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Gewonnen!

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„Ein Brief für dich!“ rief Frau Schmidt von der Küche her, als Monika aus der Schule nach Hause kam.

„Für mich?“ wiederholte Monika und merkte selber, daß dies etwas dämlich oder – wie man bei ihr in Bayern sagen würde – deppert klang. Aber Tatsache war, daß sie so gut wie nie Post erhielt. Sie lebte mit ihren Eltern und Geschwistern in einem schönen alten Haus an einem Seerosenteich auf dem Land, und alle ihre Freunde wohnten in der Nähe. Ingrid, die Tochter eines Gymnasiallehrers, lebte mit ihren Eltern im letzten Haus von Heidholzen, dem Weiler, zu dem auch das Haus am Seerosenteich gehörte. Norbert, der mit Monika und Ingrid befreundet war und in die gleiche Klasse ging, wohnte mit seinen Eltern in einer Etagenwohnung in Geretsried, dem nächsten größeren Dorf, in dem sie alle drei zur Schule gingen. Gabi, Monikas Freundin aus früheren Zeiten, lebte in München, aber sie schrieb nie, rief höchstens an.

Monika fiel also wirklich nicht sogleich ein, woher sie Post bekommen haben konnte.

Der Brief lag auf dem Garderobenständer, und sie entdeckte ihn, noch ehe sie aus ihrem Anorak geschlüpft war. Der grüne Aufdruck fiel ihr sofort ins Auge.

„Er ist von der Abendzeitung!“ schrie sie.

„Na und?“ antwortete die Mutter aus der Küche.

„Da hab ich doch beim Preisausschreiben mitgemacht! Du weißt, wo man die richtigen Texte zu den richtigen Bildern bringen mußte!“ Monika ließ ihre Mappe auf den Boden fallen, grapschte nach dem Brief und rannte in die Küche.

Frau Schmidt machte Salat an. „Na, ausziehen hättest du dich schon erst können.“

Monika riß den Umschlag auf. „Später, Mutti, später… das ist viel zu aufregend.“ Ihre Wangen brannten, ihre grünen Augen funkelten, und sogar ihr rotes, glattes Haar, das sie mit Gummibändern zusammenhielt, schien zu sprühen.

„Na, du bildest dir doch wohl hoffentlich nicht ein, den ersten Preis gewonnen zu haben?“ fragte Frau Schmidt und mischte gelassen den Salat.

Monika sagte erst gar nichts und überflog den Brief. Dann ließ sie ihn sinken und sah ihre Mutter an. Von einer Sekunde zur anderen wurde sie ganz blaß.

„Was hast du?“ fragte Frau Schmidt erschrocken. „Ist dir nicht gut?“

„Ich hab ihn“, sagte Monika tonlos.

„Was hast du?“

„Ich hab ihn!“ Monikas Wangen röteten sich wieder. „Den ersten Preis!“ Sie umarmte ihre Mutter und wirbelte sie durch die große alte Küche. „Ich habe gewonnen, gewonnen, gewonnen! Eine Kreuzfahrt durch die Karibik und eine Woche Aufenthalt für zwei Personen auf Nassau!“

„Nicht so wild, Monika! Laß mich aus, mir wird ja ganz schwindelig!“

„Mutti, Mutti, was sagst du denn dazu? Ist das nicht herrlich?“

„Ich kann es gar nicht glauben! Zeig mir den Brief!“

Monika ließ ihre Mutter los und reichte ihr das Schreiben. „Du glaubst wohl, ich kann nicht lesen?“ Sie hielt sich den Bauch vor Lachen.

„Tatsächlich!“ Frau Schmidt las. „Du hast gewonnen! Ist es denn die Möglichkeit!“

„Na, einer muß doch den ersten Preis machen!“

„Aber gerade du! Ich wußte gar nicht, daß du so ein Glückskind bist.“

Die Worte griff Monika sogleich auf. „Ich bin ein Glückspilz!“ Sie tanzte auf einem Bein und rief ins Leere: „Amadeus, alter Junge! Hast du’s schon gehört… ich bin ein Glückspilz!“

„Monika, ich bitte dich, laß das Gespenst erst mal aus dem Spiel…“

„Aber er muß doch wissen, daß ich verreise! Und außerdem hat er es nicht gern, wenn man ihn als Gespenst bezeichnet.“

„Deshalb brauchst du doch nicht gleich mit ihm Verbindung aufzunehmen. Er erfährt ja doch alles, was in diesem Haus vorgeht.“

„Aber er könnte es übelnehmen, wenn ich es ihm nicht sofort erzähle.“

Dieses Gespräch könnte auf manchen, der von Amadeus, dem Hausgespenst, noch nie etwas gehört oder gelesen hat, reichlich merkwürdig wirken. Deshalb möchte ich gleich erklären, was es mit Amadeus auf sich hat. Es gibt ihn wirklich. Es ist ein Kobold von der Art, von der viele im Haus und im Garten herumgeistern, nur daß wir sie nicht sehen und meist auch nicht einmal fühlen. Aber dieser Kobold ist in die Gestalt eines Jungen geschlüpft, der vor etwa 200 Jahren im Seerosenteich ertrunken ist, und seitdem gespenstert er im Haus, auf der großen Wiese davor, im Stall, im Garten und sogar in der Ruine des alten Schlosses herum, die auf einem Hügel hinter dem Haus steht. Meist ist er unsichtbar, aber er kann sich auch als Amadeus sichtbar machen. Durch sein Unwesen hat er die früheren Bewohner des schönen alten Hauses vertrieben. Selbst die Schmidts waren nahe daran aufzugeben, so sehr sie sich auch gewünscht hatten, auf dem Land zu leben. Denn wenn man keine Nacht schlafen kann und einem auch tagsüber die Gegenstände um die Ohren fliegen, macht einem auch die schönste Behausung keinen Spaß. Zum Glück war es Monika gelungen, Freundschaft mit Amadeus zu schließen. Seitdem macht er zwar immer noch die tollsten Späße – denn völlig unbeachtet kann und mag ein Kobold nicht –, leben aber wenigstens läßt er die Schmidts nachts gut schlafen.

Wer die Schmidts sind? Nun, da ist erst einmal Monika, die wir schon kennen. Ihre Mutter Hilde Schmidt sieht ganz ähnlich aus, aber ihr Haar ist hellblond, und ihre Linien sind rundlicher. Womit nicht gesagt sein soll, daß sie dick ist. Nur: Monika ist dünn wie ein Bindfaden. Außerdem gibt es noch eine Schwester, Liane, sehr hübsch und sehr eitel und modebewußt, sechzehn Jahre, und Bruder Peter, zwölf, etwas mürrisch und grob, weil er sich zwischen diesen drei weiblichen Wesen und dem Hausgespenst, gegen das er sich nicht wehren kann, ziemlich eingekeilt fühlt. Ein Vater Schmidt ist auch da. Er heißt Max und ist kaufmännischer Angestellter. Aber viel lieber arbeitet er mit den Händen. Er ist glücklich, wenn er etwas zu sägen oder zu mauern findet.

Ja, und dann sind da noch Kaspar, ein großer, bernhardinerartiger Hund, der eigentlich Peter gehört. Doch Peter nimmt ihn zwar gelegentlich mit auf seine Streifzüge durch Wiesen und Wald, versorgt wird er aber von Monika. Sie ist es, die ihm sein Futter gibt und ihn regelmäßig bürstet. Kaspar hat auch seine liebe Last mit dem Hausgespenst, vor dem er sich schrecklich fürchtet. Wenn Amadeus – ob nun sichtbar oder unsichtbar – in der Nähe ist, sträuben sich ihm sofort die Haare. Sehen läßt sich Amadeus übrigens nur vor Monika.

Mit zur Familie müssen wir wohl auch Bodo rechnen. Bodo ist ein Pferd, ein schwerer Hannoveraner, der in der Reitschule nicht mehr zu gebrauchen war und den die Schmidts übernommen haben. Er gehört Monika und Liane, die ihn abwechselnd pflegen und ausreiten, wobei, wie es sich denken läßt, der größere Anteil auf Monika fällt, weil Liane viel seltener zu Hause ist.

Nun aber zurück zu jenem sonnigen Vorfrühlingstag, an dem Monika die Nachricht von der Abendzeitung bekam, daß sie den ersten Preis gewonnen hatte.

„Ach, hör mir auf mit Amadeus“, sagte Frau Schmidt, „viel wichtiger ist: versäumst du nicht zuviel in der Schule, wenn du in der Karibik herumkreuzt?“

„Aber, Mutti, kannst du denn nicht lesen? Die Reise fällt doch genau in die Pfingstferien!“

„Da hast du aber Glück gehabt.“

„Glück? Ach was, Köpfchen! Weil die Reise in die Pfingstferien fällt, habe ich ja nur mitgemacht.“

Frau Schmidt zögerte. „Und wen willst du mitnehmen?“

Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Ingrid natürlich!“

Dazu sagte Frau Schmidt nichts, aber gerade weil sie nichts sagte, fiel es Monika ein, daß sie gekränkt sein könnte.

„Natürlich würde ich auch gern mit dir verreisen, Mutti“, fügte sie hinzu, „aber Ingrid hat mir doch beim Rätselraten geholfen. Wir haben beide die Lösung eingeschickt und uns gegenseitig versprochen, die andere mitzunehmen, falls eine von uns…“

„Zwei so kleine Mädchen allein? Ich weiß nicht… solltest du nicht lieber mit Liane…“

„Na, erlaube mal, Mutti! Wir sind zehn Jahre… so klein doch auch nicht mehr! Und was Liane betrifft, auf die müßte ich doch dauernd aufpassen, wegen Jungen und so. Und außerdem, Mutti, das habe ich dir doch erzählt: Norbert fährt auf dem gleichen Schiff, er macht die gleiche Reise. Mit seinen Eltern. Die Steins werden sich schon um uns kümmern. Du brauchst keine Sorge zu haben.“

„Aber wir kennen sie doch nur flüchtig, und wir können nicht von ihnen verlangen…“

„Klar können wir! Was ist das schon für eine Mühe, mich und Ingrid im Auge zu behalten? Wir sind doch beide die Bravheit in Person.“

„Ich fürchte, du siehst das alles zu einfach. Erst müssen wir mit Vati darüber sprechen… und dann mit den Steins… und mit Ingrids Eltern…“

„Das sehe ich ja ein. Sprich nur mit Gott und der Welt darüber, Mutti, aber eins sage ich dir: Die Reise machen Ingrid und ich. Nachdem wir sie erst mal gewonnen haben, kann uns nichts mehr davon abhalten.“ Monika faßte ihre Mutter um die Taille. „Mach nicht so ein Gesicht! Hast du nicht vorhin noch gesagt, daß ich ein Glückspilz bin!?“

Mutter und Tochter hatten Zeit für diese ausgiebige Unterhaltung, weil Monika mittags immer als erste nach Hause kam. Liane und Peter, die ihre alten Schulen in München besuchten, hatten einen viel weiteren Weg. Herr Schmidt aß in der Kantine seiner Firma.

„Schon gut, schon gut“, sagte Frau Schmidt, der die Entwicklung der Dinge ein wenig über den Kopf wuchs, „jetzt zieh dir aber erst einmal deinen Anorak aus und wasch dir die Hände!“

„Weil du es bist!“ Monika gab ihrer Mutter einen Kuß auf die Wange und eilte, den Anorak herunterzerrend, in die Wohndiele zurück. Sie stülpte das Kleidungsstück achtlos über einen Haken und lief zum Telefon. „Ich muß sofort Ingrid anrufen!“

„Sei nicht so voreilig! Warte erst ab, bis Vati…“

„Nein, sie muß es wissen!“

Die Wohndiele war ein sehr großer Raum, von dem verschiedene Türen links und rechts seitwärts führten. Über eine Treppe kam man in den ersten Stock. Im Hintergrund gab es einen Erker, der höher lag als das übrige Zimmer. Trotz seiner Ausmaße wirkte der Raum gemütlich. Das kam wohl daher, daß der Boden aus dicken Holzbohlen bestand und auch die Wände holzgetäfelt waren.

In dieser Wohndiele spielte sich das Familienleben der Schmidts ab. Hier stand der Tisch, an dem sie abends aßen – mittags wurde nur eine Kleinigkeit in der Küche gegessen – und auch spielten. Hier stand der Fernseher und auch das Telefon.

Monika wählte eine Nummer.

Ingrids Mutter meldete sich.

„Könnte ich, bitte, Ingrid sprechen? Hier ist Monika!“

„Hat es nicht Zeit bis später? Wir wollten gerade zu Tisch gehen!“ Ingrids Mutter war in allem sehr genau; sie legte großen Wert auf gute Manieren.

Unter gewöhnlichen Umständen hätte Monika auch darauf Rücksicht genommen, sich entschuldigt und erklärt, später noch einmal anrufen zu wollen.

Aber jetzt war sie so aufgeregt, daß sie sich nicht abwimmeln ließ. „Nein, es ist sehr wichtig“, beharrte sie, „und es dauert auch nur ganz kurz… keine halbe Minute. Ich muß Ingrid unbedingt etwas mitteilen. Etwas sehr Wichtiges.“

„Hat es mit der Schule zu tun?“ fragte Ingrids Mutter beunruhigt.

„Mit Ingrids Schicksal!“ erklärte Monika und gab ihrer Stimme bewußt einen düster geheimnisvollen Ton.

„Ja, aber um Himmels willen…“

„Lassen Sie mich Ingrid sprechen!“

Das wirkte. Monika hörte, wie Ingrid gerufen wurde. Während sie wartete, glitt ihr Blick zu dem altersdunklen Ölgemälde, das dem Telefon gegenüber hing. Es stellte Amadeus dar, so wie sie ihn kannte: einen Jungen mit übergroßen, weit auseinander stehenden Augen und altmodisch frisiertem, weiß gepudertem Haar. Gekleidet war er wie ein vornehmer Junge des achtzehnten Jahrhunderts. Er trug einen hellblauen Seidenanzug, am Hals ein Spitzenjabot, und Spitzen auch an den Manschetten.

Monika lächelte das Bild an und schickte ihm versuchsweise eine Kußhand. Aber es rührte und rüttelte sich nicht, ein Zeichen dafür, daß der wirkliche Amadeus – der Kobold also, der die Rolle des verstorbenen Amadeus übernommen hatte – nicht in der Nähe war. Monika war erleichtert darüber, denn sie war nicht sicher, wie er die Nachricht von der bevorstehenden Reise aufnehmen würde.

Ingrid jedoch reagierte genauso, wie Monika es sich gedacht hatte: Erst blieb ihr die Luft weg, dann machte sie einen Luftsprung und stieß einen Freudenschrei aus, der ihre Eltern alarmiert herbeilaufen ließ.

„Reg dich nicht auf, Ingrid“, mahnte Monika, „du brauchst jetzt Nerven. Du mußt deinen Eltern beibringen, daß wir sehr gut allein reisen können. Mach ihnen klar, daß Steins die gleiche Reise machen… auch auf der Wassermann. Wir sind also in bester Obhut. Das mußt du deinen Eltern einbleuen.“

„Werd ich!“ versprach Ingrid. „Verlaß dich drauf… diese Chance laß ich mir doch nicht vermiesen.“

„Ich verlasse mich drauf.“

Monika legte den Hörer auf und wählte sofort noch einmal, diesmal Norberts Nummer.

Er kam selber an den Apparat und meldete sich mit vollem Mund.

„Hei, Norbert, hier spricht Monika…“

„Was ist? Wir sitzen gerade beim Essen.“

„Dann paß nur auf, daß du dich nicht verschluckst! Ich habe das Preisausschreiben gewonnen! Ingrid und ich kreuzen Pfingsten mit euch durch die Karibik!“

Norbert verschluckte sich tatsächlich und mußte erst einmal ausgiebig husten. „Du kriegst die Motten!“ sagte er dann.

„Wir wollen unbedingt, aber du mußt uns helfen, daß es auch wirklich klappt. Du weißt ja, wie Eltern sind. Sie werden uns natürlich nicht gern allein reisen lassen. Du mußt deinen Eltern klarmachen, daß sie unseren Eltern versprechen müssen, auf uns aufzupassen.“

„Klaro“, sagte Norbert, „wird gemacht. Soll mein Vater anrufen?“

„Nicht so hastig. Immer langsam mit die jungen Pferde. Mein Vater weiß es noch gar nicht, und Ingrid muß es ihren Eltern auch erst schonend beibringen. Sie werden sich dann schon bei euch melden.“

„Ich bereite sie vor.“

„Recht so! Und nun mampf schön weiter!“

Am liebsten hätte Monika noch Gabi, ihre alte Freundin in München, angerufen. Aber inzwischen waren Liane und Peter nach Hause gekommen, und die Mutter rief zum Essen. Monika war nicht so unklug, gerade jetzt den Familienfrieden durch ein Telefongespräch zur unpassenden Zeit zu stören.

Natürlich wurde in den nächsten Tagen in jeder freien Minute über nichts anderes gesprochen als über die gewonnene Reise. Die Schulkameraden und Kameradinnen und die Geschwister beneideten und beglückwünschten die Freundinnen von Herzen. Norbert freute sich wie ein Schneekönig, daß sie auf der Karibikkreuzfahrt dabei sein würden. Ingrids Eltern und Frau Schmidt waren dagegen bedenklich und besorgt.

Aber Herr Schmidt sah die Sache zum Glück anders. Er rief bei der Abendzeitung an und erzählte, daß seine zehnjährige Tochter gewonnen hätte.

„Gratuliere“, sagte die freundliche Redakteurin am Telefon, „da wird sie wohl eine große Freude haben.“

„Die hat sie“, versicherte Herr Schmidt, „sie ist nahe daran überzuschnappen.“

Die Redakteurin lachte.

„Nur hat meine Frau Bedenken. Monika will nämlich… Monika ist die Preisträgerin… die Reise zusammen mit ihrer gleichaltrigen Freundin machen.“

„Hm“, sagte die Redakteurin, „neigen die Mädchen dazu, seekrank zu werden?“

„Sie haben noch nie eine Schiffsreise gemacht.“

„Wird ihnen leicht schlecht? Beim Autofahren zum Beispiel? Dann sollten sie sich unbedingt vorher vom Arzt Tabletten verschreiben lassen.“

„Wenn’s weiter nichts ist…“

„Davon abgesehen ist gegen den Plan der Mädchen nichts einzuwenden. Es handelt sich ja um eine Charterreise. Eine deutschsprechende Reiseleiterin ist dabei. Wir werden sie bitten, sich besonders um die Preisträgerinnen zu kümmern.“

„Es fährt auch noch eine befreundete Familie mit.“

„Na, also dann! Meines Erachtens gibt es keinen sichereren Platz für ein Kind als an Bord eines Schiffes. Dort kann es weder verlorengehen noch überfahren werden.“

Monika fiel ihrem Vater um den Hals, als er ihr die guten Neuigkeiten mitteilte.

„Du meinst also wirklich, wir sollen sie allein reisen lassen?“ fragte die Mutter mit sorgenvollem Gesicht.

„Unbedingt. Sie haben das Rätsel gelöst, die Briefmarken vom eigenen Taschengeld bezahlt und… Glück gehabt. Wenn wir ihnen jetzt die Chance, in die große, weite Welt zu reisen, verpatzen, würden sie uns das nie verzeihen.“

„Das stimmt nicht, Vati“, widersprach Monika, „ich habe euch viel zu lieb, um euch irgend etwas ewig nachzutragen.“

„Du würdest also auch auf Ingrids Begleitung verzichten?“ fragte die Mutter rasch.

„Das kann ich nicht. Wir hatten ausgemacht, daß wir zusammen fahren würden. Wenn ihr mich nicht mit Ingrid laßt, bleibe ich auch zu Hause. Dann könnt ihr selber die Reise machen, du und Vati.“ So edel wie sie sprach, dachte Monika aber nun doch nicht; sie machte diesen Vorschlag nur, weil sie ganz sicher war, daß ihre Eltern darauf nicht eingehen würden.

„Das kommt gar nicht in Frage“, erklärte ihr Vater denn auch mit Nachdruck, „ihr habt die Kreuzfahrt gewonnen, und ihr werdet sie auch unternehmen. Wenn Ingrids Eltern sich querstellen, werde ich sie mir persönlich vorknöpfen.“

„Vati, du bist fabelhaft!“ rief Monika hell begeistert.

„Ich weiß nicht…“, wollte die Mutter noch einmal beginnen.

„Hör auf, Mutti“, erklärte Monika energisch, „Schluß der Debatte, die Sache ist gelaufen.“ In verändertem Ton fügte sie hinzu: „Wir wollen von nun an nicht mehr darüber sprechen… bitte, nicht!“

„Aber es sind doch Vorbereitungen zu treffen…“

„Klaro!“ – Klaro statt klar zu sagen, war die neueste Gepflogenheit in Monikas Klasse. „Das machen wir auch. Wir sollten nur nicht darüber sprechen“, sagte Monika mit ganz besonderer Betonung.

Die Eltern verstanden.

„Du meinst wegen…?“ fragte Frau Schmidt.

„Genau. Wer weiß, wie er es aufnehmen wird.“

„Er müßte es doch längst wissen“, sagte der Vater.

Monika schüttelte so heftig den Kopf, daß ihre roten Rattenschwänze flogen. „Glaub ich nicht. Er hat sich ja seit Tagen nicht mehr sehen und hören lassen.“

„Vielleicht sind wir ihn los?“ fragte Frau Schmidt hoffnungsvoll.

„Wie denn?“ fragte Monika zurück. „Nein, Mutti, wenn er sich so still verhält, bedeutet das nur, daß er anderweitig beschäftigt ist. In Luft aufgelöst hat er sich damit noch längst nicht.“

Man war im Haus am Seerosenteich gewohnt, Geheimnisse vor Amadeus zu haben, und so wurden die Vorbereitungen für Monikas große Reise unauffällig betrieben. Monikas Paß wurde an das amerikanische Konsulat geschickt, damit das nötige Visum eingestempelt wurde – die Erlaubnisbescheinigung für einen Besuchsaufenthalt. Monikas Sommerkleider, ihre Hosen und T-shirts wurden gemustert und Neues dazugekauft.

Monika selber fiel es bei alledem am schwersten, den Mund über ihr Vorhaben zu halten, denn sie war vor lauter Vorfreude fast verrückt. Wenn sie mit Ingrid und Norbert zusammen war – nicht im Haus am Seerosenteich, versteht sich, sondern in den Pausen oder auf dem Schulweg –, redeten sie über nichts anderes.

Herr Schmidt schaffte es, Ingrids Eltern zu überzeugen. Die Steins erboten sich bereitwillig, die Mädchen in ihre Obhut zu nehmen. Bald stand dem großen Abenteuer nichts mehr im Wege.

Komm mit mir, liebes Hausgespenst

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