Читать книгу Mit den Augen meines besten Freundes - Margarithe W. Mann - Страница 5

Meine Ankunft im neuen Rudel

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Eines Tages, als ich gerade mit meinen Geschwistern auf dem Hof um die Wette hinter einem Papierfetzen her jagte, kamen fremde Leute. Sie sprachen mit dem Zweibeiner, der für uns und Nora, das ist meine Mutter, das Futter bereitstellte. Sie nahmen eines meiner Geschwister mit Meine Mama suchte vergeblich noch sehr lange nach ihm und rief nach ihrem verlorenen Welpen. Wir Hunde können keine exakte Zahl benennen, aber trotzdem merken die Hundemütter wenn eines ihrer Kinder fehlt. Na ja und eines Tages kamen wieder fremde Zweibeiner. Es waren zwei weibliche Zweibeiner. Sie beugten sich zu mir herunter, neugierig schnupperte ich an den Enden ihrer Vorderbeine. Dann hüpfte ich zwischen ihren Hinterbeinen herum. Schließlich hob man mich hoch und ich hörte die Worte wie: Mitnehmen, Papiere und verkaufen, aber ich konnte nichts damit anfangen. Der ältere Zweibeiner trug mich ein Stück auf ihren Vorderbeinen. Nach einer Weile stellte man mich zurück auf den Boden und öffnete eine große Kiste. Diese Kiste verströmte einen strengen Geruch, den ich bis dahin noch nicht kannte. Man setzte mich hinein und klappte die Kiste wieder zu. Kurz darauf krochen auch die beiden Zweibeiner mit in diese Kiste, die ringsherum kleine durchsichtige Bretter hatte. Ich saß auf einer Decke, die Kiste setzte sich in Bewegung und ich kullerte hin und her, weil ich mich nicht halten konnte. Die Reise schien endlos zu sein und mir wurde ganz eigenartig zumute. „Hallo, ich glaube mein Futter kommt wieder zurück, mir ist ganz übel“, wimmerte ich vor mich hin. „Ja, ist doch gut, wir sind gleich da, wir sind gleich zu Hause“, sagte der jüngere Zweibeiner. „Mir ist übel, das kann doch nicht gut sein und meine Mama sucht mich sicher schon!“, meldete ich mich etwas lauter. Und da passierte es, ein Teil meines Futters fiel mir aus der Schnauze und landete auf der Decke. „Ich glaube, dem armen Hund ist schlecht geworden, wir sind zwar gleich da, aber ich halte mal an“, sagte der Zweibeiner, der die Kiste steuerte. Aha schlecht ist es also, wenn das Futter aus der Schnauze fällt, aber ich kann doch nichts dafür und gerufen habe ich auch. Die Fahrt verlangsamte sich und dann blieben wir mit einem Ruck stehen, sodass ich unwillkürlich von einer Ecke in die andere schleuderte und auf meiner Rückseite landete. Die Klappe öffnete sich und man schaute auf mich herab. Ich rappelte mich wieder auf und miefte nach meiner Mama. Man verstand mich aber sicher nicht, denn man hob mich heraus und füllte eine kleine Schale mit Wasser und sagte wieder: „Es ist ja gut, wir sind doch gleich zu Hause“. Ich weiß doch aber nicht, was das ist: Zu Hause und wimmere weiter. „Ich will kein Wasser, ich bin müde, mir ist übel und ich will endlich zurück zu meiner Mama“. Man räumte das verlorene restliche Futter auf der Decke weg und verstaute mich wieder in der Kiste. Es ging weiter, ich jammerte, weil ich nicht wusste, wie lange ich noch ohne meine Mama und meine Geschwister sein sollte und warum ich mit den fremden Zweibeinern in dieser stinkenden Kiste sein muss. Endlich hörte die Kiste auf zu knattern, man hob mich heraus, der ältere Zweibeiner trug mich wieder ein Stück auf den Vorderbeinen, bevor man mich irgendwo ins Gras setzte. Ich sah mich um, wo bin ich? Wo ist meine Mama und wo sind meine Geschwister? Wo ist der männliche Zweibeiner, der immer die Futterschüssel füllte? „So, siehst Du, jetzt sind wir zu Hause“, sagte Marga, so wird der ältere Zweibeiner von dem anderen genannt. Auf einmal, ich habe mich richtig erschrocken, kam laut schreiender Weise ein fremder Artgenosse einer kleinen Rasse auf mich zu gerannt. So einer mit sehr kurzen Beinen und einem lang gezogenen Rücken, Dackel nennen ihn die Menschen. „He, was suchst du hier!? Das ist mein Haus, mein Garten und meine Familie!“. Instinktiv rannte ich schnell zurück zu dem Zweibeiner, den sie vorhin Marga genannt haben, sie nimmt mich wieder auf ihre Vorderbeine. Hier oben fühle ich mich doch ein wenig sicherer. Ein dritter weiblicher Zweibeiner kommt auf uns zu, er scheint schon alt zu sein, denn er hat wie ein Rudelmitglied, da wo ich herkomme schon graues Fell auf seinem oberen Ende. Die Menschen haben aber nicht am ganzen Körper Fell, so wie wir, sondern eben nur an ihrem oberen Ende. Sie ruft nach dem kreischenden, schimpfenden Dackel, der noch immer lauthals: „Das alles hier gehört mir, mir ganz alleine! Geh` weg!“ schreit, sodass sich seine Stimme dabei regelrecht überschlägt. „Fiete sei still! Pfui, sei ruhig jetzt! Das ist die Nele und sie wohnt jetzt auch hier bei uns, das ist nun auch Neles zu Hause!“, ruft die alte Dame. Der Dackel, der gerade Fiete gerufen wurde und wie ich sehe ein junger Mann ist, bleibt vor uns stehen und keift weiter: „Na los, komm `runter von Margas Vorderbeinen, wenn du mutig genug dazu bist!“ Ich zappele ein wenig und sie setzt mich zurück auf die Erde. Zu Hause, hat die alte Frau gerade gesagt, das habe ich doch vorhin, als wir noch mit der stinkenden Kiste gefahren sind schon mal gehört, aber Nele, das Wort kenne ich nicht. Ich bin überhaupt unsicher, ich habe immer meine Mama gefragt, wenn ich etwas nicht wusste, aber sie ist nicht da. „Wo bin ich? bist du schon länger hier? Was ist das, zu Hause?“, frage ich den Dackel ganz ängstlich und vorsichtig. Ich bin schon jetzt ein Stückchen größer als er, obwohl er ja ein wenig älter ist als ich. „Zu Hause, das ist hier und du sollst jetzt auch bei diesem Rudel bleiben so wie ich, … aber damit du es gleich weißt: Ich war zuerst hier und deshalb bestimme ich hier alles, … und nicht du!“. „Gut, ist ja o.k., ich habe doch nur gefragt, aber was ist mit meiner Mama? Wann kommt meine Mama und wann kommen meine Geschwister?“. „Na du kannst Fragen stellen, du musst dich schon daran gewöhnen, dass du ohne deine Mama und deine Geschwister bleiben musst, ich habe auch erst immer auf sie gewartet, am Anfang, als ich hier ein neues zu Hause gefunden hatte“, knurrte der Dackel. Ich konnte nicht glauben, was er da sagte und fange wieder an zu jammern: „Aber, aber, ich, ich kenne doch niemanden hier, ich kenne diese fremden Zweibeiner nicht, ich kenne ihre Hütte und ihre Außenwelt nicht. Was ist, wenn ich mich verlaufe? Ich habe Angst“. „Wenn du nicht wegrennst, dann verläufst du dich auch nicht“, murmelte mein Artgenosse, der sich langsam beruhigte und aufhörte zu keifen. Ich konnte aber noch immer nicht anders, als miefend und fiepend im Gras umher zu schnüffeln. Gleichzeitig schaute ich mich dauernd nach den neuen Zweibeinern um, weil ich befürchtete, sie könnten auch noch verschwinden, so wie meine Mama und die Geschwister. Der junge Dackelmann, der offensichtlich Fiete heißt, kam ein Stückchen auf mich zu: „Na, … nun Mädchen, du wirst dich schon an uns gewöhnen, ich werde dir auch alles zeigen was du wissen musst und es ist schön hier, es wird dir bestimmt gefallen. Es ist nur sehr wichtig, dass du die Rangordnung kennst, wenn du in ein neues Rudel kommst. Unser Rudelführer ist die Marga, das ist der weibliche Zweibeiner, der dich auf ihren Vorderbeinen getragen hat, sie füllt auch die Futternäpfe. Dann kommt der alte Zweibeiner, der mit dem weißen oberen Ende, Oma wird er auch von den anderen Rudelmitgliedern gerufen. Auf dem nächsten Rang ist die Nita, das ist der andere junge Zweibeiner, der auch mit in der fahrbaren Kiste saß, mit der ihr vorhin gekommen seit und am oberen Ende das Fell etwas länger trägt und oft mit einem Strick zusammengebunden hat. Na ja und dann kommen wir und bilden das Ende vom Rudel. Für die drei Zweibeiner sind wir beide gleichwertig, aber wie ich schon gesagt habe, bist du mir untergeordnet, auch wenn ich etwas kleiner bin als du, das spielt keine Rolle. Ich war vor dir hier im Rudel und das ist ausschlaggebend. Wenn die Marga nicht da ist, dann füllt auch die Oma meine Näpfe und wenn die nicht da ist, dann tut es der jüngste Zweibeiner mit dem langen Fell“. „Oje, das wird ja schwierig, aber mit der Zeit werde ich es mir schon merken“. „Ja, das musst du unbedingt, da gehört auch dazu, dass du der Oma Folge leisten musst, wenn die Marga nicht da ist, dann bestimmt die Oma und wenn die auch nicht da ist, dann müssen wir auf die Nita hören. Es kommt auch vor, dass niemand da ist, dann bist du mir erst recht untergeordnet, … aber ich, ich kann dann machen was ich will“, meinte der Fiete überlegen und erklärte. „Aber du musst mit mir zusammen alle deine zweibeinigen Rudelmitglieder gegen Eindringlinge verteidigen, das ist unsere Aufgabe. Wir tun es nicht nur als Gegenleistung dafür, dass unsere Näpfe immer gefüllt werden und wir auch hin wieder ein Leckerli bekommen, sondern weil wir eben dazu da sind auf unsere Zweibeiner aufzupassen“.


Während ich meine erste Unterweisung von meinem Artgenossen bekommen habe, sitzen die drei Zweibeiner auf einem durchlöcherten Baumstamm. Das kenne ich von dem männlichen Zweibeiner aus dem alten Rudel auch. Überhaupt sitzen die Zweibeiner so gut wie immer irgendwo oben und nur selten bei uns auf dem Boden oder im Gras. Sie sitzen aber nur mit ihrem Mittelteil darauf, während die Hinterbeine herabhängen. Manchmal sitzen sie auch auf sehr kleinen Teilen, die meist aus Holz sind, dann hat nur jeweils ein Zweibeiner platz darauf. Sehr unbequem sieht das aus, aber es scheint sie nicht zu stören. Auf dem Boden oder im Gras ist es doch viel gemütlicher, ich glaube, ich würde von so einer schmalen Kiste abrutschen und herunterfallen. Die Marga steht auf, sie knickt dabei ihre Hinterbeine ein, hinhocken heißt das. Sie streckt dabei ihre Vorderbeine nach mir aus und ruft: „Nele, Nele, na komm` her zu mir“. Ich höre es, aber ich fühle mich nicht angesprochen, ich weiß nicht was das ist: Nele. Sie kommt auf mich zu, hebt mich hoch und setzt sich mit mir auf den löchrigen Baumstamm. Dabei hocke ich auf dem oberen Teil ihrer Hinterbeine, ganz knapp finde ich platz darauf. Dann kommt der Fiete und macht vor der Oma so eine Art Männchen und stupst sie mit seiner langen, spitzen Schnauze gegen ihre Hinterbeine. „He, ich möchte auch auf deinen Hinterbeinen sitzen, hebe mich hoch bitte!“, sagt er mit dieser Geste. Der alte Zweibeiner hebt ihn zu sich herauf, er hat dort wesentlich mehr platz als ich bei der Marga. Das sehe ich sogar gleich, es kommt daher, weil der Fiete kleiner ist als ich und weil der alte Zweibeiner breitere Hinterläufe hat als der Rudelführer Marga. Hier auf den Hinterbeinen unserer Zweibeiner habe ich Gelegenheit, nach allen Seiten ausgiebig an den neuen Rudelmitgliedern zu schnüffeln. „Die Zweibeiner haben alle drei einen ähnlichen Geruch, man merkt, dass sie zusammen gehören“, meine ich zu Fiete. „Ja, das stimmt, ich nehme an, der jüngste Zweibeiner ist ein Junges von der Marga und die Marga stammt von der alten Frau ab, aber trotzdem kann man sie noch alle drei an ihrem eigenen Geruch von einander unterscheiden“. Bald wird es mir unbequem auf Margas Hinterbeinen, ich rutsche immer mit dem einen Hinterbein weg und kippe nach vorne, außerdem verspüre ich etwas, was mir sagt, ich habe Durst und es wühlt auch in meinen Därmen. Ich erinnere mich an die Futterschüssel bei dem männlichen Zweibeiner im alten Rudel. „Ich hole erstmal Neles Näpfe und das Futter aus dem Auto, wir haben für die ersten Tage etwas mitbekommen“, sagt der Rudelführer und steht auf, nachdem ich etwas unsanft im Gras gelandet bin. Ich verstehe nicht alles, was die Marga sagt, wieder fällt das Wort Nele, ich weiß noch immer nicht was das ist. Aber das Wort Futter, das kenne ich und ich hüpfe im Gras herum. Auf einmal steigt mir ein Geruch in die Nase, er kommt irgendwo vom Eingang der Hütte her, die sicher zu den Zweibeinern gehört. „Hallo, Marga, ich habe schon etwas gefunden, hier steht eine Schüssel, sie ist zwar klein, aber es ist noch Futter darin“, versuche ich dem Rudelführer verständlich zu machen. Gerade wollte ich von dem lecker duftenden Inhalt probieren, als der Dackelmann geschossen kommt und kreischt: „He, he, he, das ist mein Napf, das ist mein Futter, mach ganz schnell, dass du wegkommst, sonst beiße ich dich in die Nase!“. Erschrocken fahre ich zurück, instinktiv ducke ich mich und schmeiße mich auf meine Rückseite. „Ja ist gut, ist gut, ich ergebe mich, ich tue es nie wieder!“. „Das will ich auch hoffen, da hast du nichts zu suchen, das ist meine Schüssel, du wirst deinen eigenen Napf bekommen, aber du weißt was ich dir gesagt habe! Ich bestimme hier und ich darf auch von deinem Futter kosten wenn ich will, aber du nicht von meinem, nur damit du gleich bescheid weißt! Denke an die Rangordnung, die ich dir vorhin erklärt habe!“. Oh, diese Warnung hat gesessen, ich stehe auf, ziehe den Schwanz ein und mache mich vom Acker. Ich scheine momentan wirklich die letzte zu sein, die in diesem Rudel etwas zu sagen hat. Es klappert, der Rudelführer kommt und bringt für mich köstlich duftendes Fresschen und Wasser. Wieder höre ich, wie dabei das Wort Nele fällt, aber was ist denn das bloß? Man stellt mein Futter auf die andere Seite der Eingangsluke der Zweibeinerhütte. Die Marga streicht mir über mein oberes Ende und über meine Futterluke. Sie sagt als ich mich unsicher nach meinem Artgenossen umsehe, der sich schützend vor seine Futterschüsseln gesetzt hat: „So, Nele, das sind deine Näpfe und dein Futter, nun friss mal schön, du wirst sicher Hunger haben“. „Na, dann guten Hunger“, knurrte es hinter mir, während ich mich gierig über mein leckeres Mahl hermache. Schmatzend schiele ich zu dem Dackelmann hinüber, der hoffentlich seine Drohung, dass er sich jederzeit aus meinem Napf bedienen dürfe, nicht in die Tat umsetzt. Er begnügt sich aber damit, mich zu beobachten, wie ich meine Ration verputze und meinen Durst stille. Auch die Zweibeiner schauen uns zu. Dann begeben sie sich in das Innere ihrer Hütte, aber sie lassen das durchsichtige Brett auf. „Los, Mädchen, komm` auch mit herein, hier ist die eigentliche Behausung des ganzen Rudels, draußen halten sich die Zweibeiner meist nur länger auf, wenn es schön warm ist. Wenn von irgendwo oben Wasser herunterkommt oder wenn es ihnen zu kalt ist, dann bleiben sie lieber drinnen und setzen sich seltener auf ihre löchrigen Baumstämme“, erklärte mir mein Vorgesetzter. Ganz vorsichtig folge ich der Aufforderung Fietes, der sich Ziel gerichtet an die Fersen der Zweibeiner heftet. Neugierig und hilflos schaue ich mich um, hier also wohnt mein neues Rudel, das ist ihre Innenwelt. Der alte Zweibeiner nimmt die Futternäpfe mit, Fietes und meine auch und bringt sie in einen Raum, der laut Fietes Mitteilung Glüche oder Grüche heißt. Heute weiß ich es besser, die Zweibeiner nennen es Küche, oft duftet es hier sehr gut nach allen möglichen essbaren Dingen. Die Geräusche hier sind für mich zunächst ungewohnt. Die Marga öffnet eine Luke, es klappert laut und knallt ein wenig, etwas fällt herunter, ein Knopf oder Mopf, er tanzt auf dem Boden weiter und bleibt schließlich reglos liegen. Die Marga hebt es wieder auf, aber mir sitzt der Schreck so tief in den Knochen, dass ich auf einmal undicht werde und eine Pfütze hinterlassen muss. Auch der Fiete ist nach dem Knall unter den großen Kasten mit den vier Beinen geflüchtet, er sieht meine Pfütze und macht sofort die Bemerkung: „Oh, je, eine Pfütze, auweija, das gibt Ärger“. Der jüngste Zweibeiner mit dem Strick im Fell lacht und sagt: „Das war nur ein Topf der aus dem Schrank gefallen ist, das ist nicht so schlimm, da braucht ihr keine Angst zu haben“. Trotzdem packt man mich oben am Genick und bringt mich nach Draußen, während der Fiete hinter mir her ruft: „Siehste, ich habe doch gesagt, das gibt Ärger!“. Ich verstehe überhaupt nichts, wieso bringt eine Pfütze Ärger mit sich? Man setzt mich einfach vor die Tür. Wieso und warum das denn? Man verschließt auch noch die Hütte mit dem Brett und lässt mich sitzen. „Hilfe, Hilfe, hallo, ich möchte auch wieder hereinkommen, ich bin hier ganz alleine! Warum muss ich allein hier draußen bleiben?“. Die Marga fragte, als ich die Pfütze in der Küche hinterließ: Was hast du da gemacht? Diese Frage verstand ich ja nun überhaupt gar nicht. Eine Pfütze natürlich habe ich gemacht, na und? Das war doch offensichtlich oder nicht? Aber warum wirft man mich heraus? Als ich eine Weile um Hilfe gerufen hatte, kommt der Rudelführer zurück, öffnet den Eingang zur Hütte wieder und lässt mich herein. Die anderen Zweibeiner sitzen gerade mit ihrem Mittelteil jeder auf einer Kiste, die dicht an einer großen holen Kiste stehen. Der Fiete sitzt dabei genau ganz dicht neben dem Sitz des grauen Zweibeiners. „Die Zweibeiner haben jetzt ihr Futter, du musst dich daneben setzen, manchmal fällt ihnen etwas Leckeres herunter, dann musst du es schnell aufheben. Manchmal reichen sie dir auch etwas direkt in deine Futterluke hinein“, meint er. Also tue ich, was mein neuer Kompagnon mir vorgeschlagen hatte und beobachtete dabei die Zweibeiner. In meinem alten Rudel hatte ich nie den männlichen Zweibeiner an einer Kiste sitzen und sein Futter verzehren sehen, es gab auch für uns keinen Eingang in seine Innenwelt. Ich wohnte mit meinen Geschwistern und meiner Mutter Nora in einer großen Hundehütte, die hatte einen Eingang, der sich alleine öffnete, wenn man dagegen lief, so kam man auch zurück, wenn man wieder herein wollte und auf dem Hof genug gespielt hatte. Die Zweibeiner stellen ihren Napf auf die große Kiste. Sie benutzen ihre Vorderläufe um ihr Futter aufzunehmen. Dabei bedienen sie sich noch besonderer Hilfsmittel, obwohl sie doch gut entwickelte Pfoten haben, mit denen sie mühelos ihre Nahrung greifen können. Meist haben sie in jeder Pfote zusätzlich ein Werkzeug und verwenden es, na sagen wir, wie ein verlängertes Vorderbein und zerteilen damit ihr Fresschen, spießen es auf und stecken es dann in die Öffnung in ihrem Gesicht. Das machen sie bestimmt so, weil sie keine Schnauze haben, so wie wir. Ihre Futterluke ist zu flach, deshalb können die Menschen ihr Futter nicht gleich aus der Schüssel aufnehmen wie wir Hunde. Sie würden dann mit ihrem Gesicht in ihr Futter eintauchen. Ihr Wasser oder auch andere Flüssigkeiten zum Durst stillen füllen sie in kleinere Schüsseln, die sie Tasse oder Glas nennen, führen sie zu ihrer Luke und schütten sie dort hinein, meistens kippen sie ihr oberes Ende dabei ein Stück nach hinten. Na also, da würde ich mich gleich verschlucken und irgendwie ist alles in allem ihre Nahrungsaufnahme eine recht umständliche Angelegenheit. Mittlerer Weile ist es Abend geworden, es war ein anstrengender Tag für so einen kleinen Hund, der sich plötzlich in einer fremden Umgebung zurechtfinden soll. Ich bin eigentlich froh, dass dieser Dackelmann noch da ist, obwohl er mich nicht gerade sehr freundlich empfangen hat und seine Überlegenheit mir gegenüber gleich bekundet hat. Er kennt sich aber hier bereits sehr gut aus und wird mir helfen, die neue Hütte und das Rudel kennen zu lernen und mich überhaupt an alles Neue zu gewöhnen. Ich bin sehr müde, aber die Marga und ihr Junges öffnen das Brett und lassen uns Hunde noch einmal hinaus ins Freie. Ich drehe mich gleich um, weil ich befürchte, die Innenwelt könnte verschlossen werden und ich würde wieder allein zurückbleiben. Der Fiete rennt voraus und schreit mir unverständlicher Weise gleich: „Wer da? Wer da?“ in die Außenwelt hinaus, die die Menschen Garten nennen. Ich flitze schnell hinterher und frage: „ Wen siehst du da, was ist los?“. „Es ist niemand da, aber das rufe ich immer, wenn ich die Hütte verlasse, es könnte sich doch jemand versteckt haben und ich warne alle gleich, damit niemand unserem Rudel zu Nahe kommt“, antwortet er und fügt hinzu: „ Eigentlich mache ich ab und zu noch eine Runde um mein Revier, dort hinten in der Ecke ist ein Loch im Zaun, da krieche ich immer durch, aber ich will dir zur Liebe heute da bleiben. Schließlich bin ich nicht nur dein Anführer, sondern ich muss auch auf dich ein wenig aufpassen. Ich bin ein Rüde, wie du sicher festgestellt hast und das ist meine Aufgabe dir gegenüber“. „Oh, das ist aber nett von dir, ich bedanke mich“ sage ich erleichtert und mache gleich ein Pfützchen ins Gras. Diesmal freut sich der Rudelführer über meine Pfütze und noch viel mehr über das kleine Häufchen, welches ich noch in eine Ecke lege. „Fein, fein, so ist es gut“, lobt mich die Marga und wieder sagt sie: „Fein, Nele, so ist es brav“. Ich verstehe die Welt nicht mehr, warum freut man sich mal über mein Pfützchen und dann wieder nicht, und was ist Nele? In der Zweibeinerhütte steht in dem Raum, wo es vorwiegend nach dem alten, grauen Zweibeiner riecht ein Korb in der Ecke. Durch diesen Teil der Hütte muss man auch laufen, wenn man in die Küche möchte, das habe ich inzwischen mitbekommen. Dazwischen ist noch ein winziger Raum. Zu diesem kleinen Teil der menschlichen Behausung sagen sie Ruhr oder Kur. Bald verstehe ich es richtig und weiß was gemeint ist, wenn die Zweibeiner Flur sagen, weil dort noch ein Brett ist, was sich öffnen lässt durch das man ebenfalls in Freie gelangt, an das andere Ende der Außenwelt. Aber das lernte ich erst später kennen. Der Fiete verschwindet bald mit dem ältesten Zweibeiner im Zimmer und springt in seinen Korb. Und ich? Das Wort Korb kenne ich, meine Geschwister und meine Mutter Nora schliefen mit mir auch gemeinsam in einem Korb, der war aber viel größer und befand sich in Noras Hütte. Die Marga klemmt mich unter ihre Vorderbeine, sie nimmt mich mit in einen Teil der Hütte, indem mir ein komischer Geruch in die Nase steigt, er ist sehr streng und ich fange an zu niesen, es riecht scharf und unangenehm. Später habe ich gesehen, dass die Zweibeiner sich manchmal mit dem Inhalt aus zischenden Büchsen einnebeln. Die Marga setzt mich ab und ich beobachte sie bei einem äußerst interessanten Vorgang, den ich vorher auch nicht kannte. Sie zieht zuerst die Hüllen, die sie um ihre Hinterbeine gewickelt hatte ein Stück herunter und hockt sich dann mit ihrem Mittelteil auf eine schmale Schüssel. Dabei plätschert es etwas, dann steht sie wieder auf und auf einmal kommt ein Geräusch, welches mich daran erinnert, als auf dem Hof des männlichen Zweibeiners viel Wasser von oben herunterkam, Regen hat er immer dazu gesagt. Ich schaue nach oben, aber da kommt kein Regen, es zischt nur in der Schüssel, auf der die Marga gerade gehockt hatte. Dann legt die Marga alle Hüllen ab, sie schaut mich an und sagt: „So jetzt mache ich kusch kusch“, sie klettert in eine riesengroße Schüssel und auf einmal kommt dieses Geräusch wieder, aber diesmal regnet es, es spritzt bis zu mir herüber und ich verziehe mich schnell in eine Ecke. Das ist wirklich eine komische Angewohnheit der Zweibeiner, sehr oft entledigen sie sich ihrer äußeren Hüllen und lassen es über ihren Körper regnen. Manchmal lassen sie diese riesige Schüssel auch mit Regen voll laufen, setzen sich dann in diese große Pfütze hinein und verweilen recht lange darin, bevor sie wieder herausklettern. Ihre verbliebene, letzte Hülle, die sie Haut nennen, trocknen sie dann ab und umgeben sich erneut mit künstlichen Hüllen. Diese ganze Prozedur, sich freiwillig in den Regen zu stellen nennen sie duschen. Ängstlich bleibe ich in meiner Ecke sitzen, bis die Marga sich eine dünne, helle Hülle übergeworfen hat, ein Nachthemd, sagt sie dazu. Während ich nicht wirklich verstehe, warum die Zweibeiner sich so oft diesen Regen antun müssen, kann ich das mit den künstlichen Hüllen ganz gut verstehen. Die Zweibeiner haben wie ich es gesehen und schon mal gesagt habe nur Fell auf ihrem Kopf, wahrscheinlich frieren sie ohne diese Hüllen. Je kälter es ist, umso mehr brauchen sie davon. Gott sei Dank komme ich ohne von diesem Regen getroffen zu werden wieder aus diesem Teil der Hütte heraus. Von nun an weiß ich aber, dass es besser ist, einen großen Bogen um den Teil der Regen machenden Ecke in der Zweibeinerinnenwelt zu machen, weil man sonst Gefahr läuft, von diesem Regen getroffen zu werden. Später sollte ich auch meine Bekanntschaft damit machen und genau wissen, was gemeint ist, wenn mein Frauchen sagt: Wir müssen dusch dusch machen und dass es mit kuschen eher nichts zu tun hat. Wieder hebt mich mein Frauchen hoch und klemmt mich unter ihre Vorderbeine. Sie steigt mit mir so eine Art Leiter hinauf, durch die man aber nicht wie auf dem Hof des männlichen Zweibeiners hindurch sehen kann. Man kommt über diese Leiter in den oberen Teil der Zweibeinerbehausung, hier stellt mich die Marga wieder auf meine Pfoten und ich tapse hinter hier her. Ich bin so müde, dass ich mein Gleichgewicht nicht mehr halten kann und torkele nur noch hin und her bis mich mein Frauchen in ein gemütliches Etwas setzt und sagt: „Das ist dein Körbi, dein Platz, gute Nacht Nele, schlaf gut“. So viele neue Dinge an einem Tag für so einen kleinen Hund, der noch immer nicht weiß was das Wort Nele eigentlich bedeutet. Ich sehe, dass mein Rudelführer auch ein Körbchen hat. Mir fallen fast die Augen zu, aber ich beobachte, wie Marga die Teile, die sie über die Enden ihrer Hinterbeine gezogen hatte wieder herunterzieht. Die Hülle, die sie nach dem Regen angezogen hatte, lässt sie an, dann kriecht sie unter eine große Decke auf ihrem Platz. Das ist bestimmt schön warm und nicht so unbequem wie die kleinen hohlen Holzkisten auf denen sie am Tage sitzen. Sie angelt mit einem Vorderbein nach einem Strick, macht die künstliche Sonne aus und alles ist still. Sicher bin ich auch bald eingeschlafen, aber auf einmal wache ich auf, es ist alles dunkel. Wo bin ich? Ich bin sicher ganz allein, es ist niemand da. Ich war noch nie allein, wenn es dunkel ist, meine Geschwister und meine Mama Nora fallen mir wieder ein, die lagen immer mit mir gemeinsam in einem Korb im Hundehaus, ob ich mal nach ihnen rufe? „Mama, wo bist du? Wo seid ihr denn alle? Ich bin ganz alleine!“, schreit mein Stimmchen durch die stille Nacht. Auf einmal höre ich von weit her wie jemand sagt: „Jetzt geht das wieder los! Mädchen, alle liegen in ihrem Körbi und schlafen jetzt, wenn es morgen hell wird, dann sind die Zweibeiner auch wieder da, sei still und schlafe weiter“. Es war der Fiete, der mir antwortete. Auf einmal ging die künstliche Sonne wieder an und Marga kroch aus ihrem Körbi heraus und kam zu mir heran. „Ach was ist denn?“, fragt sie. Mein hinteres Ende, mit dem wir uns mitteilen können zittert ein wenig hin und her, so ganz habe ich es noch nicht in der Gewalt, es zittert immer wenn ich unsicher bin oder Angst habe. Außerdem fange ich noch an zu sabbern, weil ich nicht weiß, was ich machen soll. „Bitte, es ist dunkel und mir ist kalt, ich bin allein in meinem Körbi, das kenne ich nicht. Ich habe Angst, bitte, darf ich zu dir in dein Nestchen kommen, da ist doch platz genug, oder?“. Mein Rudelführer bückt sich zu mir herab, hebt mich aus meinem Körbchen, nimmt mich auf ihre Vorderbeine und balanciert mit mir die Leiter herunter, die wir vorhin heraufgeklettert sind. Sie geht mit mir in die Außenwelt und setzt mich herunter. Mir fällt auf, dass sie dabei immer „Mulli, mulli“ sagt, wenn sie mich nach Draußen bringt. Ich mache ein Pfützchen ins Gras und wieder freut sich mein neues Frauchen darüber. Der alte graue Zweibeiner scheint fest zu schlafen, denn er gibt laute, knurrende Geräusche von sich. Diese Geräusche kenne ich von dem männlichen Zweibeiner. Der hat auch solche Laute von sich gegeben, wenn er im Hof auf einem schmalen harten Körbi eingeschlafen war. Riege oder Liege hat er dieses Teil genannt, auf dem er manchmal seinen Mittagsschlaf gemacht hat. „Was rennt ihr denn in der Nacht in der Außenwelt umher?“, ruft der Fiete aus Omas Hüttenteil durch das durchsichtige Brett. Der alte Zweibeiner hört mit den Geräuschen auf und macht die künstliche Sonne an wie die Marga vorhin und meint zu Fiete: „Was ist denn los? Sei still jetzt mitten in der Nacht, es ist niemand Fremdes da!“ und macht die Sonne wieder aus. Ich fiepe nur ein: „Ich bin aufgewacht“, zurück. Der Fiete antwortet: „Geht jetzt schlafen! Ich bin auch müde!“. Manchmal verstehen offensichtlich die Zweibeiner nicht so recht, worum es geht, wenn wir Hunde uns unterhalten. Die Oma war wohl der Meinung, dass der Fiete gebellt hat, wie die Menschen es nennen, weil sie dachte, der Fiete habe fremde Zweibeiner gehört. Jedenfalls nimmt mich die Marga wieder auf ihre Vorderbeine und geht mit mir zurück in die Hütte. Wieder klettern wir die Leiter hinauf. Meine Schwanzspitze zittert wieder etwas dabei und ich bin superglücklich, weil die Marga mich mit in ihr Körbchen nimmt. „Aber nur bis du dich bei uns eingewöhnt hast“, sagt sie und hält ihr Gesicht direkt vor meine Schnauze. Ich bedanke mich, indem ich ihr mit meiner Zunge die Nase putze, diese Geste heißt bei uns: danke, ich bin dir gerne untergeben. Die Marga schaltet die künstliche Sonne wieder aus und ich kuschele mich ganz dicht an sie heran. So ist es schön, gemütlich und warm. Ich fühle mich nicht so allein und verlassen. Ich kann mir den Geruch meines neuen Frauchens genau einprägen und werde ihn mein ganzes Hundeleben lang nie vergessen. Ich weiß, dass die Marga nicht nur mein Rudelführer sein wird, sondern auch mein liebster Zweibeiner.


Mit den Augen meines besten Freundes

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