republikaner.

Fazit

U-Boote spielten keine entscheidende Rolle im spanischen Bürgerkrieg. Sie sind jedoch ein Symbol für das doppelte Spiel, das Deutschland und Italien in diesem Krieg spielten. Sie sind auch ein Symbol für die Naivität, mit der Frankreich und Großbritannien dieses doppelte Spiel lange Zeit geschehen ließen. Die U-Boote der republikanischen Marine zeigen auch, wie begrenzt einsatzfähig U-Boote ohne erfahrene Offiziere sind und wie sich ihre Besatzungen und Offiziere entlang der Konfliktlinien des Bürgerkriegs entzweit hatten.

Menschen und U-Boote

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