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Pubertät

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Die Veränderungen meines Körpers mit Beginn der Pubertät verstand ich zuerst nicht. Mit elf Jahren taten mir meine Brustwarzen immer häufiger weh. Sie wurden dann hart, als hätte ich eine Krankheit. Ich war verunsichert und wusste nicht recht, wen ich um Rat fragen sollte. Zu meinen Tanten Claudia und Lore hatte ich Vertrauen, also suchte ich eine passende Gelegenheit, um mit ihnen darüber zu reden. Die beiden waren in vieler Hinsicht lockerer und offener als Mama, die wesentlich prüder war. Meine Eltern sah ich nie nackt, was bei Claudia nach einem Bad ganz natürlich war.

Eines Nachmittags saß ich in Claudias und Lores Kunstwerkstatt und beobachtete sie bei ihren Arbeiten. Claudia bemalte Trinkgläser mit wunderschönen Verzierungen, Lore arbeitete an einer ihrer altertümlichen Ikonen. Ich durfte wieder einmal ein Bild hinter Glas malen und lernte dabei von ihren hilfreichen Ratschlägen. Dazu tranken wir englischen Tee und tratschten über dieses und jenes. Als ich schließlich meinen Mut zusammen nahm und wegen meiner schmerzenden Brustwarzen fragte, schmunzelten die beiden und meinten beruhigend: „Das ist in deinem Alter ganz normal: Du wirst langsam eine Frau.“ Später schenkte mir Claudia ein Buch über die pubertären Entwicklungen.

Das war meine ganze Aufklärung – immerhin, es war interessant und irgendwie auch beruhigend, zu wissen, was in seinem Körper vorgeht.

Seit der Hauptschulzeit war ich auch häufiger mit Freundinnen unterwegs oder fuhr stundenlang mit dem Fahrrad durch die Gegend.

Immer öfter trafen wir uns auch mit Jungs, da das gegenseitige Interesse allmählich erwachte. Unaufgeklärt und unsicher, wie wir waren, entstanden Annäherungen sehr zaghaft. Das Kribbeln im Bauch war aufregend, besonders, wenn ich von einem Jungen wahrgenommen wurde, der mir gut gefiel. Manchmal versteckte ich mich mit Andreas im Pferdestall. Dabei war ich immer sehr nervös, liebte aber seine Blicke und seine Hände, wenn er mich umarmte. Seine Küsse waren wie vorsichtige Berührungen, gerade so, als würde er etwas sehr Zerbrechliches mit seinen weichen Lippen berühren. Nach mehrmaligen Treffen streichelte er dann auch mal meine kleinen Brüste. Mir war dabei nicht so richtig klar, ob mir das gefiel oder nicht. Andreas war nie aufdringlich und hörte sofort auf, sobald ich eine abwehrende Bewegung machte. Sein Verhalten gab mir Sicherheit und ich wusste, dass ich keine Angst zu haben brauchte.

Immer wieder gab mir Mama meinen kleinen Bruder Daniel mit. Wenn ich auf ihn aufpassen musste, traute ich mich kaum, mit Andreas zusammen zu sein. Zu Hause fragte sie Daniel dann aus, und sie kam schnell dahinter, dass ich mich mit Andreas traf. Die Folge war eine weitere Auseinandersetzung mit ihr. Es kam häufiger vor, dass sie mich beschimpfte: „Du wirst immer mehr wie deine Mutter! Die war auch nur ein Flittchen und benahm sich wie eine Hure!“

Immer unglücklicher wurde ich durch diese wiederkehrenden Vorwürfe. Ich fand an diesen kleinen Annäherungen nichts Schlimmes, sondern einfach nur natürliche Neugierde. So wie man eben auch die Veränderungen an seinem eigenen Körper wahrnimmt, beobachtet und fühlt, so möchte man eben auch die Neugier auf das andere Geschlecht erfüllt bekommen.

Was mir nun von meiner Mama an den Kopf geworfen wurde, tat mir im Herzen weh. Obwohl ich Ramona nicht kannte, wollte ich diese negativen Dinge über sie nicht hören und auch nicht glauben. Wenn ich dann mit Mama in einen Streit darüber geriet, nahm ich Ramona in Schutz. Erschwerend kam hinzu, dass jedes Gespräch über die Adoption und meine Herkunft nur mit Mama alleine geführt werden konnte, da sie mir verboten hatte, mit anderen Leuten darüber zu sprechen. Sie wollte auf keinen Fall, dass mein sensibler Bruder Daniel jemals etwas über meine oder seine eigene Adoption erfuhr. Zu groß war ihre Angst, dass er diese Wahrheit genauso wie ich negativ aufnehmen könnte.

Außerdem verbot sie mir, mich mit Jungs zu treffen. Folglich tat ich das künftig heimlich. Unter dem Vorwand, joggen zu gehen, konnte ich problemlos das Haus verlassen. Da aber unser Haus auf einer Anhöhe lag und man vom Balkon aus ein weites Gebiet überblicken konnte, machte ich die Rechnung ohne Mama: Sie suchte die Gegend tatsächlich mit dem Fernglas ab und beobachtete mich. Auf diese Weise wusste sie natürlich gleich wieder Bescheid, wenn ich mich mit Jungs traf.

Kaum betrat ich bei der Rückkehr unsere Wohnung, spürte ich schon den harten Schlag von Mamas Hand auf meiner Wange. Warum wollte sie nur nicht verstehen, dass wir nichts Böses im Sinn hatten?

Ich fühlte mich mehr und mehr eingeengt, ungeliebt und unverstanden. War sie selbst denn nie jung gewesen und neugierig? Ich nutzte allmählich jede Möglichkeit, außer Haus zu sein.

Im Alter von elf, zwölf Jahren war meine körperliche Entwicklung nicht mehr zu übersehen. Es gefiel mir, dass die Jungen mich anschielten. Von meiner Tante in London bekam ich gelegentlich schicke Kleidung geschenkt, die unserer Mode ein Jahr voraus war. Damals waren Minikleider und -röcke sowie Karottenhosen topmodern. Darin fühlte ich mich feminin und hübsch, ganz ohne schlechte Gedanken.

Langsam, aber sicher machte ich jedoch auch Bekanntschaft mit den schmutzigen Gedanken einiger Männer. Kaum war der eine oder andere aus dem Bekanntenkreis meiner Eltern einmal einen Augenblick mit mir alleine, flüsterten sie mir Sachen ins Ohr wie: „Wenn du ein bisschen nett zu mir bist, kannst du dir dein Taschengeld aufbessern.“ – „Sei lieb und zeig mir doch mal deine schönen Möpse.“ Oder: „Willst du nicht mal fühlen, wie sich nackte Haut an deiner anfühlt?“

Das verunsicherte mich sehr, denn mir war schließlich beigebracht worden, immer freundlich zu sein. Wie sollte ich mich jetzt in solchen Situationen verhalten? Ich wehrte ab und versuchte, gar nicht erst anwesend zu sein, wenn wir derartigen Besuch bekamen. Diese Annäherungsversuche waren mir einfach sehr unangenehm. Zudem hatte ich Angst, dass diese Männer Papa gegenüber irgend etwas Schlechtes über mich sagen könnten.

Da ich einige kleine Cousins und Großcousins hatte, bot sich mir die Möglichkeit, durch Babysitten aus dem Haus zu kommen und mir gleichzeitig ein wenig Geld zu verdienen. Meine Eltern unterstützten mich dabei, da sie es gerne sahen, dass man sich innerhalb der Verwandtschaft gegenseitig hilft. Außerdem konnte sich Mama sicher sein, dass ich in dieser Zeit verantwortungsbewusst auf die Kleinen achtete und mich mit keinem Jungen treffen würde.

Es sollte sich bald herausstellen, dass ein Mädchen selbst da nicht in Sicherheit ist.

Albtraum ohne Ende?

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