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Auf geht’s!

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Am nächsten Vormittag, als eine fahle Wintersonne die Schneekristalle aufblitzen ließ, trafen alle Rabensteiner sich am Skilift hinter der Burg. Auch Gaston erschien, sehr finster blickend, aber gut aussehend in einem schwarzen, weiß paspelierten Skianzug mit knallroter Mütze.

Auch Tina Wegner, die junge Sportlehrerin, sah ganz in Hellblau ausgesprochen schick aus; sie kam sichtlich aus dem Wintersport, denn ihr frisches, meist völlig ungeschminktes Gesicht war gebräunt. Um sie stand eine Gruppe von Männern. Da die Weihnachtsferien und damit die Hauptsaison des Winters schon vorbei war, hatte man einige Skilehrer aus Wangen gewinnen können, die Rabensteiner zu trainieren. Unter ihnen war der hochgewachsene, braunäugige Sepp Bauer, den Ute und Leona auf einem verbotenen abendlichen Tanzvergnügen im Dorfwirtshaus kennengelernt hatten. Sie stießen sich an und tuschelten miteinander, als sie ihn sahen. Er zwinkerte ihnen vergnügt zu, zum Zeichen, daß auch er sie wiedererkannte, und darüber freuten sie sich natürlich. Auch Herr Ganzerl, genannt der Gänserich, stand bei der Gruppe der Erwachsenen; er leitete den Sportunterricht der Jungen.

Als die Uhr der Dorfkirche neun schlug, verglich Frau Wegner die Zeit mit ihrer Armbanduhr, klatschte in die Hände und rief: „Alles mal herhören!“

Einige der jungen Leute sahen sie erwartungsvoll an, andere schwatzten vergnügt weiter.

Tina Wegner räusperte sich und rief noch lauter: „Ich bitte mir absolute Ruhe aus!“

Der Skilehrer Sepp schob sie zur Seite. „Lassen’s mich amal, Frau Lehrer!“ Er trat einen Schritt vor und brüllte: „Stad seid’s, sonst setzt’s was!“

Das wirkte; alle verstummten.

Tina Wegner fand, daß sie ihre Kehle schon überanstrengt hatte und bat Herrn Ganzerl: „Machen Sie weiter!“

Der Sportlehrer stellte sich in Positur. „Meine lieben jungen Damen und Herren, wie ihr alle wißt, ist Skilaufen keine Sache der Intelligenz …“

„Hört, hört!“ schrie Klaus Voss aus der Menge heraus.

Herr Ganzerl ließ sich nicht unterbrechen, „ … auch nicht des schulischen Eifers und auch nicht des Alters. Ich kenne kleine Kinder, die schon ganz sicher auf den Brettern stehen und ausgewachsene junge Männer, die kaum das Gleichgewicht halten können …“

„So ist es!“ stimmte Sepp, der Skilehrer, zu.

„Deshalb“, fuhr Herr Ganzerl fort, „werdet ihr beim Skifahren nicht nach Alter und Klasse eingeteilt, sondern nach Können. Ihr seid, über den Daumen gepeilt, hundertzwanzig, und somit werden wir euch in zwölf Gruppen einteilen, damit keine Gruppe zu groß wird.“

Tina Wegner wurde ungeduldig und schnitt ihm das Wort ab. „Und jetzt beginnt das große Probelaufen. Alle, die sich schon etwas Zutrauen, fahren mit dem Lift nach oben, und die Skilehrer beobachten sie, wie sie runterkommen, und zwar, bitte, vom Können jetzt einmal ganz abgesehen, nach Alter und Alphabet. Die Mädchen aus der dreizehnten Klasse zuerst, dann die Jungen, dann die Mädchen der zwölften, und danach die Buben … ist das klar?“

„Ja!“ scholl es ihr im Chor entgegen, und die meisten drängten sich schon zum Lift.

Andreas München übernahm die Organisation. „So hat das doch keinen Zweck, Leute!“ brüllte er. „Wenn wir nach Klassen und Alphabet abfahren sollen, müssen wir uns auch unten gleich so aufstellen. Es hat doch keinen Sinn, wenn die von der Fünften zuerst oben ankommen,. Also … die Mädchen aus der dreizehnten vor! Ja, kommt nur, kommt, nur keine Schüchternheit! Und ihr Winzlinge gefälligst zurück! Herr Ganzerl, macht es was aus, wenn ich als letzter fahre?“

„Doch. Bleiben Sie, bitte, bei Ihrer Klasse. Es ist sehr lobenswert, daß Sie Ordnung zu schaffen versuchen, und Sie haben das auch ganz richtig angepackt, aber Ihren Posten übernehme jetzt ich.“.

„Frau Wegner“, rief Ute, „was soll ich denn tun? Ich bin zwar bei uns zu Hause im Winter schon mal auf dem Müggelberg rumgerutscht, aber ich hab in meinem ganzen Leben noch keine einzige Trainerstunde gehabt.“

„Dann schwing dich ab in das Gelände rechts neben der Burg, du weißt schon, wo die vielen Kuppen sind.“ Sie erhob die Stimme. „Das gilt für alle, die sich die Abfahrt noch nicht Zutrauen. Rechts von der Burg ist das Skigelände für Anfänger.“

„Können wir nicht erst zusehen, wie die anderen runterkommen?“

„Nein, dabei kriegt ihr nur kalte Beine. Ich komme mit euch. Wir fangen sofort an.“

„Merde!“ sagte Gaston laut und vernehmlich und konnte von Glück sagen, daß dieser häßliche Ausdruck in der französischen Sprache sehr viel milder klang als im Deutschen; dennoch zog er dadurch die Aufmerksamkeit der Sportlehrerin auf sich.

„Gaston, wie trägst du denn deine Skier?“ rief sie. „Das sieht ja schauderhaft aus.“ Sie nahm ihm die Bretter ab, die er an den Bindungen rechts und links von sich hatte baumeln lassen, legte sie mit den Gleitseiten aufeinander und schulterte sie ihm, Spitzen nach vorn. „So macht man das!“

„Anders geht es auch!“ gab Gaston brummig zurück.

„Aber es wirkt total unsportlich.“

Gaston zuckte nur die freie Schulter, als wollte er sagen: Na, wenn schon!

Ute lief zu Leona hin, die ihren Platz in der Schlange vor dem Lift gefunden hatte. „Viel Glück!“

„Schade, daß wir nicht zusammen sein können“, sagte Leona, „aber bei aller Freundschaft … auf die Idiotenwiese begebe ich mich deinetwegen nicht.“

Ute lachte, „Hat auch niemand verlangt. Aber ich werde mir Mühe geben, daß ich bis zum nächsten Jahr den Anschluß schaffe.“

Inzwischen hatten sich die Böcke von den Schafen geschieden. Die Gruppe der Anfänger – sie war nur klein – zog mit Frau Wegner ab, die anderen hatten sich vor dem Skilift, von Herrn Ganzerl geordnet, aufgestellt, und die höheren Klassen waren schon nach oben entschwebt.

Leona stand neben Ilse Moll, die zwar zwei Jahre älter war als sie, aber nach zweimaligem Sitzenbleiben die gleiche Klasse besuchte. Ilse hatte ihr Skizeug so eng gewählt, daß ihr Busen aus dem glänzenden, elastischen Stoff, dazu noch bonbonrosa, nur so herausprallte.

Sie stieß Leona an. „Siehst du was an mir?“

„Wie immer … jede Menge!“ gab Leona zurück und blickte nicht ganz ohne Neid auf Ilses gut entwickelte Brust.

„Nein, nicht da“, sagte Ilse, „auf dem Kopf.“ Sie trug ihr blondes Haar in einer verwegenen Lockenfrisur.

„Wenn du dir keine Mütze aufsetzt, wirst du dir die Ohren abfrieren“, sagte Leona.

„Aber mit der Mütze kämen ja meine Locken nicht zur Geltung. Meine Mutter hat mir zu Weihnachten eine ganz neue Dauerwelle spendiert, bei der man die Locken nicht mehr aufdrehen muß.“

„Gratuliere“, sagte Leona spöttisch.

„Ach, sei doch nicht so! Gib ruhig zu, daß du mich beneidest.“

Über diese Behauptung mußte Leona erst nachdenken. Dann zwang sie sich zur Ehrlichkeit: „Du hast recht. Ob ich Locken haben möchte, weiß ich nicht. Aber ein bißchen mehr Figur würde mir schon gefallen.“

„Wart’s nur ab, die kommt schon mit der Zeit“, tröstete Ilse sie großmütig.

Der Lift war eine höchst einfache Angelegenheit: Doppelsessel hingen an einem stählernen Tau, das von einem starken Motor über Rollen nach oben geführt wurde. Als die Reihe an ihnen war, nahmen Leona und Ilse nebeneinander Platz, so schnell sie konnten, denn die Sessel blieben nicht stehen. Sie kamen vom Berg herunter, machten auf der überdachten Station eine Kurve und glitten dann gleich wieder nach oben. Es gehörte also eine Portion Geschicklichkeit dazu, aufzusitzen und dabei die Stöcke nicht zu verlieren. Danach hakten sie die Stange ein, die sie vor dem Herausrutschen schützen sollte, hielten sich an den Lehnen fest und ließen ihre Füße mit den Skiern über der schneebedeckten Piste baumeln. Vor ihnen fuhr Kurt Büsing mit einem Jungen aus seiner Klasse, hinter ihnen Alma und Sabine. Sie bedachten sich gegenseitig mit Zurufen, die sie aber nur selten verstanden.

Der Schnee funkelte in der Wintersonne, der Himmel war blau, wenn auch ein bißchen diesig, und Leona genoß die Fahrt. „Das macht Spaß, wie?“ rief sie Ilse Moll zu.

„Wenn es bloß nicht so kalt wäre“, jammerte Ilse.

„Kalt? Nicht die Spur! Es sind doch nur ein paar Grad unter Null!“

„Eben die paar Grad fehlen mir.“

Leona sah Ilse von der Seite an. „Das kommt nur, weil du keine Mütze aufhast! Deine Ohren sind schon ganz rot gefroren!“

„Was mache ich bloß?“ jammerte Ilse.

„Nimm meinen Schal“, erklärte Leona und zerrte, rasch entschlossen, den schönen roten Wollschal, den ihr die Mutter zu Weihnachten gestrickt hatte, vom Hals.

Ilse fragte nicht danach, ob Leona der Schal vielleicht fehlen könnte, sie hatte andere Sorgen. „Wie sehe ich denn mit so einem Ding um den Kopf aus?“

„Immer noch besser als mit abgefrorenen Ohren!“ gab Leona gelassen zurück. „Gib mir deine Stöcke! Ich halte sie so lange!“

Die Kälte siegte über Ilses Eitelkeit; sie bemühte sich, den roten Wollschal um den Kopf zu wickeln. „Und das ganz ohne Spiegel!“ seufzte sie dabei.

„Für wen willst du eigentlich so schön sein?“ erkundigte sich Leona. „Ich sehe weit und breit keinen, für den es sich lohnt!“

„Für mich selber!“ erklärte Ilse Moll.

Tatsächlich hatte sie nichts ausgelassen, weder Augenbrauenstift noch Wimperntusche, Lidschatten oder Lippenstift. Aber der Fahrtwind hatte ihr die Tränen in die Augen getrieben, so daß ihr Makeup schon einigermaßen verschmiert aussah.

„Du solltest dich wirklich mal im Spiegel sehen“, meinte Leona.

Sofort begann Ilse Moll ihren Skianzug abzutasten, aber der war so eng geschnitten, daß er nicht einmal eingearbeitete Taschen hatte. „Auch das noch!“ stieß er hervor. „Leihst du mir deinen?“

„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, daß ich einen Spiegel mit zum Skifahren nehme!?“

„Barbarin!“

Leona lachte nur.

Inzwischen sausten die älteren Schülerinnen und Schüler schon auf der Piste neben dem Lift in mehr oder weniger guter Haltung hinunter: in Schußfahrt, Bogen gleitend oder wedelnd.

„Was für ein Tag!“ rief Leona begeistert. „Was für eine spitze Idee vom Uhu, die Schule gleich mit Ferien zu beginnen!“

Aber Ilse Moll stimmte ihr nicht zu; das Gefühl, nicht zauberhaft und verführerisch auszusehen, bedrückte sie.

Oben angekommen, mußte man ebenso schnell abspringen, wie man unten aufgesessen war. Ilse Moll schaffte es nicht, und der Sessel schlug ihr ins Kreuz.

„Oh, verfluchte Technik!’ schrie sie und brachte sich in Sicherheit.

„Hat es sehr weh getan?“ fragte Leona teilnahmsvoll.

„Krieg du mal einen Sessel in den Rücken, dann weißt du es!“

„Nein, lieber nicht!“ Leona glitt zu den anderen aus ihrer Klasse hin, die eine Gruppe bildeten und sich die Glieder durch Freiübungen zu wärmen suchten.

Ilse Moll schnallte ihre Skier ab und wandte sich dem Holzhäuschen zu. Da der Skilift zur Burg Rabenstein gehörte und keine öffentliche Einrichtung war, gab es auf dem Gipfel auch nicht, wie gewöhnlich, einen Restaurationsbetrieb und eine Aussichtsterrasse, sondern nur einen Unterstand und eine Toilette für dringende Fälle. Dort hoffte Ilse einen Spiegel zu finden, um sich schön zu machen. Aber den gab es dort nicht, und ihre Bemalung mit Klopapier und Spucke zu reparieren, ohne sich selbst sehen zu können, war eine schwierige Angelegenheit.

So kam es, daß sie erst wieder auftauchte, als die anderen aus ihrer Klasse längst abgefahren waren.

„Was ist mit Ihnen?“ fragte der Skilehrer, der die Abfahrt beaufsichtigte, entgeistert. „Sie gehören doch nicht zu den Kleinen?“

Das „Sie“ in der Anrede schmeichelte Ilse und ließ sie den ziemlich groben Ton überhören. „Sehe ich so aus?“ fragte sie kokett und zog sich die bonbonrosa Jacke herunter, so daß ihr Busen noch besser zur Geltung kam.

Der Skilehrer grinste. „Kann man schlecht behaupten!“

„Na also!“

„Welche Klasse?“

„Achte!“

„Große Güte, die sind schon unten!“ Er wandte sich an ein jüngeres Mädchen, das auf das Startzeichen wartete. „Halt! Stop! Mach den Platz frei! Erst kommt die hier dran!“ Er sah sie an. „Wie heißt du?“

„Ilse.“

„Also, ab mit dir, Ilse!“

Ilse schob sich mit beiden Stöcken ab. Sie war zwar schon als kleines Mädchen mit der Mutter in den Wintersport gefahren und hatte als Fünfjährige an ihrem ersten Skikurs teilgenommen, aber sie hatte sich, wie es ihre Art war, vor jeder Anstrengung gedrückt, wo sie nur konnte. Außerdem haßte sie es, in den Schnee zu fliegen, und fuhr deshalb vorsichtig wie auf Eiern.

Als die anderen sie kommen sahen, versuchten sie sie anzufeuern, „Bißchen schneller!“ riefen sie. „Mehr Schwung!“ und: „Nun mach schon, Ilse!“ – Sie lachten, weil Ilse, Leonas Schal, der gar nicht zu ihrem Anzug paßte, kunstvoll um die Locken drapiert, eine komische Figur machte.

Ilse hob den Blick von der Piste und sah auf ihre Mitschülerinnen hinunter – und schon war es passiert: sie hatte einen kleinen Buckel übersehen, machte notgedrungen einen Sprung, federte beim Aufkommen nicht genug ab und landete kopfüber im hohen Pulverschnee neben der Piste.

Die Zuschauer lachten – nicht aus Schadenfreude, sondern weil es wirklich urkomisch ausgesehen hatte.

Jetzt bemühte sich Ilse, aus dem Schnee zu krabbeln, ihre Skier wieder nebeneinander zu stellen und hochzukommen, ohne daß sie unter ihr wegrutschten. Dabei machte sie die sonderbarsten Verrenkungen und bot eine noch belustigendere Vorstellung. Wäre es ihr gelungen, ein vergnügtes Gesicht zu machen und womöglich noch so zu tun, als übertriebe sie ihre Schwierigkeiten absichtlich, hätte sie bestimmt die Lacher auf ihre Seite gebracht. Aber sie konnte ihren Ärger darüber, eine schlechte Figur zu machen, nicht verbergen, und so wurde sie ausgelacht.

„He, Ilse!“ rief Klaus Voss ihr zu. „Bist du mit dieser Nummer noch frei?“

„Halt die Klappe!“ gab sie mißgelaunt zurück. „Ihr könnt mich doch alle mal!“ Endlich war sie wieder auf die Beine gekommen und rutschte nun den letzten Weg der Strecke übervorsichtig im Schneepflug herunter.

„Aber, aber!“ spottete Alma. „Wie undamenhaft!“

Leona hieb in dieselbe Kerbe. „Wenn das deine Mutter gehört hätte!“

Ilse war jetzt unten angekommen, klopfte sich den Schnee von ihrem Anzug und gesellte sich zu den Freundinnen. „Wenn ihr mich fragt … diese blödsinnigen Skiferien sind wieder einmal die reinste Schikane vom Uhu!“

„Spinnst du?“ fragte Alma und riß die braunen Augen in echter Verständnislosigkeit auf.

„Skifahren macht doch Spaß!“ rief Sabine.

„Ja, in einem schicken Wintersportkurort, wo es elegante Lokale und Geschäfte gibt, wo was los ist! Aber hier, drei Kilometer vom nächsten Dorf entfernt, nur unter Schülern und Schülerinnen … nein, danke.“

Die anderen waren natürlich nicht ihrer Meinung und äußerten das lautstark. Ilse beharrte auf ihrem Standpunkt.

„Wozu zanken wir uns?“ fragte Leona endlich. „Wenn Ilse keinen Spa am Skifahren hat, ist das doch ihre Sache. Wir können sie nurbedauern, bekehren wäre unmöglich.“

„Sagen wir so“, meinte Alma, „Ilse liebt am Ski nur den Apres-Ski!“

Leona und Sabine lachten.

„Und wenn es so wäre?“ verteidigte Ilse sich hitzig. „Natürlich ist das Drum und Dran beim Skifahren schöner als das Skifahren selber! Ich gebe zu …“

Die Stimme Herrn Ganzerls machte der Debatte ein Ende. Die Lehrer und Frau Wegner hatten die Köpfe zusammengesteckt und Notizen verglichen. Jetzt gab Herr Ganzerl die Einteilung bekannt.

Von den Freundinnen hatten die sportliche Alma und Leona, die seit früher Kindheit Ski liefen, am besten abgeschnitten. Sie wurden in die dritte Gruppe eingeteilt. Ihr Trainer war der gutaussehende Sepp Bauer, und sie freuten sich darüber. Sabine kam in die Gruppe sieben und Ilse in Gruppe zehn.

„Sei nicht gekränkt, Ilse“, sagte Herr Ganzerl freundlich, „aber bei dir hapert’s anscheinend ein wenig an den Grundlagen.“

Ilse Moll zuckte die Schultern. „Na, wenn schon. Ich will ja kein Ski-Profi werden.“

„Sicher nicht. Aber es ist doch auch nicht angenehm, sich zu blamieren.“

„Darin sehe ich keine Schande.“

„Um so besser! Also ab zu den Idiotenhügeln!“

Jetzt erst begriff Ilse, was ihr passiert war. Sie: durfte nicht mit dem Lift nach oben fahren, sondern sollte jedesmal mühsam einen kleinen Abhang hinaufkraxeln, ehe sie abfahren konnte. „Nein!“ schrie sie. „Das können Sie mir nicht antun!“

Bei ihrem Sturz hatte sich der Rest Schminke verwischt. Mit einem Papiertaschentuch, das Alma ihr gegeben hatte, hatte sie ihn abgerieben. Ihre sorgfältig gelegten Locken hatten sich durch die Nässe in winzige Kringel verwandelt. Sie bot einen erbarmungswürdigen Anblick.

Obwohl die Freundinnen sich oft genug über Ilses anmaßendes Getue geärgert hatten, empfanden sie plötzlich Mitleid mit ihr. Sie waren froh, daß sich die einzelnen Gruppen zu sammeln begannen und sie sich zurückziehen konnten.

„Glaub mir, es ist so das beste“, sagte Herr Ganzerl, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. „Gerade für dich wird es gut sein, das Aufsteigen und Aufstehen und Kniebeugen zu wiederholen.“

„Ich fahre seit meinem fünften Lebensjahr!“

„Ja, das dachte ich mir. Gerade wenn man sehr früh angefangen hat, kann es passieren, daß man sich später einen schlampigen Stil angewöhnt. Also mach schon. Ich muß mich um meine Gruppe kümmern.“

Ilse versuchte es mit ihrem weiblichen Charme. „Lieber, guter Herr Ganzerl“, schmeichelte sie und warf ihm aus ihren babyblauen Augen einen schmachtenden Blick zu, „ich weiß doch, Sie sind Kavalier! Sie werden doch nicht im Ernst …“ Sie schob ihren Busen vor. „ … schon altersmäßig passe ich doch nicht in die Gruppe zehn.“

„Du wirst dort einige finden, die schon erheblich älter sind als du und …“, fügte er nach einer kleinen Pause hinzu, „ … reifer.“

Ilse verlor ihre Fassung. „Das ist die reinste Schikane von Ihnen!“ schrie sie. „Ich werde mich beim Direktor beschweren!“

„Einverstanden. Aber nicht jetzt. Jetzt wirst du zum Idiotenhügel abmarschieren.“

Ilse hatte gute Lust, diesem Befehl zu trotzen. Aber dann brachte sie doch nicht den Mut auf. Sie hatte in ihrem jungen Leben die Erfahrung gemacht, daß sie bei Zusammenstößen mit Erwachsenen zum guten Schluß doch immer nur den kürzeren zog. Hinzu kam, daß sie sich ihrer ramponierten Erscheinung bewußt und dadurch verunsichert war.

Also gehorchte sie zähneknirschend.

Jung und verliebt im Landschulscheim

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