Читать книгу Reflactive Leadership - from purpose to impact - Marius Klauser - Страница 9

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1. Einführung und Zielsetzung


1.1 Aufbruch zu einem nachhaltigen Miteinander

Die Zeit ist reif – Wirtschaft UND Gesellschaft brauchen ein neues Verständnis, was für uns Menschen wirklich erstrebenswert ist und wie wir es auch erreichen. Das wiederrum erfordert ein neues Erfolgs- und Wirkungsverständnis und dazu passende, neue Formen von Zusammenarbeit und Führung. Hierzu einen Beitrag zu leisten ist meine Motivation für diesen Leitfaden.

Gefragt ist ein qualitatives Wachstum, welches dem quantitativen Wachstum Grenzen setzt. Noch liegt es in unserer Hand, dies selbst zu steuern. Warten wir zu lang, wird uns die Natur noch in diesem Jahrhundert die Grenzen setzen. Gaya Herrington hat 2021 die Vorhersagen des Berichts für den Club of Rome «Grenzen des Wachstums» von 1972 mit Hilfe aktueller Daten analysiert und kommt zum Schluss, dass noch ein kurzes Zeitfenster besteht, den Zusammenbruch unseres Planeten aufzuhalten und in ein stabilisiertes Szenario zu kommen. So weit, so bekannt.

Das Ziel einer nachhaltigen Marktwirtschaft im Dienst von Menschen und Umwelt, die einen wesentlichen Beitrag zur genannten Stabilisierung leisten kann, verfolgen bereits verschiedene Initiativen rund um die zwischenzeitlich für immer mehr Unternehmen relevanten ESG-Standards – Environment, Social, Governance. Reflactive Leadership geht darauf basierend noch weiter im Sinne von GLT – Governance, Leadership, Transformation – mit der Intention, eine gefragte Zukunftskompetenz auf der Ebene von Staaten, Unternehmen und Individuen zu werden.

Jede Führungskraft kann selbst einen Beitrag leisten zu einem neuen Bewusstsein, wie Wirtschaft UND Gesellschaft inskünftig zusammenwirken sollen. Hier setzt der vorliegende Leitfaden an, in dem er aufzeigt, wie es Führungskräften gelingt, Mitarbeitenden andere Sozialisierungsräume zu bieten als dies in den vergangenen, stark monetär orientierten Jahrzehnten der Fall war. Dadurch weicht der ausgeprägte individuelle Fokus auf Beruf, Karriere und Status einem ausbalancierteren, gemeinschaftsorientierteren Lebenskonzept.

Der Leitfaden bezieht sich somit nicht auf theoretisch Wünschbares von Staaten, sondern praktisch Umsetzbares für Führungskräfte, welche Verantwortung übernehmen wollen. Dies geleitet von der Frage «Was kann ich als Führungsperson für den nachhaltigen Erfolg der Gemeinschaft tun?» Ein solches Führungsverständnis zahlt ein auf nachhaltige Entwicklungen, verstanden als Dreiklang aus Ökologie, Sozialem und Ökonomie. Menschen steigern mit diesem Ansatz ihre Wirksamkeit, Lebenstüchtigkeit und Zufriedenheit. Organisationen steigern ihre Funktions-, Wettbewerbs- und Entwicklungsfähigkeit. Die wirksame Zusammenarbeit führt dabei zu zufriedenen und produktiven Mitarbeitenden und die nutzenstiftenden Leistungen zu begeisterten Kunden. Alles zusammen garantiert nachhaltigen, sinnorientierten Erfolg.

Die aus dieser Führungskompetenz resultierende Führungsqualität ist der Wettbewerbsvorteil der Zukunft. Reflactive Leadership kann im Sinne eines fundierten Ansatzes und einer pragmatischen Methodik der Weg dazu sein. Sie ist das Leadership-, Management- und Organisationsverständnis für eine neue Welt, angelegt als «Open Innovation System», das Führungskräfte in die kontinuierliche Weiterentwicklung einbezieht.

1.2 Wirksame Führung bewegt Menschen und Organisationen

Der ganzheitliche Reflactive Leadership Ansatz stellt den Menschen ins Zentrum. Er bedient sich primär der Erkenntnisse aus Kybernetik und Bionik, Soziologie und Psychologie sowie Neurowissenschaften und Verhaltensökonomie. Damit ist der Reflactive Leadership etwas anderes als das Aneinanderreihen von betriebswirtschaftlichen Disziplinen.

Reflactive Leadership ist das Zusammenspiel von reflective, active und emotive Leadership. Sie verbindet Wirtschaft und Gesellschaft, vereint Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit, führt zu einem neuen Selbstverständnis und Gemeinschaftsgefühl und ebnet letztlich den Weg für sinnerfüllte Menschen resp. Mitarbeitende in erfolgreichen Organisationen. «(Reflactive) Leading is important, but (hierarchical) leaders are not». Die Wirkung von Führung ist entscheidend, deshalb sollten sich Leader nicht wichtiger nehmen als Follower. Denn für eine nachhaltig erfolgreiche Führungsarbeit sind alle Menschen wichtig und alle in unterschiedlichem Ausmass selbst Leader und Follower. Leader sind immer selbst auch Follower, sie folgen anderen Persönlichkeiten, einem grösseren Ganzen und ihrer inneren Überzeugung.

Mittels einer generischen Methodik ermöglicht der Ansatz Führungskräften, Reflactive Leadership im Sinne von Führungskompetenz aufzubauen und zu entwickeln, um dadurch immer wieder von Neuem passende Lösungen für sich verändernden Herausforderungen und Situationen in der Führungsarbeit zu finden. Denn das Ziel von Reflactive Leadership ist das wirksame Denken, Fühlen und Handeln von Menschen. So verstandene Führungskompetenz ist der Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Der Reflactive Leadership Ansatz ist gleichzeitig Ordnungs-/Denkmodell UND Handlungs-/Wirkungsmodell für Leader im Komplexitätszeitalter. Denn der Ansatz stellt Erfolgsziele sowie Führungsinhalte und -methoden in einen sinnhaften Zusammenhang. So lassen sich z. B. unterschiedlichste Vorgehensweisen und Modelle wie Balanced Scorecard, Scrum oder Holacracy einordnen und deren Tauglichkeit für die jeweilige Situation beurteilen.

Reflactive Leadership begünstigt die Transformation von Ideen/Ressourcen in Nutzen/Resultate. Ganz gleich, ob dies im Führungsverständnis auf Ebene Individuum, Team, Unternehmen oder Netzwerkorganisation geschieht. Es geht immer um die Beantwortung der Frage, was heute zu tun ist, um (auch) morgen erfolgreich zu sein.

Verantwortungsvolle Führung führt weg vom “entweder/oder” hin zum “sowohl/als auch” und verbindet daher Denken UND Handeln, Zufriedenheit UND Produktivität, Menschlichkeit UND Wirtschaftlichkeit sowie Gesellschaft UND Wirtschaft. Verantwortungsvolle Führung bewegt – Menschen, Unternehmen, Märkte und die Gesellschaft insgesamt.

1.3 Mit der Änderungsgeschwindigkeit mithalten können

In den letzten Jahrzehnten hat die Komplexität in Wirtschaft und Gesellschaft nochmals spürbar und mit hohem Tempo zugenommen. Treiber von Komplexität sind u.a. die Globalisierung, Technologisierung, Digitalisierung und vielfältige Kundenbedürfnisse. Gesellschaften, Unternehmen und Teams sind komplexe Systeme, deren konkretes Verhalten in Situation X zu Zeitpunkt Y nicht vorhersagbar ist, wo ein gleicher Input nicht immer zu gleichem Output führt. Dies kann zu Unsicherheit, Volatilität und Vieldeutigkeit führen. Gleichzeitig schafft Komplexität – verstanden als Vielfalt – auch multiperspektivische Sichtweisen, bessere Ergebnisse und grössere Wahlmöglichkeiten.

Das Problem ist weniger die Komplexität als unser Umgang mit ihr. Viele Menschen erachten Komplexität als etwas Negatives und möchten sie daher möglichst reduzieren. Stattdessen ist Komplexität (z. B. Diversität in einem Verwaltungsrat oder Vielfalt an Konsumgütern) durchaus positiv und somit etwas, was man nutzen oder gar bewusst erhöhen – statt reduzieren – kann. Komplexe Fragestellungen lassen sich nicht mit einfachen Mitteln lösen. Es braucht intelligente Lösungen für das Meistern von komplexen Situationen.

Nicht immer ist es sinnvoll Komplexität zu reduzieren; oft ist es besser Komplexität zu nutzen oder gar zu erhöhen.

Wenn nun also die Komplexität und dadurch auch die Veränderungsgeschwindigkeit in unserem relevanten Umfeld über die letzten Jahrzehnte zugenommen hat, dann gilt es darauf zu achten, dass unsere Veränderungsgeschwindigkeit mithalten kann. Egal, was wir beruflich und privat erreichen und (er)leben wollen, wir müssen immer bei uns selbst beginnen. Dies braucht Agilität, als die Fähigkeit sich immer wieder von neuem an Situationen anzupassen und Ressourcen entsprechend umzulagern. Weil nicht immer alles auf Anhieb gelingt, sind zudem Widerstandskraft und der Mut, es wiederholt zu probieren, wichtig. Häufig spricht man dabei auch von Resilienz.

Reflactive Leadership bietet für den Umgang mit hoher Komplexität eine Lösungsfindungsmethodik, die Menschen ermöglicht, sich wirksam einzubringen und sinnerfüllt zu arbeiten und zu leben. Der Ansatz hat das Potenzial, ein neues gemeinsames Verständnis darüber zu schaffen, wie wir führen und selbst geführt werden wollen.

1.4 Leben ist Lösungsfindung durch Denken und Handeln

Schon Karl Popper als einer der bedeutendsten Wissenschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts sprach davon, dass alles Leben Problemlösen sei. Er verstand den Problembegriff wesentlich breiter als im heutigen Sprachgebrauch. Ich stelle daher das Leben in den Kontext von Lösungsfindung und richte den Fokus darauf, Möglichkeiten und Chancen zu nutzen, statt sich dem negativen Interpretationssog von Problemen, Risiken und Sorgen hinzugeben. Letztlich geht es darum, Spannungen zwischen den eigenen, persönlichen Belangen und dem äusseren Umfeld möglichst zugunsten beider Seiten zu lösen. Spannungen sind per se weder positiv noch negativ. Doch sie lösen Wahrnehmungen und Emotionen aus, deren gedankliche Bewertung zu Gefühlen führt und sie wandeln über Handlungen einen bestehenden Zustand in einen neuen. Spannungen sind somit Auslöser von Veränderungen, als einzige Konstante im Leben. In diesem Sinne ist eine vorweggedachte und vorweggestaltete Zukunft die neue Gegenwart. Und in dieser Gegenwart ist auch bereits wieder die Zukunft vorwegzudenken und zu gestalten. Die Einen warten, bis die Zukunft kommt, die Anderen gestalten sie.

Das Modell der zirkulären Lösungsfindung ist die Basis für Selbstentwicklung und -steuerung. Dies kann physikalisch auch mit den Kreiselkräften erklärt werden, wo der sogenannte gyroskopische Effekt zu Selbststeuerung und zu Stabilität führt. Wir alle kennen das, sei es vom Kinderspielzeug-Kreisel oder dem Fahrradfahren – ein Rad im Schwung bringt einen vorwärts.

Wer sein Lösungsfindungsrad in Schwung hält, hat die beste Voraussetzung für Stabilität in instabilen Zeiten, für Agilität resp. Lenkfähigkeit auch in schwierigem Gelände und letztlich für lebenslanges Lernen.


Abbildung 1: Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln bei der Lösungsfindung

Das Zusammenspiel von Denken, Fühlen und Handeln ist äusserst relevant für die Führungswirkung. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass alle drei Aspekte sich gegenseitig beeinflussen: Denken prägt Fühlen, Fühlen prägt Handeln und Handeln prägt Denken. Genauer gesagt muss Handeln zuerst wahrgenommen werden, bevor darüber nachgedacht werden kann (s. Abb. 1). Im Rahmen des Reflactive Leadership-Ansatzes wird häufig das Zusammenspiel von Reflexion/Denken und Aktion/Handeln erwähnt, wobei Fühlen und Wahrnehmen jeweils einbezogen sind. Eine positive Grundhaltung und eine Visualisierung der möglichen Zukunft nutzt die Kraft des dargelegten zirkulären Prozesses für Spitzenleistungen in Sport, Beruf und darüber hinaus. So wird es vergleichsweise einfach für alle (die wollen), sich auf mögliche Lösungen statt Probleme zu fokussieren und dadurch auch positiver durchs Leben zu gehen.

Reflactive Leadership ist das ganzheitliche Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln, welches einen selbst und andere bewegt hin zu einem sinnerfüllten Leben.

1.5 Gemeinsames Führungsverständnis als Wettbewerbsvorteil

In der Führungspraxis besteht oftmals passive Orientierungslosigkeit oder aktive Verwirrung aufgrund eines fehlenden gemeinsamen Verständnisses und Sprachgebrauchs, was Führung eigentlich ist. Dabei ist genau das die wichtigste «Corporate Language». Denn das aktive Leben des gemeinsamen Führungsverständnisses prägt die Kultur und man ist in der Lage, aufkommende Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Darüber hinaus dient ein gemeinsames Führungsverständnis auch als Orientierungsrahmen, anhand dessen sich unterschiedliche Führungsansätze einordnen resp. auf ihre Anwendbarkeit und Wirksamkeit für die jeweils aktuelle Organisationssituation beurteilen lassen.

Ansätze wie Holacracy bieten wertvolle Erkenntnisse und können in gewissen Situationen hervorragend wirken; beispielsweise in Unternehmen mit einfachen, transparenten Geschäftsmodellen (Projektgeschäft mit unmittelbarem Kundenfeedback) und sehr homogenen Unternehmenskulturen (Generation Y/Z, flexibel, selbstmotiviert etc.). Für traditionellere, vielschichtigere Unternehmen hingegen kann ein solcher Ansatz völlig ungeeignet und kulturbedingt nicht umsetzbar sein.

Eine weitere Ursache für die besagte Orientierungslosigkeit und Verwirrung liegt in der stark vereinfachten Darstellung, Management beziehe sich auf Sachen (z.B. Customer Relationship Management) und Strukturen (indirekte Führung), währenddem Leadership sich auf Personen beziehe (direkte Führung). Das ist irreführend, denn die deutsche Übersetzung von Management und Leadership ist Führung. Wichtig wäre daher, eine gemeinsame Sprache aufzubauen, die das Verständnis von Führung fördert und klar differenziert. Dafür sind erfahrungsgemäss Zusätze hilfreich wie Unternehmensführung, Projektführung, Mitarbeitendenführung oder Selbstführung – das schafft Klarheit.

Da leider in der Praxis Management nicht mehr dem ganzheitlichen Verständnis entspricht, wie es etwa von Ulrich/Krieg in den 1970er Jahren im St. Galler Managementmodell konzipiert wurde, kann heutzutage ein ganzheitliches Führungsverständnis nicht mehr unter den englischen Begriff Management gestellt werden. Stattdessen kann Leadership ein umfassendes Führungsverständnis verkörpern, das etwa auf folgende Formel gebracht werden könnte:

Leadership = Management + Umsicht (Sozialkompetenz) + Weitsicht (Zukunftskompetenz)

Reflactive Leadership verkörpert dieses ganzheitliche Führungsverständnis und ist die Führungskompetenz, welche Individuen, Teams, Geschäfte und ganze Netzwerke wirkungsvoll einen Zweck erfüllen lässt. Es ist eine auf die gewünschte Wirkung hinbewegende Kraft, weshalb wir bei «Reflactoren» auch von Führungskräften sprechen. Wirksame Führungskräfte vereinen Management-, Sozial- und Zukunftskompetenzen. Daraus ergibt sich folgende Führungswirkung: Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Organisationen sowie Lebenstüchtigkeit und -sinn von Menschen.

Zusammengefasst bedeutet Reflactive Leadership: Das Richtige richtig und aufrichtig tun – reflective, active, emotive.

Zu den Schlüsselaufgaben verantwortungsvoller Führungskräfte gehört das Etablieren eines gemeinsamen Führungsverständnisses im eigenen Zuständigkeitsbereich und darüber hinaus, um andere Personen zu verantwortungsvollen Führungskräften zu entwickeln. Der Reflactive Leadership-Ansatz unterstützt das, da er verschiedene Anwendungsebenen der Führung («Steuerungs- und Wirkungsebenen) systematisch beschreibt und zueinander in Verbindung bringt. Somit ist Reflactive Leadership auch eine gute Basis für eine gemeinsame Führungssprache.

Reflactive Leadership - from purpose to impact

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