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Städtepartnerschaften gestern und heute
ОглавлениеRoberta Koulahoue
Die französische Stadt Le Mans und Paderborn in Deutschland werden als älteste Städtefreundschaft Europas betrachtet. Diese Beziehung, die aus einer katholischen „ewigen Liebesbruderschaft“ zwischen den beiden fränkischen Bischofssitzen im Jahr 836 entstand, war eine religiöse Verbindung, die aber auch politische Auswirkungen hatte und über Jahrhunderte bestand. Erst 1967 wurde die Städtefreundschaft jedoch zu einer offiziellen Städtepartnerschaft.
Nach Jean Bareth, Mitbegründer des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), ist eine „Städtepartnerschaft (…) die Begegnung von zwei Gemeinden, die sich bereit erklären, gemeinsam mit einer europäischen Zielsetzung zu wirken, um ihre Probleme zu erörtern und immer engere Freundschaftsbande zu entwickeln." Im Gegensatz zur Städtepartnerschaft basiert eine Städtefreundschaft auf einer Vereinbarung, die sich auf spezifische Projekte bezieht und oft zeitlich begrenzt ist. So ist sie als eine abgeschwächte Form der Städtepartnerschaft anzusehen; stellt aber auch oft deren Vorstufe dar.
Eine weitere Möglichkeit der kommunalen Zusammenarbeit ist der Städtekontakt, der nur eine Verbindung ohne förmliche Festigung ist. Außerdem werden internationale kommunale Partnerschaften genutzt, um Demokratisierungsprozesse in Staaten zu unterstützen und so zu Rechtsstaatlichkeit und Freiheit beizutragen. Als größte Friedensbewegung sind Städtepartnerschaften immer politisch, wenn auch in einem allgemeineren Sinne als die nationale Außenpolitik. Als Vorreiter, Unterstützer oder auch als Ergänzung der offiziellen Politik kann die kommunale Außenpolitik der Städte auf eine lange Tradition zurückblicken.
Die Anfänge
Städte wie Rottweil in Baden-Württemberg und Brugg im schweizerischen Kanton Aargau pflegen bereits seit 1913 eine Städtefreundschaft in Anknüpfung an die Zugehörigkeit Rottweils zur Alten Eidgenossenschaft als Zugewandter Ort. Im Jahr 1921 erhielt die Zusammenarbeit zwischen dem französischen Poix-du-Nord und dem britischen Keighley eine offizielle Form, indem Keighley Poix-du-Nord ‚adoptierte‘. Eine eigentliche Partnerschaftserklärung folgte 1986. Die erste verbriefte Städtepartnerschaft wurde bereits 1925 zwischen Kiel und dem dänischen Sonderburg geschlossen; schon 1930 folgten Wiesbaden und Klagenfurt.
Ihren wirklichen Ursprung hat die Städtepartnerschaftsbewegung in ihrer heutigen Form jedoch in den Gräueln des Zweiten Weltkriegs und dem freiwilligen Engagement von Kommunen und Bürgern, die sich schworen, dass Europa nie wieder durch einen Krieg auseinander gerissen werden dürfe. Ausgehend von den britischen Besatzern wurden ab dem Jahre 1947 freundschaftliche Beziehungen zwischen deutschen und britischen Städten ins Leben gerufen, um „von unten“ Völkerverständigung zu ermöglichen. Diese freundschaftlichen Beziehungen förderten die Integration Deutschlands in die neue europäische Gemeinschaft, wobei die Partnerschaften Bonns, Düsseldorfs und Hannovers mit den britischen Städten Oxford, Reading und Bristol erste Beispiele offizieller Partnerschaften sind. Insbesondere Baden-Württemberg übernahm eine Vorreiterrolle bei der Entstehung partnerschaftlicher Beziehungen zwischen Kommunen. So unterzeichnete beispielsweise Crailsheim schon 1947 eine Städtepartnerschaft mit Worthington (USA) und gründete damit die erste deutsch-amerikanische Städtepartnerschaft überhaupt.
Die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft besiegelte die Stadt Ludwigsburg in Baden-Württemberg mit der französischen Stadt Montbéliard im Jahr 1950. Ab diesem Zeitpunkt nahmen immer mehr Städte freundschaftliche Beziehungen zu ausländischen Städten auf. So unterzeichnete beispielsweise Wuppertal 1977 als erste deutsche Großstadt eine Freundschaftsvereinbarung mit Be'er Scheva in Israel.
In vielen Fällen entstehen Städtepartnerschaften aufgrund gemeinsamer Eigenschaften, einer ähnlichen Struktur oder auch Vereinsleben der Städte. Ein Kriterium kann die Namensgleichheit sein wie beispielsweise bei:
Altdorf bei Nürnberg und Altdorf UR in der Schweiz
Bocholt in Deutschland und Bocholt in Belgien
Dresden („Elbflorenz“) und Florenz
Wirtschaftliche und geographische Ähnlichkeit:
Hafenstädte Rostock und Rijeka oder Hamburg und Marseille
Chemiestandorte Leverkusen und Schwedt/Oder
Universitätsstädte Heidelberg und Cambridge
Ähnliche Geschichte:
Pforzheim und Gernika, die beide durch Luftangriffe völlig zerstört wurden
Vierecks-Partnerschaft Bochum – Sheffield – Oviedo – Donezk, da alle Städte von der Montanindustrie geprägt sind und heute entsprechende strukturelle und städtebauliche Problemen haben
Krönungsstädte wie Aachen, Reims und die ehemalige Residenzstadt Toledo
Austragungsorte der Olympischen Spiele wie München und Sapporo
Ähnliche kulturelle Feste:
Köln und Rio de Janeiro (Brasilien), da beide Städte als Karnevalshochburg bekannt sind
Vergangenheitsbewältigung/Versöhnung:
Hof (Saale) und Plauen: Städte, die 20 km voneinander entfernt liegen und die vor dem Zweiten Weltkrieg eine enge Freundschaft pflegten, aber während des Kalten Krieges voneinander abgeschnitten waren
Religiöse Beziehungen:
Paderborn und Le Mans über den gemeinsamen Bistumspatron Liborius
San Francisco mit Assisi, dem Herkunftsort seines Namenspatrons Franz von Assisi
Doch das Ähnlichkeitsgebot kann auch gegenteilig ausgelegt werden: So unterhalten der französische Ort Y und das niederländische Dorf Ee mit dem walisischen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch eine Partnerschaft. Die Gemeinde kann wohl als Ort mit dem längsten Namen Europas bezeichnet werden, während Y und Ee die kürzesten Namen haben.
Ein weltweites Netz der Zusammenarbeit
Heute wie früher beschränken sich Städtepartnerschaften nicht nur auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Länder wie die Schweiz und Norwegen waren ebenfalls immer aktiv beteiligt. Trotzdem ist die besondere
Bilaterale Städtebeziehungen in Europa mit deutscher Beteiligung (inkl. Freundschaften)
Quelle: Datenbank des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (Nov. 2013)
Bedeutung der kommunalen Partnerschaften im Rahmen jeder Erweiterungsphase der Europäischen Union hervorzuheben. Der Zusammenhang lässt sich unter anderem an der Gründung der ersten Ringpartnerschaft zwischen den Städten Köln, Lille (Frankreich), Esch-sur-Alzette (Luxemburg), Lüttich (Belgien), Rotterdam (Niederlande) und Turin (Italien) im Jahr 1958 erkennen, die zugleich eine Ringpartnerschaft der Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (der späteren EU) ist.
Das Ende der Diktaturen in Griechenland, Portugal und Spanien in den siebziger Jahren sowie der Beitritt dieser Länder zur EU in den achtziger Jahren führten zu einer Reihe neuer Partnerschaften mit Städten und Gemeinden dieser Länder. Und auch in Mitteleuropa führten die Veränderungen nach dem Fall der ehemaligen kommunistischen Regierungen ab 1989 zu einer Ausbreitung von Städtepartnerschaften. Bis heute wurden laut Datenbank des RGRE allein mit Polen 577 Partnerschaften abgeschlossen. Das starke zivilgesellschaftliche Engagement trug dazu bei, die Völker des lange geteilten Kontinents wieder miteinander in Kontakt zu bringen. Darüber hinaus stellt die Europäische Union seit 1989 wichtige finanzielle Unterstützung für Städtepartnerschaften zur Verfügung.
Bedeutung und Ziel von Städtepartnerschaften ist das freiwillige Zusammenkommen von Menschen über Grenzen hinweg, die Förderung des Erfahrungsaustausches zu Themen von gemeinsamem Interesse und die Sensibilisierung der Bürger für die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit auf. Städtepartnerschaften bieten den Teilnehmern aber auch Gelegenheit, den Alltag ihrer europäischen Nachbarn zu erleben, mit diesen zu sprechen und so Kontakte über die Grenzen hinweg zu knüpfen. Somit kann man daraus schließen, dass die Partnerschaftsbewegung seit über 50 Jahren einen sehr wichtigen Beitrag zur friedlichen Entwicklung Europas, und zur erfolgreichen Integration der neuen Länder in die Union beigetragen hat.
Nach der Wiedervereinigung Deutschland wurden insbesondere Städtepartnerschaften zwischen ost- und westdeutschen Kommunen geschlossen, um den Entwicklungsprozess in den neuen Bundesländern zu unterstützen. So haben auch deutsch-deutsche Städtepartnerschaften einen Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands geleistet.
Aktuell bilden die Städtepartnerschaften ein einzigartiges und dichtes Netz von Beziehungen, das ganz Europa und die Welt umspannt, womit sie eine ganz bestimmte Rolle im Hinblick auf die Herausforderungen im modernen Europa spielen. Im Jahr 2012 gingen deutsche Kommunen 14 neue internationale Partnerschaften ein. Spitzenreiter sind dabei die neuen Partnerschaften mit polnischen Kommunen, gefolgt von Verbindungen mit der Türkei. Weitere Verbindungen wurden mit Kommunen aus Europa, aber auch mit China gegründet.
Partnerschaften deutscher Kommunen mit außereuropäischen Ländern bestehen größtenteils aus Verbindungen mit US-amerikanischen Kommunen. Im südamerikanischen Raum liegt Nicaragua mit 30 Partnerschaften auf Platz eins. Auf dem afrikanischen Kontinent führt Ruanda mit etwa 17 Partnerschaften. Im Nahen Osten sticht die Anzahl der Partnerschaften mit Israel von 104 Partnerschaften hervor. Die meisten Partnerschaften im asiatischen Raum bestehen mit China mit 85 und Japan mit 59.
Im Jahr 2014 gab es weltweit 7.110 bilaterale Städtepartnerschaften mit deutscher Beteiligung, davon 6463 in Europa.
Völkerverständigung „von unten“
Bevor eine Städtepartnerschaft zustande kommt, wird meist geprüft, ob es bereits private Kontakte von Bürgern, Kommunalpolitikern oder aber auch von Schulen zu einer Kommune im Ausland gibt, die gegebenenfalls intensiviert werden und in eine Städtepartnerschaft münden könnten. Falls solche Kontakte nicht vorhanden sind, werden interessierte Kommunen auch von überörtlichen Organisationen vermittelt, wie beispielsweise durch den Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE). Auf der Homepage des RGRE findet man in einer Datenbank viele Städte, die eine internationale Partnerschaft eingehen wollen. Zudem findet man dort auch Musterverträge für Partnerschaften.
Lassen sich bei den gewünschten Kriterien Gemeinsamkeiten finden, treffen sich die Verwaltungsspitzen, die Bürgermeister oder Gemeinderäte. Bei gegenseitigem Interesse kommt es dann meist zur formellen Aufnahme von Beziehungen und im folgenden Schritt zu einer Städtepartnerschaft, welche durch die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde besiegelt wird. Je nach Engagement der Städte finden regelmäßige Besuche zwischen den Partnerstädten statt.
Um die internationalen Beziehungen mit Leben zu füllen sind Städtepartnerschaften auf die Zusammenarbeit und das Engagement der Kommunen, Vereine und Bürger angewiesen. Ergreifen Vereine die Chance an einem solchen Austausch teilzunehmen, so werden nicht selten gemeinsame Veranstaltungen, etwa Wettkämpfe (bei Sportvereinen) oder Konzerte (bei Musikvereinen oder Chören) veranstaltet. Die Gäste werden oftmals bei privaten Gastgebern untergebracht, um so das Zusammenwachsen der Völker ganzheitlich zu fördern.
Ungeachtet davon, dass heute sehr viel mehr Europäer geschäftlich oder privat ins Ausland reisen und auch unabhängig von modernen Kommunikationsmedien, bleiben Städtepartnerschaften die beste Möglichkeit für Europäer, sich von Angesicht zu Angesicht zu sehen, Meinungs- und Informationsaustausch zu betreiben und von den gegenseitigen Erfahrungen in verschiedenen Bereichen, wie Geschäftsleben, Bildung oder Kultur zu profitieren.
Städtepartnerschaften werden auch als Erfolgsgeschichte der Europäischen Union angesehen. Kommunale Partnerschaften haben dazu beigetragen, dass sich viele Staaten der Europäischen Union, vor allem Staaten des ehemaligen Ostblocks, politisch und ökonomisch weiterentwickelt haben und heute Stabilitätsanker und Treiber der europäischen Integration sind. Das alles in einem Umfeld, in dem immer mehr Akteure politischer Parteien in ganz Europa, aber auch kritische Stimmen, die europäische Idee in Frage stellen.
Konkrete Projekte zu Themen der Wasserwirtschaft, Verbesserung von Sozialleitungen oder wirtschaftlichen Entwicklungen können von kommunalen Partnerschaften realisiert werden. Darüber hinaus tragen Städtepartnerschaften zur Schaffung einer gemeinsamen europäischen Identität bei. Städtepartnerschaften fördern den Dialog und das gegenseitige Verständnis für andere Kulturen, führen Menschen und Gesellschaften zusammen, um sich international auf kommunaler Ebene zu vernetzen und die internationale Entwicklung voran zu treiben. Dadurch werden Vorurteile abgebaut, Erfahrungen ausgetauscht und die Menschen werden zu echten Botschaftern der Völkerverständigung.