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1.7 Profitmaximierung war gestern

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In meinen Anfangsjahren als Trainer feilte ich immer wieder an der Ausrichtung meines eigenen Unternehmens. Damals hielt ich die wirtschaftlichen Ziele wie Umsatzzahlen und Gewinne der Firmen, deren Beschäftigte ich trainierte, für meine wichtigsten Orientierungspunkte. So wurde es mir kommuniziert und ich nahm es für bare Münze, unerfahren wie ich damals war. In den Leitbildern vieler Unternehmen stand ohnehin der »Mensch im Mittelpunkt« – gemeint waren sowohl Kunden wie Mitarbeiter und sonstige Stakeholder. Was es jedoch konkret bedeutete, die Menschen in den Mittelpunkt unternehmerischer Tätigkeiten zu stellen, darüber wurde kaum gesprochen. Heute weiß ich, warum nicht.

Mit den Jahren musste ich feststellen, dass nichts die Unternehmen härter traf als schlechte Stimmung und Konflikte am Arbeitsplatz, viele Krankenstände, eine allgemeine Job-Verdrossenheit oder hohe Mitarbeiterfluktuation. Dagegen halfen auch keine noch so genialen Incentive-Events zur Weihnachtszeit oder zum Jahresauftakt. Unterm Strich waren das alles Symptome für unternehmerischen Misserfolg. Denn wenn der »menschliche Erfolg« ausbleibt, ist es letztlich egal, was auf dem Papier oder in der Bilanz steht.

Erfreulicherweise wandeln sich die Zeiten und Anschauungen gerade. Immer öfter wird schon abgerückt von den hochtrabenden Umsatz- und Unternehmenszielen, die, meist zu Beginn eines Geschäftsjahres, den Mitarbeitern gemeinsam mit opulenten Büffets als »Motivations-Booster« präsentiert wurden. Führungskräfte und Schlüsselpersonen in den Unternehmen wissen heute, dass dieses Vorgehen außer Druck nicht wirklich viel bringt. Die angepeilten Zahlen werden womöglich erreicht, aber um welchen Preis? Und: Geht es nicht besser?

Es geht! Erfolg darf eben nicht (allein) von außen beziehungsweise oben vorgegeben und gesteuert werden. Das funktioniert ausnahmslos von innen heraus. Durch Begeisterung, Beziehungsaufbau, Kommunikation und Kooperation mit den Menschen. Wer an diesen Parametern arbeitet, kann einmal definierte Ziele oft nicht nur erreichen, sondern sogar übertreffen. Ich spreche in dem Zusammenhang von Potenzial. Ziele halte ich persönlich für Unsinn, wie du in meinem ersten Buch nachlesen kannst. Sie legen sich wie ein Deckel auf das vorhandene Potenzial, das derart im Verborgenen bleibt und nie zur Entfaltung kommen wird. Ganz ehrlich? Dem Inhaber einer Firma muss es heute gleichgültig sein, ob er die definierten Monats-, Quartals- oder Jahresziele erreicht oder nicht. Wer langfristig erfolgreich werden und auch bleiben möchte, wirft dieses jahrelang von Unternehmensberatern »gehypte« Konzept bitte endlich über Bord und ersetzt es durch Visionen, Werte und Potenziale.

Nicht immer ist es aber nur der Druck »von oben«, der den Erfolg verhindert. Im Seminarraum wird mir meist innerhalb der ersten Stunde schon klar, worum es den Leuten geht und was ihnen zu schaffen macht. Tatsächlich sind ein »Der Chef hat gesagt, ich muss …« oder »Die Vorgabe ist, dass wir …« selten das Hauptproblem dafür, dass gewisse Dinge nicht gelingen, für die ich dann in die Firma geholt werde. Beschäftigte stehen sehr oft unter Druck, keine Frage, aber relativ häufig ist es ein selbstauferlegter Druck. Ausgelöst von oder im Zusammenspiel mit Existenzängsten, der Furcht vor Auseinandersetzungen und Konflikten und einer generellen »Kultur der Unsicherheit«.

Es wäre die Aufgabe von Führungskräften, diese Art von Druck und Sorge von den Menschen zu nehmen. Das scheitert aber meist daran, dass sie selbst es nicht besser wissen und können sowie ebenso gestresst und »unter-drückt« sind wie ihre Mitarbeiter. Ich werde mich in Kapitel 8 noch eingehender damit befassen. Um das aufzulösen, müsste sich jeder erst einmal allein in sein Zimmer sperren und sein Innerstes nach außen kehren, um es mit Eigenverantwortung und Selbstachtung neu aufzufüllen. Die Frage ist, wer bringt schon den Mut dafür? Den Stellenwert einer gepflegten Selbstsicherheit in unserer Gesellschaft kennst du ja bereits aus Kapitel 1.4. Vielleicht gelingt es mir ja hiermit, dass die Sehnsucht danach größer wird als jegliche Ängste vor den Folgen.

Aber anstatt dieser persönlichen Sehnsucht nachzuspüren, unterwerfen sich die meisten Menschen irgendwelchen äußeren Zwängen. Unsere Gesellschaft ist wie sie ist, weil die allermeisten von uns die Beschränktheit ihrer Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten unhinterfragt akzeptiert haben. Solche Sachzwänge lassen den Einzelnen im Glauben, er müsse in einer bestimmten Art funktionieren, ohne dass er selbst es wirklich will. Wieder ist es nur ein Auswuchs der falschen Glaubenssätze, mit denen so viele von uns aufgewachsen sind. Sobald jemand auf die Idee kommt, einen Lebenswandel anzustreben, der nicht gesellschaftlich mehrheitlich gebilligt ist, folgt postwendend ein: »Wo kämen wir denn hin, wenn das alle täten?!« Bäm! Schon sehen sich diese Menschen ganz logischerweise an der Grenze ihrer individuellen Freiheit, ihrer Aussichten auf Glück und Erfolg angekommen.

Oft ist es auch die Zeitkomponente, die uns unter Druck setzt und an die Grenzen bringt. Was ist mehr wert: Zeit oder Geld? In manchen Bereichen gehört es fast schon zur Jobbeschreibung, andauernd keine Zeit für etwas anderes als die Arbeit zu haben, wenn man es zu etwas bringen will. Eine Weile machte es auf mich den Anschein, dass dieses Phänomen mit den jüngeren Generationen langsam abklingt, weil sie den toxischen Dauerstress nicht mehr auf sich nehmen wollen. Die so genannte »Generation Y« ist dafür bekannt, das Althergebrachte zu hinterfragen und nach Selbstbestimmung zu streben. Zu Recht entscheiden sich die Millennials, wie sie auch genannt werden, für den Faktor Zeit und versuchen, mit so wenig (Ausgaben, Dingen, Verpflichtungen usw.) wie möglich auszukommen. Dass der angestrebte Minimalismus auch leicht in Trägheit und Passivität umschlagen kann, steht auf einem anderen Blatt.

Der Wertewandel bei Angehörigen dieser Generation, die bis in die späten 1990er Jahre hinein geboren wurden, ist eindeutig: Im Unterschied zur Gesellschaft von früher, die vor allem einen sicheren Job und gute Bezahlung anstrebte, stehen für die Ypsiloner die zeitliche und tatsächliche Flexibilität, Mobilität sowie Freude an der Arbeit an vorderster Stelle. Gute Führungsqualitäten ihrer Vorgesetzten gehören für sie automatisch dazu. Kein Wunder, dass in dieser Gruppe immens viele High Potentials unterwegs sind. Sie sind auch schon viel selbstbewusster und fokussierter als ihre Vorgängergeneration.

Eine schöne Entwicklung, dachte ich mir. Dann kam aber die Generation Z. Die etwa ab der Jahrtausendwende Geborenen sind im Vergleich zur Generation Y nicht nur technik- und internetaffin, sie kennen es gar nicht mehr anders. Sie wachsen in einer Welt digitaler Medien und Smartphones auf und nutzen sie als Schaltzentrale für alle Lebensbereiche. Kommunikation findet hauptsächlich indirekt über das geschriebene, in Messenger-Diensten getippte Wort statt, und sie erwarten sich umgehende Reaktionen – Stichwort: »Likes«. Daran werden auch das eigene Ansehen oder die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung gemessen. Der persönliche Bezug und konkrete menschliche Austausch haben an Bedeutung verloren und die Entscheidungen eines Z-lers halten angeblich nur so lange stand, bis etwas Besseres kommt.

Natürlich lassen sich die Generationen nicht trennscharf voneinander abgrenzen, die Übergänge sind fließend. Und die genannten Merkmale der beiden »Generationen-Typen« sind auch nur beispielhaft für ihre Mitglieder. Ihre Unterschiedlichkeit ist einfach das Ergebnis der verschiedenen gesellschaftlichen und technologischen Fortschritte während der Kindheit und Jugendzeit dieser Menschen. Im Gegensatz dazu hat sich in meinen Augen aber ein gewaltiger Rückschritt vollzogen, was die persönliche Einstellung der ganz jungen Leute angeht.

Sie wirken auf mich oft abgeklärt, fast schon ernüchtert im Hinblick auf ihre persönlichen Träume und Vorstellungen für ihr Leben. Man könnte auch sagen, sie haben aufgegeben, bevor sie überhaupt angefangen haben. Das kann daran liegen, dass sie bei ihren Vorreitern gesehen haben, dass deren Wünsche und Ziele nur selten Wirklichkeit geworden sind. Aus dem Grund hat sich die Generation Z scheinbar rückbesonnen auf »alte Werte«. Sie arbeiten lieber in einem traditionellen, konservativen Umfeld mit spürbaren Hierarchien als im partnerschaftlichen Start-up, lieber mit fixen Arbeitszeiten als nach flexiblen Modellen, wo sie Ausbeutung wittern, und lieber angestellt als selbstständig.

Ging es der Generation Y noch um eine ausgewogene Work-Life-Balance, will die Generation Z ihr Berufs- und Privatleben ganz klar voneinander abgrenzen. Von der Wortschöpfung der »Work-Life-Balance« halte ich so und so nichts, weil schon der Grundgedanke faul ist. Arbeit ist schließlich nicht einfach ein Thema, das man vom Rest seines Lebens abkoppeln könnte. Der Mensch, sein Wohlbefinden und sein Erfolg sind als Ganzes zu betrachten, da gehört nun einmal auch die Beschäftigung dazu – die berufliche wie die private. So wie es die ganz Jungen gerne hätten, kann es aber auch nicht funktionieren: Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf Freizeit und Familie, die Arbeit ist eher ein »notwendiges Übel« und wird, sobald es nicht mehr angenehm genug ist, schnell gewechselt. Ob das reicht, um langfristig glücklich und erfolgreich zu sein? Ich habe meine Zweifel.

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