Читать книгу Weihnachten muss sterben - Mario Bial - Страница 5

3

Оглавление

Ich habe die Spätschicht im Apollos nur wenige Gäste hocken über griechischer Nationalkost.

»Hast verstanden Ali? Köfte Schibwabschischi und Geschnetzeltes, noch heute!«

Der Koch steht seit Minuten mit zusammengezogenen buschigen Augenbrauen vor dem kleinen Fernseher und betrachtet ein seltsames Spiel im Euro Sport TV. Er kommt aus einer Ecke der Dritten Welt, in der A ein Idiot die Scharia einführen will, ohne die Bevölkerung zu fragen und B Cricket und Selbstmordanschläge, die Nationalsports sind. Er klatscht in seine beharrten Hände, die er lieber abhackt, als einem ungläubigen Hund zu schütteln und nickt mir zu. Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank und beobachte die Nachtschicht des Apollo. Ali ist neu und sein Job ist es die Mikrowelle zu öffnen, und einen Teller mit Fleisch und verbrutzeltem Convenience-Food zusammenzupappen. Der Lieferwagen von Maggi fix und Frisch kommt immer morgens und entlädt die 10 Kilo Plastiktüten im Kühlraum und tut so verstohlen, dass ich manchmal denke ich arbeitet für ein Kokain Kartell. Ich schiebe das Essen mit der Gabel in eine optisch schönere Form und bediene einen Bengel mit seiner Freundin. Er bestellt noch den Hauswein. Apollus kauft den bei Aldi, Billigwein aus der 2 Liter Tetrapackung und würzt ihn mit etwas Muskatnuss und eine Prise Vanillearoma und serviert ihn in der Karaffe. Ich bin höflich, weil ich in meiner langjährigen Karriere als Teilzeit Servicekraft gelernt habe, dass Leute mit ihren neuen Freundinnen oder Frauen, die sie ins Bett kriegen wollen, immer gutes Trinkgeld geben. So ein netter Abend klingt einsam aus, wenn man anfängt, das Trinkgeld penibel in Centstücken zu einem Münzstapel auszurichten, oder den Endbetrag mit entsetztem Gesicht laut wiederholt. In zwei Stunden ist die Schicht zu Ende und es kommt mir vor, als ob die Minuten endlos zäh sind. An der Bar sitzt Stammgast Anton und trinkt sein Bier und wirft Münzen in den Geldspielautomaten, als sei er hypnotisiert oder ein Autist. Kein cooler Hund wie in dem Kinofilm Rain Man. Nur ein Autist, der Münzen in den Schlitz des Spielautomaten wirft und Bier trinkt und dessen Finger gelb vom Nikotin ist. Das Päckchen H&B Zigaretten guckt aus der Tasche seines karierten Hemdes hervor. Am Schaufenster, das Apollos ist nicht das romantischste Restaurant, sitzt ein Mann, der nicht aus der Gegend kommt, er trägt einen schwarzen Anzug telefoniert alle naselang und bestellt Ouzo und Bier. Sein schwarzer Anzug ist von guter Qualität und er trägt ein beigefarbenes Hemd und rote Krawatte, die Krawattennadel ist goldfarben und ich könnte wetten, es ist nicht Messing. An seiner Hand mit den sauberen Fingernägeln schimmert ein Ehering.

»Noch einen Kumpel«, sagt er.

Ich bringe ihm die halbe Flasche und stelle sie ab.»Alles in Ordnung?«, frage ich.

»Ja, ich feiere!«, erklärt er.

Ich sehe ihn an und stelle mir vor, dass ich morgen früh sein Bild in der Zeitung sehe, Selbstmörder in ... Man kommt auf komische Gedanken, wenn man seit Jahren in diesem kleinen Imbiss Restaurant in der Nähe vom Bahnhof arbeitet.

Der Besitzer, hatte mir mal gesagt, dass ich immer da arbeiten werde, weil ich diese Aura der gestorbenen Hoffnungen habe. Ich dachte neidischer Arsch jetzt denke ich du Realist nenn mir die Lottozahlen. Ich habe ihm gesagt : „Mach dich doch nicht lächerlich, ich werde in ein paar Monaten meine ersten Kinofilm im Kasten haben.“ Er hat nicht einmal gelacht wurde nur sehr traurig. So traurig wie der Mann im schwarzen Anzug. Ich hoffe er schießt sich nicht ausgerechnet hier in den Kopf, die Polizei kommt befragt die Leute und ich bin müde. Der Bahnhof ist in der Nähe mit seiner riesigen Auswahl von Bahngleisen, von denen er sich stürzen könnte. Vielleicht wartet er auf einen bestimmten Zug und die Bahn hat wieder einmal ihre Winterverspätung. Am Schaufenster marschiert eine Clique junger Männer vorbei, die Hosen rutschen herunter und hängen in den Knien und die Mützen sind verkehrt aufgesetzt. Ich denke, dass es mich wundert, dass die Jugendkriminalität steigt. Ich meine, wie will man so gekleidet einen Rentner berauben? Man kann ja nicht verduften, ohne tausendmal aufs Maul zu fallen. Die Abteilung Jugendkriminalität der Polizei muss ein Haufen bestehend, aus Luschen sein, wenn die Aufklärungsquote immer bei 70 Prozent liegt. Ich meine sehr viel intelligenter als Schimpansen sehen die Bengels auch nicht aus. Zurück in der Küche setze ich mich vor den Fernseher und sehe mir Cricket an, dass englische Geschenk an seine Kolonien, ein Sport, den niemand versteht. Ich radle nach der Schicht nach Hause schleppe mein Fahrrad in den dritten Stock und schalte den Computer ein. Ich habe eine Email von meiner CDU. Sollten die sich nicht darum kümmern, dass es den Leuten besser geht, anstatt ihre Praktikanten Werbe- E-Mails tippen zu lassen. Die Prämissen in der CDU sind seit Adenauer ganz schön heruntergekommen. Wie soll ich denen denn vertrauen, wenn ihr einziges Bestreben zu sein scheint, alle Jobs in Minijobs zu verwandeln. Tatsache ist, dass diese 600 Euro Jobs einen verheerenden Einfluss auf die eh schon niedrige Hemmschwelle unserer Unternehmer haben. Ich schreibe zurück lasst mich in Ruhe. Dann suche ich den Live Stream von RTL sucht den Superstar und auf einer chinesischen Internetseite werde ich fündig. Ich trage den Monitor aufs Bett nehme mir ein paar Tüten Chips und eine Flasche Cola. »Du siehst aus wie ein Tanzbär auf Drogen!« Dieter Bohlen sagt das zu einem jungen Mädchen von fünfzehn Jahren, dem er damit das Leben so richtig versaut, Minderwertigkeitskomplexe, Drogen Endstation Drogenstrich. Das Kind starrt Dieter Bohlen an und jeder kann hören, wie alles in ihr zerbricht als wäre ihre Seele aus Glas. Das Telefon klingelt, ich sehe das Nokia an und melde mich.

»Ich hoffe ich störe Sie nicht, Herr Tomscheck!«

Schöne Stimme zart und rauchig. »Nenn mich Theo, Süße und leider besitze ich nichts außer meiner guten Seele und mein makelloses Aussehen. Ich bin so eine Art Adonis Typ wissen Sie.« Ich dachte nicht viel nach, denn wer ruft schon samstags bei mir an, entweder meine Eltern oder Tommy oder Leute die glauben, es ist eine gute Idee mir über Telefon was verkaufen zu wollen. Sie hat eine wirklich tolle Stimme.»Ich rufe wegen des Jobs an!« Mein Nackenhaar sträubt sich. Ich bin versucht aufzuspringen und zu tanzen. Endlich, endlich mein Durchbruch, die Hundefutterwerbung ist nur der Anfang, von jetzt ab geht es steil nach oben.»Sie wurden bereits über alles informiert Herr Tomscheck?« Oh Gott ich danke dir, danke danke danke. Der Engel am Telefon ist sehr förmlich, also keine semiprofessionelle Produktion, Oh Gott danke danke danke - das ist was Internationales bald wird mein Gesicht in Hongkong und Amerika bekannt sein. Sind Sie nicht der Mann aus der Werbung, wird es überall heißen. Ich muss immer einen Edding dabei haben, damit ich die Dosen Champion de luxe unterschreiben kann. »Wir sollten nicht am Telefon darüber reden, wir sollten uns treffen. Kennen Sie das Marios?«, fragt sie.

Ich war etwas verblüfft, warum wollte sie nicht am Telefon reden? »Glauben Sie etwa, ihr Telefon, wird abgehört?«, scherze ich.

»Wir sollten nach den Spielregeln vorgehen nicht wahr, Herr Tomscheck?«

Ich war verwirrt. Seit meinen letzten Jobs hatte irgendetwas die Werbebranche ganz schön durcheinander gerüttelt, lag vielleicht am elften September und dem Krieg gegen den Terrorismus und der Al Quaida? Oder die Ideenlosigkeit der Werbeagenturen war so groß, dass sie sich gegenseitig mit Wirtschaftsspionage verfolgten, um sich die Ideen zu klauen. Wer wusste schon was hinter den Kulisse der Hundefutterindustrie los war, mit welch harten Bandagen gekämpft wurde. »Marios hört sich echt Siebziger an, meinen Sie das am ...« Sie ließ mich nicht ausreden.

»Am Potsdamer Platz in einer Stunde.« Erteilte sie mir schon jetzt Befehle.

»Ja aber wie er ...« Sie fiel mir ins Wort, ich begann, die Castingdirektorin zu hassen.

»Ich erkenne Sie Herr Tomscheck ihr Vater gab mir ein Foto.«

Sie legte auf und ich war noch etwas mehr verwirrt, seit wann hatte Vater Kontakte zu Werbeindustrie? Konnte es sein das er beim Spielen mit seinem Flugzeug? Egal ich sprang auf rannte unter die Dusche und zog mir den blauen Anzug an, dessen Hosenbeine etwas zu kurz waren und steckte das Geld, das Tommy mir geliehen hatte in die Tasche und eilte los. Bis zum Potsdamer Platz war es nicht weit und ich radelte vom Glück high selbstmörderisch durch den abendlichen Innenstadtverkehr. Der Gedanke an das Starten meiner Karriere als Werbeikone und Hundefutter Superstar erregte mich. Die Zeit verging mit nervenzermürbender Langsamkeit. Ich war eine halbe Stunde zu früh im, mit gut gelaunten Yuppies vollgestopften, Marios. Ein Typ, der Kevin heißen soll, sitzt mit seiner gut gelaunten Bande neben mir. Er trägt einen Pferdeschwanz, Anzug und polierte Slipper und schwarze Socken und erinnert mich an den jungen Lagerfeld. Nur fächert er sich Luft nicht mit einem Fächer ins Gesicht, sondern mit der manikürten Hand. Ich sehe mich um, alle sehen so oder so ähnlich aus. Ich suche das Schild, das mich darüber aufklärt, dass ich in einen Doppelgänger Abend gerauscht bin. Alle Pferdeschwanz Typen nicken sich ausgelassen zu und strahlen mit den Designerleuchten an der Decke um die Wette. Die Welt grinst übers ganze Gesicht. Die könnten fast alle in Zahnweiß Werbung auftreten. Von den Nebentischen fliegen Worte wie Projekte, Versace und Anteilseigner und lullten mich ein. Das sind also die jungen Menschen, die für das Dilemma meiner Zeit verantwortlich sind. „Ein Kreislauf eben“, würde Erwin sagen, aber ich würde als verdeutlichende Geste den gestreckten Mittelfinger nehmen. Ich bin entsetzt und neidisch und lausche den Gesprächen, die in einer anderen Art von Deutsch geführt werden. Satzfetzen wie negativ korrigierte Gewinnprognose, Merchandising und Produktidentität fesseln mich, bis sie durch die Drehtür kommt. Es ist ein außerordentliches Gefühl, einen Menschen zu sehen, den man lange Zeit nicht gesehen hatte und doch sofort wusste, dass es nur die eine Person sein konnte. Langsam dämmerte mir, inwieweit mein Vater in die Sache verwickelt war. Herr Wu war ein chinesische

chinesischer Flüchtling der 1970 in meiner Heimatstadt Aargau am Lech einen Eisenwarenladen eröffnet hatte. Herr Wu war Atomphysiker und hatte keine Ahnung von Rohren und Schindeln und Bohrmaschinen aber Startkapital vom BND für eine neue Existenz. Es war der Laden, in den mein Vater jeden Freitag ging und Beide verbrachten Stunden in den Katalogen blätternd, die Bierflaschen auf dem Ladentisch, damals gab es noch keine Computer, auf der Suche nach ...

»Dem Ding so eine Art Schere aber für Stahl und so, Sie verstehen Herr Wu ich muss ein Loch in die Blechtür meiner eigenen Garage schneiden, der Hund braucht eine Hundeklappe.«

»Garagenschneider vielleicht?«

»Ich bin mir nicht sicher Herr Wu, eventuell wird es anders genannt.«

»Ach diese schwere deutsche Sprache! Warum frage ich Sie kann man nicht den Blechgaragentorschneider nach seiner Funktion benennen oder? Ich meine eine Zentrifuge nennt sich so, weil sie zentrifugiert, nicht wahr?«

»Sie haben recht Herr Wu, Schneider-Blechschneider sollte es heißen!«

»Genau Herr Thomschek, meine Meinung! Warum so kompliziert? Vielleicht gibt es im Bosch Bestellkatalog einen Blechgaragentorschneider.«

Aus solchen stundenlangen Gesprächen entstand eine Männerfreundschaft, die bis zum heutigen Tag ungebrochen ist. Sophia Wu war die Tochter von Papas besten Freund und die Direktorin der Schadensabteilung der Marburger Versicherung. Als Sophia durch die Drehtür kam und sich hochmütig in der Bar umsah und mein Foto wegsteckte und zu meinem Tisch lief, erschien mir die Enttäuschung unwirklich. Ein tiefer Fall von den Höhen des Werbeolymp zu dem Menschen, der es fertigbrachte, mich als Teenager mit Worten zum Heulen zu bringen. Sie trug Schwarz schon als kleines Kind bevorzugte sie schwarz als die einzige Farbe, die ihrer Seele schmeichelt. Sie schnippte im Laufen mit dem Finger und zwei Kellner ließen alles stehen und liegen und eilten zu ihr. Sie bestellte für mich ein Bier, und zwar mit Mitleid und für sich den Aperitif. »Herr Tomscheck Sie haben sich etwas gehen lassen!«, sagte sie.

Dann knallte das Foto auf den Tisch, dass ihr Papa gegeben hatte. Ein schmerzhafter Anblick das Polaroidfoto von vor 15 Jahren. Ein schlanker schwarz gelockter Mann sah mich an, was hatte ich für eine Figur ich sah aus wie ein junger Costa Cordalis nur ohne seine Musik. Wir unterhielten uns eine Minute gekünstelt über Aargau am Lech, der Fritzek war Tot und der Park wo wir uns immer zum Spielen getroffen hatten sollte einem Gewerbepark weichen. Ich drückte ihr mein Beileid aus, bestimmt kannte sie den alten Fritzek den reichsten Mann von Aargau. Sophie Wu sagte ruhig, Fritzek sei zu plötzlich gestorben.

»Ich nehme nicht an, du bist gekommen um mich wiederzusehen du siehst übrigens recht passabel aus.«

Sie sah umwerfend aus und die beiden Kellner die sich prügelten um sie zu bedienen hinterließen eine Sabberspur von der Küche bis zu unserem Tisch.

»Mach dich nicht lächerlich.«

Und nach einer Pause sagte sie leise.

»Es ist wegen des Todes von Fritzek.«

»Wieso? Hat er mir was hinterlassen …«

Sie lächelte oberflächlich und meinte nur Nein natürlich nicht. Ich setzte mein Bierglas ab und zuckte mit den Schultern.

»Was ist dann?«

»Es ist ganz einfach sein Tod. Wir glauben, er ist ermordet worden.«

Ich starrte sie an, sie war der Mensch, den man lange Jahre nicht gesehen hatte und von dem man feststellt das Leben hatte ihn paranoid gemacht.

»Wie kommst du auf so was ich meine wir reden vom alten Fritzek wie bist du denn drauf?«

Sie ignorierte meinen fragenden Blick, ein Blick, der aussagt, bist du noch gefährlich.

»Unser Arzt brachte mich darauf«, erklärte sie.

»Unser Arzt?«

»Herr Fritzek war mit einer Summe von fünf Millionen Euro versichert. Bei dieser hohen Summe überprüft unser fähigster Gerichtsmediziner die Leiche sehr gründlich. Wenn Fritzek etwas nicht war, dann ein Mensch, der sein Ableben plante. Niemals hätte er eine so hohe Versicherung mit diesen hohen Raten abgeschlossen. Er war ein Griesgram, der die Menschheit nicht besonders mochte. Wozu wollte er sein Leben mit dieser hohen Summe versichern fragen wir uns und dann gleich nach der Anwartschaftszeit sterben?«

Sie sah mich an. Was sollte man auf so eine Frage antworten, nein sterben ist nicht besonders schön?

»Das ist nicht besonders schön, ich meine bis auf die Kohle wer immer die bekommt aber was habe ich damit zu tun?«

Sie kam meinen nächsten Worten zuvor.

»Theodor Tomscheck ich will, dass du im Auftrag der Versicherung eine Rolle spielst. Wir brauchen, einen guten und verschwiegenen Profi, der den Part des Außendienstmitarbeiters mimt. Du bist Schauspieler glaubst du Theodor du könntest einen Detektiv spielen, damit wir in Ruhe ermitteln lassen können. Also du bist einer unserer besten Versicherungsdetektive und nach Hause gekommen, um den Mörder zu entlarven. Wir haben es so gedreht das jeder Glaubt du bist ein erfolgreicher internationaler Versicherungsdetektiv für unsere Marburger Versicherung die zum Galaxy Mutterkonzern gehört. Dein auffälliges Herumschnüffeln, für das du sehr gut bezahlt wirst, wird den oder die Täter von unserem echten Schadensfallermittler ablenken. Wir erhoffen uns von deinem Herumstochern im Wespennest, das es den Versicherungsmanipulator aus seinem Versteck treiben wird.«

Einen Moment war ich sprachlos aber nur einen Moment.

»Ich bin ein Lockvogel für einen Killer?«

Mit dem kalten Licht ihrer glänzenden schwarzen Augen schaute sie mich an.

»Du brauchst ehrliche Arbeit sagt dein Vater und du machst für Geld alles, weil du auf den Hund gekommen bist. Du kannst Risiken eingehen, weil du seit Jahren keine Freundin hast und keine Kinder.«

Wenig schmeichelhaft und es stimmte das letzte Mal war ich zweiunddreißig, als es meinen Hormonen gefallen hatte, mich verliebt zu machen – zumindest hielt ich dieses Feuer der Begierde ohne Substanz dafür. Es handelte sich um eine junge Kollegin, nämlich einer Nebenbesetzung des Gorki Theaters. Eine Bekanntschaft aus dem Workshop neue Kabuki Ausdrucksformen an der Kreis Theaterschule in der Friedrichstraße. Ihr Haar war auffällig feuerrot, gekraust und lang. Durch die hohen Fenster des Spiegelraums knallte Licht, es fiel nicht sondern es brannte und dieses Licht brache das feuerrot zur Geltung. Annas Augen waren grün mit einem gesprenkelten Braun. Ihr Mund erinnerte an ein rotfarbenes gepolstertes Dreieck, sie hatte einen bemerkenswert schönen Mund. Und immer während ich versuchte die Darstellung von Gefühlen allein an Kopfbewegungen zu üben stellte ich mir vor, wie meine Hände ihr Gesicht hielten und mein Mund sich auf ihren drücken würde. Sie hatte eine deutliche Abneigung gegen das Suchende das Fernweh in alle Richtungen, das mich plagte. Sie konnte Menschen ohne konkrete Planung nicht leiden. Ihr fehlte ganz einfach das romantisch Depressive, das Schauspieler zu Höchstleistungen und Drogen treibt. Anna hatte ein Gespür für das Leben und vermisste damit die wesentliche Gabe eines Schauspielers. Ihre Intelligenz und ihr erschreckender Rationalismus machten sie unfähig das für das Entstehen eines Kunstwerks aus empfundenem Leid heraus. Unsere Verlobung dauerte einige Monate, und dann entschlief diese Beziehung wegen meiner Unfähigkeit meinen Charakter alles, was mich ausmacht, über Bord zu werfen und mich in einem teuflischen Akt neu zu erschaffen. Ich sah gerührt von meiner Erinnerung auf. Sie legte einen Umschlag auf den Tisch.

»Es geht um Arbeitsplätze Tomscheck! Die vielen braven Mitarbeiter der Marburger Versicherung Zweigstelle Aargau am Lech liegen genau auf dem Soll Punkt.«

Sie sah mich an als kenne sie meine Schwachstelle, Verantwortungsgefühl mit Dingen und Personen, die nicht das Geringste mit mir zu tun haben.

»Fünf Millionen Euro bedeuten 0,35 Prozent Gewinnverlust und ein Gewinnminus von 0,30 Prozent drei Jahre hintereinander bedeuten der Versicherungsstandort Aargau wird zugemacht. Dein Vater war 20 Jahre der Abteilungsleiter, glaubst du nicht du bist das der Marburger Versicherung schuldig? Es ist mein Job diesen Standort zu schließen, Galaxy setzt Prioritäten, aber wenn wir ein Vergehen gegen die Versicherungsbestimmungen finden, muss ich den Standort nicht schließen. In dem Kuvert sind 5000 Euro und eine Monatskarte der Bahn. Ein komplettes Paket Garderobe wurde gekauft und wird in zwei Stunden zu dir geliefert.«

Sie zeigte mit dem Kopf zur Tür, ihr Rabenschwarzes langes Haar war zu einem Zopf gebunden sie trug tollen Lippenstift. Mein Herz wummerte, Mörder ärgern richtige echte Menschen die anderen das Leben nehmen herauszufordern, nein das war nichts für mich. Die alten Kollegen von Papa taten mir leid. Aber deswegen mein Leben riskieren ... andererseits. Das Kuvert in meiner Hand war schwer und roch unglaublich gut, aber in einem Wespennest stochern?

»Siehst du den bulligen Typen?«, fragte sie mich.

»Ja«, sagte ich.

Mein Blick glitt weg von dem zarten Ausschnitt ihres Kleides zur Eingangstür.

»Es ist unser Mitarbeiter Herr Boris, geschult in einer israelischen Spezialeinheit er wird immer in deiner Nähe sein und auf dich aufpassen. Sei Morgen pünktlich auf den Bahnsteig und wenn die Sache mit dem Fritzek geklärt ist, bekommst du den Auftrag in unserem neuen Werbespots die Kunden zu spielen. Du wirst dann in jedem Jahr der Hauptkunden unseres Versicherungsmaskottchens Herr Schneider sein. Ich biete dir eine Karriere und etwas Kleingeld!«

Der Versicherungsvertreter Herr Schneider das Maskottchen der Marburger war ein Igel. Ich sah in das Kuvert auf ein Bündel Geld, das mich hypnotisierte und die Bahnplastikkarte in meinem Namen.

Nach Hause an die Gestade Mittelerdes der Au der glücklichen Kindheit. Reisen, nach so langer Zeit. Spaziergänge in der Einsamkeit der Natur. Richtiger, echter fast wilder Natur nicht der verdreckte Tiergarten. Der sanfte Erinnerungen weckende Anblick des vertrauten und der lieben Nachbarn und der engen Freunde würde mir Trost sein. Ich würde das Haus meiner Eltern betreten, das inmitten einer Asphaltstraße einer Reihenhaussiedlung steht. Dort muss ich aus tiefster Seele meinen Lebensweg analysieren und nach dem empfundenen Schmerz wegen der verpassten Abzweigungen zum Besseren, mich der Realität hingeben und mich entscheiden. Wohin soll es gehen Theodor? Sie öffnete ihre Versace Handtasche und schob mir einen Vertrag über den Tisch. Ich unterschrieb ein Papier, in dem ich die Galaxy Versicherung von jeweiligen Schadensansprüchen in Falle meines Todes oder ernsthafter Verletzungen befreite. Ich kam mir zeitgleich unendlich reich und saudumm vor, aber was sollte schon passieren, zuerst niemand brachte den alten Fritzek um, das ist so, als ob man den Almöi Heidis Opa um die Ecke bringt. Die Versicherung war nur paranoid und zweitens ich stand unter der professionellen Obhut dieses Boris, der so tat als sei er nichts als ein Gast und verwirrt auf mein Zwinkern reagierte, als ich an ihm vorbei nach draußen ging. So als kenne er mich nicht, ein echter Profi eben.

Weihnachten muss sterben

Подняться наверх