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Wie sich Einsamkeit anfühlt

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Kennen Sie Einsamkeit? Dazu muss man ihre Auswüchse einmal sehr deutlich beschreiben. Es fängt damit an, dass man seine Wohnung kaum noch verlässt. Man richtet sich so ein, dass alles zum täglichen Leben da ist. Die Notwendigkeit rauszugehen, entfällt also. Umso schwerer fällt es einem auch, sich von seinen vier Buchstaben zu erheben und nach draußen zu gehen. In seinen eigenen vier Wänden ist man ungestört in seiner Intimsphäre. Ungebetene Gäste muss ich nicht reinlassen, kann sie abweisen.

Übrigens, manche Einsame stellen sogar die Klingel ab. Oft entsteht dann ein Prozess bis zur vollkommenen Verwahrlosung. Man räumt immer seltener auf, wäscht sich nur noch selten. Das Duschbad findet nur noch einmal in der Woche statt, wenn überhaupt. Gereinigt wird die Wohnung selten. Vorhänge sind verschlossen. Die Schmutzwäsche stapelt sich genauso wie das dreckige Geschirr. Gekocht wird kaum noch. Die Ernährung wird einseitig. Alkohol kommt hinzu, außerdem extremer Zigarettenkonsum. Man wundert sich manchmal an der Supermarktkasse, wie unscheinbare Frauen mittleren Alters Flachmänner und andere harte Alkoholika neben Chips, Erdnüssen und wenig gesunden Lebensmitteln übers Band schieben.

Schnell sind die Flaschen verstaut. Der Kopf ist eingezogen in den Mantel, kein Blick nach links oder rechts, schnell weg aus dem Kaufhaus. Bloß keine Kontakte eingehen. Das sind die seltenen Ausflüge von Einsamen in die Öffentlichkeit zum Nachschubfassen. Noch anonymer geht´s am Büdchen. Dann wird eine Plastiktüte mit Leergut unauffällig und schnell über die Theke geschoben: „Bitte einmal wieder auffüllen!“ Einsame sitzen dann zu Hause, und am Ende gefällt ihnen nicht einmal mehr das Fernsehprogramm. Was sollen sie auch tun? Planlos sitzen sie im Sessel, schauen an die Decke, die ihnen auf den Kopf fällt. Nichts gefällt mehr. Alles ist schrecklich, sinnlos, planlos. Völlig unkontrolliert greifen sie in den Kühlschrank, was sollen Sie auch sonst tun. Ein Buch lesen? Über die ersten Seiten kommen sie kaum hinaus. Dann der Griff zum Boulevardblatt, in dem sie sich schnell nur die Bilder ansehen. Sie fühlen sich schlecht, wollen schnell ins Bett. Manche decken sich mit Schlaftabletten ein. Dann können Sie wenigstens für einige Stunden ihren öden Alltag hinter sich lassen und in den künstlichen Schlaf abtauchen. Ihre Bude stinkt, weil sie kaum noch gelüftet wird. Solche Menschen leiden echt unter ihrer Einsamkeit, weil alles so sinnlos erscheint. Sie wissen manchmal nicht mehr, was sie noch tun sollen. Alles ist so schwer, selbst das Aufstehen aus dem Bett. Sie haben oft nur einen Freund: das maßlose Essen und Trinken. Einsame bekennen frank und frei: Wenn ich morgens üppig frühstücke, dann fühle ich mich richtig wohl. Wenn ich sonst schon nichts habe, ist das Frühstück mein bester Freund. Man gönnt sich was und auf jeden Fall zu viel. Das üppige Frühstück ist ein Ersatz für ausgefallene soziale Kontakte, für die Langweiligkeit in der Einsamkeit. Das Frühstück ist der Glanzpunkt des Tages, und den zieht man voll in sich rein.

Erkennen Sie sich vielleicht auch in diesem „Krankheitsbild“? Geht es Ihnen auch so, dass Ihnen manchmal die Decke auf den Kopf fällt? Sind Sie antriebsschwach, lustlos und fällt Ihnen nichts mehr ein? Machen Ihnen viele Dinge wie ein Buch zu lesen oder auszugehen keinen Spaß mehr? Fangen Sie so langsam an zu verwahrlosen, indem Sie sich nicht mehr ausreichend pflegen? Dann sollten bei Ihnen die Alarmglocken klingeln. Sie sind auf dem besten Weg in die Einsamkeit. Und das ist gefährlich. Sie geben sich selbst auf und ziehen sich immer mehr aus dem Leben um Sie herum zurück. Sie müssen solche Warnsignale rechtzeitig erkennen, bevor Sie ohne fremde Hilfe da nicht mehr rauskommen. Denn Einsamkeit kann im Endstadium sozusagen grausam sein. Sie werden depressiv, vielleicht sogar tablettenabhängig bis hin zu selbstmordgefährdet. Am Ende haben Sie zu gar nichts mehr Lust und zappen sich gar lustlos durchs Fernsehprogramm. Ihnen fehlt jeder Antrieb. Sie vergammeln immer mehr, werden total unansehnlich, fett und aufgedunsen. Ihre Gesundheit verschlechtert sich immer mehr. Sie verlieren Ihre letzten Kontakte.

Wollen Sie das wirklich? Manchmal will man ja seine Ruhe haben und von niemandem gestört werden. Das ist auch zwischendurch mal ok. Manche nennen das auch ein kreatives Alleinsein, eine Auszeit. Dann sammelt man sich wieder und spinnt neue Ideen. Viele Menschen brauchen einen freien Kopf für neue Ideen, eben das Alleinsein, um Kreatives zu schaffen. Ein Maler zum Beispiel kann kaum jemanden um sich herum ertragen – es sei denn ein Modell -, wenn er ein neues Werk erschafft. Vor allem Künstler und kreative Köpfe schöpfen im Alleinsein neue Kraft. Doch dann, wenn die Idee geboren oder das Gemälde entstanden ist, muss auch wieder gut sein. Spätestens dann ist wieder Kontakt angesagt, raus aus der schöpferischen Einsamkeit. Wer das nicht unterscheiden kann, sondern in seinem Alleinsein verharrt, kippt um in die Einsamkeit. Es gibt auch solche Fälle, in denen dann die Gier nach immer neuen Objekten und Projekten einen nicht mehr los lässt. Einsame Künstler und Kreative gibt es zur Genüge. Deshalb ist es wichtig, dass nach einer zurückgezogenen Schaffensphase auch wieder Offenheit einkehrt – fürs Leben, für die Anteilnahme, für den Kontakt. Dass dann auch wieder in Gesellschaft gefeiert wird.

Einsam und allein – das muss nicht sein

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