Читать книгу Falsche Spuren der Rache - Marianne Christmann - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеPaul Martini blinzelte und schlug die Augen auf, sein Kopf dröhnte und ihm war schlecht. Wo war er? Langsam nahm er seine Umgebung wahr. Er saß in seinem Auto und das stand auf einem schmalen asphaltierten Weg inmitten blühender Maisfelder. Was war geschehen? Wie kam er hierher? Er versuchte, sich zu erinnern …. Er hatte die Kneipe verlassen und war zu seinem Auto gegangen, hatte den Schlüssel ins Schloss gesteckt und … was dann? Er wusste es nicht mehr. Merkwürdig. Auch daran, dass er hierhergefahren war, konnte er sich nicht erinnern. Seltsam.
Paul öffnete die Tür, stieg aus, ging nach vorne … und da sah er sie. Eine Frau, etwa Mitte fünfzig, lag auf dem Weg vor seinem Auto. Sie lag auf dem Rücken, die Augen weit aufgerissen und Blut lief aus ihrem Mund und ihrem Ohr. Sie kam ihm bekannt vor aber er wusste nicht, woher. Sie war tot, das sagte ihm sein Gefühl. Trotzdem kniete er nieder und fasste nach ihrer Hand. Kein Puls. Er suchte nach einem Herzschlag, fand aber keinen. Sie war tatsächlich tot!
Hatte er die Frau überfahren? Paul kramte in seinem Gedächtnis aber es war keine Erinnerung vorhanden. Die Scheinwerfer seines Autos waren intakt, aber Stoßstange und Motorhaube hatten Dellen. Wie kamen die dahin? Heute Morgen waren noch keine Dellen da gewesen, weder an Stoßstange noch an der Motorhaube – das wusste er genau.
Ein klein wenig Lack war abgesplittert, aber das konnte auch bei dem Vorfall letztens passiert sein, als er die Mauer des Fabrikgeländes gestreift hatte, als er einem LKW ausgewichen war, der dort fast die gesamte Ausfahrt versperrt hatte. Aber die Dellen?
Sie hatten etwa Kopfgröße. Angst stieg in ihm hoch. War die Frau mit dem Kopf auf die Motorhaube geknallt? Aber das würde bedeuten, dass er sie überfahren hatte – und er konnte sich noch immer nicht daran erinnern.
Panik überfiel ihn. Würde die Polizei ihm glauben, dass er es nicht war und sich an nichts erinnern konnte? Immerhin hatte er zwei Bier getrunken, das konnte ihm zum Nachteil ausgelegt werden. Er wollte nicht ins Gefängnis! Nein, er konnte nicht die Polizei rufen. In keinem Fall! Noch einmal besah er sich sein Auto. Die Dellen und der fehlende Lack waren nicht zu übersehen und in einer Mischung aus Angst, Panik und auch Wut, setzte er sich in seinen Wagen, wendete und fuhr eilig davon. Sollte er nicht doch die Polizei informieren? Aber er verwarf diesen Gedanken sofort wieder.
Nein, die Polizei würde ihn für den Schuldigen halten, zumal er seine Unschuld nicht beweisen konnte. Niemand würde ihm glauben.
Aber er konnte die Polizei anrufen ohne seinen Namen zu nennen und ihr mitteilen, dass auf dem Wirtschaftsweg eine Tote liege. Ja, das war eine Idee und er fühlte sich gleich etwas besser. Er suchte nach seinem Handy, konnte es aber nirgends finden. Mist. Jetzt musste er irgendwo anders telefonieren. Aber wo? Da fiel ihm ein, dass es am Bahnhof noch öffentliche Telefone gab. Erleichtert schlug er den Weg dorthin ein und rief die Polizei an. Trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen.
Er hatte sich im Maisfeld am Rand der Landstraße in der Höhe des Unfalls auf die Lauer gelegt und wartete. Paul Martini würde sicher bald wieder zu sich kommen. Ob er wohl die Polizei verständigte? Wohl eher nicht – zum einen hatte er bestimmt zu viel Angst und zum anderen konnte er nicht telefonieren, denn er hatte Pauls Handy an sich genommen.
Aha, eben regte sich etwas hinter dem Steuer. Die Fahrertür wurde geöffnet und Martini stieg aus, ging nach vorne und blieb abrupt stehen. Jetzt hatte er die Frau entdeckt. Man konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Er kniete sogar nieder und fühlte der Frau den Puls. Aber da war keiner, davon hatte er sich überzeugt, bevor er die Szene arrangiert hatte.
Er, den alle immer übersahen, hatte alles so eingefädelt, dass die Polizei glauben würde, ja, glauben musste, dass Martini die Frau überfahren hatte. Denn der hatte kein Alibi. Inzwischen war Martini wieder aufgestanden, hatte sich in seinen Wagen gesetzt, gewendet und war davongefahren. Das war eindeutig Fahrerflucht! Er war sehr zufrieden. Das lief ja besser, als er gedacht hatte. Denn jetzt hatte Martini keine Chance mehr.
Um die Frau war es auch nicht schade. Er war schon mehrmals mit ihr aneinandergeraten und nun hatte sie das bekommen, was ihr zustand. So eine blöde Kuh! Musste sich immer und überall einmischen. Niemand würde herausbekommen, dass ER sie überfahren hatte. Absichtlich. Er hatte seine Spuren alle sorgfältig verwischt. Er überzeugte sich, dass der Weg vollkommen leer war, dann krabbelte er aus dem Maisfeld heraus, warf Martinis Handy neben der Frau auf den Boden, stieg auf sein Fahrrad und radelte in die entgegengesetzte Richtung davon.