Читать книгу Lispel Mufflig: Einfach machen. Könnt ja gut werden. - Marcus Kaspar - Страница 5
ОглавлениеTFCHÜFF FÜDPOL
Am Südpol herrscht mal wieder eine Affenhitze. Ich schätze es auf 22 Grad unter Null und selbst das laue Lüftchen, das die Schneeflocken tanzen lässt, bringt keine nennenswerte Abkühlung.
Missmutig kicke ich einen kleinen Eisklumpen aus dem Weg. Meine Laune ist nicht so toll, denn unter meinen Federn schwitze ich wie ein Stinkekäse in der Sonne. Wahrscheinlich müffele ich auch so. Zur Kontrolle hebe ich meinen rechten Flügel und schnuppere kräftig. IGITT, eindeutig STINKEKÄSE!
Kein Wunder, dass meine 44 Geschwister in letzter Zeit so einen Bogen um mich machen. Die sollen ihre Schnäbel erstmal unter ihre eigenen Flügel stecken, da herrscht nämlich auch nicht gerade frischer Polarduft. Egal, ich bin, wie schon erwähnt, echt nicht gut drauf. Laut meiner schwarz-weißen Familie bin ich übrigens ziemlich oft miesepetrig drauf. Wofür ich natürlich absolut nichts kann. Ich krieg einfach nur schlechte Laune, wenn man mich fragt, ob ich schlechte Laune habe.
Und meistens ist die auch gerechtfertigt. NE, Korrektur, immer. So wie heute auch. Denn dies ist schon der dreiundgezigfachte Wintermonat in Folge, der sich nach Sommer anfühlt.
»Das liegt daran, dass wir so oft pupsen. Das macht die Luft warm«, sagt Schwester 17 immer, aber was weiß die denn schon.
»Das liegt daran, dass die Robben so oft ins Meer pieseln. Das macht das Wasser warm«, meint Bruder 33, aber der hat wirklich überhaupt keinen Schimmer.
Der Einzige, der hier Ahnung hat, bin nämlich ICH. Nur weiß das keiner außer mir, deshalb fragt auch niemand nach meiner Meinung. Ich bin ja nur der Kleine. Pinguin 45. Das heißt nämlich, dass es 44 andere Meinungen gibt. Und da sind Mama und Papa noch nicht einmal mitgezählt. Soviel dazu.
Jedenfalls finde ich die ganze Situation mit dem Wetter, den unterschiedlichen Meinungen und überhaupt alles und jeden ziemlich nervig. Am liebsten würde ich … tja …, das ist genau mein Problem, ich habe nämlich überhaupt KEINE AHNUNG, was ich am liebsten machen würde. Auf jeden Fall was anderes als jetzt.
»Was machst du?«, höre ich eine Stimme hinter mir und drehe mich um. Ach, ist nur Schwester 17.
»Nix. Das ist es ja«, grummele ich sie an.
»Geh doch Eislaufen«, schlägt sie vor.
Wie ÖDE ist das bitteschön? Das ist so ungefähr das einzige, was man rund um die Uhr hier machen kann – und was ich SCHON IMMER total bescheuert fand. Ich gähne sie demonstrativ an und sage: »Nö.«
»Schneeballschlacht?«
»Nein.«
»Robben ärgern?« Sie lässt echt nicht locker.
»Nein.«
»Vater, Mutter, Pinguin spielen?«
»NEIN!!!« Jetzt reicht es mir. Mittlerweile habe ich genug schlechte Laune für drei Teenager.
»Boah, bist du heute mies drauf«, fasst sie meine Stimmung messerscharf zusammen. »Dann mach halt was anderes.«
»Mache ich auch«, pampe ich sie an.
»Kann ich mitmachen?«, will sie wissen. Ich verdrehe die Augen. Wieso NERVEN Schwestern immer so? Ich reisse mich zusammen, setze mein schönstes Schnabellächeln auf und flöte: »Nö.«
Dann drehe ich mich um und lasse sie einfach stehen. Jetzt muss ich natürlich noch IRGENDWAS TOLLES bis heute Abend machen, das ich ihr dann erzählen kann. Die wird sich grün ärgern, weil sie nicht mitmachen durfte. Leider habe ich überhaupt keine Ahnung, was das sein könnte. Am besten, ich denke mir einfach was aus. Spontan fällt mir Schaf Rodeo ein, aber ich habe Zweifel, ob sie mir das glauben wird. In letzter Zeit treiben sich VERDAMMT WENIG Schafe am Südpol rum.
Gelangweilt kicke ich gegen einen Eisklumpen und schaue ihm hinterher. Er kullert drei Meter über den Boden und bleibt dann direkt an der Kante des Eisberges liegen, auf dem ich gerade Miesepetrigkeit verbreite.
Eigentlich wollte ich ihn ins Meer platschen lassen, aber der blöde Klumpen scheint wasserscheu zu sein. Na warte, denke ich und stelle mich direkt hinter ihn. Den schnipse ich jetzt mit meiner großen Zehenflosse so richtig weit über die Kante, damit es ordentlich spritzt, wenn er ins Wasser fällt. Oder einer blöden Robbe auf den Kopf knallt, was ich eigentlich noch viel lustiger finde.
So, LOS GEHT’S, Zehenflosse ordentlich anspannen und dann in einer kräftigen Beweg… Moment mal, was ist denn das? Spinne ich oder wackelt hier alles? Und was soll der Riss im Eis?
Ehe ich mich versehe kracht der Boden unter mir weg und anstelle des Eisklumpens schlittere ich selbst den Abhang runter. Dabei stehe ich auf einer Eisplatte, die gerade abgebrochen ist, wie auf einem Snowboard. Ich sehe bestimmt total lässig dabei aus, wie ich so den Berg runter surfe.
Allerdings fürchte ich, dass mein schrilles »AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHRRRRG GGGGHHHHHHHJJJJJ-JJIIIIIIHIII!!!!!« den Eindruck verfälscht.
Mit einem fetten PLATTTTSCH kommt zuerst die Eisscholle auf dem Wasser und dann ich auf der Eisscholle auf. AUTSCH, denke ich und beisse den Schnabel knirschend zusammen. Zu guter Letzt kommt auch der kleine Eisklumpen hinterher geflogen und landet, NA WO WOHL?, auf meinem Kopf. Ha, dem hab ich es gezeigt, ist wie geplant jemandem auf den Kopf geflogen.
Ich gucke hoch und sehe gefühlte 220 Meter über mir meine Schwester 17. Sie schaut etwas irritiert über die frisch abgebrochene Kante zu mir runter.
»Was machst du denn da unten?«, will sie wissen.
»Wonach fieht ef denn auf?«, rufe ich zurück und erschrecke. Seit wann lispel ich denn? Ach du fetter Wal, ich muss mir bei meiner Snowboardschlitterfahrt den Schnabel ordentlich verrenkt haben. Na toll, hoffentlich wird das wieder.
»Und wieso lispelst du?«, ruft sie zu mir runter.
»Waf weiff denn ich?«, brülle ich.
»Kommst du wieder hoch?«
Ich schaue mich um. Nix zum Hochkommen in Sichtweite.
»Äh, nö«, rufe ich.
»Ach so«, sagt sie.
»Ich glaube, ich fahre mal fo ein biffchen rum«, sage ich und tippe mit der rechten Flosse auf mein Eisfloß. »Daf war nämlich daf, waf ich eh vorhatte. Tolle Fache.« Na, hoffentlich glaubt sie mir das.
»Okay«, sagt 17. »Bist du zum Abendessen zurück?«
Ich überlege. Wenn ich schon hier unten bin, kann ich auch ebenso gut hier unten bleiben und mich etwas umsehen. Hier ist es zwar auch nicht kälter als oben, aber dafür ist es wenigstens mal was Neues. So schnell kann das also gehen: eben noch gemeckert, dass nix passiert und ZACK schon sitze ich auf ner Eisscholle. Egal, einfach mal machen, denke ich. Könnte ja auch gut werden.
»Glaub nicht«, rufe ich ihr zu. »Ich mach mich mal auf Erkundungftour.«
»Na gut, mach das«, sagt sie und watschelt Richtung Zuhause. »Tschüß 45 und viel Erfolg.«
Ich winke ihr zu und während mein Eisfloß aufs offene Meer treibt rufe ich »Tfchüff Füdpol.«