Читать книгу Sphinxgeflüster - Margret Jacobs - Страница 4

Monolog einer Sphinx

Оглавление

Sphinx:

Ich gehöre in eine Zeit, als der Nil noch sauberes Wasser zum trinken hatte und gesäuertes Brot ein beliebtes Zahlungsmittel war. Allerdings ist das auch etwas gelogen, denn in Wirklichkeit kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich begann zu existieren. Nur das Wo ist mir hinreichend bekannt.

Das Wo ist eine langsam zerfallende Steinpyramide in einem sehr sandigen Umfeld. Wenn ich meinen Fuß – gut, meine Füße sind in Wirklichkeit Pfoten, aber ich habe mich so daran gewöhnt, sie Füße zu nennen - vor den anderen setze, kommt es mir so vor, als würde ich in einem Tal aus winzigen, spitzen Steinen versinken. Die Bewegungen sind mühsam und ich bin so dreckig, wie eine Mumie, die seit Jahrtausenden in einem Sarkophag verrottet. Zumindest meine Seele sieht so aus. Meine Fellpflege habe ich nicht vernachlässigt.

Der Gedanke an die Mumie in dem Sarkophag, lässt Tränen in meine Augen schießen. Ja, ich habe welche. Augen. Dabei herrscht um mich herum tiefste Dunkelheit Nur ab und zu scheint Re mir gnädig zu sein und schickt in mein staubiges Zuhause ein paar Strahlen Gelb, die meine Augen blinzeln lassen.

Das Wort „verrotten“ löst in mir tiefe Angst aus. Und noch tiefere Trauer. Denn ich bin nicht allein. Die sterblichen Überreste meines Amenophis erleiden dieses Schicksal. Und ich frage mich bange, ob das Dahinsiechen seiner Knochen und Haare bedeutet, dass es endgültig mit ihm zu Ende geht. Ich will das nicht hoffen. Ich kann daran nicht denken. Ich wache weiter.

Ich stehe jeden Morgen auf, wenn Re seine ersten Lichtstrahlen sendet. Ich muss nicht ruhen oder schlafen. Aber dieses Ritual erinnert mich an meinen menschlichen Freund, der dies tat. Es kommt mir so vor, als wäre ich ihm nahe, wenn ich dies tue. Mich hinlegen, die Augen schließen und ruhen. Dabei frage ich mich bange, ob ich auch wieder aufstehen werde, oder ob es eine Gefahr bedeutet, wenn ich in der absoluten Finsternis um mich herum auch noch meine Sinne abschalte.

Dieses langsame Dahinsiechen erstreckt sich über jeden Stein, der einmal meine Behausung war. Der Sand mahlt unaufhörlich an dem weichen Stein und höhlt ihn aus. Das Ergebnis ist, dass ganz plötzlich einer dieser Brocken herunter fällt. Und ich kann nie sagen, ob so ein Fels nicht auf mich fällt oder auf Amenophis. Er ist zwar geschützt in seinem Sarkophag, aber auch dieser scheint sich unaufhörlich aufzulösen. Das Holz, das den Leichnam umgibt ist schon zum Teil abgefallen.

Manchmal halte ich ein Stück Stoff von seinem Körper in meinen Händen. Ich weiß, man soll eine Mumie nicht auswickeln. Ich war auch ganz vorsichtig und habe den Körper an sich nicht berührt. Jetzt ist er auch nicht mehr schön. Er sieht schwarz und verschrumpelt aus.

Sphinxgeflüster

Подняться наверх