Читать книгу Der Sandmann kann mich mal - Marie Lu Pera - Страница 5

12 Monate, 1 Tag, 14 Stunden

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Um Punkt zwei Uhr nachmittags schneie ich – wie vereinbart – in Valentins Kanzlei rein, um meine erste Tagesschicht im neuen Job in Angriff zu nehmen.

Die blutrünstige Nachtschicht steckt mir dabei immer noch in den Knochen, die ich – zumindest teilweise – erfolgreich verdrängen konnte.

Hm, es scheint niemand da zu sein. Ich passiere den kleinen Empfangsbereich und gelange in ein großes Büro mit massivem Schreibtisch und zahlreichen Büchern, die in einem raumhohen Regal in Reih und Glied stehen.

Frech wie ich bin, trete ich hindurch und stoße die Tür auf, auf der unübersehbar die Buchstaben: „PRIVAT“ prangen. Als ob mich das aufhalten könnte. Das Wort weckt doch den Schnüfflerinstinkt in jedem.

„Boss?“, rufe ich hinein.

Stille.

Niemand meldet sich. Das hält mich aber nicht davon ab, über die Schwelle zu treten und in die total versiffte Männerbude vorzudringen, in der mir ein hochexplosives Gemisch, bestehend aus kaltem Rauch und vergammelter Pizza, entgegenkommt.

Das Öffnen des Milchglasfensters – nein, warte, das ist normales Glas, das vor Dreck steht – soll mich vor dem nahenden Erstickungstod bewahren. Da war ja der Würgegriff des Dämons noch ein Scheißdreck dagegen.

Ich stehe in einem langgezogenen, mit etlichen Fenstern gesäumten Raum, der mal ein hübsches Speisezimmer gewesen sein muss, bevor hier eine Horde Dämonen durchgezogen ist. Ich frage mich, ob das hier tatsächlich passiert sein könnte, stufe die Vermutung aber sogleich als unrealistisch ein, da die sicher nicht so viel Dreck hinterlassen hätten. Was für ein Saustall.

Auf der langen Tafel stehen etliche, leere Whisky-Flaschen und der Aschenbecher lässt sich nur noch unter einem Haufen Zigarettenstummeln vermuten. Oh, warte, das sind keine Kippen, sondern Fritten von vor zwei Jahren. Hm, schmackhaft.

„Boss?“

Stille.

„Bewohnt die Höhle hier noch ein anderes Ferkelchen oder waren Sie das ganz allein? Wenn, dann – Respekt“, rufe ich.

Stille.

Am Ende des Zimmers befindet sich noch ein Raum, dessen Türe ein Stück weit offensteht.

Dahinter offenbart sich die nächste Kammer des Schreckens, in der ein nackter Valentin auf dem Bauch schlafend in einem antik aussehenden Himmelbett mit tiefroten Vorhängen, die an bis zur Decke emporragenden Stangen hängen, liegt und mir die ungetrübte Sicht auf seinen vollständig entblößten Knackpo gewährt, der von dem Lichteinfall des Türspalts erhellt wird.

Halleluja, sag ich nur. Hätt ich nicht seine Bude des Grauens gesehen, könnt ich mich fast dazu hinreißen lassen, den mal anzufassen.

In dem räumlichen Kontext, und mein Dasein als unbescholtener Bürger im Hinterkopf habend, ist das hier aber einfach nur ein versoffener Schmuddeltyp in Schmuddellaken. Da sieht man mal wieder, was Kleidung, Deo und gewebte Baumwolle alles vertuschen können.

Wohl doch kein Prachtexemplar – naja zumindest nicht, wenn man auf Charles Bukowski Typen steht.

Sein Rücken ist ziemlich muskulös – aber nicht metabolicamäßig – ist eher Marke Eigenanbau.

Ich seufze lautstark. Was für ein Jammer, dass er die Mönchskutte anhat und scheinbar ein Alkohol- und Persönlichkeitsproblem hat. Sonst wär er glatt einer meiner Frösche.

Meine hohen Hacken, die perfekt zu dem dunkelblauen Empire-Kostüm passen, mit dem ich hier ziemlich deplatziert wirke, klackern laut über den Dielenboden, als ich ans Fenster herantrete und die bodenlangen, schwarzen Vorhänge mit einem Ruck aufziehe. Dabei steigen Staubschwaden empor, die mich die Seele aus dem Leib husten lassen. Wär ich Allergiker, hätt ich mir gerade selbst einen anaphylaktischen Schock verpasst.

Zu meinem Erstaunen hat ihn das nicht aufgeweckt. Hm. Eine leere Wodka-Flasche steht auf dem Nachtkästchen. Womöglich hat er sich die noch hinter die Binde gekippt, bevor er schlafen gegangen ist.

„Guten Morgen, Boss!“, rufe ich, doch er rührt sich nicht. Hm. Da muss ich wohl zu härteren Mitteln greifen, um ihn wachzukriegen.

Ich trete an ihn heran und rüttle ihn. Nichts. Kein Lebenszeichen. Er atmet aber, also ist das Szenario, dass er sich bloß das Hirn weggesoffen hat, als realistisch einzustufen. Ich sollte vorsichtshalber den Fußsohlen-Reflextest machen – wie bei den Neugeborenen.

Also trete ich ans Fußende heran und streiche ihm über die Fußsohle. Er reagiert nicht. Toll.

Maaaaannnnn, hat der weiche Haut. Da ist nicht mal ein bisschen Hornhaut drauf. Wie macht er das bloß?

Okay, hör auf, ihn anzuschmachten. So verzweifelt bin ich auch wieder nicht.

Im nächsten Augenblick nehme ich die leere Flasche und knalle sie ein paar Mal an die Tischplatte. Auch das scheint nicht zum erhofften Erfolg zu führen. Wie tief kann man eigentlich schlafen?

Unverrichteter Dinge gehe ich zurück ins Büro und hole aus meiner Handtasche dieses abartig laute Trötdings hervor, das jeden Angreifer in die Flucht schlagen soll. Steht zumindest auf der Packung.

In weiser Voraussicht hab ich die Parfümflasche mitgehen lassen, mit der ich gegen die natürlichen, animalischen Duftstoffe, dessen Ursprung mein Boss zu sein scheint, ankämpfe und dem Raum eine Note Gänseblümchen mit einem Hauch Au de Cologne verleihe. Herrlich.

Zurück in Valentins Schlafzimmer setze ich das Trötdings in seine Richtung an und drücke auf den Knopf. Das Teil ist so laut, dass ich selbst erschrecke und es sogar fallenlasse.

„Scheiße, war das laut“, fluche ich und pule in meinem pfeifenden Ohr herum.

Valentin ist vom Bett hochgefahren und sieht mich ärgerlich an, während er sich das Laken über den Schoß zieht, sodass er ein rosa Ding, das neben ihm liegt entpuppt, das sich als schlafende, nackte Frau herausstellt. Ob das seine Freundin ist?

Wow, er ist wohl doch kein Mönch. Zumindest nimmt er es wohl mit der Enthaltsamkeit nicht sehr genau.

Meinem Blick folgend scheint er sich grad wieder daran zu erinnern, dass er wohl nicht allein nach Hause gekommen ist. Grad kapier ich zum ersten Mal, was Leute mit schmutzigem Sex meinen.

Warte mal, sie ist gar nicht wach geworden. Das Ding hätte einen Toten aus dem Krematorium gerissen.

Dementsprechend aufgebracht mustere ich die junge Frau, bei der Valentin gerade den Puls fühlt und ihr die Wangen tätschelt. Sie reißt im nächsten Augenblick die Augen auf und nuschelt etwas Unverständliches. Sie schläft wohl nur ihren Rausch aus.

Wow, ich dachte schon, er wär einer dieser Serienkiller, der die Leichen in Tiefkühltruhen verschwinden lässt. Ob er Tiefkühlsäckchen benutzt? Also, das ist doch jetzt wirklich egal.

Was wollen Sie hier? Haben Sie das Schild nicht gesehen? Ich will nicht, dass Sie in meinen Privaträumen rumschnüffeln“, herrscht er mich an, setzt sich an die Bettkante und zündet sich eine Zigarette an. Wow, selbst versoffen sieht er sexy aus – Respekt.

„Wenn ich gewusst hätte, in was ich da mein zartes Näschen reinstecke, hätt ich ‘ne Seuchenausrüstung mitgebracht, Grummelbär.

Außerdem steht auf dem Schild ‚Privat‘ und nicht ‚Zutritt verboten‘“, wende ich ein, „Wobei das nicht ganz passend wäre. Ist zu wenig abschreckend – finden Sie nicht auch?

Wie wärs mit: ‚Zutritt auf eigene Gefahr und nur mit Gummistiefeln möglich‘ oder ‚Hier können Sie vom Boden essen, denn Sie werden reichlich fündig‘ oder warten Sie – jetzt hab ichs: ‚Wenn Sie mich suchen, folgen Sie der Spur der Verwüstung‘.

Und jetzt kommen Sie mir nicht mit der Ausrede, Ihre Bude hat ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, das es auszugleichen versucht, indem es sich ständig zumüllt. Übrigens, die Benutzung eines Putzlappens ist bei Weitem nicht so schmerzhaft, wie man vermuten würde.

Sie könnten den Laden der Erforschung des Einzellers zur Verfügung stellen. So ein naturbelassener Lebensraum ist in der Großstadt schwer zu finden. Da ist richtig Kohle drin.“

Raus hier!“, raunt er. „Und nennen Sie mich nicht nochmal Grummelbär.“

„Gleich, eins muss ich aber vorher noch wissen, Boss. Haben Sie eine Putzfrau?“, verlange ich.

„Ja.“

„Ist sie tot?“

„Nein.“

„Sind Sie sicher?“

„Ja.“

„Haben Sie unter ihrem Bett nachgesehen? Vielleicht liegt da ihre Leiche. Zumindest riechts hier so.“

Wenn Blicke töten könnten, sag ich nur.

„Sie sollten sie feuern“, rate ich ihm. „Bis Sie jemand anderen gefunden haben, halt ich mich sicherheitshalber von der Toilette und rein platonisch basierenden, körperlichen Annäherungen mit Kriechtieren aller Art fern. Das schließt Sie übrigens auch mit ein.

Ihnen bleibt also noch eine knappe halbe Stunde, bis ich mal pinkeln muss – vielleicht sinds auch nur zwanzig Minuten. Wer weiß das schon so genau.“

Ich reiche ihm einen dampfenden Becher Kaffee. „Hier. Doppelter Moccacino von dem kleinen Laden an der Eastside. Aber auf eigene Gefahr. Wenn Sie den probiert haben, ist jegliches Koffein, das Sie danach zu sich nehmen, nicht mehr dasselbe.

Sein Geschmack könnte aber geringfügig von der Ursprungsröstung abweichen, wenn er mit Ihrem Mundraum in Berührung kommt. Naja, Sie haben recht, Zigaretten und Alkohol sind ja auch ein Frühstück.“

Er reißt mir förmlich den Becher aus der Hand und zeigt auf die Tür, als wär ich ein Sklave, den man mit Gesten steuern könnte.

„Raus hier oder Sie können sich der Putzfrau gleich anschließen“, versucht er mich einzuschüchtern. Funktioniert.

„Kein Grund mit Folter zu drohen. Außerdem können Sie mich nicht feuern. Sklaven müssen verkauft werden“, motze ich, während ich seine Anzugteile, die im ganzen Raum wahllos verstreut herumliegen, aufsammle. Vor seiner Unterhose hab ich dann aber doch gehörigen Respekt. Da brauch ich wohl ‘ne Grillzange.

„Soll ich Ihrer Begleiterin einen Krankenwagen rufen oder das Jugendamt?“, will ich wissen, bevor ich zur Tür rausschlüpfe, wo er mich mit den Worten: „Sie ist einundzwanzig“ zurückhält.

„Sicher mit zarten Rundungsfehlern nach oben. Dann könnten Sie ja ihr Vater sein. Dass Sie sich nicht schämen“, stoße ich gespielt theatralisch aus.

„Rufen Sie lieber ein Taxi“, ordert er herrisch.

„Sie haben recht, wir brauchen jetzt Abstand voneinander.“

Mein Boss sieht zum Fürchten aus. Er ist irgendwie total süß, wenn er noch nicht ganz wach ist.

„Nicht für mich, für sie“, stellt er klar. Ich weiß, aber es macht Spaß, ihn zu ärgern.

Ich nehme am Schreibtisch im Eingangsbereich Aufstellung und versuche, Ordnung in das Papierkram-Chaos zu bringen, was scheinbar zur Lebensaufgabe wird. Naja, vielleicht werd ich ja wiedergeboren. Natürlich habe ich bereits ein Taxi für seinen One-Night-Stand herbeigerufen.

Gefühlte zehn Minuten später betritt mein Boss den Raum, dessen noch feuchtes Haar von einer morgendlichen Dusche zeugt. Hoffentlich ist er jetzt besserer Laune … und hat brühend heiß geduscht. Bakterien sterben ja erst bei 95 Grad ab.

„Irgendwelche Anrufe“, fordert er von oben herab.

„Ja, Ihre Mutter. Sie sagt auch, Sie sollten sich was schämen“, nehme ich ihn auf den Arm. Er geht nicht darauf ein.

„Lag die Zeitung vor der Tür, als Sie hier eingedrungen sind?“, fragt er mürrisch. Eingedrungen? Er hat mir einen Schlüssel für die Kanzlei gegeben. Naja, so viel zur Laune.

„Nein. Ist das so eine Art Zeichen, dass Sie Damenbesuch haben oder sind Sie scharf auf die nackten Tatsachen auf Seite 3?“

Weil er so böse kuckt, ergänze ich: „Nein. Vielleicht kommt der Zeitungsausträger später. Ich geh in regelmäßigen Abständen nachsehen und bring Sie Ihnen, wenn sie da ist, Boss“, biete ich an.

„Der kommt gegen vier Uhr morgens. Immer zur selben Zeit“, murmelt Valentin beiläufig, während er mir seinen Terminkalender mit dem braunen Lederumschlag unter der Nase wegzieht und selbst nachsieht, was ihn heute so erwartet.

„Jemand klaut Ihnen die Zeitung?“, mutmaße ich und entreiße ihm das Kalenderbuch, was er mit angehobenen Augenbrauen quittiert.

„Ich vermute, es ist einer der Nachbarn, aber ich habe dafür keine Beweise“, erklärt er.

„Ich kümmere mich darum. Sie haben heute einen Termin um fünf Uhr mit einem Mister Chase in Ihrem Büro. Ach, und entreißen Sie mir nicht nochmal mein Werkzeug“, drohe ich ihm zuckersüß lächelnd, während ich aufstehe und mir seinen Anzug kralle.

„Ich bring den in die Reinigung. Ist sonst noch etwas zu erledigen?“, will ich zwischen Tür und Angel wissen.

„Ja, bleiben Sie hier und sehen Sie zu, dass es mein Damenbesuch ins Taxi schafft. Ach, und bezahlen Sie sie“, hat er jetzt nicht tatsächlich gesagt.

Das ist eine Nutte?“, krächze ich.

„Edelnutte“, korrigiert er mich gedankenverloren und kramt in einem Regal nach irgendwelchen Akten.

„Ist das so wie Kastanie und Edelkastanie? Wie weiß man, wo der Unterschied ist, wenn sie doch im Supermarkt alle gleich aussehen?“

„Kennerblick“, antwortet er. Aha.

„Wo haben Sie die her?“

„Regal in Augenhöhe, rechts, bei den Vergnügungsartikeln“, verarscht er mich. Wow, jetzt kenne ich den Stellenwert, den Frauen bei ihm haben.

„Und ich soll sie jetzt rausschmeißen. Ich greif das sicher nicht an.“

„Das hält Ihr zartes Gemüt sicher aus“, kontert er. Mann, war das frech. „Sie bekommt dreihundert Dollar, keinen Cent mehr. Bargeld liegt in der obersten Schublade meines Schreibtisches und denken Sie nicht mal dran. Es ist abgezählt.“

Dreihundert Dollar“, krächze ich. „Für eine Nacht? Ich glaube, ich kündige und steig ins horizontale Gewerbe ein“, spotte ich.

„Bleiben Sie lieber im vertikalen. Als Kenner der Branche prophezeie ich Ihnen keine große Zukunft. Mal von den offensichtlichen optischen Mängeln abgesehen.“ Na hör mal. „Aber dafür gibt es hervorragende Chirurgen. Für eine Kastanie würd ich nicht mehr als siebzig ausgeben“, informiert er mich.

„Immer noch besser als Ihr Stundenlohn“, motze ich.

„Oh, Sie sind keine Kastanie – eher reduzierte Ausschussware. Sie stehen im Supermarktregal ganz weit unten. Da liegen wir bei fünfundzwanzig Dollar. Für ‘nen Blowjob – mehr würden Sie sich bestimmt nicht trauen – sinds nur zwölf Dollar.“ Hat er mich gerade ein aussortiertes Schnäppchen genannt?

„Arschloch“, murmle ich in mich hinein.

Sein „Auch dafür wären Sie zu prüde“ lässt mich aufhorchen. Sag mal, wie gut hört der Typ eigentlich? Oder war es doch lauter, als es beabsichtigt war?

Es geschieht ihm recht. Immerhin hat er mich gerade als Ausschussware, die sich nicht in den Arsch vögeln lässt, beleidigt.

„Autsch“, kommentiere ich seine Worte. „Was, wenn Sie Trinkgeld will, ’ne Abtreibung oder dass Sie sie adoptieren?“, hake ich nach.

„Sie bekommt kein Trinkgeld.“ Was für ein Geizkragen.

„Wieso denn nicht? Oh, warten Sie, ich kenne die Antwort darauf bereits. Sie habens ja nicht so mit fairer Entlohnung … oder Intimhygiene“, beantworte ich mir die Frage gleich selber.

„Sie sind ganz schön vorlaut – für Ihren ersten Arbeitstag“, wirft er mir vor.

„Ich bin nicht vorlaut, weil ich Dinge hinterfrage, für die ich eigentlich noch viel zu jung bin, um sie mitanzusehen.“

„Sie haben recht“, pflichtet er mir bei und stellt sich mir entgegen.

„Seit wann?“

„Ihnen hätt ich die einundzwanzig sicher nicht abgekauft. Wobei Sie sicher auf zarte Rundungsfehler nach unten zurückgegriffen hätten“, spottet er. Hat er mich grad alt genannt? Na warte. Jetzt hat er einen Feind.

Er wendet sich der Eingangstüre zu, da frage ich: „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Einen Termin in einer Entzugsklinik vereinbaren – zum Beispiel“, will ich wissen.

„Aufräumen“, befiehlt er forsch.

„Geht nicht. Dabei schläft mir immer die linke Arschbacke ein. Ich hab ein ärztliches Attest“, schnauze ich, was er unkommentiert lässt. Ich sagte doch, ich putze nicht.

Ferner setzt er erneut an, die Kanzlei zu verlassen, doch ich stelle mich ihm in den Weg. Ph, das sieht Mann wieder ähnlich, sich am nächsten Morgen einfach aus dem Staub zu machen.

„Vergessen Sie nicht, die Putzfrau zu feuern und Nachschub zu ordern – die Zeit tickt“, gebe ich ihm noch mit auf den Weg.

Mein Blick wandert zu der Tür, auf der Toilette steht. „So, wie ihre Wohnung aussieht, hält mein zartes Gemüt den Anblick Ihrer Toilette sicher nicht aus.“ Ich blinzle ein paar Mal. „Wow, ich sollte auf jeden Fall aufhören, mir alles bildlich vorzustellen. Bis später, Boss“, trällere ich und halte inne. „Erschreckend, wie lieb ich sein kann, wenn ich es will“, stelle ich überrascht fest, bevor ich zur Seite trete, um ihn durchzulassen.

Als er die Tür hinter sich zuknallt, zucke ich sogar zusammen. Mann, der Typ hat echt null schwarzen Humor. Das gleiche ich dann ja mal aus.

Ich wage mich wieder in verbotene Rotlichtbereiche vor, die lieber unerforscht geblieben wären.

Die Frau liegt noch so dort, wie ich sie zurückgelassen habe. Okay, Hühneraugen zu und durch. Ich trete an das Bett heran und rüttle sie kräftig durch.

Sie grummelt zwar, macht aber keine Anstalten, aufzustehen, daher tätschle ich ihr die Wange, bis ich ihr richtig eine Scheuere, weil sie nicht reagiert.

Schwerfällig öffnet sie ein Auge nach dem anderen, nur um mir: „Ist grad Selbstbedienung“ mitzuteilen. Wow, fluktuierende Geschäftsmodelle – je nach Öffnungszeiten. Clever.

Aufstehen! Zeit abzuhauen. Die Nacht ist um. Nimm die Kohle und dann Tschüss.“ Ich überlege gerade, wo ich ihr das Geld hinstecken soll, weil sie ja keine Taschen hat – so ganz nackt wie sie ist – da wird mir plötzlich was klar: Heiliges Kanonenrohr. Ich rede wie ein … Mann. Hoffentlich wächst mir jetzt keine Brustbehaarung oder ein Bierbauch.

Valentin hat eindeutig einen schlechten Einfluss auf mich. Das färbt schon nach kurzer Zeit ab. Ich greife mir zwischen die Beine. Alles im grünen Bereich.

Entmutigt lasse ich mich aufs Bett sacken, bevor ich blitzartig hochfahre – ihr nächtliches Treiben im Hinterkopf habend.

Außerdem will ich nicht schwanger werden, wenn ich in Berührung mit diversen Körperflüssigkeiten komme, die hier schon über Generationen hinweg von der Matratze aufgesaugt wurden.

Die Frau hat meine Ablenkung genutzt und wankt verschlafen zu ihren Kleidungsstücken, die sie sich unbeholfen überstreift.

„Bist du seine Freundin?“, will sie von mir wissen.

Wenn ich seine Freundin wär, hätt er ins Leere gegriffen, wenn er heut Morgen nach seiner Männlichkeit gesucht hätte.

„Nein“, antworte ich. „Seine Assistentin.“

„Vögelt er dich auch?“, hakt sie nach.

„Nur im Schlaraffenland.“

„Da entgeht dir aber was. Er hats echt drauf. Sein Schwanz ist riesig – zumindest so weit ich das noch weiß.“ Zu viele Details.

Das fällt eindeutig in die Kategorie: „Dinge, die Sie nie über Ihren Chef erfahren sollten.“

Das Taxi ist da“, stoße ich ein paar Oktaven zu hoch aus.

Als ich von der Reinigung zurück bin, sieht das Büro noch genauso unangetastet aus, wie ich es zuvor verlassen hatte. Naja, vielleicht hat die Putzfrau zuerst in der Toilette klar Schiff gemacht und arbeitet sich jetzt durch die hinteren Zimmer. Das dürfte ja noch ein paar Jahrhunderte dauern, bis sie da durch ist.

Ich stelle die Einkäufe neben dem Kühlschrank ab und öffne das Teil, das das absolute Grauen freigibt.

Essensreste aus der Zeit des kalten Krieges kriechen mir bereits förmlich entgegen und der Duft, der mir in die Nase steigt, lässt meinen Magen rebellieren. Angewidert knalle ich das Teil zu und will mir in der Toilette die Hände waschen.

Fehler, sag ich nur. Ich schaff es nicht mal durch den Türrahmen, denn ich habe das Tor zur Hölle aufgestoßen und bin nun inmitten der Kulisse einer Gruselschocker-Toilettenszene gelandet. Ich hör sogar die charakteristische Filmmusik und rechne jederzeit damit, dass der Psycho mit gezücktem Messer hinter dem Duschvorhang hervorspringt.

Der Kühlschrank war ein Scheißdreck gegen die Luft, die mir hier entgegen strömt. Auf dem Boden steht das Wasser in gelben Pfützen, das Licht einer Glühbirne flackert, überall liegt Klopapier rum und die Toilette weist ziemlich charakteristische Spuren auf, die bei mir Schnappatmung auslösen. Das volle Programm also.

Plötzlich huscht etwas zwischen meinen Füßen hindurch, was nach Kakerlake aussah. Etwas, das sich nach Taube anhört, scheuche ich von der Fensterscheibe auf, an der ein großes Stück rausgebrochen ist. Das Teil streift mich, als es an mir vorbeiwill. Sogleich springt etwas Pelziges aus dem Waschbecken hinterher. Okay, das reicht.

Bei mir hat sich ein ohrenbetäubender Schrei gelöst, als die Ratte auf direktem Kollisionskurs zu mir ist. Das Ding huscht gerade an mir vorbei, als Valentin hereinstürmt. Korrigiere: Valentin mit gezückter Kanone.

„Was ist passiert?“, will er aufgebracht erfahren und scannt den Raum nach potenziellen Eindringlingen. Das fragst du noch? Ziel auf die Toilette, Mann. Es lebt.

In meiner Panik hab ich mich an die Fliesenwand gedrückt, was meinen Ekelfaktor nun ins Unermessliche steigert. Valentin scheint selbst vom Zustand seiner Toilette überrascht zu sein – seinem erstaunten Gesichtsausdruck zufolge.

Sag mal, wann war er das letzte Mal hier drin? Er benutzt wohl immer die Toilette in seinem Wohnbereich. Ich will mir gar nicht ausmalen, in welchem Zustand die ist.

„Das ist echt übel“, ist alles, was ich gerade von mir geben kann, bevor ich würgend rausstürme. Ich befürchte, der Geruch wird anhaften bleiben. Mit übermenschlicher Kraft kann ich verhindern, dass mir Kotze hochkommt.

Er folgt mir sogleich.

„Dort drüben steht Ihr Mittagessen – frisch von der Krossen Krabbe. Wenn Sie mich suchen, ich geh meins umtauschen“, presse ich gequält hervor und flüchte aus der Kanzlei.

Das Handy, das mir Valentin gegeben hat, klingelt, da bin ich gerade zur Tür meiner WG rein.

Verdammt. Ich muss immer auf Bereitschaft sein. Das war eine der Bedingungen dafür, dass er mir das Teil ausgehändigt hat.

„Hallo Boss“, melde ich mich gehetzt, während ich mir mit einer Hand den Rock hochstülpe, das Höschen runterziehe und mich auf die Toilette setze.

„Wo sind Sie?“, verlangt er verärgert. Verdammt. Das ist pure Folter auf der Toilette zu sitzen und es zurückhalten zu müssen.

„Kann ich Sie gleich zurückrufen?“, flehe ich gepresst.

Antworten Sie!“, verlangt er voller Ungeduld.

„Ich bin zu Hause“, gebe ich zu.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, Ihnen erlaubt zu haben, Ihren Arbeitsplatz zu verlassen“, rügt er mich.

„Haben Sie auch nicht. Das hat Ihre Toilette ganz ohne Ihr Zutun geschafft, falls Ihnen das entgangen ist. Ich hab Ihnen doch von der knappen halben Stunde erzählt, die Sie Zeit haben, die Putzfrau zu organisieren. Naja, ich bin drüber.“

Der Gedanke daran reicht schon aus, um meine Selbstbeherrschung durchbrechen zu lassen.

Ein melodiöses Plätschern lässt mich die Augen zusammenkneifen. Hoffentlich hört er es nicht durchs Telefon.

„Was ist das für ein Geräusch?“, macht dann meine Hoffnungen zunichte und lässt mir Hitze die Wangen emporsteigen.

„Pipi“, gebe ich zu.

Stille. Naja, außer das Plätschern. Peinlicher geht’s eigentlich nicht mehr.

Sie telefonieren mit mir, während Sie auf der Toilette sitzen?“, schlussfolgert er beinahe außer sich vor Wut.

„Huch, ich bin untröstlich“, spotte ich. „Zu meiner Verteidigung: Sie haben gesagt, Sie feuern mich, wenn ich nicht rund um die Uhr erreichbar bin. Sehen Sie, das haben Sie nun davon. Aber das hält Ihr zartes Gemüt sicher aus“, schlage ich ihn mit seinen eigenen Waffen, was ihn belustigt schnauben lässt.

Als ich denke, es endlich geschafft zu haben und das Plätschern in ein Tropfen übergeht, kommt noch ein Schwall. Das war echt schon megadringend. Ich muss sogar grinsen, weil das hier total abartig ist.

„Ich hoffe, ich finde bald Ersatz für Sie“, sagt er doch tatsächlich.

„Jetzt tun Sie nicht so, manche Männer zahlen für sowas.“ Hab ich das gerade laut gesagt? Verdammt.

Erneut lächle ich, als er die Luft lautstark aus seiner Lunge entweichen lässt. Weil ich ihn ärgern will, drücke ich die Klospülung hinter mir.

„Kommen Sie wieder her. Ach ja, das ist ja wohl klar, dass ich diese Zeit nicht bezahle“, ergänzt er hochmütig.

Jetzt schnaube ich empört auf. „Ich weiß nicht, ob Ihnen die Anatomie einer Frau über eine gewisse primitive Höhlenforschung hinweg vertraut ist, Sportsfreund. Aber nur zur Info: Ich stell mich nicht einfach schnell irgendwohin und puller von Weitem auf alles, was nach Baum aussieht, was scheinbar in Ihrer Toilette passiert ist.

Ich will ja echt nicht das Mädchen raushängen lassen, aber das geht gar nicht. Wenn ich nicht die Möglichkeit habe, aufs Klo zu gehen, macht mich das nervös und ich muss ständig. Das ist psychologisch, also kommt das einer Folter gleich. Mal sehen, was Amnesty International zu solchen Arbeitsbedingungen sagt.“ Mist, ich brauche diesen Job dringend.

„Kommen Sie wieder ins Büro. Die neue Putzfrau ist schon im Anmarsch“, informiert er mich, „Und nennen Sie mich nie wieder Sportsfreund.“

„Das ist ein Trick. Sie wollen mich nur anlocken, Boss“, werfe ich ihm vor.

„Ist es nicht. Sie müsste in den nächsten Minuten eintreffen.“

„Also gut, ich glaube Ihnen, aber eins sei Ihnen gesagt, spielen Sie niemals Spielchen, wenn es um die vier Grundgemütszustände einer Frau geht. Da hört sich der Spaß nämlich auf.“

„Wie lauten die?“, will er belustigt wissen.

„Müde. Hunger. Pipi. Kalt“, weihe ich ihn in die Psyche der Frau ein.

„Ich wusste es, Sie sind eins dieser verwöhnten Weibchen. Das ist exakt einer der zahlreichen Gründe, warum Sie für den Job nicht infrage kommen.“

„Ich bin nicht verwöhnt, nur wohlfühlorientiert. Da ist ein Unterschied.“

„Hatten Sie das mit meinen 25 Dollar Bargeld, die in der Kasse fehlen, vor? Es sich gutgehen lassen“, mutmaßt er.

„Nein, die sind fürs Trinkgeld der Dame, mit der Sie Beischlaf hatten, draufgegangen.“

„Ich sagte doch, ich gebe kein Trinkgeld.“

„Woher soll ich wissen, dass das auch für mich gilt. Außerdem habe ich ihre Zeit noch ein bisschen in Anspruch genommen. Für ein paar Rückfragen und Frauengespräche. So viel Zeit muss sein.

Machen Sie sich nichts draus, es war ja auch sehr kalt im Raum und jeder sieht nackt lustig aus. Zum Glück haben Sie ja viele andere Vorzüge.“

„Das ziehe ich Ihnen vom Lohn ab“, droht er.

„Lohn nennen Sie das? Ich würde eher sagen, das ist Schmerzensgeld.“ Ziemlich knapp bemessenes Schmerzensgeld, triffts eher.

Er lacht und legt auf. Einfach so.

„Das heißt Tschüss“, brülle ich das Telefon an.

Als ich an den Ort des personifizierten Bösen zurückkehre, vernehme ich Stimmen aus Valentins Büro. Der Fünfuhrtermin ist anscheinend schon eingetroffen.

Ich versuche, die aufkommenden Bilder der Schmuddeltoilette zu verdrängen und nehme an meinem Tisch Platz. Hier hat bereits jemand saubergemacht. Der Boden wurde wohl auch gewischt.

Ein Teil meiner Anspannung fällt, als ich charakteristische Handwerkergeräusche aus dem Gruselkabinett höre.

Als dann noch ein echt sexy Klempner heraustritt, bin ich beinahe schon wieder besänftigt und gewillt, nicht nachtragend zu sein.

Der junge Mann trägt eins dieser grauen Unterleibchen mit zerschlissenen Jeans und diesem Werkzeuggürtel, bei dem man echt Lust auf Baumarkt bekommt. Heiliger Bimbam, Männer mit Werkzeugen haben so etwas Animalisches an sich.

Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und scheint mich erst jetzt bemerkt zu haben. Ist es so heiß hier drin oder bin ich das?

Sein Blick ist aber alles andere als sexy. Er sieht eher angewidert aus. Versteh ich irgendwie.

Warte mal. Denkt er etwa, … ich war das? Hey, Moment mal. Ich … zu spät, meine Wangen brennen bereits vor Schamesröte.

Sein „Das ist ja eine ganz schöne Schweinerei. Die Putzfrau hat ganze viermal in ihren Eimer gereihert.

Solche Kompressionsstrümpfe sieht man auch nicht alle Tage. Und da denkt man, man hat schon alles gesehen. Naja, wie heißt es so schön: ‚Wenn rohe Kräfte sinnlos walten‘“, zitiert er, was nicht gerade dazu beiträgt, mich weniger in Grund und Boden zu schämen.

Ich bin so vor den Kopf gestoßen, dass ich nur zusammenhangloses Zeugs brabble: „Ich bin die Putzfrau. Die neue Assistentin ist tot. Ähm, nein, umgekehrt, also ich bin die neue“ „Oooookay“, unterbricht er mich, „also, die Verstopfung ist gelöst. Die Toilette und das Waschbecken hab ich ausgetauscht. Das Pissoir nehm ich mit – für unsere firmeninterne Challenge. Die Teile werden zu Exponaten verarbeitet und ausgestellt – es winkt ein Preisgeld. Eins ist klar, damit ist mir der Sieg sicher. Natürlich nenne ich keine Namen – das Werk spricht für sich.

Der Anteil meiner Therapiekosten, um den Wahnsinn zu verdrängen, wurde eingerechnet. Macht dann fünfhundert Dollar bar auf die Kralle. Nein, warten Sie, lieber doch nicht. Sie bekommen eine Rechnung zugeschickt.“ Wie viele Beleidigungen kann man eigentlich in ein paar Sätze packen?

„Und dazu gibt’s diesen gratis Aufkleber, aus unserer Präventionskampagne, den ich für die Pissoirveredelung empfehle.“

Ich mustere das Teil, das er mir sogleich auf den Tisch legt. Da steht: ‚Tritt näher, er ist kürzer als du denkst‘.

„Rohr verleg ich bei Ihnen lieber keines“, ergänzt er.

„Danke“, murmle ich eingeschüchtert.

Ich strecke ihm die Hand hin, die er zuerst angestrengt fixiert, dann aber mit den Worten: „So abgebrüht bin ich noch nicht“ nicht ergreift. Wow, normalerweise sollte ich mich vor seinen Händen ekeln, anstatt umgekehrt.

Warte mal. Wie hat er das mit dem Rohr gemeint?

„Wollen Sie mich etwa blöd anmachen?“, knalle ich ihm mit in die Hüften gestemmten Händen hin.

Er hebt seine Hände abwehrend hoch. „Ne, lieber nicht.“

„Wollen Sie sich Ihr Rohr nicht an mir schmutzig machen, oder was?“, knalle ich ihm vor den Latz.

„Da haben sie etwas in den falschen Ausguss gekriegt, Fräulein.“

„Ich würde Ihnen raten, Sie schnallen sich jetzt Ihre Anzüglichkeiten untern Arm und verpissen sich“, drohe ich ihm.

„Machen Sie sonst mit mir dieselben Schweinereien, die da drin abgelaufen sind? Ich weiß, das überrascht viele, aber ich steh nicht auf Pinkelspielchen. Also, bitte nicht, ich tu alles“, fleht er förmlich.

„Jetzt hast du einen Feind“, zische ich mit erhobenen Zeigefinger.

Er lacht laut auf. „Komm her, Pissnelke.“ Er hat mich echt Pissnelke genannt. „Ich zeig dir, wie das Ding hier funktioniert“, droht er mit erhobenem Hektor. Mit offenem Mund starre ich ihn an.

Das reicht. Wie eine Furie gehe ich auf ihn los und schlage – unter dem herzhaften Lachen seinerseits – auf seine Brust ein, was er kaum zu spüren scheint.

Als ich ihm aber in einem Moment seiner Unachtsamkeit den Hektor entreiße, wischt es ihm das Lachen schlagartig von der Backe.

Da trifft ihn das Ding aber bereits am Kopf. Gedämpft durch das Gummiteil hat das sicher kaum wehgetan, ist aber doch ziemlich eklig. Zumindest bei dem Gedanken, wo das gerade dringesteckt ist.

Er duckt sich weg, als ihn eine weitere Salve meiner Schläge zu treffen droht und will mir das Teil schon entreißen, da drehe ich mich schnell weg und ramme ihm den Stiel in die Seite, den ich unter meinem Arm hindurch zurückstoße.

Er steckt noch ein paar Hiebe auf seinen Hintern ein, bevor er fluchtartig und wie ein Rohrspatz schimpfend das Gebäude verlässt.

Als ich die Kanzleitür nach einem finalen „WENN MAN ÖFTER DRÜCKT, KOMMT DER AUFZUG SCHNELLER“, das ich ihm hinterherbrülle, zuknalle und mich umdrehe, blicke ich in die belustigten Gesichter meines Bosses und seines Klienten, der es kaum schafft, sich sein Grinsen zu verkneifen.

Eine ziemlich blasse Putzfrau, die auch als Kratzbürste durchgehen könnte, lugt aus der Toilette raus und hat sich das Schauspiel von den billigen Plätzen aus gegeben.

Ich zeige mit dem Hektor auf sie und zwänge drohend die Augen zusammen. Es zeigt Wirkung, denn sie verschwindet wieder im Raum der Schmerzen.

Im nächsten Moment lasse ich das ekelhafte Teil fallen und streife mir meine Anzugjacke mit dem Stiftrock zurecht, die ich gegen das Kostüm getauscht habe, das mit der kontaminierten Fliesenwand in Berührung gekommen ist.

Ich räuspere mich, schnappe mir ein feuchtes Tuch aus meiner Tasche, um meine Hände zu desinfizieren und nehme an meinem Tisch Platz.

Valentin bringt seinen Mandanten noch zur Tür und wendet sich dann ab. Scheinbar will er in seine Privaträumlichkeiten, da halte ich ihn mit den Worten: „Sie haben mich gar nicht vorgestellt“ zurück.

„Wie bitte?“, hakt er nach.

„Sie wissen doch noch, wie ich heiße. Ruby – schon vergessen? Es wäre anständig von Ihnen gewesen, mich Ihrem Klienten als Ihre neue Assistentin vorzustellen.“

„Wieso sollte ich das tun?“, fragt er doch tatsächlich. „Immerhin ist unser Arbeitsverhältnis von hoffentlich kurzer Dauer. Zumindest ersehne ich jeden Moment den Anruf von Andrew herbei.“

Ich schüttle den Kopf. „Sie haben echt keine Ahnung.“ Jetzt gehören seine Worte mir.

„Erleuchten Sie mich“, fordert er.

„Von Frauen, mein ich.“

Einige Sekunden mustert er mich erheitert, dann sagt er: „Ich habe bedeutend mehr Erfahrung mit Frauen als Sie mit Männern.“ Was soll das denn heißen?

„Sie hören schon mal nicht zu. Ich meinte Ahnung. Das hat nicht unbedingt was mit Erfahrung zu tun – findet übrigens auch Syphilis. Kennen Sie die auch näher?“

„Worauf wollen Sie hinaus? Halten Sie mich für ein frauenfeindliches Arschloch?“, fordert er mich heraus.

„So etwas würde ich Ihnen niemals sagen – zumindest nicht ins Gesicht. Das zählt außerdem nicht als Erfahrung mit Frauen, wenn man sie für Sex bezahlt.

Ist ja klar, dass Sie sich da von ihrer Schokoladenseite zeigen. Ist ja auch keine Herausforderung.

Ich beziehe mich da auf diverse Verhaltensstudien und zwar in Bezug auf Ihren Umgang mit richtigen Frauen. So einer wie mir zum Beispiel.“

„Sie sind als Beispiel nicht repräsentativ“, knallt er mir hin.

„Wieso? Ich hab Titten, einen Bär und kann nicht einparken. Sehen Sie, es ist eindeutig“, spotte ich.

„Sie haben etwas vergessen“, macht er mich aufmerksam.

„Erleuchten Sie mich.“

„Die Fähigkeit, die ich an Frauen am meisten schätze: Die Klappe halten zu können.“ So eine Frau gibt’s gar nicht, die das kann. Außer man bezahlt Sie dafür oder unterdrückt sie. „Das beherrschen Sie nicht. Ergo sind Sie in meinen Augen keine Frau. Ich sehe sie eher asexuell.“ Autsch.

Er erkennt nicht mal das verzerrte Weltbild, in dem er hier steckt. Ich versuch erst gar nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

„Sie haben recht“, bestätige ich ihn, was er mit hochgezogenen Augenbrauen hinnimmt. „Ich seh das genauso.“

„Seit wann?“, bedient er sich wieder meiner Worte, die ich bereits in seinem Kontext gebraucht hatte.

„Das Wort Sex – egal in welcher Konstellation – im gleichen Kontext mit Ihnen und mir, ist zwar prinzipiell von Natur aus möglich, aber sinnlos. Deshalb stehts im Supermarkt auch auf einem Post-it in der Buchabteilung des Genres ‚Phantasie und Utopie‘ in Augenhöhe. Direkt auf dem Schmöker ‚Die Überlegenheit des Mannes‘. Wow, ich hab grad zum ersten Mal das Gefühl, wir verstehen uns.“

„Was ist los? Identifizieren Sie sich etwa nicht mit meinen Vorlieben, es lieber unkompliziert zu haben?“

Ich werde hellhörig. „Soll das ein Geständnis sein oder eine Beichte? Je nachdem ruf ich Pater Andrew oder Lindas Laienschauspielgruppe an. Egal wie Sie sich entscheiden. Heute Nacht wird Ihnen Vergebung zuteil.“

Er lacht laut auf und knallt die Tür zu seinen Räumlichkeiten hinter sich zu.

Frauenfeindliches Arschloch“, raune ich.

ZICKIGE EMANZE“, brüllt er aus dem Raum.

Wär das dann auch geklärt.

Die Putzfrau kommt genau in dem Moment aus der Toilette, in dem ich an die Decke gehen will, da lasse ich alles an ihr aus und schnauze sie an: „Machen Sie, dass Sie da wieder reinkommen. Das schafft niemand in der Zeit.

Sie haben noch exakt fünfzehn Sekunden Zeit, bevor ich auf die Toilette muss. Dann will ich da drin barfuß laufen können, ohne mir Maul und Klauenseuche oder so eine Scheiße zu holen. Das ist die Messlatte, an die Sie sich halten können.

Eingeschüchtert verschwindet sie wieder in die Brutstätte des Grauens.

Das kann ja heiter werden.

Pünktlich um kurz vor vier Uhr morgens habe ich Stellung am Briefschlitz hinter der Bürotür eingenommen, um dem Zeitungsdieb aufzulauern. Jederzeit bereit, ihn mit dem Hektor zu stellen.

Das wär ja alles gar nicht so schlimm – schlimm sind die Geräusche, die aus dem Wohnbereich meines Bosses dringen, der ohrenscheinlich erneut Damenbesuch hat.

Ihr Dauerstöhnen nervt schon ziemlich, aber ich muss jetzt stark sein – immerhin habe ich eine Mission.

Der Zeitungsausträger hat vorhin das Corpus Delicti in den Schlitz gesteckt. Jetzt wissen wir zumindest schon mal, dass das Teil hier ankommt.

Nach den wilden Ausrufen der zu Beglückenden zufolge, geht mein Boss ganz schön ran. Es ist mir peinlich, ihnen dabei zuzuhören, aber da muss ich jetzt wohl oder übel durch.

Okay, zugegebenermaßen war ich kurz davor einzuknicken und beschämt die Wohnung zu verlassen, als sie „Du bist ein Tier. Anders kann ich mir den Rüssel nicht erklären“ geschrien hat.

Immerhin hock ich hier im Dunkeln vor dem Briefschlitz, während sie „Sag mir was Dreckiges“ ausstößt. Oh, ich weiß was: Seine Wohnung. Nicht? Sein Kühlschrank? Na, was denn nun?

Valentin entscheidet sich für: „Ich hör nichts, wenn du mir mit deinen Schenkeln die Ohren abklemmst.“

Bei ihrem „Hey Baby, das kostet extra“, bricht dann meine gute Kinderstube mit mir durch und ich reiße die Eingangstür auf, um die Flucht zu ergreifen, bevor mir die Kotzebröckchen hochsteigen und ich an ihnen verende.

Das Licht im Flur geht nicht an, aber durch den Schein der Leuchtreklame, die durchs Flurfenster dringt, erkenne ich eine dunkle Gestalt, die augenscheinlich ertappt stehengeblieben ist. Der Zeitungsdieb! Verdammt, jetzt hab ich ihn erwischt, bevor er die Tat begehen konnte. Egal.

Hey!“, rufe ich ihm entgegen, „Ich habs genau gesehen, dass du die Zeitung klauen wolltest!“ Eigentlich hab ich nichts gesehen, aber es dient der Theatralik und schreckt den Wiederholungstäter hoffentlich ab oder bestärkt ihn dabei, sich ein anderes Opfer zu suchen.

Bei den Worten nimmt er Reißaus. Ich nehme die Verfolgung auf und sprinte hektorschwingend hinterher.

Am Ende des Flurs schaffe ich es, ihm das Teil über die Rübe zu ziehen, da dreht er sich um und stößt mich brutal von sich.

Mit einem dumpfen Laut lande ich auf dem Rücken. Autsch. Kurz bin ich wie benommen, aber erkenne, dass seine in Schwarz gehüllte Gestalt über mir stehengeblieben ist und auf mich runtersieht.

Einer der Nachbarn reißt in dem Moment die Tür auf und erhellt den Gang. „Was ist denn das für ein Lärm? Es ist vier Uhr morgens, verdammt nochmal“, zetert er. Ja, ich weiß.

Der Täter ist schon weg, als mein Blick vom Nachbarn abgelenkt zurück an die Stelle schwenkt, an der der potenzielle Dieb vor Kurzem noch stand.

Ich konnte aber das Tattoo an seinem Handrücken genau erkennen. Damit lässt sich sicher herausfinden, wer der Idiot ist. Sieht so aus, als würde ich morgen mal eine Vorstellungsrunde in der Nachbarschaft drehen.

Anstatt mir zu helfen, knallt der verärgerte Pyjamaträger die Tür zu und hüllt mich wieder in Dunkelheit.

„Danke für die Hilfe, Sie vorbildlicher Mitmensch. Nein, mir geht’s gut. Stanley Ipkiss vermisst übrigens seinen Pyjama“, raune ich und rapple mich schwerfällig hoch.

Mit der Hand an meinem pochenden Kreuz humple ich zurück zur Kanzlei, in der scheinbar Ruhe eingekehrt ist. Wow, ich hab wohl das Grande Finale überhört – ich Glückspilz.

In der Toilette finde ich die Putzfrau in einer Ecke schnarchend vor. Oh, die ist wohl vor Erschöpfung zusammengeklappt und einfach dort liegengeblieben, wo sie grad noch geputzt hat. Sie hat aber ganze Arbeit geleistet. Alles ist blitzblank sauber. Deshalb wecke ich sie und entlasse sie in die Freiheit.

Vorher hat sie mir aber noch in gebrochenem Englisch mit mexikanischem Akzent klargemacht, dass sie kündigt. Toll, wieso gibt’s eigentlich Meister Proper nicht in echt?

Egal, ich habe ein Ziel: Aus diesem Ort eine Wellnessoase zu machen. Ich weiß, da hab ich mir ganz schön was vorgenommen, aber unrealistische Pläne sind voll mein Ding.

Dafür hab ich Duftkerzen, Raumspray, Klosteine, die an der Toilette klebenbleiben, bunte Handtücher, wohlriechende Seife, Mottenkugeln, Imprägnierspray, Knisterbadesalz und Gummihandschuhe für den Kühlschrank im Gepäck. Wenn ich hier fertig bin, hab ich vor, den Eingangsbereich aufzupeppen.

Immerhin will ich von diesem Detektivimage runter – hin zu einem seriösen Unternehmen. Naja, zumindest soll es so aussehen.

Gefühlte Stunden später lasse ich mich erschöpft auf den Stuhl sinken. Respekt – beim Kühlschrank musste ich nur zweimal beinahe kotzen.

Mit der Wäscheklammer an der Nase gings ganz gut – naja, zumindest war ein Sinn ausgeschaltet.

In manchen Situationen wünscht man sich aber, Teile des Gehirns temporär abschalten zu können, die die Vorstellung des Geruchs erzeugen, wenn man den Käse mit dem Schimmelbefall sechsten Grades von einer Plastikschale krümelt.

Naja, zumindest weiß ich jetzt, wie viele unterschiedliche Arten von Pilzen auf einem Lebensmittel wuchern können. Mir war auch nicht klar, dass es behaarten Schimmel gibt. Echt eklig sowas.

Pünktlich um zwei Uhr nachmittags wecke ich – wie befohlen – den Großmeister. Leider hab ich irgendwie vergessen, dass er ja nicht allein ist.

Da ich die Tür mit extra viel Schmackes aufgestemmt habe, hab ich seine Nutte aus dem Schlaf gerissen, die nackt neben ihm hochgeschossen ist.

Mir steht der Mund offen, denn sie ist total hübsch, hat blonde Wahnsinnslocken und Naturbrüste, mit denen man Werbung für Transplantationen machen könnte. Dagegen sind die meinen schlabbrige Furzkissen mit hängenden Blasnippeln dran.

Bei meinem Anblick kreischt sie auf und schlägt ein paar Mal mädchenmäßig auf Valentin ein, der auf dem Bauch liegend ein „Blas mir noch einen, bevor du gehst“ verlangt. Erst jetzt erkenne ich, dass er ebenfalls splitterfasernackt ist. Wieder mal.

„Wer ist das?“, fordert sie genervt und zeigt auf mich.

Das lässt Valentin den Kopf schwerfällig zur Seite drehen und kurz die Augen aufmachen. „Darf ich vorstellen: Ruby, meine Assistentin. Ruby, das ist eine richtige Frau.“ Das macht er mit voller Absicht und nur, um mich zu ärgern. Er soll mich doch nicht seiner Prostituierten vorstellen.

„Amanda“, erinnert sie ihn an ihren richtigen Namen. Aber nicht patzig, sondern so als hätte sie bereits damit gerechnet. „Nach der Nacht kannst du mich aber nennen, wie du willst, und ich nenne dich weiterhin ‚Oh Gott‘“, klingt so, als hätte sie es einstudiert.

„Und ich nenne Sie einfach weiterhin Old Shatterhand“, ergänze ich. „Nein, warten Sie, so heißt mein Plüsch-Rüsseltier. Das erinnert mich nur immer so an Sie. Echt gespenstisch.“

Amanda macht eine genervt abschätzend Bewegung mit ihrer Hand und befiehlt: „Ähm, Frühstück.“ Er sagte Assistentin, nicht Sklavin.

„Oh, ich hatte noch keinen Tropfen. Aber es wär noch Flüssignahrung in Form von Kotze von gestern übrig. Stammt von unserer Ex-Putzfrau, die heute Morgen den Lappen geworfen hat. Sagen wir mal so, die kehrt nie wieder.

Sie hatte wohl Angst, sich beim Saubermachen einen Tripper einzufangen. Aber den haben Sie ja schon gefunden. Da hätt ich Entwarnung geben können. Tja, dafür ist es jetzt zu spät.

Vielleicht grab ich noch das bisschen Schimmelkäse vom Mülleimer raus, der Pelz getragen hat, wenn ihn die Müllabfuhr noch nicht mitgehen hat lassen. Geschätztes Ablaufdatum von vor sieben Jahren.“

Ich knalle meinem Boss den Kaffee auf seine Seite des Nachtkästchens und verlasse mit extra lautem Stöckelschuhklappern das Zimmer.

Das „Komm, vögeln wir noch eine Runde“ aus seinem Mund hab ich genau gehört. Ja, ignoriert mich einfach.

Er hat echt schon wieder gesoffen. Erst gestern hat die Putzfrau containerweise Flaschen entsorgt. Der Aschenbecher platzt auch schon wieder aus allen Nähten und diesmal sind es tatsächlich Kippen.

Mann, wie gemein ist das denn? Wär er eine Frau, würde man ihm das Lasterleben in seinem Alter total ansehen und er hätte bereits Tränensäcke so groß wie Schamlippen.

Ich habe das Gefühl, die Tussi schreit extralaut, nur um mir eins reinzuwürgen. Mittlerweile bin ich dazu übergegangen, ihren völlig übertriebenen Dirty Talk nachzusprechen, den sie wie eine Endlosschleife eines Tonbandes wiederholt, während ich Rechnungen der letzten Jahrzehnte sortiere.

„Ja, fester. Uhh. Komm für mich, Baby. Besorgs mir, du wilder Hengst. Ohh, ist der groß. Ja, fester …“ Sind das echt die Dinge, die Männer beim Sex hören wollen? Ich dachte, wir sollen die Klappe halten.

Ein „Ruby“ lässt mich erschrocken hochfahren. Pater Andrew steht vor mir, da nimmt ihr Treiben so richtig Fahrt auf.

Wir sehen einander an, da kündigt ein „Gib mir deinen Saft, ja – du Tier“ das Ende ihres Treibens an.

„Pater Andrew, wie geht’s – wie stehts?“, grüße ich ihn mit hochrotem Schädel. Gerade bemerke ich, dass man das auch in den falschen Hals kriegen könnte. Vor allem, weil Amanda in dem Augenblick „Ja, ramm mir deinen harten Riesenprügel nochmal rein“ ruft.

Ihm scheint das Ganze hier genauso unangenehm zu sein wie mir. Er versucht es aber – relativ ungeschickt – zu überspielen.

„Sehr gut. Wie ich sehe, hat dieses Büro schon eine weibliche Note.“ Autsch, auch das könnte man falsch verstehen – im Kontext der Worte: „Hast du das nicht kleiner? Hunderter kann ich nicht wechseln. Haben wir eigentlich dreimal oder viermal gebumst?“, die aus dem Schlafzimmer dringen.

Unser unangenehmes Schweigen, währenddessen jeder krampfhaft versucht, das Thema zu wechseln, aber keine Ahnung hat, in welche Richtung es gehen soll, wird von meinem Boss unterbrochen, der mit nacktem Oberkörper und Anzughose heraustritt, seinen Freund begrüßt, der ihm etwas widerwillig die Hand schüttelt, und von mir im Befehlston verlangt: „Was ist das?“

Ohne ihn anzusehen, verkünde ich: „Wenn Sie es nicht essen oder besteigen können, pullern Sie einfach drauf.“

Erst jetzt erkenne ich den Becher Kaffee in seiner Hand, den ich vorhin auf seinem Nachtkästchen abgestellt hatte.

„Ein Heißgetränk, das aus gerösteten Samen der Kaffeepflanze hergestellt wird“, antworte ich emotionslos.

Genervt erklärt er: „Das ist mir klar, aber das Zeug ist widerlich. Was ist aus dem Moccacino geworden?“

„Sie haben nie etwas gesagt. Sich übrigens nicht mal für diese äußerst entgegenkommende Aufmerksamkeit meinerseits bedankt, also dachte ich, Sie sind eher der Maintream-Typ – in Sachen Kaffee, versteht sich. Alles andere ist ja – wie man so hört – recht stramm ausgeprägt. Allem voran Ihr Ego. Der Abnabelungsprozess von dieser Sorte dauert übrigens mindestens zwölf Monate an. Weiß ich aus eigener Erfahrung.“

Der Pater presst die Lippen aufeinander, um nicht loszuprusten. Valentin ignoriert mich mal wieder.

„Ich will wieder den anderen Kaffee. Ach, hier. Machen Sie den klein“, verlangt er, während er mir einen Hundertdollarschein entgegenwirft.

Ich fasse es nicht, dass er jetzt von mir verlangt, ihm Kleingeld für die Bezahlung seiner Prostituierten zu wechseln.

„Wie klein wollen Sie ihn denn?“, frage ich.

„Keine Ahnung. So klein wie möglich“, herrscht er mich genervt an.

Ich nicke, trete an meinen Schreibtisch heran und zücke die Schere, mit der ich vom Schein einen Mini-Teil abschneide. Dabei zwinkere ich und strecke konzentriert die Zunge zu einer Seite raus, damit das ein gerader Schnitt wird.

Meinem Boss steht der Mund offen. Pater Andrew büßt Teile seiner Selbstbeherrschung ein und bricht in schallendes Gelächter aus.

Sekunden später reagiert Valentin und entreißt mir die Schere. „Sind Sie verrückt geworden?“, schnauzt er mich an.

Lass es gut sein, Ruby. Er ist es nicht wert – sage ich mir in Gedanken … bis ich alle Gedanken verwerfe, die dafür sprachen.

„Sie haben doch gesagt, ich soll die Klappe halten und nicht immer alles hinterfragen. Aber wenn Sie mir den Hinweis erlauben. Pater Andrew hat sicher die Kollekte einstecken und wechselt gerne – Wohltäter, wie er ist – ihren Geldschein, damit Sie Ihre Nutte bezahlen können.

Ich hoffe, das Geld ist abgezählt. Naja, schlimmstenfalls müssen Sie doch Trinkgeld geben, obwohl Sie bei Ihr ja ruhig mal eine Ausnahme machen könnten. Immerhin hat Sie sie Gott genannt. Wenn das kein Zeichen ist.

Ich lächle jetzt einfach mal, nicke in regelmäßigen Abständen und hoffe, dass keine Frage kommt.“ Schief grinsend erstarre ich und warte auf Anweisungen. Im Traum – ich verarsche ihn nach Strich und Faden – und es tut verdammt gut.

Valentin sieht echt zum Fürchten aus, als er sich an Pater Andrew wendet: „Bitte erlöse mich von meinen Qualen.“

„Nun nehmen Sie sich doch seiner Seele an, Pater“, stoße ich gespielt entrüstet aus. „Sehen Sie denn nicht, dass er verzweifelt ist. In seinem Zustand säuft sich sogar der Teufel Mut an, um ihn zu holen.

Ach, und wenn Sie bei seinen Qualen angelangt sind. Eine innere Reinigung würde ihm guttun. Räucherstäbchen, Gummihandschuhe, Trichter, Schlauch und die Grillzange finden Sie in der obersten Schreibtischschublade.“

Das Telefon klingelt. „Kanzlei von Valentin van Dhart“, melde ich mich. „Die bezaubernde Ruby am Apparat.“

Falsch verbunden. Der Typ hat bereits aufgelegt, aber ich erlaube mir einen Spaß und sage: „Oh, der bohnert gerade, aber gönnen wir ihm doch den Spaß. Ich stell Sie zum Anrufbeantworter durch. Bitte warten Sie nicht auf den Piepton und sprechen Sie Ihren Kummer ohne Hemmungen auf Band, wir lachen dann später darüber.” Daraufhin lege ich einfach auf.

Valentin steht der Mund offen. Andrew heult schon vor Belustigung. In dem Moment tritt Amanda heraus und schmiegt sich an Valentins Seite, der sie an sich zieht und mit ihren Haaren spielt.

Mit den Worten: „Ich lass Sie jetzt alleine, damit Sie Männergespräche führen können. Wenn Sie mich suchen, ich hole Ihnen Mittagessen. Sie müssen ja ganz ausgehungert sein, Sie Ärmster.

Dann stell ich ihren Beziehungsstatus bei Facebook um. Von ‚Ich geh mit meiner Laterne‘ auf ‚Ich hab schon genug Stress mit meinen Haaren‘. Durch die Recherche auf dieser einschlägigen Plattform weiß ich auch schon genau, was ich Ihnen zu Weihnachten schenken werde. Etwas zum Anziehen und ein Wörterbuch. Dann können Sie sich ja auf etwas freuen. Bis später“ bin ich auch schon aus der Kanzlei raus.

Bevor die Tür ins Schloss fällt, bemerke ich, dass ich die Schlüssel liegenlassen habe. Ich will nochmal zurück, da halte ich inne, weil ich meinen Namen vernehme. Reden die etwa über mich?

„Sag mir, dass du endlich jemand anderen gefunden hast“, stößt mein Boss verzweifelt aus.

„Ich brauche mehr Zeit. Es ist nicht so einfach jemanden zu finden, der auf deine Beschreibung passt, Valentin“, verteidigt sich Pater Andrew.

„Es kann doch nicht so schwer sein, eine hübsche Frau zu finden.“ Valentin.

„Hübsch sind viele, aber du willst eine Jungfrau, um die … ähm … Kerle rauszulocken.“ Amanda hört zu, deshalb vermeidet er das Wort Dämon.

Darum geht’s ihm also. Deshalb hat er auf die Frage, warum er mich als Verstärkung braucht, so zögerlich reagiert und die Antwort darauf auf später verschoben.

Warte mal. Verdammt, woher wusste der Pater, dass ich noch Jungfrau bin? Toll, sieht man mir das etwa an der Nasenspitze an?

Warte. Linda. Ich hab wohl ein Hühnchen mit ihr zu rupfen, wenn ich wieder zu Hause bin. Das erklärt auch Valentins Kommentar im Kontext mit meinen Männergeschichten. Er vermutet es nicht nur, er weiß es, wie unerfahren ich bin. Toll. Ganz toll.

„Finde mal eine hübsche, erwachsene Frau, die noch dazu unberührt ist. Außerdem, was hast du gegen Ruby? Sie ist doch perfekt für den Job und es gefällt mir, dass sie sich nicht alles gefallen lässt. Besonders, wenn du sie herumkommandierst.“ Pater Andrew.

„Sie ist nicht hübsch genug.“ Na hör mal. „Der Kerl ist nicht gerade auf sie angesprungen, wenn du verstehst, was ich meine.

Sie ist zickig wie sonst was. Eine richtige Kratzbürste. Launisch, ein Mädchen sondergleichen, überheblich, eine Prinzessin auf der Erbse. Wie nennt man das – ja eine Dramaqueen. Eine geldgierige Blutsaugerin.“ Autsch.

„Für die … Partys … brauche ich keine Heulsuse, sondern eine Femme fatale. So jemanden wie Amanda hier – nur mit Gehirn.“ Wie nett. „Darüber hinaus, ich bezahle Ruby, also kann ich sie behandeln wie ich will. So wie Amanda hier.“ Davon träumst du wohl. Und unglaublich, dass er mich mit einer seiner Nutten vergleicht. Schau sie an, schau mich an! Haaaallooooo?! DIFFERENZ!!!

Obwohl mir der Kerl egal sein könnte, treffen mich seine Worte dennoch. Das „Dramaqueen“ hat echt wehgetan. Enttäuscht wende ich mich ab.

Verdammt, ich brauche das Geld dringend.

… und so endete ich in seine Anzüge schniefend.

Der Sandmann kann mich mal

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