Читать книгу Happy Holidays - Mark G. Hauser - Страница 4

Zwei

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„Hast du eigentlich auch eine CD oder so etwas im Auto, Sam?“ Roy durchsuchte das Handschuhfach. Sam reagierte leicht irritiert. „Warum? Wir sind doch gleich da.“ „Naja“, hörte sie Jim aus dem Hintergrund, der nach langer Zeit doch von Anna ablassen konnte, die nun schon seit gut einer halben Stunde schlafend im Wagen saß. „Ich weiß ja nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber wir empfangen nur noch einen Sender. Und so leid es mir tut, Volksmusik ist nun wirklich nicht mein Ding.“Verwirrt sah Sam auf das Radiodisplay. Sie hatte sich so sehr auf den Weg konzentriert, dass ihr gar nicht aufgefallen war, dass ihr üblicher Rocksender verschwunden war und stattdessen eine Volksmusiksendung lief. Aber die beiden hatten Recht, wirklich Gefallen fand auch sie nicht an dieser Musik. „Ich müsste noch eine CD im Seitenfach in der Beifahrertür haben. Sieh doch mal nach, Roy.“ „Da ist keine CD. Genauso wenig wie im Handschuhfach.“ Mist, dachte Sam bei sich. Ihre Eltern hatten die CD wohl mal wieder aus dem Auto genommen, als sie den Wagen sauber gemacht hatten, dann scheinbar aber nicht wieder hineingelegt. „Dann versuch doch einfach, einen anderen Sender zu finden. Es gibt doch bestimmt auch noch andere.“ Roy schaltete durch die einzelnen Frequenzen, doch außer konstantem Rauschen war nichts zu hören. Nachdem er ein zweites Mal alle Sender ausprobiert hatte, sah er Sam fragend an. „Dann mach das Ding eben aus, ich muss mich aufs Fahren konzentrieren. Außerdem sollten wir in zehn Minuten sowieso bei der Hütte sein. Das schaffen wir jetzt auch noch ohne Musik.“ Roy schaltete das Radio aus und eine ungewohnte, merkwürdige Stille machte sich im Wagen breit. Sam wusste, dass das nicht lange so bleiben würde. „Hab ich euch den schon erzählt?“ sagte Roy plötzlich. Sam lächelte in sich hinein. Sie wusste, dass Roy die Stille hasste und dann lieber irgendwelchen Unsinn erzählte. „Jetzt geht das wieder los“, stöhnte Jim und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Versprich mir, dass du in den nächsten vier Tagen keinen Sparwitz erzählst, ja? Versprich es mir, Roy, bitte.“ Roy lächelte nur. „Was ist weiß…“ „Roy! Bitte!“ „…und versteckt sich hinter einem Baum?“ „Ich will es wirklich nicht wissen, Roy, ganz ehrlich. Mich interessiert das nicht.“ Anna rieb sich die Augen. „Was ist hier eigentlich los? Sind wir schon da?“ Sie gähnte. „Roy erzählt einen Witz“, antwortete Jim genervt. „Also, was ist…“, begann Roy erneut. „Nein, Roy, bitte nicht“, flehte nun auch Anna. Sam musste lächeln. Sie mochte Roys Witze auch nicht besonders, war jedoch beeindruckt, wie er sich zu keiner Zeit beirren ließ. In dem meisten Fällen wurde er seinen Witz los, ob sein Zuhörer wollte oder nicht. „Ratet doch wenigstens einmal“, sagte Roy und blickte zu Sam hinüber. Sie versuchte die Situation zu einem Ende zu bringen. „Ach, Roy. Wir wissen es nicht. Sag schon.“ „Jetzt ratet schon.“ Jim sagte leise zu Anna: „Wenn er so weiter macht, ist es seine Leiche, die da hinter dem Baum steht.“ Anna lachte laut auf. „Jim, hör auf, mit sowas macht man keinen Spaß. Aber lustig ist es schon.“ Auch Sam musste lachen. Nur Roy schien beleidigt zu sein. „Ihr seid Idioten. Alle.“ „Ach komm schon, Roy, jetzt sei nicht gleich eingeschnappt. Wir sind doch auch gleich bei der Hütte.“ Sam verließ die Landstraße und bog auf einen Feldweg ein, der in den Wald und noch weiter auf den Berg hinauf führte. Überall lag Schnee, der Weg selbst war jedoch gut geräumt. Jim fuhr sich durch die Harre und zog die Augenbrauen hoch. „Wow. Wir sind ja hier wirklich irgendwo im nirgendwo.“ Sam blickte in den Rückspiegel. „Natürlich, das war doch so geplant, oder nicht?“ „Klar, natürlich“, antwortete Jim. „Aber ich bin überrascht, dass es doch so weit draußen ist. Ich meine, der nächste Ort ist gut fünf oder sechs Kilometer entfernt.“ „Na und? Wir haben doch genügend Vorräte eingepackt und es sind doch nur vier Tage.“ „Genau“, stimmte Anna zu. „Die vier Tage sind doch kein Problem. Das wird uns allen gut tun, wenn wir mal nichts von der Außenwelt mitbekommen. Du hast einen guten Ort ausgesucht, Sam.“ Sam lächelte. Auf Anna war eben doch Verlass. „Danke, Anna. Aber warten wir erst mal ab, wie uns die Hütte gefällt.“ Der Kombi kraxelte weiter den Weg durch den Wald hinauf und nach einigen Minuten und zahlreichen Kurven war die Berghütte auf einer kleinen Lichtung zu sehen. Sie parkten vor dem Haus, stiegen aus und streckten sich erst einmal. Anna fragte: „Wollen wir die Sachen gleich ausladen oder uns erst in der Hütte umsehen?“ Jim sah sich um. „Guter Gott, hier ist ja wirklich gar nichts.“ „Genau, wie wir es geplant hatten“, sagte Sam. „ Ich würde vorschlagen, wir sehen uns als erstes die Hütte an.“ Sie zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und ging zur Tür. Die Hütte bestand aus Holz und wirkte, als hätte sie schon vielen heftigen Wintern getrotzt. Sam schloss die Tür auf und ging hinein. Die anderen folgten ihr. Rechts neben der Tür befand sich eine kleine Garderobe, ansonsten standen sie direkt im Wohnzimmer. Ein paar Schritte entfernt befand sich auf der rechten Seite der Durchgang zur Küche, mitten im Wohnzimmer ein langes Sofa mit einem Couchtisch, direkt gegenüber ein Kamin mit einer offenen Feuerstelle. Ein Stück weiter stand ein kleiner Wagen, auf dem ein alter Fernseher ruhte. Weiter auf der linken Seite gab es noch drei Türen. Dort waren eine Abstellkammer, ein Badezimmer und ein Schlafzimmer. Links neben der Haustür führte eine Holztreppe nach oben, wo sich drei weitere Schlafzimmer direkt unter dem Dach befanden. Roy ächzte: „Oh man, seht euch nur diesen alten Fernseher an. Der ist ja noch aus den Fünfzigern.“ „Wen kümmert das schon, Roy?“, sagte Sam. „Ich finde es ziemlich gemütlich hier.“ „Recht hast du“, pflichtete ihr Anna bei. „Ich finde, es hat Charme. Was meinst du, Jim?“ Jim sah sich um. „Doch, ist nett hier. Wie wollen wir die Zimmer aufteilen?“ Roy sah ihn an. „Sag bloß, du willst schon wieder…?“ „Nein“, antwortete Jim gelangweilt. „Aber irgendwo sollten wir doch unsere Sachen unterbringen, oder willst du alles hier einfach ins Wohnzimmer werfen?“ „Jim hat Recht“, meinte Sam. „Wollt ihr in ein bestimmtes Zimmer?“ Jim sah Anna an. „Ich denke, wir nehmen das Zimmer hier unten, wenn ihr nichts dagegen habt?“ „Nein, kein Problem“, antwortete Sam. „Dann gehen Roy und ich nach oben. Aber seid nicht zu laut.“ Sam zwinkerte Anna zu. „Hast du wohl Angst, wir könnten euch beide übertönen?“ Jim grinste frech zurück. Wieder wurde Sam rot. Schon wieder hatte er sie auf dem falschen Fuß erwischt. Doch auch dieses Mal kam sie um eine Antwort herum, da die anderen schon wieder auf dem Weg hinaus zum Wagen waren, um ihr Gepäck auszuladen. Als Sam ebenfalls nach draußen ging, bemerkte sie, dass es bereits zu schneien begonnen hatte. Sie sah nach oben und unzählbar viele dicke, weiße Flocken kamen ihr entgegen. Gutes Timing, gerade rechtzeitig, dachte sie bei sich und ging zum Wagen, aus dem die anderen drei bereits ihre Taschen ausluden. Voll gepackt schleiften sie ihre Sachen in die Hütte und bezogen die einzelnen Schlafzimmer. Während Anna und Jim ihre Taschen in das Schlafzimmer im Erdgeschoss trugen, schleppten Sam und Roy ihr Gepäck nach oben. „Warum haben wir eigentlich vier Schlafzimmer? Drei hätten doch gereicht“, keuchte Roy, als sie die Treppe hinaufstiegen. „Ich weiß“, antwortete Sam. „Aber das war die einzige Hütte, die noch kurzfristig zu haben war. Außerdem kostet sie nur geringfügig mehr, weil sie eben so abgeschieden liegt. Wenn dir das zu viel ist, kann ich ja deinen Anteil der Mehrkosten übernehmen. Wie gesagt, so viel ist das nicht.“ Sie waren beide oben angekommen und standen vor den Schlafzimmertüren. Sam sah Roy kurz fragend an, da dieser sich scheinbar entschlossen hatte, sich direkt neben Sam einzuquartieren. Eigentlich hatte sie erwartet, dass ein Zimmer zwischen ihnen beiden frei bleiben würde, doch nun schliefen sie quasi Wand an Wand. Sam wusste nicht wirklich, was sie davon halten sollte. Roy riss sie aus ihren Gedanken. „Nein, ist schon in Ordnung, ich kann das schon bezahlen. Ich war nur neugierig.“ Im ersten Moment wusste Sam schon gar nicht mehr, worum es ging, so tief hatte sie sich in den Gedanken verirrt. Doch sie fand schnell ihre Fassung wieder. „Gut. Dann würde ich sagen, wir packen erst einmal aus und treffen uns dann in zwanzig Minuten unten, ja?“ „Guter Plan“, antwortete Roy. „Dann habe ich noch ein wenig Zeit. Vielleicht finde ich doch noch einen Winkel in dieser Bude, in dem mein Handy Empfang hat.“ Sam lächelte und schüttelte abermals den Kopf, während sie ihr Zimmer betrat. Sie stellte ihre Tasche mitten in den Raum und sah sich erst einmal um. In der Ecke stand ein Bett, direkt daneben befand sich ein Fenster. Außer Wald war zwar nichts zu sehen, das würde sie aber für die paar Tage nicht weiter stören. In der Ecke auf der anderen Seite befand sich ein kleiner Tisch mit einer Sitzgarnitur unterhalb der Dachschräge. Hinter ihr neben der Tür befand sich ein leerer Schrank. Sam war mit der Wahl ihres Zimmers zufrieden. Froh, endlich ihrem Alltag entflohen zu sein und die Anfahrt gut überstanden zu haben, streckte sie sich noch einmal und fuhr sich durch die gelockten, schwarzen Haare. Sie fühlte richtig, wie sich die Glücksgefühle langsam aus ihrem Versteck heraus wagten. Viel zu lange waren sie dort schon im Dunkeln gelegen, endlich durften sie wieder Tageslicht sehen. Das würden ein paar herrliche Tage werden. Sie beugte sich zu ihrer Tasche hinunter und kramte einen Bettbezug hervor. Sie würde nur schnell ihr Bett beziehen, die restlichen Sachen konnte sie dann auch später noch aus ihrer Tasche holen. Vielleicht würde sie auch ihr sonst so ordentliches Leben für ein paar Tage komplett vergessen und einfach aus der Tasche leben. Sie musste lächeln. Welch revolutionärer Gedanke. Das würde sie sich noch überlegen. Sie ging hinüber zum Bett, legte dort den Bezug ab und öffnete dann das Fenster. Die frische Waldluft strömte sofort in das Zimmer und vertrieb den abgestandenen Geruch, der sich in den letzten Wochen in dem Zimmer gebildet haben musste. Sam blieb am Fenster stehen und atmete einige Male tief durch. Ein paar Schneeflocken flogen durch das offene Fenster, überlebten in der Wärme des Raumes jedoch nur ein paar Sekunden. Sie blickte an der Holzwand hinunter. Allzu hoch war es von hier aus nicht. Sie überlegte, wie viele Meter es wohl bis zum Boden waren, doch der Schnee machte es quasi unmöglich, von hier aus eine ungefähre Höhe zu bestimmen. Sie konnte zwar erkennen, dass er auf der Rückseite des Hauses bis knapp unterhalb des Fensters lag, wie hoch das allerdings war, konnte sie nicht feststellen. Aber eigentlich war ihr das im Moment auch egal, wie so vieles andere auch. Sie wollte einfach ein paar sorglose Tage verbringen. Wenn sie wieder zu Hause war, hatte sie wieder genug Dinge, um die sie sich kümmern musste. Jetzt aber würde sie erst einmal ihre Freiheit genießen. Sie begann, ihr Bett zu überziehen und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie dabei zuletzt so viel Spaß gehabt hatte. Sam war nicht sonderlich überrascht, dass ihr kein Moment einfiel, was ihre Laune nur noch verbesserte. Vergnügt machte sie ihr Bett fertig, blickte sich nochmals in dem Zimmer um und ging nach unten. Was für ein wunderschöner Tag.


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