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Covens, Clubs und Clans

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Natürlich treiben sich Vampire massenhaft im Netz herum, doch es gibt zumindest in Deutschland auch genügend schwarze Hangouts in großen und kleinen Städten, darunter Leipzig, Halle, Berlin, Köln, Neubrandenburg, Bremen, Salzwedel, Dortmund, Leverkusen, Hanau, Karlsruhe, Dortmund, Bochum und München. Natürlich ist nicht alles Vampir, was schwarz schimmert, aber im Crossover der schwarzen Kulturen wabert mehr, als es dem Betrachter scheint. Hinzu kommt, dass besonders psychische Vampire oft nichts von ihrer Neigung wissen.5 Sie sind dann einfach Nervensägen, Laberzecken, Depressive oder Groupies – Menschen also, die mehr nehmen, als sie geben. Die übrigen Vampire sind erweckt, das heißt, sie haben irgendwann bemerkt, dass ihr sich veränderndes Verhalten sie von den anderen Menschen isoliert (awakening).6

U.S.-amerikanische Vampire zieht es – schon wegen der enormen Prüderie außerhalb – fast nur in die Metropolen. Manhattan bietet dabei gegenüber dem Rest der USA zwei Vorteile. Erstens sind dort die Szene-Grenzen zu Gothic, Fetisch und S/M so fließend, dass sich kein Mensch wundert, einen Dandy in schwarzem Zylinderhut – natürlich mit abgespreiztem kleinen Finger und hoch gezogener Braue – neben einem soliden S/M-Spann-Rahmen stehen zu sehen.

Zweitens gibt es in Manhattan den Meat Packing District. Das immobilienmäßig recht unerschlossene Hafen- und Lager-Gebiet liegt am westlichen Ende der Zehnten Straße. In diesem verlassenen Viertel gab es bis vor kurzem noch große und dustere Räume für wenig Geld zu mieten. Die Blut-Fete zur Eröffnung des Filmes Blade7 könnte dort gedreht worden sein.8

Ein Mitglied des Manhattener Sanguiariums wartet im Jahr 1997 vor „Halloween Adventures“ auf den Family Dentist.

Marschiert mensch vom Meat Packing District entlang der Zehnten Straße nach Osten, so kommt man zuerst an einer Kirche vorbei, die für ihre Bingo-Abende berühmt ist, dann an der Haupt-Strecke für aufgedonnerte Transen und zuletzt ins East Village, der einst weltweiten Zentrale für Hippies, Punks, Gothics und Kenner von Body Modifications.9 Dort befindet sich Halloween Adventures, eigentlich ein Masken- und Zauber-Laden. Der Chef hat dem Manhattener Sanguinarium eine eigene Verkaufs-Theke zur Verfügung gestellt. Dort vertickern die Vampire neben Effekt-Kontakt-Linsen und Zähnen des örtlichen family dentists auch vampirische Erkennungs-Zeichen, so genannte Sigils. Diese schmucken Stücke erlauben nicht nur die Identifizierung Gleichgesinnter im Tages-Licht, sondern vergünstigen manchmal auch den Eintritt zu einschlägigen Partys, meist um fünf Dollar.

Der Mother Club, 1998. Hinter der goldenen (!) Tür fanden prima Gothic-Parties statt.

Vampyr-Sigils mehrerer Clans, darunter das Bladed Ankh. Oben links: Schlüssel zur Unterwelt - Schlüssel zum Himmel - Fangzähne - Schlüssel zur Hölle; untere Reihe: Sanguine (Bladed) Ankh - Schlüssel zu Arkadien - Amulett des Himmels - Amulett der Hölle

Das Sigil zeigt an, zu welchem Clan der Träger/die Trägerin gehört. Es kann auch verraten, welchen Status der Träger/die Trägerin innehat. Ist beispielsweise die Delle im Bladed Ankh leer, hat Mensch einen Novizen vor sich. Ein eingeklebter roter Stein weist auf verfeinerte Erweckung und Einweisung hin.

Der in Clans gegossene Familien-Sinn der Manhattener Vampire ist übrigens nicht nur spirituell und Blut bringend, sondern auch eine soziale Notwendigkeit. Die meisten Jüngeren sind in Manhattan entweder ohne Familie gestrandet oder bestenfalls von black swans umgeben. Das sind Menschen, die um die Sonderlichkeit des betreffenden Vampirs zwar wissen, diese Abweichung aber bloß hinnehmen, ohne sie aktiv zu unterstützen. Ein Clan oder Coven ist also auch Familien-Ersatz für Freaks.

Wie zu jeder echten Familie gehören zu den Clans Vater-Figuren, die Elders. Sie leben das, was andernorts nur im harmlosen Rollenspiel im Wohnzimmer geschieht, gerne live vor. Als beispielsweise Father Sebastian, der Nestor der Manhattener Vampire, im Jahr 1998 auf Einladung der Eulenspiegel Society einen Vortrag über den Unterschied zwischen Gothic, Fashion Vampires und echten Vampyren hielt, tat er dies in seinem mitgebrachten Thron sitzend und von zwei zu seinen Füßen sich recht nackt aalenden Schönen umgeben. Wie man sieht, greifen die U.S.-Vampire in ihrer Selbst-Inszenierung nicht auf die Klassiker von Murnau bis Coppola10 zurück, sondern suchen sich frischere Vorlagen. Dem Europäer können sich dabei die Haare sträuben: Beispielsweise wird der Film Interview mit einem Vampir von vielen schwarzen Jugendlichen in den USA mangels tieferer Kenntnis als erste und damit ursprüngliche Vampir-Geschichte angesehen.

Die schon erwähnten Fertiger aufsteckbarer Zähne, family dentists genannt, haben in den Vampir-Clans eine besondere Rolle. Als Handwerker und Künstler können sie außerhalb der Hierarchie stehende Berater sein, die Vampiren den Weg weisen. Sie haben gleichsam Zauberkräfte (Verwandlung des Gebisses, Erweckung) und kennen überdies Fährnisse, die sie bereits selbst durchschritten haben – in etwa das Motiv des Gandalf aus dem Herrn der Ringe.

Gewollt fließende Grenze zwischen Gothic und Vampyren: Party-Flyer aus Manhattan, ca. 2004.

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