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3. Geheime Zauber

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Amphitrite lag auf einem Stein und starrte wie gebannt auf die gegenüberliegende Seite. Dort ruhte ein in die Wand eingefasster Schrank, dessen Frontseite aus Kristallglas bestand. Poseidon schwamm davor auf und ab, wobei seine Finger sanft über die Scheibe strichen, so wie sie manchmal auch über ihre Haut fuhren.

»All die Schiffe«, sagte er, »die durch mich sanken, deren Mannschaften ertranken, deren Körper du und andere holten, sind hier.«

Die Meerfrau spürte wie ihre innere Unruhe wuchs, ihre Fußflosse wand sich und schillernde Blasen entstanden. Mit einem Ruck wand sie sich in eine sitzende Position.

»Was wir nicht bergen, holt sich der Ozean, denn er ist dunkel und gierig und er ist weit. Kraken in der Tiefe, Haie aus dem Nichts und Seeschlangen im Schatten der Korallen sind nur einige, die sich um Schiffe und Mannschaften kümmern. - Ich bin froh, dass die STURMNACHT unsere Sammlung ergänzt, eine Sammlung dir zu Ehren, meine Liebe!«

»Niemand von der Mannschaft konnten gerettet werden, der Ozean hat sie alle verschlungen und du das Schiff als Trophäe genommen. Warum nur erinnerst du mich immer wieder daran?«

»Damit du nicht vergisst, was passiert, wenn du meinen Zorn weckst. Zu oft schon hast du ihn geweckt, sieh zu, dass du nicht zu weit geht.«

»Du vergisst, dass das Gemüt einer Meerfrau wie die Gezeiten ist, mal lau wie an einem Sommertag, mal gebrochen und ungebremst wie im Winter!«

»Du bist keine Sirene, du bist…« Wie immer stockte er in diesem Satz.

Liebevoller, wolltest du wohl sagen, dachte sie und erinnerte sich wieder an den gewaltigen Sturm, ihren Aufbruch zur Oberfläche und ihren Kuss. Gefallener Stern, dachte sie, wo magst du wohl gerade sein? Hast du die Insel schon erreicht? Geht es dir gut, auf dem Eiland meiner … Schwester? Das letzte Wort dachte sie mit Unbehagen, denn Skye, die früher immer nur Skylla genannt wurde, gehörte nicht wirklich zu ihrem Blut. Sie wurden lediglich durch einen Schwur zu Schwestern, einen Liebesschwur. Allein dieser konnte den Zorn der Frau bändigen und sie so auch von ihrer schweren Last befreien.

»Einmal werde ich dir jemand schicken, einmal wirst du mir helfen, einmal wirst du mir dann wie eine echte Schwester sein«, hatte sie ihr damals eröffnet.

Skylla hatte gelacht, laut und unnatürlich, ihre Schuppenhaut hatte sich gekräuselt. Mit ihrem doppelten Fischschwanz, der dem saugenden Rüssel eines Kraken glich, hatte die Frau sie umschlungen. »Ich habe Meerfrauenblut in mir, aber mehr jenes der Sirenen als Eures! Und ich liebe und begehre den Mann, der Euch Königin der Meere nennt! Warum also sollte ich mich darauf einlassen?«

Amphitrite hatte sich aus ihrer Umklammerung gelöst, die von einem Brennen begleitet wurde. »Soll ich den König rufen? Wohl kaum! Doch wenn Ihr warten könnt und wenn Ihr auf den Schwur eingeht, so kommt der Tag, an dem ich gehe und Ihr meinen Platz einnehmen könnt.«

»Und du lügst mich auch nicht an?«

Amphitrite stieß eine pfeifende Lautfolge aus, auf dessen letzten Ton ein Wellenreiter herankam. Der Delfin trug einen aquamarinblau funkelnden Stein, der in ein metallenes Quadrat eingefasst war und an einer breiten Silberkette hing mit sich, ein Medaillon, dessen Stein zerbrochen war, als Circe den bösen Zauber über Skylla gebracht hatte und der daraufhin von den Tiefen des Ozeans verschlungen worden war. »Sicher wisst Ihr, welches das ist? Die Macht des Dreizacks hat es geeint, die Kraft ist noch immer darin und sie wird auf Euch übergehen, solange der Stein nicht mehr gespalten wird. Eine Bedingung gibt es allerdings: Ihr müsst Euch an Land begeben und auch dort verweilen, denn allein in Verbindung von Sand, Erde und Luft kann seine Wirkung entfaltet werden. Regen und Sturm bleibt es standhaft, solange ihr es wieder tragt.«

Lange hatten sie daraufhin geschwiegen, bis Skylla begonnen hatte einen Wassertanz um sie aufzuführen. Mit jeder Figur hatte sie sich dabei mehr in eine Sirene verwandelt, ein tötendes Biest mit den feuerroten Augen der Unterwelt. »Einmal werde ich dir helfen, einmal werde ich dir wie eine Schwester sein, einmal werde ich Königin sein«, rief die Frau, die sowohl an Land als auch im Meer zuhause war.

»Das war nicht ganz, was ich sagte«, erwiderte Amphitrite und verschränkte die Arme vor ihrer nackten Brust. Hier im Meer, vor ihresgleichen, trug sie lediglich ein Flossenkleid, der Oberkörper aber war frei. Allein Fischschwärme, Muscheln und Tang verhüllten ein wenig die von Männern so begehrten Formen der Weiblichkeit. Während Skylla ein eher üppiges Décolleté vorzuweisen hatte, war das von Amphitrite eher rasch von einem Schwarm Clownfisch verdeckt. Doch Poseidon schien das zu gefallen. »Du bist geformt wie die Stromlinien des Ozeans, weich, zart und eins mit der See, wärst du eine Koralle, so wärst du die süßeste und strahlendste die es hier zu ernten gibt!«, schwärmte er oftmals.

Skylla hatte sich wieder zu ihr begeben, sich auf ihren Schoß gesetzt. »Mein Blut, siehst du - dein Blut, siehst du«, mit ihren Fingern hatte sie ihr eine Schuppe am Becken gerissen. »Blut besiegelten unseren Schwur. Es wird mir eine Freude sein und ich bin gespannt, was du mir schickst!«

»Einen gefallenen Stern. Du wirst ihn erkennen, wenn er vor dir steht. Behandle ihn dann gut, hörst du?«

»Solange, wie du dein Versprechen hältst. Solange du Kontakt zu mir hältst. Vergiss nur nicht, dass du ebenso lange Königin bleiben musst!« Skyllas Augen glühten wie eine Ermahnung auf.

»Ich werde dir Fisch an Land schicken«, sagte die Meerfrau. »Fisch, den du nicht mehr erreichen wirst.«

Und sie dachte bei sich: So sorge ich für Frieden unter dem Meer, so wird meinem Stern die Irrfahrt durch das Meer ermöglicht und so weiß ich immer, wo Skylla ist.

Jetzt fragte sie sich, was passieren würde, wenn der gefallene Stern ihre letzte Botschaft an Skylla bleiben würde. Denn wie sollte sie Fischspeisen entsenden, wo sie doch durch das Portal ins Jenseitsmeer übergegangen waren? Sie würde erneut einen Boten finden müssen, einen der ihr treuer ergeben war als dem Herr der Meere selbst, zumindest in gewisser Weise. »Ich muss unseren Sohn Triton finden und erreichen, nur er kann mir jetzt noch helfen«, murmelte sie. Doch wo und wie sollte sie den verschollenen Sohn finden? Neben ihr gab einer der Wellenreiter eine mitfühlende Tonfolge von sich. Es war der Ältestes, jener der treu zu Poseidon stand und auch sie seit Ewigkeiten kannte: Delphur. »Du würdest alles für ihn tun, nicht wahr?«

Wieder antwortete er mit einer Tonfolge und hob dabei seinen Kopf ähnlich einem Nicken.

»Wenn du mir hilfst, hilfst du in gewisser Weise auch deinem Herrn. Ich möchte meinen König nicht unglücklich machen, verstehst du, aber ich muss meinem Herzen folgen.« Sie gab Delphur einen Kuss oberhalb des Schnabels. »Du kennst mich und ihn, und du kennst unseren ersten Sohn. Finde ihn!«

»Was schickt sie mir? - Was für ein schuppenloser Fisch ist das? Sollte tatsächlich die Zeit gekommen sein und ich nun erkennen?«

Wer sprach dort solche unverständliche Silben und Sätze? Nicolas Brighton wollte sich aufrichten, doch er konnte nicht. Prustend spuckte er Salzwasser aus, während sein Hinterkopf ein weiteres Mal auf den schlammigen Boden klatschte. Seitlich spürte er die Arme und versuchte sie zu heben, um sich Sand und Dreck aus den Augen zu wischen. Auch dieser Versuch ging daneben.

»Töten? Leben lassen?«, zische die weibliche Stimme, die er schon zuvor gehört hatte.

Er öffnete seine Lider, blinzelte, da das Sonnenlicht in seinen Augen brannte. Tränen quollen heraus, doch er wollte nicht mehr wegsehen. Die Frau, die sich über ihn beugte, hielt ein Messer in der rechten Hand und war bereit, damit zuzustechen; mit der linken befühlte sie seinen Körper. Ihr Gesicht war gezeichnet von Zorn und Wut. Bitterkeit schwappte wie eine Suppe zu ihm herüber. Nein, ihr würde er sicher nicht seinen wahren Namen nennen. Aber was sollte sie schon mit seinem Spitznamen anfangen können? »Blue-boy«, krächzte er. »Mein Name ist Blueboy.«

Die Frau, die über ihn gebeugt stand lachte. »Und meiner Skye, Junge aus dem Meer. Bist du vom Schiff gefallen? Wohin warst du unterwegs?« Ein lauernder Unterton lag in ihren Worten.

»Ich… ich weiß nicht mehr.«, murmelte er.

Ein Klatschen folgte, daraufhin fing seine Wange zu brennen an. »Du hast mich geschlagen!«, rief er und spürte, wie sich sein Blickfeld verfinsterte. Er drohte wieder das Bewusstsein zu verlieren.

»Und du hast die Wahrheit verschwiegen.«

Wieder spürte er trommelnde Schläge auf seinem Körper - leichter diesmal. Doch er hatte erfahren, wozu sie in der Lage war, er musste vorsichtig sein bei dieser Frau. Dieser Tag steht unter keinem guten Stern, dachte er und da fiel ihm wieder ein, wie ihn die Meerfrau genannt hatte. »Gefallener Stern…«, murmelte er.

»Was? Was hast du gesagt?«

Nico schluckte. Wie konnte man nur so unvorsichtig sein und auch noch laut aussprechen, was man dachte? Endlich erweiterte sich sein Blickfeld wieder, die bunten Punkte vereinten sich wieder zu dem Bild von ihr, das er kannte. Nur, dass die runden Augen der Frau jetzt dicht vor seiner Nase waren, so nah, dass er das funkelnde Rot hinter dem tiefen Blau der Iris erkennen konnte. Ein wenig erinnerten ihn ihre Augen an die der Meerfrau, aber es gab im ersten Moment zu vieles, was dagegen sprach ihr zu vertrauen. Erst jetzt fiel ihm das Schmuckstück auf, dass den Kopf der Frau zierte wie ein Haarkranz: Ein breites, silbernes Band zog sich unter ihren Haaren hindurch über die Haut und lief über der Nase in einer Spitze aus, in der ein geheimnisvoller Stein leuchtete. Das Kleinod erinnerte ihn an die hohen Priesterinnen aus dem Osten, die ein solches bei ihren Zeremonien trugen. Aber wir sind hier weit entfernt von Ägypten, dachte er, sehr weit.

»Wiederhole deine Worte und folge mir!« Die Stimme holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Der Klang der Worte war so zwingend, dass ihm keine Wahl blieb, außerdem wollte er nicht noch einmal geschlagen werden. Also schleifte er sich hinter ihr er und sagte: »Gefallener Stern.«

Die Frau schüttelte ihren Kopf. »Wie kann man solch eine Wahl treffen? Abgesehen von den tiefbraunen Augen ist nichts hübsch an dir! Aber deine Augen, sie würde ich dir gerne heraustrennen.«

Sein Herz fühlte sich an, als würde man einen Knoten darum binden und diesen wie ein Schuhband festziehen.

Sie gingen über eine Steinküste tiefer ins Landesinnere. Palmen und Farne, Gräser und Sand formten dieses Stück Land und gaben ihm dem Anschein einer Insel in der Südsee. Die Frau führte ihn zu einem Platz mit einer aus Holz und Schilfgras geflochtenen Matte und stieß ihn an dieser Stelle zu Boden. »Schlaf nun, die Sonne ist schon fast untergegangen.« Wieder traf ihn ihre Hand und er konnte nichts dagegen tun, als ihn die Schwärze zu sich holte.

Ein Feuer brannte, als Nicolas Brighton erwachte. »Du solltest etwas trinken. Magst du auch etwas zu essen?« Die Frau saß in einiger Entfernung. Ein weißes Pferd war bei ihr, dessen Zunge unablässig über ihr Gesicht leckte. Das Schnauben des Tieres war nicht zu überhören und erinnerte ihn an seine Kindheit. Wie lange hatte er keine Pferde mehr gesehen, wie lange war er nicht mehr geritten?

»Wo sind wir hier? Wie weit ist der Norden entfernt?«, fragte er, denn ihm fiel wieder ein, dass er mit der STURMNACHT unter Kapitän Robbys Kommando zum Treffpunkt Nord unterwegs gewesen war. In Richtung seiner Heimat.

Die Frau lachte laut auf. »Süden, wir befinden uns hier im herrlichsten Süden. Auf einer Insel, umgeben vom Meer, mit wenig Festland. Und doch ist dies ein Ort, den kaum einer sich wünscht, denn hier wüten Stürme, hier sind die Wellen mehr als tückisch und die Strömung ist gnadenlos. Hier versammeln sich Schiffe am Grund der See, wie Tote auf einem Friedhof.«

»Aber es gibt Festland!«, rief Nico, denn er wollte daran glauben und nach dieser Eröffnung auch so schnell wie möglich dorthin und weg von dieser Insel, die sich an einem solch gefahrenvollen Ort befand.

»Wenn sich eine weitere Insel aus dem Meer erheben würde, dann gäbe es wohl einen Übergang dorthin«, sagte die Frau trocken.

»Ich verstehe nicht.«

»Ich fürchte, du verstehst vieles nicht, mein Junge. Und das ist besser so. Was willst du überhaupt im kalten Norden? Hier ist das Paradies, nur hier.« Wieder lachte sie, doch es klang eher wie ein Lachen, um sich selbst etwas vorzumachen.

»Ich…« Was sollte er ihr erzählen? Wovon sprechen?

»Ich weiß wirklich nicht, was sie an dir findet. Hier - iss das!«

Das Etwas, was sie ihm zuwarf, entpuppte sich als breiige Masse, eingewickelt in ein Feigenblatt. Als er das Knurren seines Magens vernahm, verzichtete er auf weitere Fragen. Und als er hineinbiss, schmeckte es sogar, irgendwie auch köstlicher als jemals ein Essen zuvor und viel besser als dieser Fraß auf dem Schiff! »Kann ich noch einen Wickel haben?«

»Wickel?«, fragte Skye, aber warf ihm eine Weitere dieser Feigentaschen zu.

»Bei uns wurden Bohnen mit gebratenem Schinken umwickelt - daher Wickel. Wäre Speckmantel besser gewesen?«

Skye schüttelte den Kopf. »Du bist seltsam. Und dein Körper ist es auch.« Sie war mit einem brennenden Ast bei ihm, der als provisorische Fackel diente. Als Nico nichts sagte, erklärte Skye. »Deine Wunden Blueboy, sie sind rasch verheilt, während du geschlafen hast; und es blieben nicht einmal Narben zurück. Sag mir, wie hast du das gemacht? Woher bist du?« Mit dem letzten Satz kam sie so nahe, dass er ihren Atem riechen konnte - eine Mischung aus Hund und vor allem Fisch.

»Die Küsten Englands sind mein Zuhause«, gab er endlich nach. »Und du - wer bist du, die hier des Nachts am Feuer sitzt? Allein und einsam wie es scheint, bis ich angespült wurde!«

»Das geht dich nichts an und glaub mir, dass ist besser so. Schließlich möchtest du die Nacht über nochmal ein Auge zu tun, oder?« In Skyes dunklen, runden Pupillen spiegelte sich das Feuer wieder und beinahe glaubte er, sie war das Feuer. Diese Frau, sie war unheimlich.

»Wie, wie alt bist du?«

»Was schätzt du?«

»Vierundzwanzig? Siebenundzwanzig?«

»Du solltest schlafen, gefallener Stern. Morgen gibt es vieles zu besprechen und zu tun.«

»Hier, auf dieser einsamen Insel? - Dreiunddreißig?«, versuchte er es ein weiteres Mal.

»Schlaf jetzt!« Das Feuer wallte plötzlich auf, die Flammen schienen ihn zu umkreisen, die Hitze sein Gesicht aufzufressen. Er biss sich auf die Lippe und dachte an die raue See, das wankende Deck der STURMNACHT. Vielleicht war das, was er dort am Rand der Reling gesehen hatte nicht das Schlimmste gewesen, vielleicht gab es noch ganz unheimlichere, bösartigere Dinge. Mit einem Mal ging das Feuer aus, doch er fragte nicht nach dem Warum. Vielleicht war es ja besser so, um nicht noch bösartige Tiere herzulocken, denn da waren Geräusche in der Nacht - das Heulen eines Wolfes, oder war es das eines Hundes? Das Zischen einer Schlange, die Rufe von Seelöwen aus der Richtung der Küste. Vielleicht sind wir die einzigen Menschen, die einzigen Bewohner sind wir jedenfalls nicht. Aber wahrscheinlich bildest du dir gerade zu vieles ein.

Ja, wahrscheinlich. Er wand sich auf seiner Unterlage von rechts nach links und zur Mitte, um eine Schlafpositionen zu finden und dachte an sein Zuhause, an seinen Rappen Thorn und wie er ihn mit fünf Jahren zum ersten Mal gesattelt und auf ihn gestiegen war. Wie sie durch die malerische Landschaft mit seinem wogenden Grasmeer und den Buchten geflogen waren, aber auch über steile Klippen und felsiges Gestein. Seit langem träumte er zum ersten Mal wieder von seinem Zuhause, von Cornwall.

Skylla beobachtete den Gefallenen Stern im Schlaf. Was fand die Meerfrau an dem Jungen so interessant? Was war der Grund, dass sie dafür Poseidon aufgeben wollte, einen der mächtigsten Männer, einen Gott? Poseidon sollte mich nehmen, ich bin ihm würdig, ich bin ihm gut, dachte sie. Ich kann auch eine Meerfrau sein und gleichzeitig noch viel mehr. Sie dachte an ihre Zeit als Ungeheuer, als sie einen Unterkörper aus einem Verbund aus Schlangen, Hunden und Wölfen besessen hatte. Jetzt dagegen mutete sie wie ein Mädchen aus einem Traum an, wie zu ihrer Anfangszeit. Bis ein Mann dazwischen kam und die Eifersucht einer Frau. Circe war ihr Namen gewesen und Glaukos der Name des Mannes, der sie geliebt hatte. Zu spät hatte sie dies erkannt. Sie sah ihn vor sich, groß und breit, mit gekräuseltem Haar im Licht der Sterne und einem Barthaar, dass er kunstvoll zu einer dreikantigen Spitze geflochten hatte, ganz wie der Tritonstab, den er mit sich führte, mehr zur Zierde, denn als Waffe und noch weniger als Herrschersymbol, denn Glaukos war niemals ein Herrscher gewesen, obwohl er meisterliche Arbeiten geleistet und der Sohn namenhafter Eltern gewesen war. Er war von sanftem Gemüt gewesen. Skylla schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab. Das waren wahre Männer gewesen, aber dieser gefallene Stern, er musste erst einmal zum Mann reifen. Vielleicht konnte sie ihm dabei helfen und würde selbst davon profitieren.

Noch immer war sie gebunden an die magischen Ketten der Zauberin Circe und allein, solange sie an Land blieb, war sie geschützt, solange sie den Zauber Poseidons besaß. Doch sie war abhängig von Amphitrite und das behagte ihr nicht. Eine Frau sollte unabhängig sein, dachte sie. Liebe Schwester, ich mache aus deinem Jungen einen Mann und sprenge die Ketten, die mich halten. Es würde schmerzhaft werden, aber es musste sein. Sie sah durch die Nacht zu ihren Beschützern, dem Wolfshund, dem Pferd, der Schlange und gedachte der Meerlöwen am steinigen und von Sand umspülten Inselrand. Bald bin ich frei, freier und unabhängiger als Amphitrite.

Die Sturmnacht

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