Читать книгу Sequenzen der Wörtlichkeit - Marie Döling - Страница 8
ОглавлениеGedankenozean
Leichtes Atmen. Ein und aus. Sanfte Klänge einer raschelnden Bettdecke. Dumpf, aber idyllisch klingt das Zwitschern der Vögel durch die geschlossenen Schlafzimmerfenster zu mir hinein.
Ich öffne meine Augen und blinzle dem Licht des Morgengrauens entgegen, bis mein Blick sich klärt und mir seine Anwesenheit bewusst wird.
Die Wärme, die von ihm ausgeht, kriecht nebelhaft zu mir herüber und saugt sich an mir fest. Sie lässt mich auf eine seltsame Weise frösteln. Im Hintergrund der Klang meines Herzens, welches gemächlich schlägt und im stetigen Rhythmus Blut durch meine Adern pumpt.
Das sind sie. Diese Augenblicke, in denen ich mir lauernd gegenübertrete. Jene Momentaufnahmen, die mich so häufig einholen und mich unwirklich festhalten. Diese natürlich unnatürlichen Minuten zu Beginn eines Tages, in denen ich innerlich mein Spiegelbild betrachte. Ganz zentral diese eine, alles überlagernde Frage nach dem Glück.
Und ich schaue mich an, blicke von oben auf mich herab und frage mich, ob ich es überhaupt sein kann. Glücklich, meine ich.
Denn diese junge Frau, deren Finger am Saum der Bettdecke zupfen, sieht nachdenklich aus. Fast verängstigt. Als fürchtete sie sich davor, auf die rechte Seite ihres Bettes zu blicken. Als verschließe sie die Augen, um nicht sehen zu müssen, wo sie sich in ihrem Leben befindet. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, welchen Weg sie einschlagen wird. Denselben wie jeden Tag, oder einen anderen.
Manchmal erscheint es mir, als würde ein einziger geworfener Stein den Ozean ihres Selbst zum Toben bringen. Dann flehe ich, dass der Sturm kommen möge, der ihr Innerstes zermürbt und umwirft, damit sie endlich wieder atmen kann. Wirbelndes Chaos, das sie vor dem Ertrinken bewahrt.
Denn hier schwimmt sie, strampelt und schreit. Stumm. In ihrem Ozean voller Gedanken. Nicht in der Lage, sich zu befreien.
Wenn sie doch wenigstens sinken würde - doch nichts geschieht. Sie steckt fest und ist gefangen in sich selbst.
Aus Sekunden werden Momente, bis ich inmitten meines Wahnsinns begreife, dass sie sich nicht bewegen will. Dass sie nur nach einem Weg sucht, zu akzeptieren. Zu feige, sich von der immer gleichen Stelle zu bewegen; einen neuen Pfad zu wählen.
So liege ich hier. Höre ihn leise atmen. Ein und aus. Lausche den sanften Klängen der raschelnden Bettdecke. Dumpf, aber idyllisch klingt das Zwitschern der Vögel durch die geschlossenen Schlafzimmerfenster zu mir hinein.
Ich schließe die Augen und sperre das Licht des Morgengrauens aus, während ich krampfhaft versuche, ihn nicht mehr zu spüren. Doch die Wärme, die von ihm ausgeht, umgibt mich wie eine zweite Haut. Sie sollte mich doch nicht frösteln lassen.
Im Vordergrund der Klang meines Herzens, welches gemächlich schlägt und im stetigen Rhythmus Blut durch meine Adern pumpt.
Das Herz, das mir zeigt, dass ich lebe.