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FÜHRUNG

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IN FÜHRUNG

BLEIBEN

Geschafft. Mit diesem Gefühl sehe ich auf den Bildschirm, lehne mich zurück, verschränke die Arme hinter dem Kopf und versinke in Gedanken. Geschafft beschreibt den Moment, ein Ziel erreicht zu haben. Den Weg dahin bin ich allein gegangen. Sie, liebe LeserInnen halten nun das Ergebnis in den Händen und ich möchte Sie an diesem Weg teilhaben lassen.

Angesichts der Vielzahl an Angeboten zum Thema Führung (Literatur, Workshops, Weiterbildungsangebote oder persönliche Erfahrung) ist die Frage nach einem weiteren Buch zum Thema Führung durchaus berechtigt. Wirft man einen genaueren, analytischen Blick auf die genannten Angebote, wird man unschwer erkennen, dass die Blickwinkel oft eher einseitig sind. Entweder wird Führung aus Sicht vermeintlich erfolgreicher UnternehmerInnen betrachtet oder aus dem Blickwinkel von Angestellten bzw. KollegInnen, die häufig leidvolle Erfahrungen mit sogenannten Führungskräften (Vorgesetzten) gemacht haben. Diese Erfahrungen sind teilweise so prägend, gar traumatisch, dass der Schritt zu einer Betroffenheitsgruppe nicht mehr weit ist. Die Verwendung dieses Begriffs ist hier weder ironisch noch sarkastisch, sondern bitterernst gemeint: Es ist bitter, dass viele Menschen unter fragwürdigen Verhaltensmustern sogenannter Führungskräfte leiden müssen. Es ist bitter, dass diesen Menschen häufig Unterstützung verweigert wird. Es ist bitter, dass von MitarbeiterInnen erwartet wird, mit dieser Führungssituation umzugehen statt zu hinterfragen, ob nicht die Führungskraft ihr eigenes Verhalten mindestens reflektieren oder entwickeln kann. Es ist bitter, dass sich ca. 15% der Angestellten, die einen neuen Job beginnen, schon am ersten Tag mit ihrer Kündigung beschäftigen. Sie merken: Ich möchte Sie provozieren und mit Ihnen in einen Dissens gehen. Ich akzeptiere Ihr Kopfschütteln und Ihren Widerstand. Ich möchte mit Ihnen in Kommunikation treten, die ich auch als Mitteilung einer Differenz verstehe.

Es gibt Anbieter für Weiterbildung, die ihre Seminarthemen mit folgenden Titeln anpreisen: Vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten oder Neuroleadership, Führung mit

Respekt. Die Motive dieser Anbieter sind offenkundig und auch nicht verwerflich, nur hapert es oft an der praktischen Umsetzung der angepriesenen Inhalte. Echte Transfersysteme sind eher selten. Da Lernen nach den Wissenschaftsbereichen der Psychologie und Hirnforschung Kontakt-Lernen ist, ist die Rolle des/r entsprechenden TrainerIn mehr als nur bedeutsam. Neben einer ausgeprägten und aktuellen Fachexpertise benötigt der/die Lehrende noch weitere Fähigkeiten: Kommunikation, Dialektik, Visualisierung, Empathie, Flexibilität sowie elementare Grundkenntnisse aus der Hirnforschung und Lernpsychologie. Je nach Atmosphäre und Zusammensetzung kann zudem eine ausgeprägte und professionelle Konfliktfähigkeit nicht schaden. Da die TeilnehmerInnen Anspruch auf klare, verbindliche, zielführende Kommunikation und Lehrinhalte haben, diese häufig aber nicht mit der Erlebnisrealität korrespondieren (und Menschen gerne an Gewohntem festhalten), ist es notwendig, in den Konflikt zu gehen und diesen zuzulassen. Das geht oft mit verletzter Eitelkeit einher, die es ebenfalls auszuhalten gilt, da sich genau dann die Chance einer echten Entwicklung bietet.

In der Literatur finden wir häufig Patentrezepte, die zu erfolgreicher Führung verhelfen sollen. Was wird dabei als erfolgreich definiert? Die Antwort eines/r UnternehmerIn wird anders ausfallen als die einer Führungskraft eines/r Angestellten. Ebenso häufig wird unterstellt, dass diese eindimensionalen und multioptionalen Führungsrezepte für jedeN anwendbar und damit erfolgversprechend sind. Diese Einschätzung ist fundamental irreführend: Führung ist keine Technik, sondern eine Haltung und ich widme mich genau dieser Dimension. Das Verständnis von und für Führung als einer Haltung erweist als Grundlage für wertschätzenden, wirkungsvollen und zielführenden Umgang miteinander.

Dieses Buch soll Aspekte verschiedener Blickwinkel zusammenführen und gleichzeitig deutlich machen, an welchen Punkten diese unvereinbar sind. Die gefühlten und tatsächlichen Realitäten werden analysiert, wissenschaftlich beleuchtet und auf ihren

Wirkungsgrad sowie ihre Bedeutung im Umgang mit Menschen (Teams) hin untersucht. Final prüfen dann Sie, liebe/r LeserIn, die Anwendbarkeit. Seien Sie dabei sich selbst gegenüber schonungslos, hart und klar. Idealerweise geht es dabei um die Entwicklung eines Wertemodells und einer Führungskultur, die genau das ist: eine Kultur. Und da Kultur die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung ausdrückt, ist dieses Ziel mehr als nur erstrebenswert. Alles Erstrebenswerte bekommt man nicht im Vorbeigehen, sondern im Tun.

1.1 — REGIEANWEISUNG

Aus der Soziologie wissen wir, dass das größte Konfliktpotential zwischenmenschlicher Kommunikation dem Umstand geschuldet ist, dass zwei Menschen glauben, von ein und derselben Sache zu sprechen. Häufig haben sie jedoch sehr unterschiedliche Auffassungen und reden deshalb häufig aneinander vorbei oder geraten sich in die Haare, weil sie die Unwucht der Kommunikation spüren. Auch die Psychologie lehrt uns, dass die Wahrscheinlichkeit für eine misslungene Kommunikation deutlich höher ist, als die einer gelungenen. Daher definiere ich vorab elementare Begriffe, um ein gemeinsames Verständnis dafür zu schaffen. Sie finden zudem nach jedem Kapitel einige Fragen, deren Beantwortung dabei helfen kann, das Gelesene nachhaltig zu sichern. Und nun wünsche ich interessante, hoffentlich inspirierende und gerne auch kontroverse Lesestunden.


1.2 — HALTUNG

Wenn wir Führung als Haltung verstehen, lohnt es sich, den Begriff Haltung einmal genauer anzusehen. Etymologisch (also der Herkunft des Wortes nach) bedeutet Haltung in etwa Verwahrung, Inhalt, Verhalten und Benehmen. Häufig wird Haltung auch als Gesinnung verstanden diese ist eine durch Werte und Moral begrenzte Grundhaltung, wobei wir wieder beim Begriff Haltung sind. Im späteren Verlauf wird verdeutlicht, warum Werte und Moral heutzutage wichtiger denn je sind.

Haltung und Gesinnung entsprechen in der Psychologie am ehesten dem Konzept der Einstellung. Diese wird als die aus der Erfahrung kommende Bereitschaft eines Individuums definiert, in bestimmter Weise auf eine Person, eine soziale Gruppe oder eine Situation wertend zu reagieren. Dies geschieht kognitiv (durch Annahmen und Überzeugungen), affektiv (durch Gefühle und Emotionen) und behavioral (durch Verhaltensweisen). Die Funktion von Einstellung ist, Objekte einzuschätzen und durch Identifikation bzw. Distanzierung zu Individuen soziale Anpassung zu erreichen. Zudem gibt es implizite und explizite Einstellungen: Im Allgemeinen würde wohl kaum jemand offensiv zugeben, rassistisch zu sein (expliziten Einstellung). Verschiedene sozialpsychologische Test haben jedoch ergeben, dass eine große Mehrheit durchaus rassistische Vorurteile hat (implizite Einstellung).

1.3 — UND NUN?

Was bedeutet dies für eine gewollte Führungskultur? Wie können die Begriffe Haltung, Gesinnung und Einstellung dabei helfen, das Thema Führung zu verstehen? Wenn zur Entwicklung von Führungskräften lediglich klassische Tools bemüht werden, ohne sich unmittelbar mit der Person zu beschäftigen, erfolgt die Umsetzung des Erlernten im Arbeitsalltag. Der/die MitarbeiterIn wird so zum/r TrainingspartnerIn. Betroffene Teams reagieren darauf häufig skeptisch.

Wenn ich als Führungskraft meine impliziten wie expliziten Einstellungen, meine Wertemodelle, meine Erfahrungen im Umgang mit Situationen und Personen, meinen hoffentlich vorhandenen moralischen Kompass und meine kognitiven, affektiven und behavioralen Ausdrucksformen verlässlich kenne, kann ich zielführend, wertschätzend und persönlich ressourcenschonend folgende Führungsaufgaben wirklich annehmen:

• Motivations-Gespräche führen

• Kritik-Gespräche gestalten

• schwierige Situationen meistern

• Teamentwicklung sicherstellen

• Fördern und Fordern der MitarbeiterInnen und KollegeInnen

• emotional intelligent führen

• Konflikte thematisieren und lösen

Wenn der operative Alltag wieder beginnt, neigen Menschen dazu, wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen. Diese Reaktion ist psychologisch folgerichtig: Vertraute Verhaltensmuster bedienen gelernte und adaptierte Autoritätsprofile. Das Wort Autorität stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet eine soziale Position, die man z. B. einer Gruppe oder einer Organisation zuschreibt. Andere Menschen fügen sich dem Denken und Handeln dieser Autorität. Zur Vereinfachung werden in der Führungsliteratur oft drei verschiedene Arten unterschieden: Positions-Autorität, Fach-Autorität und Persönlichkeits-Autorität.

1.4 — PERSÖNLICHKEITS-AUTORITÄT

Erstrebenswert ist es sicherlich, qua Persönlichkeit als Autorität wahrgenommen zu werden. Da das im Seminar oder Workshop Erlernte allerdings oft nicht in den eigenen beruflichen Alltag eins zu eins übersetzbar ist und der/die motivierte TeilnehmerIn sich eben nicht der eigenen Werte, Einstellungen etc. bewusst ist, fällt diese Person unter dem alltäglichen Erwartungsdruck wieder in ihre Fach- bzw. die Positionsautorität zurück. Nun könnte man möglicherweise einwerfen, dass das doch kein Mangel sein müsse, doch leider ist es das. Schauen wir uns die beiden anderen Arten etwas genauer an.

1.5 — FACH-AUTORITÄT

Eine Führungskraft ist eben nicht die fachlich versierteste Person, denn sonst müsste sie sich vorzugsweise um den Erhalt des ExpertInnenstatus bemühen, was wiederum dazu führen würde, dass ihre Führungsarbeit weder wahr- noch angenommen wird. Eine Führungskraft ist idealerweise ExpertIn für den beruflichen Umgang mit Menschen. Aber die Annahme, dass ich keine Eier legen muss, um eine gute Hühnerfarm leiten zu können, greift zu kurz. Natürlich ist Fachwissen von Bedeutung (vor allem, wenn es um Akzeptanz geht), jedoch ist der Grad der Tiefe entscheidend.

1.6 — POSITIONS-AUTORITÄT

Eine Führungskraft, die sich primär über ihre Position durchsetzt, ist nicht mehr zeitgemäß, zumal dies keine Führung ist, sondern hierarchische Verwaltung darstellt. Auch muss differenziert werden: Ich stelle grundsätzlich nicht in Abrede, dass es sicher auch wirkungsvolle fach- und positions-autoritäre Führungskräfte gibt, die von Teams und KundInnen gleichermaßen geschätzt werden, doch ist diese besondere Typologie sehr selten.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, aus welcher Motivation heraus Menschen handeln. Laut dem Sozialpsychologen Prof. Harald Welzer stellt die Annahme, dass dies auf der Grundlage von Wissen und Erkenntnissen geschieht einen Irrglauben dar, denn das tun sie genau nicht. Stattdessen handeln wir, wofür wir glauben, als gut gefunden zu werden. Das bedeutet: wir handeln auf der Grundlage von Beziehungen. Und welche Beziehungen werden in der Positions-, bzw. Fach-Autorität abgebildet? Es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken.

1.7 — AUS DER PRAXIS FÜR DIE PRAXIS

Meine Seminare, Workshops oder auch Vorträge zum Thema Führung beginne ich immer mit einer Frage an die TeilnehmerInnen: Wie viel Zeit planen/setzen Sie bewusst für das Thema Führung ein? Die Antworten sind häufig alarmierend bis erschreckend, beschreiben jedoch die Führungsrealität deutscher Unternehmen. Sie reichen von „Ich habe keine Zeit für Führung“ über „Ich führe doch ständig“ bis hin zu „Meine MitarbeiterInnen wissen genau, was sie zu tun haben“ oder „Ich mache das intuitiv“. Es sind eher Reflexe statt Verhaltensweisen, denn Verhalten wird als eine zielgerichtete Reaktion auf einen äußeren Reiz beschrieben. Um zielgerichtet zu reagieren, benötige ich eine mehr oder minder ausgeprägte bewusste Wahrnehmung, die aber offenbar nicht Bestandteil deutscher Führungskräfteausbildung zu sein scheint. Oder aber sie wird bei der Personalauswahlpraxis schlicht und ergreifend unterstellt.

Nach dieser Frage und der daraus resultierenden Diskussion, die häufig dazu führt, dass die TeilnehmerInnen sich an dieser Stelle zumindest ihrer Führungshandlungen etwas bewusster werden, teile ich das Plenum in zwei Gruppen auf. Die erste Gruppe verlässt den Raum, während ich der anderen Gruppe folgenden Arbeitsauftrag erteile: Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sollte eine ideale Führungskraft haben? Bevor sie sich dieser Aufgabe widmet, bringe ich in Erfahrung, ob ein Verständnis über die Begriffe Fähig- und Fertigkeiten herrscht, was häufig nicht der Fall ist. Vereinfacht formuliert ist eine Fertigkeit ein erlernter bzw. erlernbarer Anteil meines Verhaltens und eine Fähigkeit etwas, was ich mitbringe, also eine Voraussetzung für den Erwerb von Fertigkeiten.

Dann gehe ich zur ersten Gruppe, die folgenden Arbeitsauftrag erhält: Welche Erwartungen haben MitarbeiterInnen an eine Führungskraft? Beide Gruppen haben nun 20-25 Minuten Zeit, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Nach der von Francesco Cirillo in den 1980er Jahren entwickelten Pomodoro Technik ist dies die optimale Zeitspanne, um sich zu konzentrieren und effektiv zu arbeiten. Anschließend stellen beide Gruppen ihre Ergebnisse vor, wobei es oft zu einigen Auffälligkeiten kommt. So herrscht in beiden Gruppen nahezu immer Konsens über folgende Aspekte: Empathie, Kommunikation Konfliktfähigkeit, Feedback, Fairness, Entscheidungen treffen und Gerechtigkeit. Sehr selten, und daher tatsächlich zu vernachlässigen, taucht der Punkt Fach-Expertise als Fertigkeit oder Erwartung auf. Das kann verschiedene Ursachen haben: sei es, dass sie als selbstverständliche Voraussetzung unterstellt wird oder dass es schlicht vergessen wurde.

Wenn beide Gruppen nun ihre Schnittmengen betrachten, schließt sich automatisch die Frage an, inwieweit die derzeitigen Führungskräfte, die eigene Unternehmens- und Führungskultur und die zukünftigen Führungskräfte kompetent in diesen Themen aufgestellt sind. Welche Angebote macht das jeweilige Unternehmen, um hier Kompetenzen zu vermitteln und zu entwickeln? Welche Anstrengungen haben die handelnden Personen selbst unternommen, um in diesen Themen sicherer zu werden? Oder wird hier in bestehende Strukturen verharrt bzw. darauf beharrt? Eine notwendige Entwicklung, eine zielführende Transformation geschieht nicht im Konjunktiv – eine Möglichkeitsform greift hier zu kurz.

1.8 — FRAGEN

Welche Autoritäten in der Führung kennen Sie?

Wie heißt die Technik, bei der man sich ca. 20–25 Minuten mit einer Aufgabe beschäftigt?

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