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1.8 Menschen brauchen Menschen

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Was ist der Mensch? Warum ist der Mensch? Woher kommt der Mensch? Wohin geht er? Was kann der Mensch? Was zeichnet ihn aus? Bei der ein oder anderen philosophisch klingenden Frage zum Menschsein ist wohl jeder schon einmal im Leben hängen geblieben. Hat bei einem Glas Wein oder einer Tasse Tee über den Sinn des Daseins und die Existenz der anderen nachgedacht. Meist sinniert man nicht allein, sondern in Gesellschaft. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen.

Das Sozialverhalten des Menschen hat mich immer schon sehr interessiert. Bereits als Teenager bin ich daher in psychologischen Büchern versunken, von Alfred Adler über C.G. Jung bis Erwin Ringel. Und als es mir in meinem Wirtschaftsstudium zu eindimensional wurde, habe ich mich auch noch für Soziologie eingeschrieben. Der latente Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft kam mir dabei besonders spannend vor. Ich wollte wissen, warum wir Menschen dazu neigen, nicht zu unserer Individualität zu stehen. Ich konnte es mir nicht richtig erklären, da es für mich persönlich undenkbar war, nicht meiner inneren Stimme zu folgen. Egal, was die anderen sagten. Dass gelegentlich sogar von mir erwartet beziehungsweise verlangt wurde, klar entgegen meiner persönlichen Haltung zu handeln, erschien mir absurd und übergriffig. Lag ich damit falsch? Oder war ich ein Egoist? Nicht gesellschaftsfähig?

Lange Zeit war mir nicht bewusst, dass – und vor allem was – all das mit meiner Herkunft zu tun hatte. Unsere Herkunft bestimmt unsere Zukunft mit. Woher wir kommen, wirkt sich stark darauf aus, wohin wir kommen können. Es muss uns also erst klar werden, wo wir herkommen, sprich, was unser »Ureigenes« ist, dann können wir das machen, was uns wirklich entspricht. Das ist eine ganz wesentliche Grundlage für Erfolg. Damit meine ich nicht etwa aus welchem Land, welcher sozialen Schicht oder welchem Elternhaus wir kommen, es geht noch wesentlich tiefer. Wir haben als Menschen Besonderheiten und Eigenarten mitbekommen, die unseren unverwechselbaren Charakter ausmachen und unsere Existenz formen. Der Auftrag lautet daher: Stelle fest, was dir entspricht (oder: als Kind entsprochen hat), und handle (als Erwachsener) danach.

So einfach wie es sich anhört, ist es nur leider nicht. Es gibt ja nicht nur uns allein als Einzelpersonen, sondern auch noch die anderen – die Gruppe oder Gesellschaft, mit der wir in Wechselwirkung stehen. Wir sind gleichzeitig einzelne und soziale Wesen. Es wäre unsinnig, da einen Widerspruch zu sehen, weil erst die Gemeinschaft unsere Individualität möglich macht. Ohne sozialen Kontext, unsere Umwelt und unsere Mitmenschen, würden wir uns überhaupt nicht als Individuen wahrnehmen können. Von Anfang an sind wir auf den Kontakt und Beziehungen zu anderen Menschen angewiesen. Ein Baby ist ohne Zuwendung nicht überlebensfähig. Es wird von seiner Mutter in ein soziales Umfeld hineingeboren und wächst in gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen heran. Und sogar schon vor der Geburt besteht eine soziale Verbindung zwischen dem Ungeborenen und seiner Mutter, die das Verhalten des Kindes später mitprägt.

Die Persönlichkeitsmerkmale sind damit schon in Grundzügen genetisch in uns Menschen angelegt. Das Verhalten in seiner konkreten Ausformung wird aber nicht vererbt, sondern uns schlicht und ergreifend »anerzogen«. Weil wir uns, wie alle Lebewesen, auf unsere Umwelt beziehen und auf sie reagieren, werden wir natürlich von ihr beeinflusst. Trotzdem bleiben wir als Einzelpersonen frei darin, uns unsere Umwelt individuell zu gestalten. Der Drang von uns Menschen nach Gruppenzugehörigkeit ist aber stark ausgeprägt – im Kleinen wie im Großen: Wir sind Familien-, Team- oder Vereinsmitglied. Wir sind Teil einer Kultur, Gemeinschaft oder eben der Gesellschaft. Erst müssen, später wollen wir dazugehören.

Und um dazuzugehören, sind wir auch bereit uns anzupassen. Wir gleichen unsere Verhaltensweisen an die Werte und Normen der Kultur oder Gesellschaft an, in der wir leben. Das ist wichtig für uns, weil erst durch die Gemeinschaft möglich wird, dass wir uns auch individuell weiterentwickeln können. Auffällig, um nicht zu sagen pathologisch, wird es dann, wenn verlangt wird, dass wir unsere persönliche Entwicklung, unser Glück und unsere individuelle Freiheit komplett hinter die anderer Menschen – häufig ist es die Allgemeinheit – zurückstellen. Das ist überhaupt nicht solidarisch, wie so oft behauptet wird. Es ist heimtückisch. Siehe dazu auch Kapitel 2 Bedürfnisse.

Aber Menschen brauchen Menschen. Wir brauchen das Gespräch und die Auseinandersetzung. Wir leben davon, dass wir uns austauschen. Der menschliche Verstand ist so begrenzt, daher brauchen wir den Austausch mit anderen für unser Fortkommen. Ein Mensch unterstützt den anderen, indem er ihm frischen Input gibt, quasi einen »frischen Geist einhaucht«, wo sein eigener Geist an die Grenzen stößt. Um mehr zu erkennen und verstehen zu können, sind verschiedene Blickwinkel und Dimensionen notwendig. Und die kommen nur in Form anderer Menschen daher, die uns inspirieren.

Menschen brauchen Menschen also in erster Linie dafür, damit sie uns zeigen, was möglich ist. Damit wir uns eine Vorstellung machen können von einem Potenzial. Denn was wirklich möglich ist im Leben, können wir selber, sprich: alleine, gar nicht begreifen. Deswegen kannst du dir bei deinen Mitmenschen anschauen, was ist in deren Leben möglich. Und wenn es für sie möglich ist, ist es für dich auch möglich. Aber Achtung! Versuche nicht das Leben anderer Menschen zu kopieren. Natürlich kannst du dir Ideen holen, aber in erster Linie musst du davon überzeugt sein, was du tust, das reicht aus. Sei dir gewiss, dass jeder deiner Weggefährten, ob Freund, Familienmitglied, Kollege, Kunde, Partner, Nachbar oder Vorgesetzter, auch einen unbewussten Anteil an den »Krankheiten« unserer heutigen Gesellschaft hat. Sie heißen Angst, Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit, wie ich weiter vorne beschrieben habe.

Das macht es so tricky, die richtigen Mentoren und Vorbilder für uns zu finden. Und manchmal ist es auch okay, den Leuten einfach zu sagen, dass sie sich »schleichen« (abhauen, Anm.) sollen, wenn du merkst, dass sie dich bremsen oder runterziehen. Du kannst die Menschen in deinem Umfeld nicht ändern, aber du kannst dein Umfeld verändern. Es sind ja leider meistens nicht die unbekannten, brutalen Kritiker, die dich von deinem inneren Erfolgsweg abbringen. Sondern es sind die Menschen, die dir am nächsten stehen und sich um dich sorgen. Diese Sorge nennen sie (fälschlich) Liebe, weil ihnen das Vertrauen in dich fehlt. Weil ihnen das Vertrauen in sich selber fehlt. Du darfst dich jetzt entscheiden, wem du mehr vertraust: den anderen oder dir selbst?

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