Читать книгу Tomorrows Dawn: Der Dämmerungs-Clan - Marius Altenpohl - Страница 3
Der Aufbruch Kapitel II
Оглавление»Wir können nicht weg, wir haben Kinder!«
»Mein Vater ist krank, das wäre sein Ende!«
»Ich bin in diesen Landen groß geworden, hier werde ich sterben!«
Alle schrien durcheinander, niemand wollte den anderen zuerst sprechen lassen.
»Freunde!«, sagte Hakhouta mit erhobener Stimme.
Niemand hörte ihm zu. Die Frage war, ob sie ihn nicht hören wollten, oder er einfach zu leise war.
»Brüder, Schwestern! Hört mir zu!«, brüllte der Häuptling, doch noch immer hörte ihm niemand zu. »Wenn ihr euch doch nur beruhigen würdet, dann könnten wir reden, meine Freunde!«, schrie er nun so laut er nur konnte und die durcheinander sprechenden Stimmen hielten inne.
»Brüder und Schwestern, es ist keine leichte Entscheidung hier weg zu gehen. Doch es ist ein Zwang, dem wir nachkommen müssen. Ansonsten steht unser gesamtes Leben auf dem Spiel.«, begann er die Ansprache, die nur wenige Sekunden danach sofort wieder unterbrochen wurde.
»Und wohin sollen wir gehen? Wenn wir uns aus unserem Gebiet, egal in welche Richtung entfernen, sind wir im Gebiet des Proudheart-Clans! Die machen uns platt!«, schrie eine junge Stimme aus den hinteren Reihen der Menge.
»Dann wird es so sein!«, brüllte eine lautere, tiefere, und sehr raue Stimme aus der Menge. Unter der Menge von Orcs ließ Satug sie wie alle klein erscheinen. Einen Kopf größer als jeder andere in der Masse schritt er aus ihr hinaus, zu dem Häuptling. »Dann kämpfen wir! Wir sind Orcs, auch wenn viele von uns das über die Jahre vergessen haben. Wollt ihr lieber hier, langsam und elendig auf euer Ende warten, auf dass eure Knochen von der Sonne getrocknet werden können?«, er wartete einen Moment und fuhr fort, als der tuschelnde Protest verstummte. »Ich nicht. Ich werde unserem Häuptling folgen, wie ich es schon immer tat und es mich noch nie enttäuscht hat und ich rate jedem, der noch halbwegs einen Grund zum Leben hat, das Gleiche zu tun!«.
Die meisten in der Menge nickten zustimmend. Sie tuschelten wieder.
»Er hat uns wirklich noch nie enttäuscht, in all den Jahren nicht ein einziges Mal…«
»Der Häuptling ist zwar jung, aber dumm ist er nicht, und wenn Satug davon überzeugt ist...«
Andere Stimmen tuschelten eher negatives.
»Zwei Geistersprecher, die stecken unter einer Decke. Wenn es ums Kämpfen geht, können die doch wohl nicht mitreden, mit ihrem Zeug und allem.«
Ein alter Orc trat vor die Menge.
»Ich erbitte... sprechen zu dürfen, Häuptling?«, fragte er vorsichtig und stützte seinen wackeligen, jedoch in dem hohen Alter noch relativ robusten, Oberkörper auf seinem Stock ab. Hakhouta nickte. Der alte Orc beugte seinen Kopf im Dank und fuhr fort: »Ich sehe keinen Sinn darin, noch weg zu gehen, junger Häuptling. Und ich sehe in den Gesichtsausdrücken der anderen Älteren, dass sie genau so denken wie ich. Lass uns ein paar Vorräte hier und zieht ohne uns weiter. Wir wären eh nicht mehr als eine Last. Ich bitte euch im Namen von unseren Alten und Schwachen.«
Doch diese Bitte klang weniger wie eine Bitte, sondern eher wie ein Akt der Gnade. Natürlich hätte er damit rechnen müssen. Nun waren alle still, nur die anderen Alten nickten zustimmend. Hakhouta überlegte. Konnte er so etwas verantworten? Er blickte fragend Reila an. Sie nickte. Er dachte an Sanji, den alten Troll aus dem Nachbarzelt.
»So sei es. Jeder, der nicht mitziehen möchte aus welchen Gründen auch immer, bleibt hier. Wir werden genug Nahrung für ein paar Tage hierlassen und euch selber über euer Schicksal entscheiden lassen.«, sein Blick fiel auf Sanjis Zelt. Wenn er Teil dieser Masse gewesen wäre, müsste er ganz vorne stehen. Doch als er die ersten Reihen des Auflaufs überblickte, war keine Spur von dem zerbrechlichen Troll zu sehen. »Packt eure Sachen zusammen! Sorgt für Nahrung, sorgt für Kräuter! Sorgt für eure Alten. Wenn die Sonne am höchsten steht, ziehen wir los Richtung Westen.«.
Einige Minuten nach dieser Ansage löste sich der Protest auf und die vielen Gestalten gingen zurück in ihre Zelte und fingen an zu packen, sich Taschen und Beutel über den Rücken zu schmeißen, sich zu verabschieden.
Der restliche Rat des Clans kam auf den Häuptling zu geschritten. Narush und Ginja, einer in etwa so großen Trollfrau wie Narush, Händchen haltend mit einem Lächeln im Gesicht. Sie hatte feurig rotes Haar, und für einen Troll, sehr weibliche Gesichtszüge, eine spitze Nase und lange Wimpern, sowie zwei kleine Hauer jeweils links und rechts neben ihrem Kinn hervorsprießen. Draghol missgelaunt, wie immer. Und Satug stand bereits an seiner Seite.
»Was sollen wir machen?«, fragte Narush neugierig.
»So wie ich dich kenne, hast du wieder alles durchgeplant.«, sagte Draghol mit einem Grinsen im Gesicht. Doch Hakhouta interessierte das alles nicht. Nicht jetzt. Sein Blick war immer noch fixiert auf Sanjis Zelt. Er saß jeden Tag draußen, warum sollte er gerade heute in seinem Zelt bleiben? Wie mit einem Tunnelblick, blendete der Häuptling seine Freunde für einen Moment lang aus und ging in schnellem Schritt die wenigen Meter zu Sanjis Zelt und öffnete den Vorhang.
»Sanji?«, fragte er in das Zelt hinein. Es kam keine Antwort. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinen Gedärmen aus, als er sich umdrehte und auf die große Düne hinter seinem Zelt blickte. Der Rat folgte ihm, als er langsam über die besagte Düne hinüberlief, und sein Blick auf die zwei Gräber fiel. Zwei Gräber und eine Gestalt, zusammen gekauert vor dem rechten Sandhaufen. Ein kalter Schauer überkam den Häuptling und ein Gefühl der Trauer breitete sich in seinem Hals aus. Langsam ging er auf die Gestalt vor dem Grab zu. Die anderen warteten geduldig auf ein Zeichen zum Folgen.
»Sanji?«, fragte er erneut, leise und fasste dem Troll vor dem Grab an die Schulter. Er gab keine Reaktion. Hakhoutas Kehle verengte sich, als er den leblosen Körper von Sanji zu sich drehte. Mit offenen Augen und einem Lächeln im Gesicht lag er vor dem Grab seiner Frau. Langsam glitt der Häuptling mit seinen großen Fingern über das Gesicht von Sanji, schloss seine Augen und winkte seine Freunde anschließend zu ihm hin. »Lasst ihn uns begraben, und dann Vorbereitungen für die Reise treffen. Wir treffen uns im Zelt, wie immer«, sagte er entschlossen, und mit weder einem Anzeichen von Trauer, noch Zweifel, begann er mit seinen Händen im Sand zu graben.
»Wir brauchen Planung.«, sagte Hakhouta einige Minuten später in dem Zelt mit dem gesamten Rat um das erloschene Lagerfeuer verteilt. »Ich werde vorangehen. Wir können auf Sicherheit wohl nicht wirklich verzichten, also werde ich einige Orcs anweisen auf verschiedene Teile des Clans aufzupassen und Alarm zu geben, falls Gefahr droht.«, er blinzelte und guckte zu dem gelangweilten Draghol, der sich wie immer mehr auf seine Axt zu konzentrieren schien, und Narush, welcher ganz im Gegensatz, mit weit geöffneten Augen dem Häuptling zuhörte. »Draghol und Narush. Ihr werdet das übernehmen.« Satug machte ein Geräusch, als hätte er sich an etwas verschluckt.
»Häuptling, was ist mit mir? Bin ich nicht fähig für Sicherheit in unserem Clan zu sorgen?«, sprach er verärgert, in seiner Ehre beleidigt. Offensichtlich hatte er jedes Recht dazu beleidigt zu sein, doch-
»Für dich habe ich eine besondere, wichtigere Aufgabe. Eine Aufgabe, die ich ausschließlich dir zutraue.«, sagte Hakhouta. »Und ich bin sicher, dass Narush und Draghol der Aufgabe mehr als gewachsen sind.«
Narush's Grinsen wurde noch ein Stückchen breiter, bei diesen Worten. Satug atmete tief durch und beruhigte sich. »Entschuldige.«, sagte er schließlich, zu Hakhouta, sowie Narush und Draghol. »Ich wollte niemanden ins schlechte Licht stellen.«
»Reila?«, fragte der Häuptling, »Du wirst für das allgemeine Wohl des Clans sorgen. Sieh täglich zu, dass jeder seine Rationen bekommt. Wir sollten an genügend Wasserlöchern vorbei kommen um täglich zu trinken. Ginja wird dir helfen.« Auch wenn die Trollfrau nicht direkt Teil des Rates war, genoss sie trotzdem das Vertrauen jedes Anwesenden hier.
Sie nickte. Es war nichts Aufregendes und auch wenn sie innerlich nach Abenteuer strebte, was Hakhouta wusste, akzeptierte sie ihre Aufgabe ohne Widerworte oder Diskussion. Hakhouta wusste genau, dass wenn sie nur zu zweit gewesen wären in diesem Moment, wäre dies nicht so gelaufen. Und der Häuptling hatte seine Gründe, warum er Reila und nicht Draghol für solch eine Aufgabe haben wollte. Für das Wohl des Clans, wusste Reila genau wann sie ihren Stolz ignorieren sollte, und wann nicht. Und sie wusste, auch wenn es keine besonders ereignisreiche oder gefährliche Aufgabe war, wenn alles durcheinander geht, würden Streits im Clan ausbrechen. Und das einzige was noch schlimmer war als streitende Orcs, waren hungrige, sich um Essen streitende Orcs. Solch Streitereien, die auf den ersten Blick ziemlich banal erschienen, konnten bei den Orcs in kurzer Zeit zu einem Kampf auf Leben und Tod ausarten. Satug holte tief Luft.
»Und was ist diese Aufgabe, Hakhouta? Was kann ich tun?«, hinter seiner rauen Stimme erklang etwas Eifriges, Neugieriges. Er guckte den Häuptling mit seinen kleinen, schwarzen Augen an.
»Du wirst vor uns reisen. Du bist der Schnellste und Stärkste und kommst alleine besser zurecht, als wenn du in Begleitung reist. Du wirst immer einen halben Tagesmarsch vor uns laufen und... für Ordnung sorgen«. Mit 'für Ordnung sorgen' meinte Hakhouta in diesem Fall: Alles was eine potentielle Gefahr darstellen könnte, beseitigen. Geschmeichelt und zufrieden mit seiner Aufgabe, nickte und schnaufte Satug jeweils einmal und hinter seinen Hauern zeigte sich ein Grinsen. Das Grinsen wurde von Hakhouta erwidert. Auch wenn Satug die Begleitung von Draghol nicht ausschlagen würde, war er sich sicher, dass er alleine vollkommen ausreichend für diese Aufgabe war.
Als Häuptling konnte man nicht immer jedem recht machen (das beste Beispiel dafür war Draghol). Doch wenn es durch einen glücklichen Zufall mal vorkam empfand Hakhouta dies als eine Aufgabe gut erfüllt.
»Ich bin euch allen sehr dankbar, dass ihr zu mir haltet.«, sagte er. Er stand auf und vollführte den alten Jagd Gruß des Clans. Satug lächelte und erwiderte den Gruß sofort, euphorisch. Narush und Reila taten ihm nach kurzem Zögern gleich. Selbst bei Draghol, der seit Tagen schlechte Laune zu haben schien, formte sich ein weites Lächeln im Gesicht und er stand auf und atmete tief ein. Und auch er führte seine geballte Faust zu seiner Stirn, dann zu der Mitte seiner massiven Brust.
»Wir werden dich nicht enttäuschen, mein alter Freund.«, sagte er enthusiastisch, griff seine Axt und sie standen alle auf, und gingen aus dem Zelt.
»Narush?«, fragte Hakhouta als der Troll gerade aus dem Zelt gehen wollte. »Einen Moment, bitte.«
Narush drehte sich zu Hakhouta und ließ alle anderen an sich vorbei, hinaus gehen. Als alle aus dem Zelt verschwunden waren, ging der Troll zu seinem Häuptling.
»Was ist los? Gibt es noch etwas?«, fragte er nichts-ahnend.
»Wo ist deine Freundin?«, fragte der Häuptling.
»Ich habe ihr gesagt, sie solle alle unsere Kräuter zusammen in meinen Beutel packen. Zusammen mit allen Phiolen und Quellwasser was wir tragen können.«, antwortete Narush stramm. Hakhouta nickte zufrieden.
»Du weißt, dass diese Aktion ziemlich anstrengend wird, nicht wahr?«
Narush nickte.
»Du und Ginja seid die einzigen Heiler die wir haben. Und solch eine Reise wird an den Kräften von den meisten zehren. Manche werden sich verletzen... manche werden krank sein«, er hielt einen Moment inne, um die Reaktion des Trolls abzuwarten. Doch es kam keine. Narush lauschte ehrgeizig nach weiteren Worten. »Es ist wichtig, dass wir alle Heilmittel zur Verfügung haben, die du uns geben kannst. Wenn dir das zu viel werden sollte-«
»Ich würde es als eine Schande empfinden, wenn es so wäre, Hakhouta.«, sagte der Troll erschüttert. »Auch wenn ich Tag und Nacht am Brauen bin. Auf dem Weg werden wir bestimmt auch noch nützliche Pflanzen finden. Alles, um dem Clan zu helfen. Denn der ist alles was wir haben.«
Es herrschte einen Moment intensive Stille zwischen den beiden. Dann fing Hakhouta an zu lächeln.
»Mein Vater tat gut daran euch beide aus der See zu fischen, damals.«, sagte Hakhouta schließlich.
»Und es vergeht kein einziger Tag, an welchem ich ihm nicht dafür danke.«, antwortete Narush, stolz. Der Gedanke, dass die Leute sich immer noch an seinen Vater erinnerten, löste ein gewisses Glücksgefühl in Hakhouta aus.
»Wie viel hast du Ginja schon gelehrt? Hast du nachgedacht, dir einen weiteren Helfer zu zulegen?«, fragte Hakhouta anschließend. Der Troll zog eine nicht ganz deutliche Grimasse und schwenkte seine rechte Hand vor seinem Gesicht hin und her und sagte: »Das liegt im Auge des Betrachters, würde ich sagen. Sie lernt schnell...«, er hielt kurz inne. »... schneller als jeder Orc es könnte.«, grinste er.
Der Häuptling gab ein kurzes, lautes Lachen von sich, und dachte nach.
»Ich vertraue dir, Narush. Wenn du sagst sie reicht als Hilfe, dann tut sie das«, sagte er jetzt streng.
»Natürlich. Sonst hätte ich sie nicht als Partnerin gewählt.«
Sie beide nickten einander zu und lächelten.
»Ich danke dir. Du bist ein guter Freund. Mach dich jetzt fertig.«, schloss der Häuptling ab und winkte ihn hinaus.
Ein Blick aus dem Zelt hinaus zeigte, dass doch mehr als gedacht hierblieben. Fast ein Drittel der Orcs saßen vor ihren Zelten in der prallen Sonne, die auch jetzt schon hell schien. Der Rest packte Sachen zusammen, schnürten Bündel mit Lebensmitteln und anderen nützlichen Sachen zu. »Ich werde auch mal zusammenpacken«, sagte Reila und Hakhouta erschrak kurz. Er drehte sich um, und sah wie sie ihn offensichtlich ins Nebenzelt winkte. Als sie dann im Nebenzelt verschwand, hörte der Häuptling etwas sehr Großes das Zelt betreten. »Sie ist ein gutes Weib, nicht wahr?«, sagte Hakhouta lachend.
»Häuptling, du weißt, dass ich solch Gelüsten vor Jahren abgeschworen habe. Solch Gedanken habe ich schon lang' nicht mehr.«, sprach er grinsend. Nun gingen beide zusammen aus dem Zelt und standen in der prallen Sonne. Sie blickten zusammen auf die Orcs. Ob Orcfrau, Kind oder Mann, alle zogen an einem Strang. So etwas kam nicht oft vor, muss man wissen. Im Generellen lebten die Orcs immer noch nach dem Instinkt 'Jeder für sich'. Doch Hakhoutas Vater und auch er arbeiteten hart daran, ein Bündnis zu schaffen, wo man sich gegenseitig half. Und dies sah der Häuptling gerade erblühen.
»Früher oder später wirst auch du ein Weib treffen, was dich deinen Schwur vergessen lassen wird.«, sagte Hakhouta grinsend. Satug schnaufte laut.
»Ich habe lang und hart darüber nachgedacht, Freund.«
»Du meinst du hast lang und hart darüber nachgedacht, als du ein Junge warst.«, er zog seine nackte Augenbraue hoch. »Hätte ich als Junge die Entscheidung gehabt, Feuer aus der Hand zu schießen, oder auf Mädchen zu verzichten, dann hätte ich mich wohl auch für das offensichtliche entschieden.«, lachte er laut. Satug lachte nicht mit, doch er war dem Häuptling nicht böse.
»Ich weiß, ihr versteht es nicht. Doch der Weg, für den Ich mich entschieden habe, soll der sein, den ich ein Leben lang gehe. Als die Geister aufhörten zu mir zu sprechen...«, fing Satug an zu erzählen. Doch-
»Ich fürchtete mich auch.«, unterbrach ihn Hakhouta. »Auch wenn ich nie die Verbindung mit ihnen hatte, wie du sie hast... hattest. Immerhin habe ich Reila, doch...«, er holte tief Luft. »Ich habe öfter darüber nachgedacht den Schwur zu leisten, nach seinem Tod, weißt du.«
»Dann hättest du ihn aus den falschen Beweggründen geleistet und es hätte fatale Folgen gehabt, Häuptling. Und du weißt, dass ich dich davon überzeugt hätte es nicht zu tun.«, antwortete Satug in ernstem Ton, wie ein Vater einen Sohn zurechtstutzen würde. »Ich mach' mich auf den Weg. Ein halber Tagesmarsch ist selbst für mich nicht schnell gemacht.«, sagte Satug, Hakhouta gegen den Oberarm schlagend. »Auf dann, Freund. Warte am Übergang in das andere Land auf uns. Wir werden uns dort sehen. Auf dass die Geister dort wieder zu uns sprechen.«
»Auf dass die Geister dort wieder zu uns sprechen.«, antwortete Satug.
Er nickte und verzog das Gesicht vor Schmerzen, als er auf alle Viere sackte und sich in einen riesigen, Wüstenwolf mit braunem Fell verwandelte. Hakhouta streichelte ihm durch das Fell am Nacken.
»Reise sicher, Wolf.«, und in diesem Moment presste sich der gigantische Wolf von den Hinterpfoten ab und begann schnell wie ein Blitz aus dem Lager zu rennen, gen Westen. Die breiten Pfotenabdrücke verblieben auf dem sandigen Stein von dem Zelt und alle guckten sich um, nachdem was gerade passiert war.
»Manchmal habe ich Zweifel, dass du nicht vielleicht doch diesen Schwur hättest leisten sollen damals...«
Hakhouta hörte Reilas sarkastische, aber dennoch liebevolle Stimme aus dem Zelt ertönen. »Dann könnte ich jedem erzählen, dass mein Mann sich in einen Wolf verwandeln könnte.«, spaßte sie mit einem Lächeln im Gesicht.
»Hör auf...«, sagte Hakhouta. »Die Entscheidung die ich traf, war die richtige«, und presste seine Stirn auf die ihre. Beide genossen den Moment für einige Sekunden. »Und außerdem ist es nicht mal sicher, dass das Ritual bei mir denselben Effekt gehabt hätte wie bei Satug.«, grinste er. »Vielleicht würde ich eine Echse werden, oder ein kleiner Vogel, wer weiß.«
Reila lachte, und zog ihren Häuptling in das Nebenzelt.
Als die Sonne am höchsten stand, waren sie beide schon lange wieder dabei, wichtige Sachen zu packen. All ihr abgehangenes Fleisch packte er in einen Lederbeutel. Reila fing an die Felldecke aus dem Nebenzelt zusammen zu rollen, als sie Hakhouta bemerkte. Reila rollte die Decke noch ein Stückchen weiter ein und stopfte sie in einen großen Beutel, den sie selber gemacht hatte. Sie hing sich den Beutel um die Schulter und ging zu ihrem Mann im Hauptzelt. Er stand dort, und überlegte.
»Willst du sie nicht mitnehmen?«, fragte sie ihn, als er sich gerade von den kleinen Totems abgewandt hatte.
»Wozu?«, fragte er unsicher.
»Sie sind von deinem Vater...«, antwortete sie, schlicht. »Ich verstehe, wenn du sie mitnehmen möchtest.«
Der junge Häuptling überlegte, gründlich.
»Eine unnötige Last.«, sagte er schließlich. »Selbst wenn ich sie mitnehmen würde, was sollte ich damit tun?«
»Angorath hat beachtliche Magie damit betrieben und-«, sagte Reila, doch sie wurde unterbrochen.
»Wir wissen alle, dass das eine Geschichte ist, Reila. Nicht mehr. Mein Vater war mächtig und hätte diese Dinge auch ohne... ohne diese Dinger gekonnt.«
Auch wenn er es nicht zugab, wusste Reila, dass sie einen Nerv getroffen hatte. Hakhouta war stark und sein Wille war Eisen, doch er hatte auch Gefühle, wie jeder andere. Auch wenn Orcs dies nicht oft zeigten.
»Und selbst wenn... die Geister sprechen nicht mehr zu mir. Ich denke daran kann man nichts ändern.«, sagte er, lächelte Reila zu und er verließ mit seinem Beutel das Zelt.
Reila überlegte einen Moment. Und nachdem ein paar Minuten vergangen waren, nahm sie sich einen zweiten Beutel, und stopfte die drei kleinen Totems mit Tierköpfen darauf, in diesen Beutel. Sie guckte hinein und bemerkte, dass wenn Hakhouta mitbekommen würde, dass sie sie doch mitgenommen hatte, er wahrscheinlich etwas... gereizt darauf reagieren könnte. Also überlegte sie schnell und zückte ihr Messer. Sie ging zu der Wand des Zeltes, wo verschiedene Felle hingen und schnitt ein Stück davon ab.
»Perfekt«, dachte sie und grinste. Eine simple Lösung, aber sie würde reichen, dachte sie, nachdem die das Fell über die Totems in ihrer Tasche ausgebreitet hatte. So würde niemand darauf Acht geben.
Außerhalb des Zeltes erwartete sie Durcheinander und Unordnung, doch als sie ihren Kopf raus aus dem Zelt, ins glühende Sonnenlicht streckte, sah sie den Häuptling vor einer, für Orcs, relativ gut gegliederten Masse stehen.
»Wir gehen langsam!«, brüllte er, und brachte damit auch die letzten tuschelnden Stimmen zum Schweigen. »Wir denken an die Kranken, Jungen und Alten!«, sprach er weiter, »Wir sollten einmal pro Tag an einer Wasserstelle vorbeikommen!«. Er blickte in die Masse, die erwartungsvoll stillstand. Hakhouta hatte das Gefühl, dass die meisten auf mehr Anweisungen warteten. Doch die Wahrheit war, dass er selbst nicht wusste, ob es überhaupt noch mehr gab. »Wir ziehen gen Westen!«, brüllte er und stampfte auf die Orcversammlung zu, direkt auf die Mitte. »Draghol?!«, fragte er laut, und schon kurz darauf, erschien Draghol an seiner Seite.
»Hm?«, schnaufte er. »Na los Leute, bildet eine Gasse!«, schnauzte er, als die beiden zwischen den Orcs hin und her liefen. Und als ob er ein magisches Wort gesagt hätte, spaltete sich die große Gruppe auf, um ihren Häuptling durch zu lassen.
»Du läufst hinter mir.«, sagte Hakhouta zu Draghol.
»Hm.«, Draghol nickte, und fasste seine große Zweihandaxt. Sie gingen noch eine kurze Zeit durch die Menge hindurch, und dem Häuptling wurden viele Sachen zugeflüstert, gerufen und gesagt. Oftmals Danksagungen, viele schienen diesen Gedanken schon eine Weile gehabt zu haben. Den Gedanken an das Verlassen dieses Ortes. Sie sprachen ihm gut zu, und priesen seinen Mut. Im Normalfall, würde er dies hinnehmen. Doch mit jedem Kompliment was er bekam, wurde er noch unsicherer.
Durch die Menge hindurch gestoßen, blickten die beiden Orcs auf das alte Land. Steiniger, orange-gelb farbiger Boden, und eine dünne Schicht Sand darüber so weit das Auge reichte. In weiter Ferne sahen sie ein paar Dünen aus Sand. Große Steine, und kahle, trockene Bäume schmückten den Horizont. Und ohne es wirklich gemerkt zu haben, waren die beiden schon losgelaufen. Und hunderte von Orcs, begannen ihnen zu folgen. Der Clan war losgezogen.
Natürlich wusste Hakhouta genau, wo der Westen lag. Doch in seinem Inneren war es ihm wohler zu Mute, wenn er sich von etwas anleiten lassen konnte. Deswegen lief der junge Häuptling zwar immer etwas abseits, aber immer in Sichtweite der großen Pfotenabdrücke, die Satug vor wenigen Stunden auf dem warmen Stein zurückließ. Kinder und Eltern redeten, und äußerten ihre Sorgen einander. Sie flüsterten zwar, aber Hakhouta überhörte dennoch viel des Getuschels. Die Laune Draghols hatte sich seit dem letzten Gespräch gehalten. Er war motiviert, mehr als er es in den letzten Monaten war. Nun war es für Draghol auch nichts Besonderes. Noch befand sich der Clan im Jagdgebiet der Orcs. Und Draghol, als Leiter der Jagd kannte jeden Stein, jedes Erdloch und jedes Sandkorn in und auswendig. Er jagte hier schon seit vielen Jahren, deswegen hatte der Häuptling auch entschieden, dass er vorne lief. Auch wenn es keiner äußerte, und Hakhouta war nicht einmal sicher ob Draghol es selbst spürte, es gab den einfachen Orcs des Clans ein gutes Gefühl, zu wissen, dass jemand der sich auskannte, vorne zu sehen. Hakhouta hatte auch schon gejagt, für die Verhältnisse eines Häuptlings ziemlich oft sogar. Doch im Endeffekt, wusste Hakhouta nach jeder Jagd, dass diese seine Letzte hätte seien können. Und dieses Risiko wollte er weder für den Clan, noch für Reila tragen. Draghol stopfte sich seine Holzpfeife, in der Hoffnung, dass er am Abend etwas entspannen könne. Gerade noch in der Mitte der Masse, lief Narush mit Ginja. Und da die beiden die einzigen Nicht-Orcs des Clans waren, waren sie auch immer wieder Lieblinge der jungen Orcs. Und das nicht nur, weil sie anders aussahen, nein. Narush hatte immer eine Geschichte zu erzählen, wenn man ihn danach fragte. Zugegeben, nicht alle Eltern der Kinder hießen diese, in manchen Fällen nicht ganz jugendfreie, Geschichten gut.
»Und dann nachts, wenn der Häuptling Tenzhu schlief«, kicherte er. Ginja grinste mit ihm und lachte leise, während die Kinder lauschten. »Sind wir zusammen auf das Dach des Häuptlings geklettert und haben getanzt! Die ganze Nacht! Naja, bis das große Feuer erlosch und... wir nichts mehr sehen konnten natürlich«.
Ginja hatte drei Taschen über ihre Schulter gehängt. Sie waren alle gefüllt mit Holzschüsseln und kleinen Gefäßen, welche die verschiedensten Kräuter darin hatten. Und Narush war auch nicht wenig bepackt. Er hatte auch drei Taschen um sich gehängt, nur waren seine Taschen einzig und allein mit Kräutern gefüllt. Als Heiler und Kräutermischer, hatten die beiden Trolle eigentlich immer zu tun. Und Draghols Jagdgruppe brachte immer neues Kraut mit, bei jeder Jagd. Doch ab jetzt, mussten die beiden wohl selbst darauf achten und mitnehmen, was sie konnten. Da Narush auch nicht der beste Denker war, hatte er sich nicht die Mühe gemacht abzuschätzen wie viel Kraut man für eine solche Reise benötigen würde. Und somit hat er einfach alles mitgenommen, was er hatte. Ginja hingegen nahm nur das Nötigste mit. Das Wertvollste und wichtigste Kraut. Zum Heilen von Wunden, Senkung von Fieber und Lindern von starken Schmerzen. Während einer von Narushs Beuteln voll mit leckerem Tee war.
»Heute Nacht«, sagte Narush, nachdem alle Kinder verschwunden waren. »Werden wir brauen.«
Ginja nickte, zustimmend.
»Hast du Feuersteine eingepackt?«, fragte sie, mit strengem Blick, wie eine Mutter ihr Kind anschauen würde, nachdem es die Feuersteine vier Mal vergessen hatte.
Narush schluckte. Er wusste was für ein Theater es gäbe, wenn er sie vergessen hätte.
Nervös huschten seine Augen hin und her, nur nicht die Augen von Ginja treffend. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn.
»Vielleicht.«, antwortete er, determiniert, doch Ginja deckte den Bluff ohne Schwierigkeiten auf.
»Gut, dass ich sie eingesteckt habe, Schwachkopf.«, sagte sie und rollte die Augen.
Narush atmete auf und wischte sich die Stirn.
»Das wusste ich.«, sagte er, sarkastisch. »Sonst hätte ich sie ja eingesteckt.«
»Natürlich.«, antwortete Ginja, »Wo lagen sie denn?«
Narush schluckte.
Alle Orcs halfen ein bisschen, jedenfalls versuchten sie es. Die Jungen und starken Jäger trugen Verpflegung und Decken, um den Alten das Reisen zu vereinfachen oder in manchen Fällen, überhaupt erst möglich zu machen. Es dauerte wenige Stunden, bis die Alten und Kranken bereits bis nach hinten der Karawane gerutscht waren. Reila sah noch einige Minuten zu wie die Lücke zwischen den Alten und dem Rest des Clans stetig wuchs und größer wurde, Meter für Meter. Die meisten Alten Orcs liefen mit zwei Stöcken, denn wenn ein Orc, besonders die großen Männer, alt wurden, mussten die ebenso alten Knochen umso mehr Gewicht tragen. Somit fiel es den Alten Orcs leichter ihr hohes Oberkörpergewicht auf den Stöcken zu stützen, als auf ihren gebrechlichen Wirbelsäulen. Denn an sich veränderten die massiven Körper der Orcs wenig im Alter. Nur die Knochen gaben nach, was das Laufen immer schwerer und schwerer machte. Es waren nicht viele die immer weiter nach hinten gelangen, aber dennoch dachte Reila, dass das nicht so weiter gehen konnte. Sie machte sich auf den Weg nach vorne, nicht durch die Menge, sondern außen herum.
Mit schnellem Schritt gelang sie nach ein paar Minuten an den Kopf der Gruppe, wo Hakhouta und Draghol sich unterhielten.
»Hakhouta!«, sagte sie laut, etwas außer Atem. Es war schon ein ganzes Stückchen zwischen dem Anfang und Ende dieser ganzen Horde von Orcs. »Die Alten bleiben zurück. Wir müssen langsamer gehen.«
Der Häuptling guckte Draghol an. »Wie lang haben wir noch?«, fragte er.
Draghol kniff die ohne-hin schon kleinen Augen zusammen, und hob die Hand als Sonnenschutz, sodass sein braunes Gesicht von Schatten bedeckt war.
»Ein paar Stunden. Sechs höchstens...«, grunzte er.
Der Häuptling dachte nach, während er langsamer wurde. »Draghol und Ich sprachen gerade darüber, ohne die Sonne weiter zu laufen.«, sagte er nachdenklich.
»Auf keinen Fall.«, sagte Reila schockiert. »Die Alten kommen ja schon am Tage kaum hinterher, wie habt ihr euch das vorgestellt?«
»Keine Sonne heißt weniger Hitze-«, begann Draghol, doch wurde sofort von Reila unterbrochen.
»Du weißt genau, dass es kein großer Unterschied ist. Und wenn die Alten müde und im Dunkeln wandern müssen, hat das kein gutes Ende.«, es schien bei ihr einen bestimmten Nerv getroffen zu haben, denn sie war offensichtlich sehr betroffen davon.
»Früher oder später wird das eh kein gutes Ende für sie haben...«, murmelte Draghol während er sich umdrehte. Etwas, was er besser nicht getan hätte.
»Wie KANNST du es wagen!«, hisste Reila und stürmte auf Draghol zu und schmiss sich mit all ihrem Gewicht gegen ihn. Der Orc stolperte einen Schritt nach hinten, aber erhob nicht einen Finger, um etwas zu unternehmen. »Ich weiß ja, dass das Einzige was dir wichtig ist, du selber bist, aber unsere Alten einfach so im Dreck liegen zu lassen, wäre selbst für dich ein neues Tief.«, zischte sie, und schlug mit den Fäusten gegen den Arm, den Draghol zu seinem Schutze hochgenommen hatte.
»Reila!«, sagte Hakhouta mit erhobener Stimme, und hielt seine Frau davon ab, weitere Schläge auszuführen. »Dies ist nicht der Moment für Schlägereien«, und er blickte Draghol an. Er nickte, und so tat der Häuptling.
»Du bist auf seiner Seite?«, fragte sie unglaubwürdig.
»Ich bin auf keiner Seite, Reila. Wir sind nicht einen Tag unterwegs, und schon gibt es Unruhe. Das ist kein gutes Zeichen. Lasst uns heut' Abend am Feuer mit Ginja und Narush darüber reden.«, schlug er leise vor.
»Seine Laune ging mir schon seit Tagen auf die Nerven.«, schnaubte sie abschließend und drehte sich zum Clan um. Dann bemerkte sie, dass dutzende von Orcs, sie anstarrten. Sie waren stehen geblieben, und hatten es nicht einmal gemerkt. Niemand sagte etwas, bis-
»Keine Stopps mehr bis die Sonne untergegangen ist! Dann können wir Feuer machen!«, rief Hakhouta in die Menge und alle setzten sich wieder in Bewegung.
»Beruhige dich etwas, Reila. Ich bin sicher er hat es nicht so gemeint.«, versuchte er seine Frau zu beruhigen, die immer noch schwer ein und aus atmete vor Wut.
»Ich wäre mir nicht so sicher.«, antwortete sie leise. So leise, dass Draghol es nicht hören konnte. »Ich gehe jetzt«, sagte sie jetzt laut und wie in einer normalen Konversation, »Rationen für heute Abend verteilen. Vielleicht macht Draghol ja auch mal etwas nützliches.«, und mit einem Schwung drehte sie sich um, und verschwand in der Menge.
»Ganz schönes Temperament.«, murmelte Draghol, »Manchmal frag ich mich, warum du sie gewählt hast.«, sagte er ehrlich.
Der Häuptling fasste dies weder als Kritik noch Beleidigung auf, wie es manch anderer getan hätte. Für ihn war es ein Kompliment.
»Es ist eine gute Partnerschaft und du weißt, dass sie auch gute Seiten hat.«, grinste er und Draghol schnaufte laut. Die nächsten Stunden vergingen langsam. Es war sehr heiß, schwitzen taten die Orcs jedoch nicht. Sie waren es gewohnt. Wenn selten mal ein Wind aufkam, war er genauso schnell wieder weg, wie er gekommen war. Und trotzdem hatte Hakhouta das Gefühl, dass der Wind von einer Stunde zur nächsten angenehmer auf seiner braun gebrannten Haut wurde. Doch vielleicht spielte ihm sein Kopf nur einen Streich. Draghol erzählte oft von kleinen Spielchen die dein Kopf mit dir trieb, wenn man so lang in der prallen Sonne unterwegs war. Er, als Leiter der Jagd wusste alles darüber lang in der Sonne unterwegs zu sein.
Hinten wieder angekommen, sah Reila, dass die Alten wieder aufgeholt hatten. Es war ihr nicht wichtig, dass sie wussten, dass sie es war, die dafür gesorgt hatte. Ihr war der Zusammenhalt wichtig, und diesen hatte sie mehr oder weniger hergestellt. Sie begann die ersten Rationen zu besorgen. Getragen wurden diese von den Orcs die noch jung und fit waren. Sie sorgte dafür, dass jeder einzelne Orc und jede Familie ihren Anteil bekam, als die Sonne schließlich unterging.